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ID0821401000

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    6. Bundesinnenminister.: 1
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    Plenarprotokoll 8/214 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 214. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 24. April 1980 Inhalt: Begrüßung einer Delegation der schweizerischen Bundesversammlung 17151 A Beratung des Antrags des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz über die Prozeßkostenhilfe — Drucksache 8/3905 — Kleinert FDP 17151 B Beratung des Antrags des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz über Rechtsberatung und Vertretung für Bürger mit geringem Einkommen (Beratungshilfegesetz) — Drucksache 8/3906 — Kleinert FDP 17152 A Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Konrad, Frau Dr. Hartenstein, Schäfer (Offenburg), Wittmann (Straubing), Brandt (Grolsheim), Egert, Ibrügger, Dr. Jens, Liedtke, Müller (Schweinfurt), Dr. Penner, Dr. Schäfer (Tübingen), Dr. Schmidt (Gellersen), Dr. Wernitz, Wolfram (Recklinghausen), Dr. Wendig, Wolfgramm (Göttingen), Kleinert, Paintner, Dr. Zumpfort, Wurbs, Angermeyer, Frau Matthäus-Maier und der Fraktionen der SPD und FDP Umweltpolitik — Drucksachen 8/3279, 8/3713 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Abfallbeseitigungsgesetzes — Drucksache 8/3887 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. von Geldern, Dreyer, Sick, Dr. Narjes, Nordlohne, Dr. Köhler (Wolfsburg), Schröder (Lüneburg), Dr. Jobst, Pfeffermann, Feinendegen, Hanz, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Dr. Reimers, Damm, Metz, Blumenfeld und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU Maßnahmen zur Verhinderung von Tankerunfällen und zur Bekämpfung von Ölverschmutzungen der Meere und Küsten — Drucksachen 8/2692, 8/3725 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU Umweltvorsorge — Drucksache 8/3936 — II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 214. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. April 1980 Konrad SPD 18153 A Dr. Riesenhuber CDU/CSU 17157D Wolfgramm (Göttingen) FDP 17161 D Baum, Bundesminister BMI 17165 D Dick, Staatsminister des Freistaates Bayern 17173B Schäfer (Offenburg) SPD 17181 D Schwarz CDU/CSU 17184D Dr. Zumpfort FDP 17186B Volmer CDU/CSU 17188D Frau Dr. Hartenstein SPD 17190B Dr.-Ing. Laermann FDP 17194A Biechele CDU/CSU 17197A Dr. Gruhl fraktionslos 17199B Dr. von Geldern CDU/CSU 17201 C Paterna SPD 17203 D Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 17. Juni 1977 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Norwegen über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen und anderer Schuldtitel in Zivil- und Handelssachen — Drucksache 8/3864 — 17205 D Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ausführung des Vertrages vom 17. Juni 1977 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Norwegen über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen und anderer Schuldtitel in Zivil- und Handelssachen — Drucksache 8/3865 — 17205 D Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 20. Juli 1977 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen — Drucksache 8/3866 — 17205 D Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ausführung des Vertrages vom 20. Juli 1977 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen — Drucksache 8/3867 — 17206A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu der in Genf am 13. Mai 1977 unterzeichneten Fassung des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken — Drucksache 8/3886 — 17206A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Siebzehnten Gesetzes zur Änderung des Zollgesetzes — Drucksache 8/3870 — 1706A Beratung der Sammelübersicht 65 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 8/3897 — 17206B Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch den Bundesminister der Finanzen Überpla unäßige Ausgabe bei Kap. 25 02 Tit. 882 02 — Prämien nach dem Wohnungsbauprämiengesetz — Drucksachen 8/3516, 8/3839 — . . . 17206C Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch den Bundesminister der Finanzen Überplanmäßige Ausgabe bei Kap. 60 06 Tit. 686 18 — Beitrag zum Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft — Abt. Ausrichtung — zur Abwicklung des Rückvergütungsverfahrens —— Drucksachen 8/3513, 8/3840 — . . 17206C Nächste Sitzung 17206 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 17207* A 214. Sitzung Bonn, den 24. April 1980 Beginn: 16.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete (r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein 25. 4. Dr. Ahrens** 25. 4. Dr. van Aerssen* 25. 4. Dr. Aigner * 25. 4. Alber* 25. 4. Dr. Bangemann* 25. 4. Dr. Bardens** 25. 4. Blumenfeld* 25. 4. Böhm (Melsungen) ** 25. 4. Frau von Bothmer** 25. 4. Büchler 25. 4. Büchner (Speyer) ** 25. 4. Conrad 25. 4. Dr. Dollinger 25. 4. Egert 24. 4. Dr. Enders** 25. 4. Dr. Evers** 25. 4. Fellermaier* 25. 4. Flämig* 25. 4. Friedrich (Würzburg) * 25. 4. Dr. Früh * 24. 4. Dr. Fuchs* 25. 4. Dr. George 25. 4. Gertzen 25. 4. Dr. Geßner** 25. 4. Handlos** 25. 4. Hansen 25. 4. Höffkes 25. 4. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete (r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Holtz ** 25. 4. Katzer 25. 4. Kittelmann** 24. 4. Dr. Klepsch 25. 4. Lagershausen** 25. 4. Lampersbach 24. 4. Lange* 24. 4. Lemmrich** 25. 4. Lenzer** 25. 4. Dr. Luda 25. 4. Luster * 24. 4. Marquardt** 24. 4. Dr. Marx 25. 4. Matthöfer 25. 4. Mattick** 25. 4. Dr. Mende** 25. 4. Dr. Müller** 25. 4. Pawelczyk** 25. 4. Reddemann** 25. 4. Russe 24. 4. Dr. Schäuble** 25. 4. Scheffler** 25. 4. Frau Schleicher* 25. 4. Schmidt (Wattenscheid) 25. 4. Schmidt (Würgendorf) ** 25. 4. Dr. Schwencke (Nienburg) * 25. 4. Seefeld* 25. 4. Sieglerschmidt* 25. 4. Sybertz 25. 4. Tönjes 25. 4. Frau Tübler 25. 4. Dr. Vohrer** 25. 4. Frau Dr. Walz 25. 4. Wawrzik* 25. 4. Wischnewski 25. 4. Zebisch 25. 4.
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    Rede von Torsten Wolfgramm


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Herr Kollege Dr. Riesenhuber, es ist sicher richtig, daß der Umweltschutz bei der Menschheit schon immer eine Rolle gespielt hat. Aber die Frage ist: Wie intensiv, unter welcher Programmatik und unter welcher globaler Strategie? Schon die alten Römer haben eine Kanalisation eingeführt, weil sie sich bewußt waren, daß Menschen, die in einer 1-Millionen-Stadt zusammengepfercht sind, nicht ohne einen solchen Schutz auskommen können.
    Aber ich darf darauf hinweisen, daß diese Bundesregierung 1971 zum erstenmal ein umfassendes und anspruchsvolles Umweltschutzprogramm vorgelegt hat. Wir haben unseren Part dazu beigetragen; denn wir haben vorher auf dem Freiburger Parteitag — ebenfalls als erste Partei — ein solches Programm verabschiedet. Die tragenden Gedanken dieses FDP-Konzepts und des Umweltschutzprogramms der Bundesregierung sind in der Zwischenzeit weitgehend in den Gesetzen verwirklicht worden; sowohl im Abfallbeseitigungsgesetz wie im Benzinbleigesetz — das ja übrigens inzwischen eine besondere Vorreiterrolle in der Europäischen Gemeinschaft spielt—, im Immissionsschutzgesetz, im Wasserhaushaltsgesetz und in Waschmittel-, Natur- und Landschaftspflegegesetzen. Ich darf für meine Fraktion positiv unterstreichen, daß die Regierung das Verursacher- und Vorsorgeprinzip konsequent umgesetzt hat. Diese Gesetze haben vieles aufhalten können, was sich auf dem Weg einer ganz erheblichen Verschlechterung befand.



    Wolfgramm (Göttingen)

    Sie haben auch Verbesserungen bringen können, zum Teil entscheidende Verbesserungen. Aber sie sind nur ein Teil auf dem Wege der Gesamtstrategie des Umweltschutzes. Hier sehe ich in diesem Hause eine grundsätzliche und positive Übereinstimmung. Diese Gesamtstrategie kann sich nicht darin erschöpfen, den Status quo zu erhalten oder an einigen Stellen drohende Verschlechterungen zurückzudrängen, sondern wir müssen langfristig dazu kommen, eine akzeptable Umweltsituation zu erreichen.
    Die Umweltbelastung ist in weiten Bereichen noch beängstigend. Weder ist der staubfreie und schadstofffreie Himmel über der Ruhr erreicht, noch ist in absehbarer Zeit zu erwarten, daß das Wasser in unseren Flüssen Trinkwasserqualität hat; das Beispiel des Bodensees vielleicht ausgenommen. Sie, Herr Dr. Riesenhuber, und die Opposition helfen uns in diesem Punkt der Wasserqualität gar nicht. Darauf werde ich noch eingehen.
    Im Zusammenhang mit dem Umweltschutz und den Möglichkeiten, die wir im Augenblick anbieten können, stellt sich die Frage nach der Lebensqualität für den Menschen. In diesem Zusammenhang, Herr Kollege Riesenhuber, bin ich der Meinung, daß ein „grüner Baum" als gepflegter Gasthof einen ganz besonderen Stellenwert für Lebensqualität hat.

    (Dr. Riesenhuber [CDU/CSU]: Wenn Sie vom Bier reden, ja, aber nicht beim Umweltschutz! — Heiterkeit)

    Der technische Fortschritt brachte Wohlstand. Er brachte die Seuchenbekämpfung, die Steigerung des Lebensalters. Er brachte uns ein umfassendes Sozialnetz, das aus Mitteln finanziert wurde, die aus der gewachsenen Steuerkraft kamen. Er brachte uns ein vermehrtes schulisches Ausbildungsangebot. Auch da könnten Sie uns sehr viel intensiver unterstützen, Herr Kollege; aber wir wollen hier keine bildungspolitische Debatte führen.

