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ID0819315300

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Metadaten
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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 8/193 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 193. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 13. Dezember 1979 Inhalt: Erweiterung des Tagesordnung . . . . 15311B Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1980 (Haushaltsgesetz 1980) — Drucksachen 8/3100, 8/3354 — Beschlußempfehlungen und Berichte des Haushaltsausschusses Einzelplan 11 Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 8/3381 — in Verbindung mit Einzelplan 15 Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit — Drucksache 8/3385 — in Verbindung mit Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung einer Stiftung „Hilfswerk für behinderte Kinder" — Drucksache 8/3293 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/3489 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit — Drucksache 8/3451 — Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein CDU/CSU 15312A Grobecker SPD 15315D Dr. Rose CDU/CSU 15318C Ewen SPD 15321 B Cronenberg FDP 15324 B Müller (Remscheid) CDU/CSU 15325 B Urbaniak SPD 15328 A Hölscher FDP 15329 B II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 193. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. Dezember 1979 Dr. Ehrenberg, Bundesminister BMA . 15331 A Burger CDU/CSU 15336 A Fiebig SPD 15338 B Eimer (Fürth) FDP 15341 A Frau Huber, Bundesminister BMJFG . 15343 C Frau Verhülsdonk CDU/CSU 15348A Glombig SPD 15351 D Kroll-Schlüter CDU/CSU 15355 B Kuhlwein SPD 15357 D Höpfinger CDU/CSU 15360A Jaunich SPD 15362 C Einzelplan 30 Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie — Drucksache 8/3391 — Dr. Stavenhagen CDU/CSU 15364 B Dr. Dübber SPD 15367 A Dr.-Ing. Laermann FDP 15369 B Dr. Hauff, Bundesminister BMFT . . . 15372D Lenzer CDU/CSU 15376 C Dr. Vohrer FDP 15379 B Stockleben SPD 15380 B Einzelplan 31 Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft — Drucksache 8/3392 — Frau . Benedix-Engler CDU/CSU . . . . 15381 C Dr. Meinecke (Hamburg) SPD 15385 B Frau Schuchardt FDP 15387 C Schmude, Bundesminister BMBW . . 15391 A Pfeifer CDU/CSU 15395 C Lattmann SPD 15397 B Beratung des vom Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung vorgelegten Entwurfs einer Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages — Drucksache 8/3460 — Dr. Lenz (Bergstraße) CDU/CSU . . . . 15398 D Einzelplan 23 Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit — Drucksache 8/3388 — Picard CDU/CSU 15399A Esters SPD 15401 C Gärtner FDP 15402 C Dr. Hoffacker CDU/CSU 15405A Dr. Holtz SPD 15407 D Dr. Vohrer FDP 15410D Offergeld, Bundesminister BMZ . . . 15412C Höffkes CDU/CSU 15415B Einzelplan 06 Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern — Drucksache 8/3376 — in Verbindung mit Einzelplan 33 Versorgung — Drucksache 8/3394 — in Verbindung mit Einzelplan 36 Zivile Verteidigung — Drucksache 8/3396 — Dr. Riedl (München) CDU/CSU . . . 15417C Walther SPD 15421 D Gärtner FDP 15424 C Gerster (Mainz) CDU/CSU 15426 D Dr. Nöbel SPD 15429A Baum, Bundesminister BMi 15430A Spranger CDU/CSU 15435 B Dr. Wernitz SPD 15436 D Dr Wendig FDP 15438 B Einzelplan 01 Bundespräsident und Bundespräsidialamt Drucksache 8/3371 — 15439 C Einzelplan 02 Deutscher Bundestag — Drucksache 8/3372 — 15439 C Einzelplan 03 Bundesrat — Drucksache 8/3373 — 15439 D Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 193. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. Dezember 1979 III Einzelplan 19 Bundesverfassungsgericht — Drucksache 8/3386 — 15439 D Haushaltsgesetz 1980 — Drucksachen 8/3398, 8/3457 — . . 15440A Nächste Sitzung 15440 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 15441* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 193. Sitzung. Bonn, Donnerstag den 13. Dezember 1979 15311 193. Sitzung Bonn, den 13. Dezember 1979 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete (r) entschuldigt bis einschließlich Dr van Aerssen* 14. 12. Dr. Aigner* 14. 12. Alber * 14. 12. Dr. Bangemann* 14. 12. Dr. Becher (Pullach) 14. 12. Blumenfeld* 14. 12. Egert 14. 12. Fellermaier* 14. 12. Frau Dr. Focke* 14. 12. Friedrich. (Würzburg) * 14. 12. Dr. Früh* 14. 12. Dr. Fuchs* 14. 12. Gallus 14. 12. Genscher 13. 12. von Hassel* 14. 12. Katzer 14. 12. Klein (München) 14. 12. Dr. Klepsch* 14. 12. Lange* 14. 12. Lücker* 14. 12. Luster* 14. 12. Milz 14. 12. Dr. Müller-Hermann* 14. 12. Dr. Pfennig* 14. 12. Frau Schleicher* 14. 12. Dr. Schwarz-Schilling 13. 12. Dr. Schwencke (Nienburg) * 14. 12. Seefeld* 14. 12. Sieglerschmidt* 14. 12. Frau Tübler 14. 12. Frau Dr. Walz* 14. 12. Wawrzik*_ 14. 12. Baron von Wrangel 13. 12. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Ursula Benedix


