Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu später Stunde eine solche Rede hören zu müssen, tut weh.
Herr Spranger, Sie haben hier Vokabeln gebraucht, die im Grunde genommen das Vokabular des „Bayernkurier" sind, die aber nicht in diesem Saale gebraucht werden sollten.
Ich bedauere dies. Man kann die Probleme, all die ernsten Fragen, um die es hier ohne Zweifel geht, nicht in diesem Stil miteinander diskutieren.
Herr Spranger, lassen Sie mich dies auch in aller Klarheit sagen: Die Verbalinjurien und die tenden-
Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 193. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. Dezember 1979 15437
Dr. Wernitz
ziellen Beleidigungen gegen den Bundesinnenminister weisen wir entschieden zurück.
— Ich komme jetzt sofort zum Fall Tandler.
Meine Damen und Herren, in einem zeigte sich heute insofern ein Fortschritt, als im Gegensatz zu Erklärungen der Vertreter der bayerischen Staatsregierung hier immerhin von Herrn Spranger gesagt wurde, es gehe darum, daß man auch in Bonn darüber nachdenke, was in Zukunft getan werden müsse, und man müsse hier über eine gewisse Mitverantwortung diskutieren. Ich empfinde das deshalb als Fortschritt, weil das in den Anfängen von bayerischer Seite, von CSU-Seite anders dargestellt, anders in die Debatte gebracht wurde.
Ich empfehle jedem, sich die Erklärung der bayerischen Staatskanzlei anzusehen, worin sehr starke Worte gegen Bonn, gegen den Bundesinnenminister, gegen die Bundesregierung gebraucht wurden,
und zwar in einem Ton, der Sie, Herr Spranger, und Ihre Freunde eigentlich dann ins Unrecht setzt, wenn Sie an dieses Pult treten und von anderen verlangen, man solle im Interesse der Gemeinsamkeit nicht so reden, wie das heute angeblich von Herrn Baum und von anderen geschehen sei. So geht es nicht, so kann man das nicht machen.
Ich frage mich bis zum heutigen Tage, warum der Herr Tandler, warum die bayerische Staatsregierung nicht den Mut hat, die politische Verantwortung für die Abschiebung der beiden CSSR-Asylbewerber zu übernehmen.
Ich bestreite überhaupt nicht — das sollten wir zu später Stunde ernsthaft miteinander bedenken —, daß wir uns Gedanken machen müssen, was auf dem Gebiete des Asylrechts vielleicht noch im einzelnen an Regelungen erfolgen kann und erfolgen muß. Das betrifft nicht den Kern des Asylrechts. Ich will das nachher noch einmal deutlich sagen. Es ist ohne Zweifel richtig, daß man sich auch in der IMK darüber wird unterhalten müssen.
Aber, meine Damen und Herren, eines sollte und müßte bei uns in allen Fraktionen unstrittig sein: daß wir vor der jüngsten Geschichte eine hohe Verantwortung haben, den Kern des Asylrechts in diesem Staat unangetastet zu lassen, und daß Sie mit Ihrem Gesetzentwurf insofern einen gefährlichen Weg beschreiten, als Sie, wenn Sie tendenziell die Entscheidungen an die Grenze verlagern, nicht nur dem kleinen Beamten dort eine unerträgliche Last aufbürden, sondern damit auch an die Grenze dessen kommen, was verfassungsrechtlich noch vertretbar ist, oder über diese Grenze hinausgehen. Das ist das Problem!
Dieser Frage müssen Sie sich stellen, und deshalb kann ich Ihnen nur empfehlen, diesen Ihren Gesetzentwurf, jedenfalls was diesen Part in ihm angeht, schleunigst zurückzuziehen,
weil dies in rechtsstaatlicher und verfassungsrechtlicher Hinsicht eine ungute Regelung ist.
Meine Damen und Herren, Sie haben sehr empfindlich reagiert, als hier vom „Fall Tandler" gesprochen worden ist.
Ich unterstreiche noch einmal, daß wir nur dann weiterkommen, wenn von den bayerischen Behörden nicht der untaugliche Versuch gemacht wird, hier mit fragwürdigen Methoden eine Mitverantwortung der Bundesregierung zu konstruieren. Das geht nicht!
Das hat die Sitzung des Innenausschusses auch ergeben.
Ich möchte hier eine Frage anschließen, nämlich die Frage — und die habe ich vom Ausschuß her auch in einem Brief an den Bundesinnenminister gerichtet —: Sind die Sonderregelungen, die in Bayern praktiziert werden, die von Ihrem Hause aus frühzeitig moniert worden sind, die in einigen Punkten also von Ihnen kritisiert worden sind, inzwischen auf das Niveau der Vereinbarung der Innenminister gebracht worden,
und haben Sie eine Reaktion von seiten des bayerischen Staatsministeriums des Innern? Nach meinem bisherigen Wissensstand ist dies nicht der Fall, aber das muß geklärt werden, weil es unerträglich ist, wenn in einem Bundesland Regelungen praktiziert werden, die von der Norm in den anderen Bundesländern abweichen. Dies können wir seitens des Bundes nicht hinnehmen.
Von daher kann man, wenn man alles zusammennimmt, eben nicht von einem „Fall Baum" sprechen.
Dies ist geradezu absurd.
Es geht natürlich auch darum, daß wir ein sorgsames Auge darauf haben — dazu sind wir vom Bund her verpflichtet —, daß die rechtsstaatliche Praxis auf diesem Gebiet bundesweit eingehalten wird. Das
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ist ganz klar, dazu bekennen wir uns unzweideutig und mit allem Nachdruck.
Aber man sollte, wenn man sich mit dem sogenannten Scheinasylantentum beschäftigt, eines auch sehen: daß wir erst vor wenigen Jahren das Asylverfahren geändert haben
und daß wir das Bemühen, hier durch Dezentralisierung der Verwaltungsgerichtsbarkeit zu einer Beschleunigung zu kommen, hinausschieben mußten, weil alle Länder der Meinung waren, hier brauche man noch mehr Zeit. Es gehört auch zur Redlichkeit der Diskussion miteinander, Herr Spranger, daß man das jetzt nicht unter den Tisch fallen läßt.
Meine Damen und Herren, mir kam es hier darauf an, noch einmal klarzumachen, wo die politische Verantwortung liegt. Sie liegt im Land Bayern, sie liegt im Freistaat Bayern,
bei der Staatsregierung, bei Herrn Tandler. Dabei bleibt es.
Dem muß man sich stellen. Von diesem Wege führt kein Schritt ab, und das werden Sie eben noch lernen müssen, wenn nicht heute, dann morgen.