    (Zuruf des Abg. Dr. Riesenhuber [CDU/ CSU])

    Mit der Position, daß Sie inzwischen dazu übergehen, Gesamtschulabschlüsse nicht mehr anzuerkennen, tragen Sie nicht dazu bei, die Lebensqualität der Bürger zu verbessern.
    Die Frage ist also: Ist das ausreichend, was wir hier gewonnen haben? Welchen Preis müssen wir dafür zahlen? Unsere Bürger können erwarten, daß zu einem menschenwürdigen Dasein gehört, daß man frei atmen kann, ohne die Furcht haben zu müssen, Schadstoffe aufzunehmen, daß man Wasser trinken kann, ohne die Furcht haben zu müssen, sich mit Stoffen zu vergiften, daß man essen kann, ohne Gefahr zu laufen, Blei oder Kadmium oder andere kumulativ wirkende Giftstoffe aufzunehmen. Der Bürger hat ein Recht darauf, nicht von Motor- und Maschinenlärm gestört zu werden.
    Vegetation und Tierwelt sind gefährdet, und die Ausbeutung der unbelebten Natur durch den Abbau nicht erneuerbarer mineralischer und fossiler Rohstoffe ist deutlich. Wir versuchen, etwas für 50 Jahre aufzuhalten und zu strecken. In diesem Zusammenhang erlaube ich mir die Anmerkung: Wenn wir in 4 000 Jahren Menschheitsgeschichte mit den vorhandenen Ressourcen ausgekommen sind, dann erscheinen 50 Jahre für die Zukunft etwas wenig. Wir müssen zusätzlich Überlegungen anstellen, wie wir Austauschrohstoffe schaffen und zusätzlich zu anderen Verbindungen kommen, um nicht nur für 50 oder 60 Jahre in dem einen oder anderen Fall die Rohstoffposition zu strecken .und es unseren Nachfolgern, unseren Enkeln, zu überlassen, welche Antwort sie auf die verminderte Rohstoff- und damit auf die verminderte Lebensgrundlage finden.
    Das Wort Ökologie kommt von dem griechischen Wort Oikos: Haus oder Hausgemeinschaft. Daran sehen wir etwas deutlicher, daß sich die menschliche Existenz hier in bestimmte Zusammenhänge einfügt. Dieser Komplex, den wir hier Ökosystem nennen und der sich auch in einzelne Ökosysteme abgrenzt — Organismen und unbelebte Materie — ist aber für uns noch weitgehend unerforscht. Die Kenntnisse über diese Systematik sind zu gering. Wir können bisher noch keine Antworten darauf finden, wie sich Einzelmaßnahmen — von uns isoliert als unschädlich oder in ihrem Stellenwert jedenfalls als nicht beachtenswert angesehen — insgesamt in diesem System auswirken.
    Es wird deutlich, daß der Mensch in intakte Lebenskreisläufe von anorganischen Stoffen, Pflanzen und Tieren eingebettet ist. Der Unterschied ist, daß der Mensch bewußt gestaltet; denn kulturelles und geschichtlich bezogenes Wissen heißt sich verwirklichen mit Zielen und Zukunftserwartungen. Diese bewußte Gestaltung greift in die Umwelt ein. Sie bietet aber auch die Möglichkeit, nicht nur physisch zu überleben. Ich meine, das, was wir mit dem Begriff Menschenwürde bezeichnen können, ist etwas, was wir den Nachfolgern erhalten müssen, was wir ihnen in stärkerem Maße wiedergeben müssen. Denn diese Position erschöpft sich ja nicht in dem, was wir uns als Wohlstand, als Konsumgesellschaft vorstellen.
    Vieles, was technisch machbar ist, ist und bringt keine Lebensqualitätsverbesserung. Ich erinnere an das Beispiel Concorde, die die Vereinigten Staaten in einer um eine Stunde kürzeren Zeit erreicht, aber unter einer ganz erheblichen zusätzlichen Luftverschmutzung. Ich stelle mir vor, daß es für Urlauber kein Gewinn ist, wenn sie die Erholung, die sie in der Urlaubszeit gewonnen haben, bei dem Streß der Rückfahrt in den Kolonnen auf den Autobahnen wieder verlieren. So können Sie diese Beispiele — Ihr Generalsekretär hat neulich einen Aufsatz über Freizeitverhalten geschrieben — fortsetzen.
    Carl Friedrich von Weizsäcker hat einmal gesagt, daß eine der negativen seelischen Wirkungen der technischen Kultur gerade die Konsumentenmentalität und damit die Unwilligkeit zur Teilhabe an der Verantwortung ist. Es wird an uns sein, nicht nur durch blitzende und strahlende Appelle, sondern auch durch eine Umgestaltung unserer Wertvorstellungen hier diese Abhängigkeit zu vermeiden und zu einer echten Lebensqualität zurückzukehren.
    Der Club of Rome, der hier schon zitiert worden ist, hat dazu bemerkenswerte Überlegungen angestellt. Sicher sind aber nicht alle Voraussagen, die ja



    Wolfgramm (Göttingen)

    schon einige Zeit zurückliegen, eingetroffen, wie ja überhaupt die Frage der Prognose problematisch ist. Die „Zeit" hat vor einigen Jahren eine Veröffentlichung gebracht, in der sie einmal die Prognosen des Jahres 1965 dargestellt hat. Von diesen Prognosen sind bis auf ganz wenige keine eingetroffen. Auf der einen Seite hat man die Dinge zu intensiv gesehen und hat technische Entwicklungen betrachtet, die an den Problemen überhaupt vorbeigehen. Auf der anderen Seite hat man sich in der Machbarkeit der technischen Möglichkeiten ganz erheblich getäuscht.
    Wir werden den Weg nicht zurückgehen können. Wir werden nicht Fabriken und Maschinen stillegen können. Wir wollen unser Sozialnetz erhalten. Wir wollen die Möglichkeiten der Bildung — der Ausbildung und der Fortbildung — erhalten. Wir wollen dem Menschen die Vielfalt der Chancen erhalten und weiter ausbauen; denn nur auf diesem Wege kann er sich selbst verwirklichen. Aber es wird bedeuten, daß wir eine umfassende Verzahnung aller künftigen Entwicklungen im technischen Bereich und deren Auswirkungen im gesellschaftlichen Bereich besonders berücksichtigen. Ich erinnere daran, daß wir in der Enquete-Kommission „Zukünftige Kernenergie-Politik" die Auswirkungen auf die gesellschaftlichen Möglichkeiten und Verwerfungen ausdrücklich mit einbezogen haben, daß wir diese Auswirkungen auf die Umwelt abstimmen und Verhaltensveränderungen beim Bürger zu erzielen suchen.
    Wohlstand ist kein Lebenszweck an sich. Die Steigerung des Bruttosozialprodukts ist kein Wertmesser für Lebensqualität. — Herr Kollege Riesenhuber, Sie haben sich in Ihren etwas weitgreifenden Ausführungen auch zur Verschuldungspolitik und zur Haushaltspolitik geäußert. Es hilft natürlich wenig, dies hier zu beklagen

    (Zuruf von der CDU/CSU: Obwohl das stimmt!)

    und auf der anderen Seite zusätzlich Anträge in Milliardenhöhe zu stellen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Dann müssen Sie das auch seriös unter sich abstimmen. Daran sehen wir wieder, wie unterschiedlich die Motivation in Ihrer Fraktion ist. Sie müssen da einmal zu einem gemeinsamen Konsens kommen.

    (Dr. Riesenhuber [CDU/CSU]: Legen Sie einmal vor, was Sie streichen wollen!)

    — Das ist dann Ihre Sache, wenn Sie hier 1,3 Milliarden DM zusätzlich fordern und in einem Atemzug andererseits die Verschuldensposition beklagen.

    (Sehr richtig! bei der FDP)

    Ich meine aber — das möchte ich hier ganz deutlich sagen —, die Verschmutzung des Rheins ist dieselbe wie die der Moldau. Es zeigt sich hier klar, daß planwirtschaftliche Systeme in keiner Weise besser in der Lage sind, mit den Problemen des Umweltschutzes und mit den daraus resultierenden nötigen
    Veränderungen und Wandlungen des Bewußtseins der Bürger fertig zu werden.

    (Daweke [CDU/CSU]: Im Gegenteil! Es ist noch schlimmer! Siehe DDR!)

    — Ich weiß, daß es in einigen Bereichen schlimmer ist; es mag sein, daß es in anderen Bereichen besser ist. Ich will jetzt kein pauschales abqualifizierendes Urteil fällen, aber ich will deutlich machen, daß es dort um keinen Deut besser ist.
    Nach unserer Meinung wird die marktwirtschaftliche Ordnung als einzige in der Lage sein, durch Anreize und durch die Möglichkeit, flexibler und rascher zu reagieren, diese Veränderungen zu vollziehen, allerdings — da scheint mir auch eine gewisse Differenzierung nötig zu sein — auch mit der Möglichkeit der begleitenden Kontrolle. Wir dürfen hier nicht blindes Vertrauen haben, denn die Folgen sind zu ernst. Wir werden das entsprechend kontrollieren müssen, wie wir das bei Recycling-Verfahren auch tun, und wenn sich herausstellt, daß Industrie und Wirtschaft nicht willens und in der Lage sind, das zu erbringen, was unumgänglich nötig ist, dann kann und darf es auch nicht an Gesetzen und Verordnungen fehlen. Ich erinnere an die Frage der Fluorchlorkohlenwasserstoffe, wo wir erwarten, daß eine sukzessive Reduzierung erfolgt. Aber wenn wir feststellen, daß eine solche Reduzierung nicht erfolgt, dann werden wir uns hier nicht nur mit gutem Zureden und einer Regelung auf freiwilliger Basis begnügen.
    Ich bin der Meinung, daß wir bei unserer Umweltschutzposition berücksichtigen müssen, daß etwa 18 % der Weltbevölkerung heute 60 % der Primärenergie aufbrauchen, nur um hier einmal ein Zahlenbeispiel zu nennen. Wir können nicht auf Kosten anderer Nationen der Dritten Welt unsere Möglichkeiten des Wohlstandes ausbauen und das Gefälle zwischen armen und reichen Nationen immer weiter vergrößern. Wir werden mit ihnen über einen vernünftigen und auch für sie annehmbaren Konsens sprechen müssen, und wir werden versuchen müssen, auch dort klarzumachen, daß sie die Fehler, die wir begangen haben, nicht wiederholen sollten. Ich erinnere hier an das Problem der Abholzung des Amazonas-Waldes, an die sich dadurch ergebende Klimaveränderung und an die geringen Möglichkeiten durch die Neugewinnung eines landwirtschaftlich nutzbaren Geländes für dieses Land. Wir werden also uneigennützig helfen müssen, indem wir durch einen entsprechenden Know-how-Transfer umweltfreundliche Technologie einbringen. Wir müssen auch ein Zeichen setzen, daß wir den Anteil von 0,7 % des Bruttosozialproduktes rasch und schnell erreichen wollen.