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Ja. — Warum haben wir uns immer gegen diese außerbetrieblichen Ausbildungsstätten gewandt? Weil es für die praktische Ausbildung im Betrieb keinen Ersatz gibt und weil die jetzt geförderten Ausbildungsstätten gerade dann fertig sind, meine Damen und Herren, wenn der große Schülerberg abgebaut wird. Dann aber stehen diese Ausbildungsstätten da. Sie stehen da mit pädagogischem Personal, und dieses Pesonal wird natürlich um jeden Preis versuchen, Auszubildende an sich zu ziehen, Auszubildende, die damit der praktischen Ausbildung in der Wirtschaft entzogen werden.
    Mir kommt es manchmal so vor, als sollte auf diesem Wege doch noch das Wort von Herrn Professor Blankertz, den Sie ja in Nordrhein-Westfalen mit großem Vertrauen bedacht und mit großen Aufgaben betraut haben, Wirklichkeit werden. Er hat einmal gesagt: Unser Ziel ist es, die duale Ausbildung in Betrieb und Schule langsam auszutrocknen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

    Meine Damen und Herren, wir aber werden uns im Interesse unserer jungen Leute diese praktische Ausbildung, die in der ganzen Welt ohne Beispiel ist, nicht kaputtmachen lassen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich wende mich nun noch der in der Auseinandersetzung ja so oft angesprochenen Gesamtschule zu. Meine Damen und Herren von der Koalition, wenn es um Veränderungen im Schulwesen ginge, die sich auf begrenztem Raum vollziehen und die jederzeit korrigierbar sind, würde ich mit Leidenschaft dafür plädieren, den Kampf gegen die Gesamtschule einzustellen. Aber es geht ja nicht um Veränderungen, sondern um den radikalen Umbruch eines über Generationen gewachsenen und von unendlich viel pädagogischer Erfahrung und wissenschatlichem Einsatz gestalteten Schulsystems.

    (Zustimmung bei Abgeordneten der CDU/ CSU)

    Da muß man für seine Einsichten mit Leidenschaft kämpfen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren von der Koalition, Sie stellen doch die Dinge auf den Kopf, wenn Sie die Beweislast für die bessere Eignung dem gegliederten Schulwesen zuweisen. Nein, die Beweislast muß schon der tragen, der das System verändern will

    (Zuruf von der CDU/CSU: So ist das!)

    und der dafür erhebliche personelle und finanzielle
    Mittel beansprucht, nämlich, wie Sie selbst ja in Ihren Ankündigungen propagieren, 40 bis 50 % mehr.

    (Zustimmung bei Abgeordneten der CDU/ CSU)

    Der Herr Kollege Mischnick hat am ersten Tage der Debatte die These aufgestellt: Da, wo eine Minderheit ein Gymnasium haben will, muß das zugestanden werden, und wo eine Minderheit die Gesamtschule will, muß dies ebenfalls zugestanden werden.

    (Dr. Probst [CDU/CSU]: Und wer bezahlt das?)

    Dies sei liberale Schulpolitik. Ich frage Herrn Mischnick: Mit welchem Anspruch tritt die Gesamtschule eigentlich seit 15 Jahren auf? Mit welchem Anspruch verlangt sie den großen personellen und materiellen Einsatz? Doch stets mit dem Angebot, Chancengleichheit dadurch zu gewährleisten, daß ein breites individuelles Angebot mit vielfältigen Kursen und Durchlässigkeit gemacht wird. Deshalb muß diese Schule ja auch eine bestimmte Größe haben; sonst stehen doch die Kurse nur auf dem Papier.
    Nun frage ich Herrn Mischnick und Sie, meine Damen und Herren von der FDP und auch von der SPD: Wie soll denn diese Minderheitenschule bei den zurückgehenden Schülerzahlen aussehen? Wenn Sie sie vor Ort anbieten wollen, kann sie doch nur eine Mini-Einheitsschule sein. Wenn Sie sie aber differenziert anbieten wollen, brauchen Sie doch in unseren ländlichen Räumen bei der zurückgehenden Schülerzahl- einen Einzugsbereich von 30 oder 40 oder 50 km.

    (Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

    Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 193. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. Dezember 1979 15383
    Frau Benedix-Engler
    Die Schüler wären dann in der Tat gestreßte Schwerarbeiter.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, warum sagen Sie den Eltern nicht, daß Gesamtschule heute eben entweder Schule mit langen Schulwegen oder Einheitsschule bedeutet? Warum wollen Sie die Eltern wiederum hinters Licht führen?

