Rede von
Helmut
Esters
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Picard! Wir halten es ebenfalls für durchaus sinnvoll und haben bei uns in der Arbeitsgruppe schon des öfteren darüber gesprochen, inwieweit es Möglichkeiten gibt, mit Zinssubventionen zu arbeiten, um den finanziellen Rahmen der Entwicklungspolitik auszuweiten. Diese Überlegungen werden bei uns weiter verfolgt. Wir werden bei Gelegenheit auf diese Anregungen zurückkommen.
In diesem Zusammenhang spielt natürlich auch eine Rolle, daß wir bei der Hilfe für Privatinvestitionen, die seit 1979 erstmals im Bundeshaushalt steht — früher war das im ERP-Sondervermögen untergebracht —, versuchen wollen, diesen Bereich vor allen Dingen für mittlere und kleine Unternehmen attraktiv zu machen und aufzuschließen.
Dabei steht dann die Frage einer Überprüfung der beruflichen Aus- und Fortbildung im Rahmen der Entwicklungspolitik an.
Die Bundesregierung wird zu beiden Bereichen einen Situationsbericht oder einen Sachstandsbericht vorlegen. Danach werden wir sehen, inwieweit die bestehenden Durchführungsinstitutionen dies in der jetzigen Form übernehmen können und sollen oder ob andere Formen gesucht werden müssen, unter Umständen auch andere Abgrenzungen geboten erscheinen. Wichtig ist, daß wir — dies kann ich dem Herrn Kollegen Picard zusagen — dabei ausschließlich nach sachlichen Gesichtspunkten vorzugehen haben. Aber wir dürfen uns vorher auch keine Tabus aufbauen, nämlich derart, daß unbedingt und unter allen Umständen alles so bleiben muß, wie es bisher war. Möglicherweise muß dies auch zu einer institutionellen Neuordnung in dem ganzen Bereich führen.
15402 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 193. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. Dezember 1979
Esters
In der Vergangenheit, Herr Kollege Picard, waren wir immer froh darüber, daß es uns gelungen war, im Bereich der öffentlichen Entwicklungshilfe zu einer gewissen Konzentration der Mittel zu kommen. Diese Konzentration ist nun einmal zwangsläufig im Bereich Afrika erfolgt — Sie haben auch einige Gründe dafür genannt —, andererseits aber auch im Bereich der least developed countries. Darin waren wir uns einig.
Bei Lateinamerika ist es so, daß einige Länder zu den Schwellenländern gehören und daß die Privatinvestitionen dort ein ganz anderes Volumen erreichen als das z. B. in Afrika der Fall ist und der Fall sein kann. Hierbei müssen wir auch in Zukunft darauf achten, daß wir den Entwicklungsländern durch Beratung helfen, entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen, die Privatinvestitionen erst interessant machen. Das halte ich für eine ganz wichtige Aufgabe, denn ohne alledem geht es nicht.
Ich will jetzt auf den Haushalt zu sprechen kommen. In keinem Einzelplan besteht ein so deutliches Spannungsverhältnis zwischen der Notwendigkeit der Haushaltskonsolidierung und den Erfordernissen, die Ausgaben für einen bestimmten und zunehmend wichtiger werdenden Politikbereich erheblich zu steigern, wie beim Einzelplan des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Denn während der Gesamthaushalt im Volumen um rund 5,5 % steigt — hier also eine maßvolle Konsolidierung sichtbar wird —, steigt der Einzelplan 23 nach den Beratungen im Haushaltsausschuß und nach der Vorlage, die wir hoffentlich so beschließen, um rund 15 %. Er weist damit den höchsten Zuwachs aller Einzelhaushalte des Bundeshaushalts auf.
Es ist in diesem Bereich wichtig, daß wir uns im Zusammenhang mit den Beschlüssen, die hier im Frühjahr 1980 zu fassen sind, nicht den Boden dafür entziehen, den Bereich der öffentlichen Entwicklungshilfe in Zukunft finanziell so bedienen zu können, wie wir uns dies eigentlich vorgenommen haben. Worte wie „drastisch", „stark" und ähnliches mehr hören wir im Zusammenhang mit den Steuersenkungen. In Anbetracht der Bedeutung der NordSüd-Politik sollten auch im Bereich der öffentlichen Entwicklungshilfe die Worte „drastisch", „stark" und „besonders stark" verwendet werden.
Bundesregierung und Parlament bemühen sich durch eine ganze Reihe von Einzelpolitiken — ich nenne nur einmal das Beispiel Gemeinschaftsaufgabe —, ein zu starkes Gefälle in wirtschaftlicher, sozialer, kultureller und auch umweltpolitscher Hinsicht zwischen den einzelnen Landesteilen der Bundesrepublik Deutschland zu vermeiden. Genau in diese Richtung müssen die Industriestaaten — dazu gehören wir ja — ihren Beitrag zum Abbau des Gefälles zwischen Nord und Süd lenken. Das wird in den nächsten Jahren ein erhebliches Finanzvolumen erforderlich machen. Alle gesellschaftlichen Gruppen — zuletzt auch der Sachverständigenrat — haben uns ja die Empfehlung mit auf den Weg gegeben, die öffentlichen Hilfeleistungen in diesem Bereich erheblich zu verstärken. Dies müssen wir sehen.
Aber ich will dabei auch nicht verschweigen, daß die Koalitionsfraktionen bei den diesjährigen Haushaltsberatungen schon einen ersten Schritt in die richtige Richtung getan haben. Wir haben gegenüber der Regierungsvorlage trotz der Priorität der Konsolidierung des Bundeshaushalts hier noch zugelegt. Es wäre schön, wenn die Opposition künftig unserem Beispiel folgte und dann im Haushaltsausschuß nicht beantragte, genau in diesem Bereich um rund 200 Millionen DM zu kürzen.
Dieser Bereich ist für uns alle zu wichtig, als daß wir dies machen könnten.
Mit dem Einzelplan 23 gehen Koalitionsfraktionen und Bundesregierung einen vernünftigen, einen vertretbaren Weg in Richtung auf die Ausweitung der öffentlichen Entwicklungshilfe für die Länder der Dritten Welt. Ich hoffe, dies kann in den nächsten Jahren, wenn wir hier die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen, gehalten oder gar ausgeweitet werden.