    (Zustimmung bei der FDP und der SPD)

    Wir wollen einen sparsamen Umgang mit Energie und mit den natürlichen Rohstoffen erreichen. Über das Verfahren des Recyclings, der Wiederverwendung, brauche ich mich, glaube ich, nicht ausführlich zu äußern.
    Wir wollen weg von der Wegwerf-Gesellschaft. Wir wollen wieder — und ich meine, das ist auch eine gesellschaftliche Frage — die Beziehung zu ei-



    Wolfgramm (Göttingen)

    ner Sache herstellen, bei deren Erwerb sich jemand eine lange Zeit dadurch engagiert hat, daß er Konsumverzicht geleistet hat. Es wäre nützlich, wenn in der Frage der Werterhaltung das Handwerk seine Fähigkeiten der Reparatur wieder stärker zur Geltung bringen könnte und nicht nur, wie das inzwischen üblich geworden ist, neue Maschinen, neue Installationen verwendet werden.
    Wir müssen das deutlich machen; denn wir sitzen alle in einem Boot. Niemand kann sich da ausschließen. Wir werden auch erleben — und dieser Bundestag steht in Kürze vor einer solchen Aufgabe; er wird den Generalverkehrsplan beraten —, wie an jeden Abgeordneten aus seinem Wahlkreis Wünsche im Hinblick auf zusätzliche Maßnahmen im Verkehrsbereich herangetragen werden, während auf der anderen Seite Initiativen von Bürgerinitiativen stehen werden, die sich dagegen wenden und mit Recht in vielen Fällen sagen: Wir möchten diese Umwelt erhalten, und wir wollen die Möglichkeiten der Mobilität in diesem Bereich nicht ausbauen, so wichtig Mobilität für unsere Gesellschaft auch sein mag.
    Wir wollen die Motivationen und die Innovationen fördern. Das bedeutet ein Umdenken bei den Behörden und bei den Bürgern.
    Niemandem wird es einfallen, von einer antiasketischen Gesellschaft, die wir sicher sind, in eine asketische Gesellschaft umsteigen zu wollen. Aber wir müssen die Relationen in jedem Fall prüfen. Wir müssen menschliche Phantasie und Fähigkeiten anregen, die es uns ermöglichen, die Richtung zu ändern.
    Die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage ist eine gute Antwort; denn sie stellt, wie ich finde, das bisher Erreichte sorgfältig und umfassend dar. Sie begründet meinen Dank an den Bundesinnenminister und die Mitarbeiter, an alle, die sich mit Engagement im Bereich des Umweltschutzes und seiner Verbesserung betätigt haben.
    Wir ermutigen den Bundesinnenminister, auch weiterhin den Kern des Umweltschutzes, das Verursacherprinzip und das Vorsorgeprinzip, bei allen anstehenden Vorhaben engagiert zu vertreten — wie bisher.
    Meine Damen und Herren, ich glaube, niemand hat vor zehn Jahren, nachdem das Umweltschutzprogramm verkündet war, erwartet, daß wir nach zehn Jahren solche Erfolge haben würden. — Sie kennen alle die Fülle der Erklärungen, die von der Opposition und auch von der Koalition abgegeben werden, deren Umsetzung sich aber in einem solchen Zeitraum nicht realisieren läßt. — Ich meine, das ist wirklich etwas, worauf wir stolz sein können. Aber es stehen eben noch wichtige Dinge zur Beseitigung der größten Schäden aus.
    Ich erkläre für meine Fraktion, daß wir das Umweltchemikaliengesetz noch in dieser Legislaturperiode verabschieden wollen, um einen ersten Einstieg in diese wichtige Materie zu leisten.

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Zuruf von der CDU/CSU: Große Worte!)

    Wir werden uns aber mit Nachdruck dagegen wenden, daß das Zustandekommen des Abwasserabgabengesetzes verzögert und dieses Gesetz verwässert werden soll.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Verabwässert!)

    Herr Kollege Riesenhuber, Sie haben dazu nur sehr marginal Stellung genommen.

    (Dr. Riesenhuber [CDU/CSU]: Wenn ich so lange reden könnte wie Sie, hätte ich das genauer gemacht!)

    Sie haben von Problemen bei der Durchführung gesprochen. Probleme bei der Durchführung haben wir, Herr Kollege Dr. Riesenhuber, bei jedem Gesetz. Wir werden kein Patentrezept für ein Testverfahren finden. Das wissen Sie genauso gut wie ich. Ihre Kollegen in der Unterkommission „Abwasserabgabengesetz" des Ausschusses haben sich intensiv mit diesen Fragen beschäftigt und sich um ein solches Verfahren bemüht. Wenn wir ein Patentrezept zur Prüfung hätten, hätten wir es natürlich eingebracht. So werden wir uns mit den Instrumentarien begnügen müssen — und das wollen wir auch tun —, die im Augenblick „Stand und Technik" sind. Wir werden es nicht hinnehmen, daß auf diese Weise durch die Länder Bayern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein und deren Ministerpräsidenten Strauß, Albrecht und Stoltenberg versucht wird, das Zustandekommen eines so wichtigen Gesetzes zu verzögern. Sie können das mit einem Blick erkennen, wenn Sie sich einmal die Gewässergütekarte betrachten. Die Gewässergütekarte enthält zur Unterscheidung der Wasserqualität die Farben blau, grün, gelb und rot. Dabei ist blau eine Wasserqualität, wie sie für den Bodensee beschrieben wird und die man natürlich auf dieser Gewässergütekarte nur ganz marginal findet. Wir wären schon froh, wenn sich der grüne Anteil ganz erheblich vergrößern würde — das würde durch dieses Wasserabgabengesetz erreicht —, im Gegensatz zu den gelben und roten, die nämlich beide bedeuten, daß starke und stärkste Verschmutzungen herrschen.

    (Schwarz [CDU/CSU]: Rot muß weg, da haben Sie recht!)

    — Ja, dazu können Sie beitragen, wenn Sie Ihren Einspruch und Ihren Initiativgesetzentwurf zur Änderung des Abwasserabgabengesetzes zurückziehen.
    Übrigens muß ich bei diesem Punkt einmal sagen: Es ist eindrucksvoll, daß sich die Opposition, deren Konsens bei vielen wichtigen Umweltschutzgesetzen ich nicht bestreite, bisher profiliert hat, indem sie neun Gesetzesinitiativen zur inneren Sicherheit vorgelegt hat, aber nur eine Gesetzesinitiative im Bereich des Umweltschutzes, und genau die geht nun dahin, daß sie Verwässerungen und Verminderungen beim Abwasserabgabengesetz einbauen will.

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Dr. Laufs [CDU/CSU]: Schauen Sie sich mal die Gewässergütekarte in Baden-Württemberg an!)




    Wolfgramm (Göttingen)

    — Herr Kollege Dr. Laufs, ich möchte Ihnen folgendes sagen: Es ist unredlich, und es ist auch unglaubwürdig, wenn Sie als Partei erst versprechen — sogar in Wahlprogrammen, ich habe das noch zu Hause liegen —, daß Sie für die Vollkompetenz des Gewässerschutzes eintreten, daß Sie dies dann aber nicht durchhalten, sondern diese Vollkompetenz verweigern und dann auch noch hergehen und sagen, dieses Abwasserabgabengesetz — das schon durch das Fehlen einer Vollkompetenz des Bundes eine mühsame Angelegenheit gewesen ist und bei dem bei der Beratung und Verabschiedung die Rechte mit den Ländern mühsam austariert und ausbalanciert wurden — wird aber vielleicht zu teuer —30 % Verwaltungskosten! Haben wir denn das Gesetz gemacht, damit entsprechende Beamte bezahlt werden? Entlassen wir etwa Polizisten, weil das Bußgeldverfahren ihre Gehälter nicht deckt? Das ist doch überhaupt nicht der Punkt gewesen. Der Punkt war, hier nach marktwirtschaftlichen Kriterien einen Anreiz zu geben, indem diejenigen, die dieses Gesetz verwirklichen, keine Abgabe auferlegt bekommen, während diejenigen, die das Gesetz nicht einhalten bzw. keine Kläranlagen bauen, eine entsprechende Abgabe zahlen müssen. Das halte ich allerdings für ein sehr marktwirtschaftliches und umweltschutzpolitisch erfolgreiches System.
    Nun hat eine ganze Reihe von Kommunen — die anders kalkulieren als die Wirtschaftsbetriebe — und auch von Wirtschaftsbetrieben dieses Gesetz inzwischen verwirklicht. Das heißt: sie haben sich Kläranlagen geschaffen, was ihre Abgabe entsprechend vermindern würde, wenn eine solche Abgabe in Kraft träte. Das Gesetz ist übrigens schon in Kraft; nur die Abgabenregelung ist noch nicht in Kraft, und die wollen Sie weiter hinauszögern. Ich halte es für unfair und für unredlich, wenn Sie, Herr Kollege Riesenhuber, hier von der Unglaubwürdigkeit unserer Programmatik gesprochen haben und nun sagen: Wir werden das alles wieder verändern, wir werden die Abgabenhöhe reduzieren, und im übrigen sind wir sowieso nicht der Meinung, daß das ganze Verwaltungsverfahren sinnvoll ist. — Ich halte das nicht für richtig. Sie müssen sich auch fragen, ob verbale Bekenntnisse in solchen Punkten für den Bürger eine glaubwürdige Position bedeuten. Wenn Sie hier mit Scheinargumenten kämpfen, dann müssen Sie sich zumindest vorhalten lassen, daß Sie in wichtigen Zielsetzungen des Umweltschutzes nur mit dem Gummischwert arbeiten.
    Sie haben sich übrigens in Ihrem Antrag über das Zustandekommen des Lärmschutzgesetzes lustig gemacht. Ich finde das auch nicht sehr eindrucksvoll. Sie alle wissen,- daß die Regierung einen Lärmschutzgesetzentwurf vorgelegt hat, den die Koalitionsfraktionen noch einmal um 3 dB verbessert haben. Jetzt geht die Opposition mit ihrer Mehrheit im Bundesrat her und verlangt die Wiederherstellung des ursprünglichen Entwurfs. Das nennen Sie dann „Umweltschutz", „Eintreten für Lärmschutz Auch das ist sehr eindrucksvoll, fällt genauso unter die Problematik des unredlichen und unglaubwürdigen Verhaltens in diesen Positionen.