    (Zustimmung bei Abgeordneten der CDU/ CSU)

    Aber dies ist leider nur ein neues Kapitel unaufrichtiger Argumentation.
    Die Tätigkeit der Politiker in dieser Auseinandersetzung um das bessere Schulsystem muß sich doch wohl darauf beschränken, dafür zu sorgen, daß eine ausreichend lange Erprobung mit völliger Ergebnisoffenheit vor sich gehen kann, daß das Experimentieren auf einem begrenzten, überschaubaren Felde erfolgt und daß dann eine Reihe von objektiven Studien über die Erfahrungsberichte der verschiedenen Länder von Pädagogen offen diskutiert werden können. Das sicherzustellen, ist doch wohl die Aufgabe der Politiker.
    Ich erinnere noch einmal an die Probleme, die wir zu Beginn der Reformbemühungen ja gemeinsam erkannten. Ich nenne nur stichwortartig: Abbrecher, Durchlässigkeit, Spätentwickler, bildungsferne Schichten, Graben zwischen Schule und Hochschule, zu geringer Bezug der Schule zur Lebens- und Arbeitswirklichheit usw. Es stellte sich doch für uns alle die Frage: Sind dies alles Mängel des gegliederten Systems, die innerhalb des Systems überwunden werden können, oder können sie nur durch Systemumbruch überwunden werden, sprich: durch die integrierte Gesamtschule? Das war doch die redliche Fragestellung. Erst nach einer ruhigen Versuchsphase sollten die Politiker sprechen. Inzwischen haben wir dafür zu sorgen, daß die Ergebnisse nicht manipuliert werden.
    Meine Damen und Herren von der Koalition, Sie haben das Wort „Fremdbestimmung" in die Gesetzesberatung eingeführt. Wenn bei irgendeiner Auseinandersetzung das Wort Fremdbestimmung am Platze ist, eine Fremdbestimmung, die man abwehren muß, dann ist das hier in der Bildungspolitik.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Abwehren müssen wir den Einfluß der Gruppen und Argumente, die gottlob nur mühsam versteckt hinter hehren Motiven ihre eigenen Ziele verfolgen. Ich nehme hier keinen aus: die leidgeprüften Eltern, die für ihr anders begabtes Kind ein billigeres Abitur erhoffen, die Sozialromantiker, die vom Einheitsschnittmuster für alle Menschen träumen, die ehrgeizigen Kommunalpolitiker, die zunächst an ein neues Schulgebäude für ihre eigene Gemeinde denken, die Standespolitiker, die auf Sozialprestige bedacht sind, die Besoldungsstrategen, die Stellenanhebungen und Stellenkegel im Hinterkopf haben, die pädagogischen Theoretiker, die sich dem etwas abgewandelten Spruch von Hegel verbunden fühlen, daß dann, wenn Praxis und Theorie nicht übereinstimmen, die Praxis — sprich hier: der Mensch —
    eben Pech gehabt hat, und schließlich die Gesellschaftsveränderer, die uns über die Schule der Gesellschaft der Gleichen näherbringen wollen. Es ist Aufgabe der Politiker, diese Fremdbestimmung abzuwehren, damit unbeeinflußt davon das für das einzelne Kind, für seine Entfaltungs- und Förderungsmöglichkeiten bessere Schulsystem erkannt werden kann.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich gebe zu, wir haben hier alle gesündigt. Aber Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, haben das unvergleichlich schwerwiegender und vor allen Dingen ohne Einsicht getan. Die Empfehlungen des Bildungsrates mit den 40 Modellversuchen, das Übereinkommen der Bund-Länder-Bildungsplanungskommission waren eine tragfähige Basis. Aber schon zu Beginn der 70er Jahre verließen Sie diese Linie, und dann machten Sie Kehrtwendung in der Argumentation, und zwar mit einer Geschwindigkeit, die einem Hören und Sehen vergehen ließ. So erklärten Schulexperten der SPD und Kultusminister im Jahre 1969: Wir fordern die integrierte Gesamtschule als Versuch, Ergebnis offen, wissenschaftlich begleitet. Damit waren wir völlig d'accord. Schon zwei Jahre später hieß es: Wir fordern diese Schule mit dem Ziel der endgültigen Einführung. Damit war die Linie des echten Versuchs aber bereits verlassen; denn dann ging es gar nicht mehr um das Ob, sondern nur noch um das Wie. Etwa im Jahre 1972 hieß es zum erstenmal, der wissenschaftliche Vergleich sei gar nicht mehr notwendig, weil man Unvergleichbares nicht vergleichen könne. Dann wurden die Vorteile der integrierten Gesamtschule in den Landesparlamenten gepriesen, z. B. die Leistungssteigerung und daß etwa die Hälfte des Jahrgangs das Abitur erreichen kann. Was zeichnet sich inzwischen ab? Die bessere Studierfähigkeit für eine größere Zahl von Schülern ist auf Grund der vorliegenden Untersuchungsergebnisse wirklich nicht mehr ins Feld zu führen. Durchlässigkeit, längeres Offenhalten des Schul- und Ausbildungsweges wurden versprochen, doch es zeichnete sich ab, daß sich die sogenannte Durchlässigkeit fast ausschließlich ab- und nicht aufwärts vollzieht. Wer im letzten Kurs ist, bleibt in der Regel im letzten Kurs.
    Man wollte die soziale Integration schaffen. Es zeichnete sich ab, daß sie nicht stattfindet, weil in integrierten Gesamtschulen dem Langsamen sein Langsamsein und dem anderen sein Anderssein viel schmerzlicher bewußt wird. Man warb mit Erziehung zur Demokratie: die demokratische Schule, Förderung demokratischer Verantwortung. Daß integrierte Gesamtschulen ein Hort demokratischen Verhaltens und demokratischer Tugend sind, worunter wir doch wohl übereinstimmend Toleranz, Fairneß und Humanität verstehen, kann man nun wirklich nicht mehr sagen. Im Gegenteil, auf Grund des vergleichsweise viel höheren Zerstörungsgrades ist dieses Ziel in diesen Schulen ins Gegenteil verkehrt. Ich erinnere nur an die Vorgänge in Frankfurt-Nordweststadt. Sie wissen, daß sich vor etwa zwei Jahren die Eltern, die diese Schule alle befürwortet haben, in der Offentlichkeit an die Ver-
    15384 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 193. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. Dezember 1979
    Frau Benedix-Engler
    antwortlichen gewandt und gesagt haben: Wenn ihr uns nicht genausoviel Psychagogen, Pädagogen und Sozialarbeiter gebt, wie ihr uns Lehrer gegeben habt, dann müßt ihr bald das Personal der umliegenden Polizeireviere um 100% aufstocken. Selbst die beschworene Chancengleichheit entpuppt sich ja mehr und mehr als Chance, gleichmäßig wenig zu lernen. Die Antwort eines namhaften Bildungspolitikers darauf heißt: Gut, wenn wir dies alles nicht erreichen können, so sagen wir trotzdem: Die Gesamtschule kommt, weil sie kommen muß. Sie kommt wie das Amen in der Kirche. — Das ist pädagogisch wirklich sehr überzeugend.
    Meine Damen und Herren von der Koalition, Sie müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, nicht nur in der Argumentation unglaubwürdig geworden zu sein. Sie sind es auch durch die wechselnden Methoden der Überrundung der Betroffenen — vor allen Dingen der Eltern — in den einzelnen Ländern,

