Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zuerst möchte ich in aller Form die Vorwürfe zurückweisen, die hier gegen den Kollegen Todenhöfer erhoben worden sind.
Die Vorwürfe waren nicht nur unqualifiziert, sondern auch falsch.
Ich möchte meinen, daß die zehnmalige Namensnennung in dieser Debatte die Bedeutung des Kollegen Todenhöfer für die Entwicklungspolitik nur positiv unterstrichen hat.
Meine Damen und Herren, wir werden eines nicht
tun: Wir werden uns auch im Bereich der Entwicklungspolitik nicht in die sowjetische Globalstrategie, insbesondere in Afrika, einspannen lassen.
Bei unseren Überlegungen in der Union zu einer Hilfe für die Dritte Welt stellen wir drei Punkte heraus.
Erstens. Wir müssen unseren Teil dazu beitragen, daß Hunger, Krankheit, Seuchen, Analphabetentum und Bevölkerungsexplosion abgebaut werden.
Zweitens. Wir müssen erkennen, daß jede Hilfe für die Dritte Welt nicht nur eine humanitäre Verpflichtung ist, sondern auch in unserem Eigeninteresse liegt.
Drittens. Bei aller Hilfe, die wir in der Dritten Welt leisten, müssen wir auch daran denken, daß wir nur dann Hilfe leisten können, wenn es gelingt, die Bundesrepublik als einen hochentwickelten Industriestaat mit großen Handelsüberschüssen zu erhalten. Nur Reiche sind in der Lage, Armen beizustehen.
Als ein Land, das keinerlei Rohstoffe besitzt, können wir in Zukunft ein nennenswertes Bruttosozialprodukt, das uns zu einer Hilfe an Dritte in Stand setzt, nur dann erzielen, wenn wir an unsere eigene Rohstoffversorgung denken. Über Grundstoff- und Rohstofffragen werden wir Anfang kommenden Jahres in diesem Haus im Zusammenhang mit der verfehlten Afrikapolitik der Bundesregierung diskutieren.
Wenn die SPD weiterhin sogenannte angebliche Eliten glaubt bekämpfen zu müssen und nur Bereitschaft zeigt, Länder mit sogenannten Reformbewegungen und Reformregierungen bevorzugt zu unterstützen — siehe Parteitag —, dann brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn unsere Industrie im Roh- und Grundstoffsektor in naher Zukunft nur noch Zuteilungen nach sowjetisch-kubanischer Bewilligung erhält.
Die falsche deutsche Politik im südlichen Afrika kann sehr schnell, meine Damen und Herren, unsere Industrie und damit auch unsere Arbeitnehmer vor die gleiche schwer lösbare Problematik stellen, wie wir sie im Energiebereich bereits vor uns haben: nämlich Einschränkungen der Produktion wegen Rohstoffmangels.
Wenn die Entwicklungspolitiker der SPD auf dem Berliner Parteitag feststellten, der Friede sei durch die Energiekrise bedroht, dann müssen wir dem zustimmen. Die Sicherstellung einer ausreichenden Energieversorgung zu tragbaren Preisen ist heute schon die nationale Existenzfrage Nummer eins.
Es gibt nur zwei Möglichkeiten, die Dinge treiben zu lassen: entweder die bewußte Inkaufnahme von Versorgungsengpässen, die dann natürlich verwaltet und bewirtschaftet werden müssen, was gewissen Leuten in der Politik sehr wohl gefallen würde, oder eine konsequente Energiepolitik mit dem Ziel, Vorsorge für ein ausreichendes und bezahlbares
15416 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 193. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. Dezember 1979
Höffkes
Energieangebot für die Zukunft zu treffen und die gefährliche Importabhängigkeit — insbesondere vom 01 — zu verringern.
Je weniger Kernenergie in den Industriestaaten erzeugt wird, desto größer wird deren Ölverbrauch sein, desto höher wird der Preis steigen, desto weniger 01 wird aber den Entwicklungsländern zur Verfügung stehen. Dasselbe gilt für Kohle.
Daher ist es das unmittelbare Interesse der Entwicklungsländer, daß die Industriestaaten ihre Kernkraftkapazitäten rasch erweitern und der Druck auf Ölversorgung und Ölpreise nachläßt, der zu Lasten der Dritten Welt geht. Im Jahre 2000 dürfte die Weltbevölkerung von 4,2 auf 6,4 Milliarden Menschen und mit ihr der Bedarf an Nahrungsmitteln ansteigen, was automatisch auch zu einem höheren Energiebedarf führt. Die jetzt empfohlenen Alternativenergien, Sonne, Wind, geothermische und Gezeitenenergie, müssen zwar entwickelt werden, können aber derzeit nur wenig zur Entlastung beitragen.