    (Dr. Waigel [CDU/CSU]: Was? Ist ja unglaublich!)

    Wir von der FDP werden in Zukunft nicht auf unser Engagement in der Verbandsklage verzichten. Wir meinen, daß die Verbandsklage, die übrigens Vorläufer und vergleichbare Positionen hat — um das Argument einmal auszuräumen, es gebe nichts Vergleichbares —, eine stärkere Beteiligung der Bürger bedeuten wird und damit eine Art Waffengleichheit zwischen den Naturschützern und den Verwaltungsinteressen. Außerdem wird in diesem Punkt der Bürger oder ein Naturschutzverband mit einer Art heilsamen Zwang belegt, sich frühzeitig mit dem gesamten Verfahren zu beschäftigen und sich zu beteiligen. Für die Verwaltung entsteht die, meine ich, gute Position, daß sie bei Entscheidungen den Sachverstand der entsprechenden Verbände vorher konstruktiv für sich mit einbringen kann.
    Wir meinen auch, daß ein autofreier Sonntag nicht nur eine verbale Angelegenheit sein sollte. In einigen Positionen müssen wir auch dem Bürger einmal deutlich machen, daß wir ein sichtbares Zeichen setzen,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wie die FDP auf Parteitagen!)

    und hier kann man das einmal tun.
    Die Liberalen fordern das ökologisch verantwortbare Wachstum, aber mit Augenmaß, um der Wirtschaft den notwendigen Anpassungszeitraum zu lassen. Wir fordern, daß die Wirtschaft den Weg der Ressourcenschonung beharrlich weitergeht und ihn noch verstärkt. Aber wir wollen eine intensive Forschung über die Wechselwirkung von Stoffen, deren Auswirkungen wir bisher nicht genügend abschätzen können. Ich bitte die Bundesregierung und auch alle nachgeordneten Forschungsanstalten und -einrichtungen, sich dieser Frage zusätzlich und noch intensiver zu widmen. Es laufen eine Fülle von Projekten und Forschungsvorhaben. Aber ich meine, wir werden dort noch mehr Anstrengungen unternehmen müssen.
    Der internationale Umweltschutz wird uns herausfordern. Wir werden bei den grenzüberschreitenden Problemen noch mehr gemeinsame multilaterale und bilaterale Abkommen haben. Wir hoffen, daß bezüglich der Werraversalzung jetzt endlich gemeinsame Überlegungen und gemeinsame Lösungen gefunden werden können.
    Die Freien Demokraten begrüßen das Erreichte. Wir werden bei bereits verabschiedeten Gesetzen — wie bei Wasser und Lärm — keine Abstriche machen. Wir appellieren an die Verwaltung und an die Bürger, den Umweltschutz umfassend zu begreifen und Verhaltensänderungen vorzunehmen. Das wird viel Mühe kosten. Aber wir sind zuversichtlich, daß wir das Ziel erreichen können.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)



Rede von Richard Wurbs
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Herr Bundesinnenminister.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Gerhart Rudolf Baum


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung hat die Große Anfrage der Koalitionsfraktionen zum Anlaß genommen, eine Zwischenbilanz ihrer Umweltpolitik vorzulegen, die



    Bundesminister Baum
    nicht nur die Politik der Regierung war. Vielmehr ist es — das ist bereits gesagt worden, und ich sage es noch einmal an dieser Stelle — in vielen Teilen, in vielen Punkten eine Politik des gesamten Deutschen Bundestages.
    Die Umweltbilanz der Bundesregierung zeigt ebenso wie das Umweltgutachten 1978 des Rates von Sachverständigen, daß der vor zehn Jahren noch fast hoffnungslose Prozeß der Belastungen und Zerstörungen unserer Umwelt aufgehalten und in vielen Bereichen Verbesserungen erreicht worden sind. Diese Erfolge wären nicht ohne die engagierte Mitarbeit von Ländern und Gemeinden möglich gewesen. Herr Kollege Dick, ich sage das hier ausdrücklich. Ich möchte an dieser Stelle auch den Wissenschaftlern danken. Denn Umweltschutz ist nicht vollziehbar, ist überhaupt nicht zu konzipieren ohne wissenschaftliche Beratung. Diese mußte in unserem Lande und international überhaupt erst entwikkelt werden und wachsen. Ich danke also den Wissenschaftlern. Ich danke vor allem auch den Wissenschaftlern des Sachverständigenrates für Umweltfragen, der VDI-Kommission, der Deutschen Forschungsgemeinschaft und zahlreichen anderen Gremien, die kaum gesehen werden, wenn von Umweltschutz die Rede ist, die aber eine große Rolle spielen, gerade auch oft in kritischer Distanz zur amtlichen Umweltpolitik stehen, eine kritische Distanz, die wir im Urteil anderer brauchen.
    Umweltpolitik ist eine Daueraufgabe — das wurde hier schon gesagt —, die sich über Jahrzehnte hin kontinuierlich entwickeln muß, auch für die Wirtschaft vorhersehbar entwickeln muß, eine Jahrhundertaufgabe, wenn Sie so wollen, die nur im Grundkonsens mit allen Beteiligten erfolgreich gelöst werden kann.
    Kooperation ist auch gerade mit der Wirtschaft praktiziert worden, mit der Wirtschaft, meine Damen und Herren, deren Sachverstand bei der Konzeption neuer Umweltvorschriften, neuer Umweltideen vielfach unentbehrlich ist. Von Anfang an hat daher die Bundesregierung als Leitschnur das Kooperationsprinzip genommen. Sie hat den Dialog mit den Umweltverbänden, mit den Bürgerinitiativen, mit den Bürgern gesucht und auch komplizierte naturwissenschaftliche Zusammenhänge in einfacher und verständlicher Sprache zu erläutern versucht. Sie hat damit wesentlich, meine ich, zur Sensibilisierung unserer gesamten Bevölkerung für Umweltfragen, für Ressourcenschonung und Eigenverantwortung beigetragen.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Herr Kollege Riesenhuber, es engagieren sich sehr viele Bürger, Hunderttausende von Bürgern auch im Kontakt mit staatlichen Stellen für Umweltziele. Es ist nicht die große Resignation ausgebrochen, von der Sie am Schluß Ihrer Rede gesprochen haben. Wir sehen, daß auch diese Politik, die wir konzipiert haben, dazu beigetragen hat, viele Bürger zu veranlassen, aktiv und selbstverantwortlich Umweltschutz, auch im Kontakt mit staatlichen Stellen, zu betreiben. Ich weise auf die wichtige Funktion des Umweltbundesamtes hin, das ja auch Serviceeinrichtung für viele Vereinigungen der Bürger ist, die
    sich dort Rat und Sachverstand holen, am Sachverstand der Techniker und anderer Wissenschaftler partizipieren.
    Niemand bestreitet heute mehr: Unsere Industriegesellschaft muß umweltfreundlicher gestaltet, gedankenlose Verschwendung von wertvollen Rohstoffen muß aufhören, Artenvielfalt und unbeschädigte Landschaft müssen erhalten bleiben. Umweltpolitik, also genaugenommen der „Maßstab Natur", wird immer mehr zum Testfall sowohl für die Fähigkeit, unsere hochtechnisierte Industriekultur zu stabilisieren, als auch zur Bewährungsprobe für unsere demokratische Verfassungsordnung und für unsere freie Wirtschaftsordnung.
    Besonders für junge Menschen ist das Thema Umwelt Gradmesser für die Bereitschaft der politischen Parteien, Schwachstellen in unserer Industriekultur zu erkennen, ehrliche Lösungen zu finden. Das heißt, das Thema Umwelt ist ein Test für die Glaubwürdigkeit der Politik schlechthin.
    Warnungen vieler Wissenschaftler etwa vor allmählicher Zerstörung der lebensschützenden Ozonschicht oder vor krebsverursachenden Chemikalien, vor Überbelastung der Ökosysteme müssen auch in der Tagespolitik ernst genommen werden, und sie werden zunehmend ernster genommen.
    Der erste wichtige umweltpolitische Akzent in der sozialliberalen Koalition — Sie werden uns gestatten, meine Damen und Herren von der Opposition, auf das zurückzublicken, was wir gestaltet haben —, dieser erste Test für unsere Glaubwürdigkeit war das Umweltprogramm, das mein Amtsvorgänger Hans-Dietrich Genscher im Jahre 1971 vorgelegt hat. Es war das erste Umweltprogramm, das überhaupt eine Regierung Westeuropas vorgelegt hat.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Es ist mit der Unterstützung aller Parteien in diesem
    Hause heute weitgehend realisiert worden. Und seit
    damals sind ja nicht einmal neun Jahre vergangen.
    Neben der Reparatur der dringlichsten Umweltschäden ist mit diesem Programm in rechtlicher, in wissenschaftlicher und organisatorischer Hinsicht in Bund und Ländern ein solides Fundament für die Umweltpolitik der nächsten Jahrzehnte geschaffen worden. Mit einem breiten Netz wissenschaftlicher Beratung und mit Fachgremien, mit dem Umweltbundesamt in Berlin und Landesämtern für Umweltschutz mit zahlreichen Bundes- und Länderprogrammen sind die Voraussetzungen für ein allmähliches Neuorientieren aller Fachpolitiken geschaffen worden. Allerdings fehlt oft noch der Mut zur konsequenten ökologischen Orientierung einzelner Planungen und Maßnahmen. So, meine ich, muß der Bürger wissen, welches der wirkliche Trinkwasserpreis ist, und die sozialen Kosten des Autos sollten regelmäßig offengelegt werden.
    Auf der anderen Seite muß sich der Umweltschutz immer noch gegen falsche Unterstellungen zur Wehr setzen. So wird gesagt, er führe zur Gängelung der Wirtschaft und zur Bürokratisierung. Ich werde mich gleich mit Ihren Vorwürfen auseinan-