    (Frau Berger [Berlin] [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    die Ihre vorgegebenen pädagogischen Absichten geradezu ad absurdum führen.
    Statt der etwa vier Versuche für jedes Land, die der Bildungsrat empfohlen hat, haben Sie in Hessen gleich etwa 100 nacheinander initiiert. Das nenne ich faktische Überrundung; denn Fakten kann man nicht mehr rückgängig machen. Nach der Methode Hessen die Methode Niedersachsen: ein Schulgesetz mit eingebauter Zwischenstufe als integrierter Orientierungsstufe, mit eingebautem „goldenen Zügel" für Schulbauten in den Kommunen und mit eingebautem Automatismus. Hat nämlich erst eine ausreichende Zahl der Kommunen den Verlockungen des Schulgeldtopfes nicht widerstanden, dann müssen die übrigen automatisch nachziehen. Der Weg von der Orientierungsstufe zur integrierten Gesamtschule, so wollte es das niedersächsische Schulgesetz der damaligen SPD /FDP-Regierung, war dann nur noch eine Frage der Zeit.
    Methode Nordrhein-Westfalen: Hier ging man nicht mehr mit der Zwischenstufe Orientierungsstufe vor, hier wollte man die Zwischenform „Kooperative Gesamtschule". Aber der Kredit an Glaubwürdigkeit war hier verspielt. Hier ließen sich die Eltern nicht mehr überrunden. Hier gab es das große Volksbegehren, diesen einmaligen Aufstand der Eltern gegen die wechselnden Tricks einer SPD/ FDP-Regierung. Meine Damen und Herren, wechselnde Argumente, wechselnde Methoden, Überrundungstricks: Wer sich so verhält, kann doch von seiner Sache nicht überzeugt sein.

    (Dr. Probst [CDU/CSU]: Richtig!)

    Er kann kein glaubwürdiger Partner im Ringen um den besseren Weg für unsere Kinder sein!

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Probst [CDU/CSU]: Da spielt die Akzeptanz plötzlich keine Rolle!)