Im Hinblick auf die Dritte Welt ist festzustellen, daß die ölimportierenden Entwicklungsländer durch die Steigerung der Preise in für sie unlösbare Situationen gekommen sind. Den wesentlichen Teil ihres Exporterlöses müssen diese Länder für den Einkauf von Rohöl verwenden. 1973 waren es 8% ihrer Exporterlöse, 1978 bereits 20 % und jetzt sind es schon 30 %. Damit ist jede weitere Investitionstätigkeit in diesen Entwicklungsländern von vornherein zum Scheitern verurteilt. Die ölexportierenden Länder konnten bis heute nicht dazu bewogen werden, einen gespaltenen Preis für ihr Öl einzuführen, nämlich den Billigpreis für Entwicklungsländer und einen Normalpreis für Industrieländer. Öl wird benötigt, um Strom zu erzeugen, um Dieselaggregate anzutreiben, für Wasserpumpen, und es wird als Brenn- und Heizmaterial dringend — nicht substituierbar — benötigt, zumal in weiten Teilen mancher Entwicklungsländer schon heute eine große Bodenerosion feststellbar ist, weil alle vorhandenen Gehölze als Brennholz verheizt wurden und mangels vorhandenen Brennholzes sogar tierische Abfälle als Brennmaterial verwendet werden.
Gerade in den Entwicklungsländern bietet sich an Stelle von 01 keine Ersatzenergie an; denn Erdgas und Kohle sind nur in beschränktem Umfang vorhanden und einsatzfähig, und andere Energien wie Solarenergie, Biogas, Wind- und Gezeitenenergien sind in überschaubaren Zeiträumen in größerem Umfang in den Entwicklungsländern mangels jeglicher technischen Basis noch nicht einsatzfähig.
Es ist somit eine Tatsache, daß 01 für die Entwicklungsländer unentbehrlich ist und letztendlich für diese Länder nur dadurch freigesetzt werden kann, daß die Industrieländer ihren Erdölverbrauch erheblich einschränken.
Die Industrieländer müßten ihren Verbrauch um 10 % mindern; denn so hoch ist der heute bereits bestehende Bedarf der Entwicklungsländer. Aber auch dieser Bedarf steigt ständig und muß ständig steigen, wenn man die früher von mir aufgezählten Probleme — Unterernährung, Analphabetismus, mangelhaftes Gesundheitswesen und schlechte Infrastruktur — in den Entwicklungsländern beseitigen will. Leider vermißt die Union sowohl in den Aussagen des SPD-Parteitages als auch in den Konzepten der Regierung und des Ministeriums Lösungsvorschläge.
— Jawohl.
In diesen Tagen der Haushaltsberatungen ist viel über Kernenergie gesprochen und es sind auch immer wieder Zweifel über die Notwendigkeit ihres Einsatzes in der Bundesrepublik lautgeworden. Offenbar haben die Zweifler nicht nur zu kurzfristig an sich selbst und in Utopien gedacht. Not und Elend von Millionen in der Dritten Welt, beruhend auch auf Energiemangel, sind völlig außer Betracht geblieben.
Wenn wir kein 01 einsparen, sind alle Bemühungen um eine Entwicklung und jede Chance für ein Überleben der von Wassermangel und Hungersnot Bedrohten in der Dritten Welt aussichtslos und vergeblich. Ich glaube, aus dieser ganz kurz gerafften Darlegung kann man schon ableiten, in welch fundamentaler Weise Industrie- und Entwicklungsländer voneinander abhängig sind.
Zum Abschluß richte ich noch ein Wort an Sie, Herr Minister Offergeld. Wir haben den Eindruck, daß Sie sich aus der entwicklungspolitischen Diskussion selber ausgeschaltet haben,
ausgeschaltet deswegen, weil Sie nur sehr selten und dann auch nur für wenige Minuten an den Aussprachen des Ausschusses teilgenommen haben.
Auch Ihrem Haus haben Sie keine neuen, konstruktiven Wege für Entwicklungspolitik aufgezeigt. Hierdurch trat das ein, was die SPD auf ihrem Parteitag in Berlin so formulierte: „Häufig kam es zu Wachstum ohne Entwicklung." Daran ändert auch nichts die Feststellung in der Tagespresse:
Herr Offergeld
hielt sich bei der Rede vom 10. Dezember an die in seinem Hause erarbeitete vertrauliche Ideenskizze zur Reform der deutschen Entwicklungspolitik.
Sind Sie, Herr Minister, der Meinung, daß sich die
Entwicklungspolitik der Zukunft auf der Grundlage
vertraulicher Ideenskizzen gestalten läßt? Wir sind
Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 193. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. Dezember 1979 15417
Höffkes
der Meinung, daß den Zielen deutscher Entwicklungspolitik nur mit partnerschaftlicher Offenheit gedient ist. Auch mit bloßem Auswechseln von Staatssekretären und Abteilungsleitern kann der von Ihnen zu verantwortenden Konzeptionslosigkeit des Ministeriums nicht abgeholfen werden.
Dies ist auch nicht durch die Forderung der Betriebsgruppe der SPD an Sie, den Personalreferenten und seinen vorgesetzten Unterabteilungsleiter von ihren Posten zu entfernen, zu erreichen.
Herr Minister, ist es richtig, daß die beiden genannten Herren nicht entschieden genug SPD-Belange in der Personalpolitik Ihres Ministeriums verfolgen würden?
Auf Ihre Antwort sind wir sehr gespannt. Oder, Herr Minister, glauben Sie, daß eigene Ideen Ihrerseits und Ihres Hauses durch die groß ausgeschriebenen Forschungsvorhaben — 22 an der Zahl — ersetzt werden können?
Glauben Sie, daß es genügt, wenn irgend jemand Denkhilfe für Politiker leistet, statt daß Politiker selber denken?