    Bundesminister Baum
    dersetzen, Herr Kollege Riesenhuber. Der Umweltschutz, so wird gesagt, sei verantwortlich für Investitionsstaus in der Wirtschaft, er behindere wichtige technologische Entwicklungen. Wir haben die Phasen dieser Diskussion erlebt, mal stärker, mal weniger stark. Wir haben versucht, uns davon nicht beirren zu lassen, sondern kontinuierlich fortzuschreiten.
    Wir haben uns im übrigen auch durch andere Bewegungen der politischen Landschaft nicht beirren lassen. Diese Bundesregierung hat das Programm, das sie 1976 diesem Bundestag vorgelegt hat, zügig und ohne Abstriche erfüllt und dem Parlament die entsprechenden Vorlagen zur Beschlußfassung übergeben. Sie hat auch die administrativen Maßnahmen getroffen, von denen sie am Anfang dieser Legislaturperiode gesprochen hat. Sie hat sich nicht beirren lassen, sie hat keine Ausschläge nach der einen oder anderen Seite zu verantworten. Sie ist auch niemandem nachgelaufen.
    Der Umweltschutz ist sehr häufig zum Prügelknaben für Tendenzen in unserer immer komplizierter werdenden Industriegesellschaft geworden, Tendenzen, die alle Lebensbereiche erfassen, von der Nichtdurchschaubarkeit großer Bürokratien oder der technischen Entwicklung bis zu den immer noch steigenden Erwartungen an den Staat, an seine sozialen und anderen Dienstleistungen. Die von der Opposition erneut in ihrem Entschließungsantrag beklagte Gesetzesflut ist auch eine Folge zunehmender Technisierung und Komplizierung unserer Gesellschaft. Entweder drastische Vereinfachung mit der zwangsläufigen Folge pauschaler und ungerechter Behandlung von Einzelfällen oder flexiblere und damit umfangreichere Vorschriften, die mehr Gerechtigkeit im Einzelfall ermöglichen: das ist das Dilemma, in dem wir uns befinden, nicht nur in dem Bereich, den wir heute diskutieren, sondern etwa auch in der Steuerpolitik.
    Wir sind allerdings sehr empfindlich, wenn unter dem Deckmantel der Bürokratiekritik Angriffe auf das Umweltvorsorgeprinzip selbst unternommen werden. Das ist eben bei dem Gesetz der Fall, das hier schon genannt worden ist, beim Abwasserabgabengesetz, wo es nur vordergründig um Bürokratiekritik geht, in Wahrheit aber um eine Abschwächung des Gesetzes.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Ich bin gern bereit, darüber zu reden, wie man Einzelheiten des Gesetzesvollzuges vereinfachen kann. Bitte, machen Sie Vorschläge! Immerhin hat ein Bundesland, das Land Nordrhein-Westfalen, mit den Stimmen der CDU-Opposition ein Wassergesetz verabschiedet, das den Vorstellungen Rechnung trägt, die wir hier alle im Abwasserabgabengesetz niedergelegt haben. Also so schlimm wird es schon nicht sein. Nordrhein-Westfalen hat praktikable Lösungen gefunden. Aber ich bin bereit, über Vorschläge zu sprechen. Nur bin ich nicht bereit, einer Abschwächung des Gesetzes das Wort zu reden, von dem wir alle das Gefühl hatten, auch die Mehrheiten im Bundesrat, auch die Opposition, daß es eigentlich nicht weit genug ging. Dieses Gefühl hatten wir doch. Wir haben Fristen eingeräumt, und wir haben
    die Abgabe so festgesetzt, daß im Grunde dieses Instrument noch sehr milde ausgefallen ist. Aber an die Abschwächung dieses Instruments sollte niemand herangehen. Wir werden uns entschieden dagegen zur Wehr setzen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Der Stellenwert des Umweltschutzes schlägt sich in den Aufwendungen für Investitionen und Betriebskosten in den letzten zehn Jahren nieder: weit über 120 Milliarden DM durch Staat und Wirtschaft, 1,4 % des Bruttosozialprodukts. Das ist mehr, als für den sozialen Wohnungsbau je aufgewandt wurde.
    Mit meinem Kollegen Graf Lambsdorff bin ich mir hinsichtlich der grundlegenden strukturpolitischen Bedeutung des Umweltschutzes einig. Die vom Staat aufgestellten Ziele und Orientierungen zwingen zu einer rascheren Anpassung an ökologische Eckwerte und Rahmenbedingungen und bewirken eine Änderung in der Zusammensetzung des Sozialprodukts. In einer Marktwirtschaft wie der unseren kann und darf es keine Umweltnutzung zum Nulltarif geben. Die Wirtschaft steht in einem ökologischen Pflichtenkreis. Dies wird zunehmend auch von der Industrie anerkannt. Wer die Ressource Umwelt, also Landschaft, Wasser, Luft, in Anspruch nimmt, muß dafür ebenso wie für jeden anderen Rohstoff bezahlen. Dies allein, meine ich, zwingt die Wirtschaft zum Umsteigen auf umweltfreundliche Projekte.
    Nicht nur Manager der Wirtschaft, sondern in vielleicht viel größerem Maße unsere Bürger haben begriffen, daß Umweltschutz Märkte von morgen schafft, zur Modernisierung unserer Wirtschafts- und Infrastruktur beiträgt und dadurch erst die Überlebensfähigkeit unserer hochentwickelten Industriekultur ermöglicht. Ohne Umweltschutzmaßnahmen könnten im Ruhrgebiet schon keine Standorte für die Industrie mehr gefunden werden. Ohne Umweltschutzmaßnahmen wäre es nicht möglich, weitere Abwässer in den Rhein zu leiten. Wir müssen sanieren, um überhaupt noch wirtschaftliches Wachstum mit Umweltfolgen verkraften zu können. Darüber hinaus hat besonders ein großer Teil unserer jungen Generation begriffen, daß Kulturstaat nur ein Gemeinwesen mit Respekt vor Naturordnungen ist.
    Schon jetzt findet eine Veränderung unserer Lebens- und Verbrauchergewohnheiten statt, sicher nicht nur aus ökologischer Einsicht, sondern auch unter dem Zwang der Bedingungen des Nachölzeitalters. Bei allen staatlichen Anstrengungen bleibt Umweltpolitik Stückwerk, wenn sie nicht mit der echten Bereitschaft einhergeht, Lebensgewohnheiten — etwa in der Form der privaten Autonutzung — in breiten Bevölkerungskreisen zu ändern. Umweltpolitik verlangt also Umdenken und Umschwenken, verlangt neue Empfindlichkeit gegenüber gedankenlosen menschlichen Eingriffen in jahrmillionenalte Naturkreisläufe und -ordnungen.
    Auch berechtigte Kritik an Versäumnissen in der Umweltpolitik darf nicht zu dem Kurzschluß führen, die Lösung der Probleme sei ein starker Verteilungsstaat und Abkehr von der Marktwirtschaft. Es



    Bundesminister Baum
    gibt manchmal Töne, auch in Programmen, die man so liest — nicht von Parteien in diesem Hause —, die den Eindruck vermitteln, als solle nun den Menschen das Glück verschrieben werden, und nur mit starker staatlicher Hand seien die Probleme noch zu lösen. Ich setze auf die Selbstverantwortung aller Beteiligten, ich setze auf die Selbstverantwortung der Verbraucher, ich setze auf die Selbstverantwortung der Wirtschaft. Allerdings bin ich der Meinung, daß der Staat den Mut haben muß, den Rahmen zu setzen, daß er den Mut haben muß, manchmal auch schmerzhafte Instrumente einzusetzen,