    Hier blockiert die Ideologie jede Analyse und jede nüchterne Beurteilung der wissenschaftlichen Ergebnisse.
    Als neuen Trick versuchen Sie nun die Ablehnung der Vergleichbarkeit von Abschlüssen im gegliederten und integrierten System in der Hoffnung, dann mit dem Elternwillen operieren zu können. Denn — so lautet die Werbeverlockung —: Gesamtschulen sind in der Regel Ganztagsschulen; Gesamtschulen sind besser ausgestattet; Gesamtschulen führen mehr Schüler auf bequemerem Weg zum Abitur; Abschlußvergleiche darf es nicht geben. Allerdings welche Eltern werden dann noch für ihre Kinder den beschwerlichen Weg im gegliederten System wählen? Aber das wäre wirklich Schulpolitik zu Lasten der Kinder.

    (Dr. Probst [CDU/CSU]: So ist es!)

    Diese Schülergeneration ist durch Reformschäden gerade genug belastet. Ich meine, wir dürfen nicht zulassen, daß zu diesen Reformschäden jetzt auch noch die Täuschung kommt.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf des Abg. Löffler [SPD])

    Denn es gibt nicht nur Inflation als Währungsbetrug, es gibt sie nämlich auch als Bildungsbetrug. Deshalb, meine Damen und Herren von der Koalition, haben Sie doch endlich den Mut zur Wahrheit! Sprechen Sie mit uns offen die Probleme an, um die es bei diesem System geht und die man ja doch nicht abstreiten kann. Die Entscheidung ist wirklich schicksalsschwer genug.
    Das letzte Argument, das man jetzt ins Feld führt
    — auch in Ihren neuesten Schriften —, lautet, die Gesamtschule sei die Schule ohne Angst. Nun, Ihnen allen sind wohl Berichte von Ärzten, vor allen Dingen von Kinderärzten und Psychologen, bekannt, die uns beweisen, daß es noch nie so viele neurotische und verhaltensgestörte Kinder gegeben hat

    (Zuruf von der SPD)

    — Moment! — und daß diese Verhaltensstörungen immer besonders groß in den Großsystemen, sprich: in den integrierten Systemen sind. Ich verweise hier nur auf den Hilferuf der renommierten Schule Frankfurt-Nordweststadt, von dem ich soeben gesprochen habe.
    Schuld sind sicher die zu hohen Ansprüche mit der These, daß nur der vorwärtskommen kann, der das Abitur hat. Aber wer hat denn das alles vornehmlich propagiert? Die Verwissenschaftlichung in der Schule, die Verwissenschaftlichung in der Lehrerausbildung: Wer hat das vornehmlich vorangetrieben? Unsere Lehrer fallen doch heute in den ersten Unterrichtsstunden manchmal gleichsam vom Himmel der Abstrakta. Die Schüler verstehen diese verwissenschaftlichte Fachsprache nicht, und das Fremde ist eben das Unverständliche, das Ängste erzeugt.

    (Dr. Probst [CDU/CSU]: Richtig!)

    Die Ängste unserer Kinder erwachsen doch aus der Anonymität. Sie wachsen dort, wo der Lehrer eben nicht mehr Erzieher, Freund und Vertrauter, sondern ein Miniwissenschaftler ist. Die Ängste wachsen durch den objektivierten Unterricht; sie erwachsen aus der Intellektualisierung der Lehrpläne. Aber
    Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 193. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. Dezember 1979 15385
    Frau Benedix-Engler
    das sind doch gerade alles Kriterien integrierter Systeme.
    Deshalb: Schulängste abbauen, das heißt Überschaubarkeit schaffen, das heißt eben, daß Kinder nicht frühmorgens auf der Straße stehen müssen, bis der Bus ankommt, und das heißt, daß sie sich bei einem Klassenlehrer wieder zu Hause fühlen und ganz persönlich angenommen wissen. Wer angstfreie Schule schaffen will, muß dem Gleichheitswahn widerstehen. Das aber gelingt, nach bisherigen Ergebnissen zu urteilen, eben besser in einem gegliederten System mit unterschiedlichen Schulstrukturen.

    (Dr. Probst [CDU/CSU]: Deswegen schicken die Sozis ihre Kinder auch nicht dorthin! — Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich möchte Sie wirklich herzlich bitten, bei der Fortschreibung des Bildungsgesamtplans — —

    (Zuruf des Abg. Löffler [SPD])

    — Jetzt treten Sie bloß nicht die Flucht nach vorn an, wie Sie es in Hamburg getan haben! Flucht ist immer eine Flucht. Ich bitte Sie, haben Sie den Mut, die Reformfehler einzugestehen, sich zu korrigieren und mit uns gemeinsam den Vormarsch zur Vernunft und zur Einsicht anzutreten.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Probst [CDU/CSU]: Hervorragend! Spitze!)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Meinecke (Hamburg).

(Dr. Probst [CDU/CSU]: So gut wird der Meinecke nicht sein!)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Rolf Meinecke


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Natürlich, Herr Kollege Probst. So gut kann man gar nicht sein, wie die Dame eben gewesen ist. Es war ein bildungspolitisches Sackhüpfen auf einer konservativen Wiese, wenn Sie so wollen.

    (Dr. Probst [CDU/CSU]: Ein schönes Bild! Aber es paßt nicht!)