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    um in unser aller Interesse unsere Umwelt unter Schutz zu stellen, eine Umwelt, die jahrzehntelang ungeschützt war. Es gibt kaum eine Generation vor unserer Generation, die in so intensiver Weise die Umwelt berührt, in die Umwelt eingegriffen und die Ressourcen verbraucht hat.
    Ich meine, bei dieser Diskussion darf der Wettstreit um umweltpolitische Ziele nicht zur Glaubensfrage werden und nicht zur Verteufelung aller Technik führen und nicht zum Prüfstein für Gut und Böse werden. Auch eine rationale Diskussion in Respekt vor der Überzeugung des Partners, etwa über Umweltfolgen der Kernenergie, muß in diesem Lande möglich bleiben. Auch der Umweltschützer muß anerkennen, daß es divergierende wirtschafts- und sozialpolitische Ziele gibt und Interessenausgleich und Kompromiß zur Konsensfindung in einer Demokratie gehören. Ein nationales umweltpolitisches Paradies — das kommt hinzu — ist nicht möglich. Ich darf nur auf grenznahe Industrieanlagen, weiträumige Luftverschmutzung oder etwa die EmsDollart-Verhandlungen mit unserem Nachbarn Holland hinweisen. Unsere Wirtschaft bleibt in einer noch zunehmenden internationalen Wettbewerbsverflechtung.
    Die Bilanz, von der ich eingangs sprach, die die Bundesregierung mit ihrer Antwort vorlegt, ist nüchtern ausgefallen. Das Hauptbuch des Umweltschutzes, meine ich, muß für die Bürger ehrlich und offen sein. Der Umweltbericht 1976, der Immissionsschutzbericht, der Fluglärmbericht, der noch diskutiert wird — Herr Kollege Konrad hat darauf hingewiesen —, das Abfallwirtschaftsprogramm, alles dies sind Beispiele für ungeschminkte Berichterstattungen. Umweltpolitik verlangt weiterhin langfristige Strategie und überlegte Konzeption, und dies ist nur möglich, wenn man den ungeschminkten Tatsachen ins Auge sieht.
    Das Umweltprogramm 1971, der Umweltbericht 1976 belegen, daß sich die Bundesregierung ihrer Verpflichtung zur konzeptionellen ökologischen Wegweisung gestellt hat. Für die 80er Jahre wird ein „Aktionsprogramm Ökologie" erarbeitet. Zusammen mit den Bundesländern werden Demonstrations- und Pilotvorhaben zur Darstellung und Einübung ökologischer Zusammenhänge durchgeführt.
    Die Bilanz der Umweltpolitik ist — gemessen an der Ausgangslage Anfang der 70er Jahre und gemessen an den vielfältigen Widerständen — insgesamt positiv. Dieser Einschätzung meiner Vorredner stimme ich zu. In einigen Bereichen hat es deutliche Verbesserungen gegeben, in anderen Bereichen sind Verschlechterungen verhindert worden, und dies — das muß man ja berücksichtigen — vor dem Hintergrund einer Steigerung der Produktionstätigkeit, einer Steigerung des Konsums, insbesondere aber auch vor dem Hintergrund einer erheblichen Zunahme der Zahl der Kraftfahrzeuge in unserem Lande. Die Zahl der Kraftfahrzeuge hat sich im letzten Jahrzehnt bekanntlich verdoppelt.
    Viele Daten aus dem Bereich der Luftreinhaltung, des Gewässerschutzes, der Abfallwirtschaft und der Lärmbekämpfung belegen diese positive Einschätzung. Ich möchte einige kurz aufführen und dann anschließend sagen, was nicht geschafft worden ist.
    Im Bereich der Luftreinhaltung ist der Trend positiv. Die Bleibelastung der Luft in den Zentren der Großstädte ist gegenüber 1970 um mehr als 65 % zurückgegangen. In den letzten Jahren sind die gesamten Staub- und Rußimmissionen auf weniger als die Hälfte gesunken. Die Schwefeldioxydimmissionen konnten im gleichen Zeitraum, also von 1970 an, konstant gehalten werden, obwohl in der gleichen Zeit der Primärenergieverbrauch um ca. 50 % gestiegen ist. Diese Daten belegen eben: Das umfassende rechtliche Instrumentarium hat gegriffen. Es wird durch internationale Regelungen flankiert, z. B. durch die Schwefeldioxyd-Richtlinie der EG und die ECE-Konvention gegen weiträumige, grenzüberschreitende Luftverschmutzung. Dieses solide umweltrechtliche Fundament bedarf der Fortentwicklung und der Anpassung. Das kann mitunter sehr schwierig sein, wie die Bemühungen um eine Novellierung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes hier im Bundestag zur Zeit zeigen. Vordringlich ist vor allem, daß die neuen umweltwissenschaftlichen Erkenntnisse in bezug auf die Luftverunreinigung so schnell wie möglich Eingang in die TA Luft finden. Dafür werden wir uns einsetzen.
    Die Sanierung der Altanlagen, vor allem in den hochbelasteten Gebieten, ist ein vordringliches Problem der Zukunft. Hier greift das rechtliche Instrumentarium nur sehr begrenzt. Hier muß die Umstellung auf die moderne Technik durch finanzielle Förderungsmaßnahmen erleichtert werden. Für den Zeitraum von 1979 bis 1984 stehen dafür zusätzlich 560 Millionen DM für Demonstrationsanlagen zur Verfügung. Es ist nur gerecht, wenn der Schwerpunkt dieses Sanierungsprogramms im Ruhrgebiet liegt, dessen Bevölkerung — das muß auch einmal gesagt werden, meine Damen und Herren — seit mehr als 100 Jahren eine Sonderlast für die gesamte Bundesrepublik trägt.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Hier wird Umweltverschmutzung seit vielen Jahrzehnten beinahe klaglos ertragen; im Saarland übrigens auch. Wir haben eine Verpflichtung, hier besonders zu helfen, und wir tun das mit Haushaltsmitteln auch in diesem Jahr. Ich werde mich dafür einsetzen, daß diese Haushaltsmittel im Haushaltsplan erhalten bleiben.



    Bundesminister Baum
    Auch die Gewässerschutzpolitik hat eine positive Entwicklung genommen, wie die folgenden Fakten ausweisen: Die früher stark belasteten Strecken des Rheins weisen eine deutliche Verbesserung vor allem im Sauerstoffgehalt und in der gesamten organischen Belastung auf. Die Belastung des Bodensees ist merklich vermindert worden. Wir können heute eine Verbesserung der Gewässergüte vor allem im Uferbereich feststellen.

    (Dr. von Geldern [CDU/CSU]: Wie ist das mit Elbe und Weser?)

    — Darauf komme ich gleich, insbesondere im Zusammenhang mit der Werra. —

    (Dr. von Geldern [CDU/CSU]: Das wäre gut!)

    Heute werden bereits 65 % der Abwässer in öffentlichen Kläranlagen vollbiologisch gereinigt; im Jahre 1969 waren es nur 35 %. Leider haben auch unsere Städte erst andere Investitionsvorhaben verwirklicht, bevor sie sich für den Bau einer Kläranlage entschieden haben. Ich wünsche mir, daß auch die restlichen kommunalen Körperschaften sehr schnell dazu übergehen, eine vollbiologische Kläranlage zu bauen.
    Nachdem bereits in der vorigen Legislaturperiode der wasserrechtliche Rahmen geschaffen wurde, wird er in dieser Legislaturperiode ausgefüllt. Soweit die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern in unserer Verfassung dies zuläßt, haben wir den Gewässerschutz auch mit finanziellen Hilfen vorangetrieben. Das hervorstechendste Beispiel dafür ist das Rhein-Bodensee-Programm. Wir haben zur Sanierung dieser Gewässer im Zeitraum von 1972 bis 1976 150 Millionen DM und im Zeitraum von 1977 bis 1980 im Rahmen des Programms für Zukunftsinvestitionen weitere 800 Millionen DM von Bundesseite zur Verfügung gestellt. Allein auf Grund dieses zweiten Programms werden Investitionen in Höhe von etwa 3 Milliarden DM bewirkt.
    Nun möchte ich, Herr Kollege Riesenhuber, etwas zu Ihrem Argument mit der Verschuldung sagen. Hier hat die Bundesregierung in ein Programm für Zukunftsinvestitionen investiert.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Sie hat die Verschuldung im Interesse der umweltgerechten Gestaltung unserer Lebensgrundlagen in Kauf genommen. Die 800 Millionen für das RheinBodensee-Programm sind eine Investition in unsere Zukunft und in die Zukunft unserer Kinder.

    (Schwarz [CDU/CSU]: Es ist keiner dagegen! Wir waren alle dafür!)

    — Herr Schwarz, wenn Sie alle dafür waren, wundere ich mich, daß Sie hier so polemisch die Verschuldung des Bundes angreifen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Weiterer Zuruf des Abg. Schwarz [CDU/CSU])

    Lärmschutz ist heute ein zentrales Thema der Umweltpolitik. 25 Millionen Mitbürger in unserem Land leiden, wie der Sachverständigenrat vor zwei Jahren festgestellt hat, unter Lärm. Lärmschutz ist ein gesundheitspolitisches Postulat. Lärmschutz ist aber auch — das möchte ich hier betonen — ein soziales Postulat. Es sind die ärmeren Mitbürger, die am Arbeitsplatz und in der Wohnung unter Lärm zu leiden haben. Die anderen können sich ja Wohnungen leisten, die nicht an den Verkehrsstraßen liegen. Für Millionen Menschen bedeutet Lärm eine Einbuße an Wohlbefinden und Lebensfreude.
    Ich sehe mich mit meinen Kompetenzen in der Verantwortung für eine geschlossene und langfristig angelegte Lärmschutzpolitik. Von den schärfsten Geräuschgrenzwerten für Baumaschinen bis zur Fluglärmgesetzgebung ist unsere Strategie auch im internationalen Vergleich beispielhaft. Mit dem im Oktober 1978 vom Bundesinnenministerium vorgelegten Aktionsprogramm Lärmbekämpfung haben wir die Basis dafür gelegt, daß wir diesen Standard auch künftig halten können. Unsere Vorreiterrolle dürfte sich bei der in Kürze stattfindenden OECD-Lärmkonferenz im Mai 1980 in Paris erneut zeigen.
    Ein Wort noch zu den Chemikalien. Sie haben lange im Hintergrund gestanden. Wir haben jetzt auf diesem Gebiet einige Fortschritte erzielt. Der wichtigste Punkt ist die Störfallverordnung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz, die eine erhebliche Verbesserung der Vorsorgestrategie gegen Störfälle in der chemischen Industrie bewirken soll. Der Bundesrat hat — ich stelle das mit Befriedigung fest — in der vorigen Woche im Grundsatz dieser Störfallverordnung im wesentlichen zugestimmt, die eine bessere Sicherheit gegen Vorfälle bringen wird, die wir mit dem Wort Seveso ja alle noch in Erinnerung haben.

    (Zuruf des Abg. Dr. Riesenhuber [CDU/ CSU])

    Es ist also zu hoffen, daß wir diese Störfallverordnung bald in Kraft setzen können.
    Auch das Problem der Fluorkohlenwasserstoffe, die bei uns vor allem als Treibgas in Spraydosen verwendet werden, haben wir vorsorglich bereits früher als andere in Angriff genommen. Es gibt da einen Stufenplan, den wir mit der Wirtschaft vereinbart haben. Aber ich möchte hinzufügen: Das Problem Fluorkohlenwasserstoff bleibt auf der Tagesordnung. Wir werden intensiv darauf hinwirken, daß weltweit die Verwendung solcher Stoffe in Spraydosen insgesamt gegen null tendiert. Ich frage mich, wie wir es verantworten können, solche Produkte, die ersetzbar sind, zu verwerten, wenn wir nicht ausschließen können, daß die Ozonschicht der Erde unwiederherstellbar zerstört wird. Die. Gefahr würde schon genügen, um zu einem Verbot dieser Stoffe zu kommen.
    Die Bundesregierung liegt in der Abfallbeseitigung wie in der Abfallverwertung in technischer und organisatorischer Hinsicht international mit an der Spitze. Das Abfallwirtschaftsprogramm ist ein hervorragendes Beispiel erfolgreicher Kooperation zwischen Staat und Wirtschaft, einer Kooperation, die jedenfalls bisher staatliche Lenkungsmaßnahmen obsolet gemacht hat. Hier waren wir also in der Lage, mit der Wirtschaft Kooperation zu praktizie-