    Ich werde erst einmal über das reden, worüber wir eigentlich zu reden haben.

    (Zuruf des Abg. Dr. Probst [CDU/CSU])

    — Unterbrechen Sie mich möglichst wenig, denn ich habe wenig Zeit, und die möchte ich Ihnen zuliebe gerne einhalten, Herr Kollege Probst.
    Zunächst einmal müssen wir ja wissen, worüber wir reden. Wir stehen hier mit leeren Händen da, hat die Frau Kollegin gesagt. Wir reden hier über einen Haushalt mit einem Volumen von 4,124 Milliarden DM. Die Schwerpunkte dieses Haushalts sind die Ausbildungsförderung mit einer geringen, aber immerhin doch ins Gewicht fallenden Steigerung, auch für andere Förderungsmaßnahmen für Studierende, für Graduierten-, Studien- und Promotionsförderung sowie für Studentenwohnraumförderung. Die zweite große Position umfaßt die berufliche Bildung, Geldausgaben für betriebliche und überbetriebliche berufliche Aus- und Fortbildung einschließlich der Ausbilderförderung mit 334 Millionen DM. Dann kommt eine Summe von 850 Millionen DM für den Ausbau der Hochschulen und Universitäten. Ich hätte gedacht, daß hier die Kürzung um 100 Millionen DM, die im Rahmen der parlamentarischen Beratung vorgenommen wurde, bei Ihnen Kritik hervorgerufen hätte. Das ist nicht geschehen.
    Ich meine, man kann im kommenden Jahr mit dieser Summe leben und wir können vernünftig verfügen. Aber es wäre im Interesse einer politischen Deutlichkeit und Klarheit gut, wenn der Herr Minister uns nachher mitteilen würde, welche Haushaltsreste im Jahr 1979 unter dem Titel Hochschulausbau nicht abgeflossen sind und ob es daher gerechtfertigt ist, die Summe ein klein wenig niedriger zu veranschlagen. Wir sind doch alle wohl der Auffassung, daß wir auch unter dem Gesetz des Sparens stehen.
    Der Entwurf des Haushalts ist im Ausschuß beraten worden. Wir haben geringfügige, aber immerhin ins Gewicht fallende Umschichtungen vorgenommen. Er ist im Ausschuß nicht abgelehnt worden. Ich bin neugierig, ob Sie ihn hier ablehnen werden, entweder weil Ihnen die letzte Rede oder die jetzt kommende Rede des Ministers nicht paßt oder weil Ihnen vielleicht neuerdings auch sein sehr intelligenter Kopf nicht mehr paßt. Das werden wir ja nun gleich erleben.
    Immerhin werden wir der Bevölkerung sagen müssen — und wir müssen es auch uns selbst einmal vor Augen führen —: Was geben nun in dieser Bundesrepublik Deutschland Bund, Länder und Gemeinden für das gesamte Bildungssystem einschließlich der Forschung an Hochschulen — außer der technischen Forschung — aus? Das waren im Jahr 1976 57 Milliarden, und es sind im Jahr 1979 69 Milliarden, und es werden wahrscheinlich im Jahr 1980 noch einmal 10 bis 15 Milliarden mehr sein.
    Wer im Jahre 1970, als wir hier eine Summe von 27 Milliarden DM zur Verfügung hatten, voraussagte — auch ich habe meine Prügel auf Parteitagen bekommen —, daß wir diese enorme Kraftanstrengung bewältigen, dem wurde nicht geglaubt.
    Nun will ich gar nicht verhehlen, daß die finanziellen Hauptanstrengungen natürlich von den Ländern und den Gemeinden aufzubringen sind. Ich weiß, daß einige Bundesländer — Flächenstaaten wie Rheinland-Pfalz und das Saarland — enorme Anstrengungen unternommen haben, um die gesamte Bildungslandschaft bei uns weiterzuentwikkeln.
    Aber dieser Haushalt und dieses Ergebnis stehen auch unter dem Gesetz und unter dem Willen der Bundesregierung wie der sie tragenden Fraktionen, den Bildungsgesamtplan zu vollziehen und fortzusetzen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Wo wären wir denn 1970/71 ohne diesen Gesamtplan gewesen? Wo würden wir heute stehen? Vielleicht verwenden Sie auch einmal einige Betrachtungen auf dieses Thema.
    15386 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 193. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. Dezember 1979
    Dr. Meinecke (Hamburg)

    Wenn wir über diesen Plan und über die Möglichkeiten der Fortschreibung reden, dann möchte ich gern auf einen Punkt hinweisen. Ich beginne bei den Äußerungen des Herrn Ministerpräsidenten Vogel aus Rheinland-Pfalz, der in seinen Ausführungen selbst darauf hingedeutet hat:
    Der Bildungsgesamtplan von 1973 gehört für mich ausdrücklich zu diesen positiven Ergebnissen. Es hat sich gelohnt, daß wir so um ihn gekämpft haben.
    Das ist auch sicher richtig so. Aber er hat einen kleinen Fehler bei der Debatte gemacht. Er hat so getan, als wenn dieser Bildungsgesamtplan ausschließlich Ausdruck des 1969 neu in die Verfassung eingegangenen Art. 91 b des Grundgesetzes ist. Das ist nicht der Fall. Wir haben damals vier neue Instrumente bekommen. Wir haben Art. 91 a bekommen. Wir haben die gemeinsame Planung auf dem Gebiet des Hochschul- und den Ausbau des Hochschul- und Universitätswesens gekommen. Wir haben die Ausbildungsförderung in unsere Obhut genommen. Mit diesen vier Instrumenten haben wir dieses Ziel erreicht. Es ist unvernünftig, heute einen Mosaikstein, ein Element aus diesem Bukett herauszubrechen und dies mit einer Erpressung in der Weise zu verbinden, daß gesagt wird: Ja, wir schreiben weiter fort, aber nur, wenn ihr die Gesamtschule ablehnt und bekennt, daß wir falsche Reformen vorgenommen haben.

    (Beifall bei der SPD)

    Das halten wir nicht für den richtigen Weg; ich komme nachher noch darauf zu sprechen.
    Wir haben heute in den Zeitungen gelesen, daß es neue Erhebungen über diese soziale Situation und über die Art und Weise des Studierens und des Lebens unserer Studenten gibt. Ich bekenne in dem Zusammenhang, daß wir im kommenden Jahr darauf achten müssen — und ich bitte die Regierung sehr, darauf zu achten —, gewisse Elemente dieser veröffentlichten Erhebung zu berücksichtigen. So glaube ich zum Beispiel, daß wir uns mehr um das Studentenwohnheimprogramm kümmern müssen. Es fällt unheimlich schwer, heute in den Großstädten und am Rand der Großstädte Wohnungen zu bekommen. Es ist nicht nötig, daß man ein Drittel des Jahres jobben muß, um die Mieten zu bezahlen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist sehr wahr!)

    Es ist wohl auch bewiesen, daß sich die Studienzeiten an den Hochschulen nicht permanent verlängert haben. Die Studenten sind verdammt vernünftig; sie haben nur ihre Schwierigkeiten.

    (Beifall bei der SPD und der FDP) Das ist ein gemeinsamer Weg.

    Wir stehen vor schwierigen Operationen in der Zukunft. Wir haben auch mit Ihrer Hilfe im Ausschuß ernst um die Lösung der Probleme gerungen, die wir im kommenden Jahrzehnt vor uns haben: das Problem der Kinder unserer ausländischen Wander- oder Gastarbeiter oder wie immer man sie nennen mag, das Problem der zweiten Ausländergeneration, das Problem der Behinderten, das Problem, wie auch die Schule und die weiterführenden Schulen helfen, den Weg nach Europa zu finden. Das reicht dann in die Kategorie des Sprachunterrichts hinein: wie man sich verständigt, daß man vielleicht Unterschiede formuliert zwischen den aktiven Fähigkeiten, eine Sprache zu beherrschen, und dem passiven Verstehen einer weiteren dritten Sprache. Wir werden in den kommenden Jahrzehnten alle auf dem Wege sein, uns hier noch zu bemühen, auch diejenigen, die normalerweise nicht mehr zur Schule gehen.

    (Dr. Probst [CDU/CSU]: Sie wären ja auch kein schlechter Minister!)

    — Es geht hier nicht um schlechte und gute Minister, sondern um die Zukunft.
    Wenn wir in Betracht ziehen, daß die Schülerzahlen im Bereich der Grund- und Hauptschulen um Hunderttausende zurückgehen und daß in der Sekundarstufe und später auf den Hochschulen eine ungeheure Erhöhung der Zahlen zu verzeichnen ist, werden wir uns mehr um die Innenstruktur unseres Bildungswesens bemühen müssen. Das erfordert ein ernstes Miteinanderarbeiten. Wenn ich dann das Trauerspiel um den Bildungsgesamtplan sehe und vor zwei Tagen die Behauptung des Herrn bayerischen Ministerpräsidenten gehört habe, die bayerische Staatsregierung hätte nichts blockiert, sie hätte überhaupt niemanden blockiert, sondern neuerdings blockierten die Finanzminister,

    (Dr. Probst [CDU/CSU]: Die Hamburger!)

    dann bitte ich doch den Herrn Minister, dazu Näheres auszuführen. Wenn das so ist, dann müssen wir Bildungspolitiker eine Koalition nicht gegen, aber vielleicht mit den Finanzministern bilden. Es kann ja wohl nicht wahr sein, daß wir nicht erkennen, daß in den inneren Strukturen der Schule noch so viel zu tun ist, daß man nicht mit dem Argument, man benötigte soundso viel tausend Lehrer weniger, die Fortschreibung des Planes verhindert.