    Bundesminister Baum
    ren. Ich möchte allerdings nicht ausschließen, daß wir dann, wenn das marktwirtschaftliche Instrument der freiwilligen Selbstbeschränkung nicht funktioniert, auch von den rechtlichen Möglichkeiten staatlicher Maßnahmen Gebrauch machen. Für mich ist das rechtlich mögliche Verbot der Einwegflasche — das möchte ich sagen — kein Tabu.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Aus ca. 25 % des Hausmülls wird heute bei der Beseitigung Energie gewonnen. Die Altglasverwertung ist wesentlich verbessert worden. Ich meine, daß diese Recycling-Anstrengungen kein Ersatz für die Anstrengungen sein dürfen, die Verminderung des Abfallaufkommens zu verstärken. Noch ist der jährliche Abfallberg nicht kleiner geworden. Der Trend zur Wegwerfgesellschaft ist zwar gestoppt, aber noch nicht umgekehrt worden.
    Ein Wort noch zur internationalen Zusammenarbeit. Die Bundesrepublik beteiligt sich intensiv an der internationalen Zusammenarbeit: in der Europäischen Gemeinschaft, in der ECE, in vielen anderen Gremien. Sie ist auf diese internationale Zusammenarbeit angewiesen. Viele Maßnahmen lassen sich ohne Abstimmung mit der EG gar nicht mehr verwirklichen; abgesehen davon, daß es ganz unsinnig wäre, wenn nur ein einziger Staat etwa Fluorkohlenwasserstoff verbieten und die anderen weiter verschmutzen würden. Wir sind heute in eine Wirtschaftsgemeinschaft eingebunden. Das bedeutet, daß auch Umweltpolitik in sehr starkem Maße zu einem europäischen Thema geworden ist. Die Ministerkonferenzen der Europäischen Gemeinschaft weisen das aus. Ich sehe, daß sich auch das Europäische Parlament zunehmend mit diesem Thema befaßt.
    Lassen Sie mich noch einige offene Punkte ansprechen; denn so respektabel diese Bilanz ist — einige Punkte der Vervollständigung des rechtlichen Instrumentariums sind noch offen oder strittig. Noch in dieser Legislaturperiode müssen einige Lücken geschlossen werden. Heute steht in dieser Debatte die zweite Novelle zum Abfallbeseitigungsgesetz zur Diskussion. Ich möchte Sie ausdrücklich bitten, die Verabschiedung dieses Gesetzentwurfs noch möglich zu machen, der wesentlich zur Entbürokratisierung beitragen wird. Ich möchte betonen, daß die Regelung des Gesetzentwurfs weitgehend die Unterstützung der Länder gefunden hat, denen ich, Herr Kollege Dick, für ihre Kooperation ausdrücklich danke.
    Mit ihrem Gesetzentwurf verfolgt die Bundesregierung ihre Abfallwirtschaftspolitik konsequent weiter. Bei der heutigen Entwicklung von Energie- und Rohstoffpreisen ist es anachronistisch, wenn Abfälle, deren Verwertung technisch möglich und wirtschaftlich sinnvoll . ist, noch immer ungenutzt beseitigt werden. Die Bundesregierung hält es für notwendig, die Prüfung von Verwertungsmöglichkeiten und die Nutzung technisch realisierbarer und wirtschaftlicher Alternativen zur Verwertung von Abfällen nicht mehr nur programmatisch zu fordern, sondern auch rechtlich zur Pflicht zu machen. Das wird mit der gesetzlichen Verwertungspflicht, die im Entwurf vorgesehen ist, angestrebt. Ich bitte also um eine positive Bewertung und um eine baldige Verabschiedung dieses Gesetzentwurfes.
    Ich möchte nicht alles wiederholen, was ich schon zum Abwasserabgabengesetz gesagt habe. Herr Kollege Dick, Sie vertreten ja hier die Bayerische Staatsregierung. Ich möchte nur noch einmal darauf hinweisen, daß die Versäumnisse einiger Industriegebiete und auch einiger Gemeinden, die sich nicht
    — wie andere — darauf eingestellt haben, daß 1981 eine besondere Abgabepflicht in Kraft tritt, nicht dazu führen dürfen, daß diejenigen, die sich im Interesse des Umweltschutzes darauf eingestellt haben, jetzt bestraft werden und diejenigen, die sich darauf verlassen haben, daß nichts geschieht, daraus einen Vorteil ziehen. Das können wir im Interesse von weiten Bereichen unserer Industrie und unserer Gemeinden nicht zulassen.

    (Dr. Schäfer [Tübingen] [SPD]: Wobei die Zahl derjenigen, die etwas getan haben, erfreulicherweise groß ist!)

    — Die Zahl derjenigen, die sich — auch mit ihren Investitionsdispositionen — auf das Gesetz eingestellt haben, ist groß. Wir haben eine Untersuchung vorliegen, Herr Kollege Schäfer, die das ausweist.
    Die Behauptung, das Gesetz sei nicht oder mit nicht vertretbarem Aufwand vollziehbar, kann nur ein Vorwand sein. Das geltende Abwasserabgabengesetz hat sich bereits als geeignetes und wirksames Gewässerschutzinstrument erwiesen. Schon heute schafft dieses Gesetz, wie nachgewiesen wurde, erhebliche Anreize, die Gewässerschutzinvestitionen zu verstärken.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Die Seite haben Sie schon einmal vorgelesen!)

    — Ich habe das zwar eben schon gesagt, aber ich glaube, es ist so wichtig, daß man es ruhig zweimal sagen kann;

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    denn hier geht es darum, daß sich Investoren in unserem Lande mit Millionenaufwendungen auf ein Gesetz eingestellt haben, während andere, die das nicht getan haben, nun Landesregierungen unter Druck setzen, damit das Gesetz abgeschwächt wird. Ich glaube, diesen Vertrauensschutz müssen wir denjenigen gewähren, die sich auf ein Gesetz eingerichtet haben, das im Interesse des Umweltschutzes notwendig ist.

    (Beifall bei der FDP)

    Die Gegner des Umweltschutzes werden nicht müde, neue Argumente zusammenzusuchen, um ihren Absichten einen ehrenwerten Anstrich zu geben. Sind unsere Vorhaben in dem einen Fall zu bürokratisch, so sind sie in dem anderen angeblich zu teuer. Damit, meine Damen und Herren, meine ich das Verkehrslärmschutzgesetz. Die Herabsetzung des Lärms, insbesondere des Verkehrslärms ist ein Prüfstein für die Glaubwürdigkeit der Umweltpolitik. In diesem Hause ist dafür gesorgt worden, daß die Lärmgrenzwerte, die zum Schutz der Bevölkerung in dem Gesetz festgelegt sind, erheblich herabgesetzt wurden. Mit den schärferen Grenzwerten wurde erreicht, daß der Schutz der Bevölkerung um



    Bundesminister Baum
    50 % verbessert werden soll. Jetzt wollen einige Länder der CDU/CSU diese Verbesserung wieder zurückdrehen und das Verkehrslärmschutzgesetz wieder auf einen Minimalschutz beschränken.
    Nach der von diesem Hause fast einstimmig beschlossenen Gesetzesfassung betragen die für den Lärmschutz zusätzlich erforderlichen Mittel kaum 5 % der Kosten für den Straßenbau. Ich meine, daß durch entsprechend weniger Straßen und zeitliche Streckung des Straßenbaus diese Kosten ohne Schwierigkeiten hereingeholt werden können und müssen;

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    denn Straßenbauinvestitionen sind Investitionen über Jahrzehnte hin. Das heißt, wir würden in Kauf nehmen, daß Bürger über Jahrzehnte hin in Lärmzonen wohnen, ohne daß Abhilfe geschaffen werden könnte.

    (Dr. Schäfer [Tübingen] [SPD]: Sehr richtig!)

    Offen geblieben sind ferner einige Positionen, auf deren erfolgreichen Abschluß wir leider wenig Einfluß haben. Das sind in erster Linie die Bemühungen um eine weitere Absenkung der Abgasemissionswerte bei Kraftfahrzeugen. Hier hat die Bundesregierung bereits vor zwei Jahren Vorschläge gemacht. Ihre Vorstellungen sind allerdings bislang sowohl in der ECE als auch in der Europäischen Gemeinschaft auf Widerstand gestoßen.
    Wir bedauern, daß das Chlorid-Abkommen, das den Rhein von seiner Salzfracht wenigstens teilweise und Stufe um Stufe entlasten sollte, nicht zustande gekommen ist. Die französische Regierung sieht sich außerstande, dieses Projekt weiter zu verfolgen. Wir bedauern das und suchen jetzt nach Ersatzlösungen.
    Ich sehe mit Freude — Herr Kollege, Sie haben das eben angesprochen —, daß die Sondierungsgespräche mit der DDR ergeben haben, daß wir nun endlich auch über die Werraversalzung sprechen können, daß wir im Herbst mit der DRR Expertengespräche über dieses wichtige Problem aufnehmen können.

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Dr. von Geldern [CDU/CSU]: Das ist höchste Zeit!)

    — Wenn Sie sagen: „Das ist höchste Zeit!", dann kann ich Ihnen nur zustimmen. Aber ich möchte Sie darauf hinweisen, daß es auf die Behutsamkeit der Deutschlandpolitik dieser Bundesregierung zurückzuführen ist, daß wir überhaupt zu solchen Verhandlungen kommen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Dr. Schäfer [Tübingen] [SPD]: Sehr richtig!)

    Meine Damen und Herren, ich möchte noch einige Sätze zum Umweltchemikaliengesetz sagen, das die gesetzlichen Grundlagen dafür schaffen soll, daß Stoffe im Hinblick auf ihre mögliche Gefahr für Mensch und Umwelt einer vorsorglichen Prüfung unterzogen werden. Es handelt sich um ein außerordentlich kompliziertes Gesetz. Hier ist schon gesagt worden, daß wir einen Einstieg in die Materie vornehmen werden, weil wir an einigen Punkten nicht genau wissen, wie sich die Instrumente bewähren werden. Der Gesundheitsausschuß dieses Hauses hat eine Anhörung durchgeführt. Bei aller sonstigen Unterschiedlichkeit der vertretenen Standpunkte hat sich ergeben, daß eigentlich kein Hinderungsgrund besteht, daß das Gesetz noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden kann. Ich würde dies jedenfalls außerordentlich begrüßen.

    (Dr. Laufs [CDU/CSU]: Aber der Umweltschutz findet kaum noch statt in diesem Gesetz!)

    — Der Umweltschutz findet jedenfalls in der Weise statt, Herr Kollege, daß wir den europäischen Entwicklungen Rechnung tragen, der Meinungsbildung in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, an der wir wesentlich beteiligt waren.
    Umweltschutz kann auch weiterhin nur in geduldiger Kleinarbeit realisiert werden. Konsequenter Vollzug ist ein wesentliches Element der Umweltpolitik. Das zeigt sich beispielsweise bei der Festlegung von Lärmschutzbereichen oder von Mindestanforderungen nach dem Wasserhaushaltsgesetz. Es ist eben nicht damit getan, daß nur Gesetze verabschiedet werden. Der Vollzug im einzelnen bringt hier für alle erhebliche Schwierigkeiten. Dem sollten wir Respekt zollen. Dies wird am Beispiel des Chemikaliengesetzes besonders deutlich.
    Ein besonders wichtiges Element in der Zukunftsperspektive des Umweltschutzes ist die internationale Zusammenarbeit. Umweltverschmutzung macht nicht an den Grenzen halt. Grenzen dürfen daher auch nicht die Bemühungen um den Umweltschutz einschränken. Für die Zukunft muß die Beteiligung der Bürger in Verwaltungs- und Gerichtsverfahren auf der Basis der Gegenseitigkeit und Gleichwertigkeit auch über die Grenzen hinweg sichergestellt werden. Grenzüberschreitende Standortplanung und Abwehr wechselseitiger Umweltbelastungen brauchen darüber hinaus neue rechtliche Instrumente, die greifen und gemeinsame Umweltplanungen möglich machen.
    Ich möchte nicht verschweigen, meine Damen und Herren, auch vor diesem Hohen Hause, daß manche industrielle Großprojekte, die an den Grenzen der Bundesrepublik angesiedelt werden, von unseren Nachbarländern nicht mit der notwendigen Rücksicht auf unsere Bevölkerung in Angriff genommen worden sind. Wir haben bilaterale Verhandlungen eingeleitet. Wir haben Erfolge erzielt. Aber ich kann es verstehen, wenn die Bürger in den Grenzregionen eine Mitsprache wünschen. Ich kann es verstehen, wenn die deutschen Bürgermeister in Grenzregionen eine Mitsprache, ein Informationsrecht haben wollen so wie ihre Kollegen auf der anderen Seite. Das heißt, wir müssen hier in Europa, auch in der Europäischen Gemeinschaft — das gilt nicht nur für unsere Grenzen, das gilt auch für andere Grenzen —, Instrumentarien entwickeln, die es möglich machen, bei Industrieansiedlung auf den anderen Rücksicht zu nehmen und sich etwa bei der



    Bundesminister Baum
    Katastrophenschutzplanung auch besser abzustimmen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Zuruf von der CDU/CSU)

    — Zu diesem Gestank, von dem Sie sprechen, habe ich auch am Rande einer internationalen Konferenz Gespräche mit dem tschechoslowakischen Kollegen geführt und ihm nachdrücklich gesagt, daß auch dies eine unerträgliche Belastung für die Bevölkerung ist, die dort in den Grenzgebieten Bayerns lebt und diesen Umweltbelästigungen ausgesetzt ist. Meine Forderung richtet sich also gleichermaßen nach Ost und West, um es einmal so plakativ zu sagen.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Das deutsch-niederländische Abkommen zum Ems-Dollart-Projekt wird Pilotfunktion für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Umweltschutz haben. Dieses Abkommen versucht nämlich, konstruktiv die grenzüberschreitenden Umweltprobleme zu bewältigen.
    Die Erfolge der Umweltpolitik werden auch in Zukunft vor allem auf dem Dialog mit dem Bürger beruhen. Das Bundesverfassungsgericht hat mich hier in der praktizierten offenen Form der Umweltplanung in seinem Mühlheim-Kärlich-Beschluß vom Ende letzten Jahres in meiner Auffassung bestätigt. Die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts haben wegweisende Bedeutung für die Rolle der Grundrechte in umweltrelevanten Genehmigungsverfahren. Der Beschluß ist die verfassungsrechtliche Antwort auf die Entwicklung der Entscheidungsstrukturen in den hoch komplexen, auch für die Entscheidungsträger wie für die Kontrollinstanzen nur schwer übersehbaren und steuerbaren Genehmigungsverfahren in umweltrelevanten Großprojekten.
    Der Beschluß — es handelt sich um eine der bedeutendsten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts der letzten Zeit — zeigt auf, in welch hohem Maße das Verfahrensrecht für die betroffenen Bürger zum materiellen Grundrechtsschutz geworden ist.
    Vor diesem verfassungsrechtlichen Hintergrund erhalten auch die Bestrebungen zur Einführung der Verbandsklage einen ganz anderen, umweltpolitischen wie verfassungspolitischen Stellenwert, über den wir uns eingehend unterhalten sollten.
    Das Umweltthema hat eine Dimension, die über die praktische Politik hinausreicht. Es ist Katalysator für das Erkennen von Schwachstellen unserer Industriekultur. Umweltpolitik ist daher für mich mehr als ein Politikbereich unter vielen.
    Was unsere Umweltpolitik im kommenden Jahrzehnt bestimmen muß und bestimmen wird, ist eine immer stärkere Berücksichtigung ökologischer Kriterien in allen Lebens- und Politikbereichen. Dies entspricht eben dem Querschnittcharakter dieser Politik.
    Es muß jetzt eine noch wirksamere ökologische Durchdringung der Fachpolitiken und -planungen erfolgen. Dies ist nichts prinzipiell Neues, es muß nur stärker als bisher das Handeln der Politiker wie der Exekutive bestimmen.
    Zur Umweltvorsorge gehört weiter, daß in Zukunft verstärkt die Umweltmedien in ihrer Gesamtheit und gegenwärtigen Abhängigkeit gesehen werden müssen. Wir haben viele Gesetze, die punktuell — auf einzelne Bereiche hin — die Materie regeln. Wir haben noch relativ wenig Erfahrung über die gegenseitigen Abhängigkeiten der Medien, und wir haben noch relativ wenig Erfahrung über die Belastung in einzelnen Regionen und über die Veränderung der dortigen Belastungen. Entlastungen in einem Medium dürfen z. B. nicht zu unerwünschten Belastungen in anderen Bereichen führen; das muß noch besser als bisher untersucht werden. Dazu gehört ganz besonders die vorsorgliche Einbeziehung solcher Erkenntnisse und Entwicklungen, die künftige Gefahren für die menschliche Gesundheit und die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts erwarten lassen.
    Die Aufstellung und Durchsetzung ökologischer Kriterien als Handlungsrahmen für umweltrelevante Politik beinhaltet eine Vielzahl von außerordentlich schwierigen Problemen, die man nur langfristig in den Griff bekommen kann. Dabei sind wir mehr als je zuvor auf die Mitarbeit von Wissenschaftlern und Technikern aller Disziplinen angewiesen. Dazu bedarf es einer Weiterentwicklung des ökologischen Bewußtseins in den Parlamenten und in der Exekutive, vor allem bei den Planungen umweltrelevanter Großvorhaben.
    Die Umweltverträglichkeitsprüfung muß konsequent durchgeführt werden. Sie muß zu einem wirksamen Instrument im Sinne einer Sicherung und Erhaltung der Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts ausgebaut werden.
    Mit der Installierung der Projektgruppe Ökologie im Dezember vorigen Jahres sind wir hier bereits auf dem richtigen Wege. Diese Gruppe von Experten unter Vorsitz von Professor Dr. Bick, dem Vorsitzenden des Sachverständigenrates für Umweltfragen, wird in den nächsten Jahren mit der Erarbeitung eines ökologischen Situationsberichts die Grundlage für die Verstärkung ökologischer Maßstäbe legen.
    Meine Damen und Herren, ich möchte allen danken, die sich in den Fraktionen, in den Verwaltungen und im gesellschaftlichen Bereich an Umweltproblemen interessiert gezeigt und an ihnen mitgewirkt haben. Ich möchte auch dem Finanzausschuß des Deutschen Bundestages danken, der in dieser Woche einen sehr befriedigenden Vorschlag zur Verlängerung und Verbesserung der steuerlichen Begünstigungen für Umweltinvestitionen, nämlich zu § 7 d Einkommensteuergesetz, gemacht hat. Ich möchte auch den Kollegen in diesem Hause danken, die durch ihre Mitarbeit an dem Gesetz zur Bekämpfung der Umweltkriminalität einen wesentlichen Beitrag auf diesem Gebiet geleistet haben.
    Umweltpolitik verlangt von uns allen, dafür zu sorgen, daß für unsere Kinder und die nachfolgenden Generationen die Erde bewohnbar bleibt. Wir alle tragen dafür gemeinsam die Verantwortung. Bei



    Bundesminister Baum
    allen Meinungsverschiedenheiten über Einzelvorhaben und einzelne Maßnahmen darf dieser Grundkonsens, meine Damen und Herren, über die gemeinsame Verantwortung nicht verlorengehen. Wir brauchen auch künftig den offenen und ehrlichen Dialog unter den Beteiligten. Wir brauchen breite Unterstützung in der Bevölkerung. Die Umweltpolitik wird auf Vertrauen auch in der Zukunft nur rechnen können, wenn ökologische Grunddaten und Umweltbelastungen ehrlich offengelegt werden und Entscheidungsprozesse der Umweltpolitik nachvollziehbar sind.
    Ich bedanke mich dafür, daß diese Debatte Gelegenheit dazu geboten hat. Ich bin sicher, daß sie zur Erfüllung dieser Ziele beitragen wird. Indem wir unsere Umweltziele konsequent diskutieren und auch kontrovers behandeln, uns aber im Grunde darüber einig sind, daß diese Erde bewohnbar bleiben muß — in einigen Teilen ist sie es ja schon nicht mehr —, leisten wir zugleich einen wichtigen Beitrag zur sozialen und damit auch zur politischen Stabilität unseres Landes.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)