    (Beifall bei der SPD)

    Die Möglichkeit der Lehrer, an den Schulen mit ihren Schülern und Schülerinnen zu sprechen und mit ihnen Kontakt zu pflegen, ist auch ein Mittel, ein Instrument, das, was unter Schulangst verstanden wird, vielleicht zu mindern. Ich habe meinen 17jährigen Sohn gefragt, wohin er denn lieber gegangen wäre, dorthin, wohin er jetzt gehe, oder in die Gesamtschule. Er hat mir gesagt, das sei ihm völlig egal; er möchte ein paar anständige Lehrer haben, mit denen er reden könne, und zwar auch außerhalb der Schulzeit.

    (Dr. Probst [CDU/CSU]: Das ist ein Wort!)

    Dies scheint ein Kardinalproblem der neuen Schule zu sein.

    (Dr. Probst [CDU/CSU]: Ich sage ja, Sie wären ein besserer Minister!)

    Heute nachmittag hat es eine interessante Aussprache über die Situation unserer jungen Generation überhaupt gegeben. Ich würde ganz gerne darauf abheben, von jungen Generationen zu sprechen.
    Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 193. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. Dezember 1979 15387
    Dr. Meinecke (Hamburg)

    Ich sehe nämlich mit einer großen Besorgnis, wie rasch sich der Zustand einer Generation von Jugendlichen und von Kindern ändert. Ich meine behaupten zu dürfen — das ist auch wissenschaftlich belegt —, daß die Generationsspannen heute nicht mehr als fünf bis acht Jahre betragen. Wir reden hier über die Sechs- bis Vierundzwanzig-, Dreißigjährigen.
    Ihr Kollege Remmers hat z. B. unlängst an der Akademie von Loccum in einer nach meiner Meinung vernünftigen Weise dargestellt, welches eigentlich heute der Auftrag der Schule ist. Er hat sehr wohl Elemente wie Erziehung zur Toleranz, zur Mitmenschlichkeit, zum Miteinander-Reden genannt. Ich bejahe dis.
    Wir sehen heute, welchen Randgebieten sich die Jugendlichen aus einer allgemeinen Gleichgültigkeit auch gegenüber der Schule zuwenden. Dahin gehören auch die Randerscheinungen, die dankenswerterweise von Herrn Kroll-Schlüter, aber auch von meinen Kollegen heute nachmittag genannt wurden, wie Drogensucht, Fernsehsucht, Spielsucht, Sektensucht und vieles Weitere. Hier werden doch Ersatzlandschaften erobert, die über die Realitäten hinweghelfen sollen. Mit einer gewissen Berechtigung versucht heute auch die Welt der Erwachsenen klarzumachen, daß auch sie in einer Zeit gewisser Lebensängste lebt. Eine Fernsehserie hat unlängst bewiesen, daß auch unsere Erwachsenen das Gefühl haben, in einem Zeitraum der Umwertung aller Werte zu leben.
    Herr Kroll-Schlüter hat gesagt, die Jugend müsse wissen, wohin der Weg gehe. Ich sage: Nein, die Jugend muß wissen, wie sie diesen Weg gehen kann und mit welchen Fähigkeiten sie vertraut gemacht werden muß und wie sie diese Wirklichkeit erkennt.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Angesichts dieser Schwierigkeiten frage ich mich: Mit welcher Überheblichkeit, die teilweise bei Ihnen festzustellen ist, ja, mit welcher bürgerlichen Sicherheit, aber auch mit welcher intellektuellen Aroganz behaupten Sie eigentlich, das dreigliedrige Schulsystem sei das einzige Wahre und dürfe nicht verändert werden?

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Das ist für mich die kardinale Frage. Nun lassen Sie uns doch die richtigen Schwierigkeiten erkennen und sie meistern! Lassen Sie diese beiden Systeme im Angebot nebeneinander leben.

    (Dr. Probst [CDU/CSU]: Das kann doch keiner bezahlen!)

    Das Richtige wird sich schon durchsetzen. Sie können sich darauf verlassen. Die inneren Strukturen sind wichtiger. Hören Sie also auf mit Ihrem Krampf, hören Sie auf mit Ihrem Trauma von der Gesamtschule! Das Teiltrauma bei Ihnen, Frau Benedix, sind doch die sogenannten Modellversuche.

    (Dr. Probst [CDU/CSU]: Das ist doch Ihr Trauma!)

    Sie haben zuviel in den Anzeigenblättern der Zeitungen gelesen. Sie müßten nicht soviel von Modellversuchen reden, sondern von Schulmodellversuchen. Überall in der ganzen Welt werden doch neue Schulformen erprobt. Nun sehen Sie doch endlich in die Vereinigten Staaten. Der kardinale Spruch dieses großen Landes lautet: Unser Reichtum liegt in der Vielfalt. Ich kann dem nichts hinzufügen.
    Wir werden dem Haushalt mit Freuden zustimmen und freuen uns auch auf die Rede des von uns geschätzten und unterstützten Ministers.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)