Rede von
Hermann
Kroll-Schlüter
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Wir haben deswegen in jüngster Zeit mehrere Initiativen vorgelegt. Ich bin ebenfalls nicht der Meinung, daß man mit Dunkelziffern operieren sollte. Das habe ich auch nicht
Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 193. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. Dezember 1979 15357
Kroll-Schlüter
getan. Das ist etwas für Dunkelmänner, aber nichts für die politische Auseinandersetzung.
Ihre Betrachtung, Frau Huber, die Sie immer anstellen, und auch Ihre praktische Politik, beziehen sich immer auf diese Bereiche der Randgruppen. So wichtig diese Sicht auch ist, so wird dadurch doch sozusagen eine gewisse Faszination der kranken Ränder erzeugt. Die eigentliche Auseinandersetzung über die Jugendhilfe und auch über andere jugendpolitische Themen wird dabei vernachlässigt. Für die lebendige Mitte ist zuwenig gemacht worden und wird zuwenig gemacht. In der Mitte ist zuwenig los. Es gibt zuwenig Phantasie, zuwenig Herausforderung. Ihre Politik der Betrachtung von den kranken Rändern her führt zu einem Bild der jungen Generation, das so aussieht, als wäre die ganze junge Generation krank. Wenn Sie Zeitungen oder Ihre Informationsbroschüre lesen, erscheint es immer so, als wären alle krank. Infolgedessen behandeln Sie den jungen Menschen wie einen Patienten und betreiben eine fehlgeleitete, nicht erfolgversprechende Jugend- und Familienpolitik,
weil Sie den falschen Ansatz haben, weil Sie die falsche Betrachtung haben und weil Sie die falsche Politikberatung haben. Insofern ist Ihre Politik — Sie müssen es doch auch an der Kritik und der fehlenden Resonanz draußen im Lande spüren — auf dem falschen Wege. Eine jugendpolitische Wende ist notwendig.
Seit unserer Großen Anfrage zur Drogensituation junger Menschen, zu Jugendkriminalität, Alkoholismus usw. haben wir mehrere Initiativen ergriffen. Wir sind dabei davon ausgegangen, daß das Suchtproblem durch mehrere Faktoren bestimmt wird — vielleicht können wir uns darauf einigen —: materielle Hindernisse, fehlende Erfolgserlebnisse, mangelnde menschliche Kontakte, Konzentration aller Lebensbereiche, zuviel Bürokratie, das Fehlen von Wertvorstellungen.
Ich rufe noch einmal in Erinnerung, was der Bundeskanzler in dieser Woche zur Familie gesagt hat: weil es mal 6 Mrd. Menschen geben könnte, sei sozusagen eine Familienförderung hier nicht mehr notwendig. Wenn das eine Zukunftsperspektive für junge Menschen sein soll, braucht man sich über deren Reaktion nicht zu wundern.
Es gibt Probleme in Familie und Schule.
Es gibt auch Konflikte. Es gibt auch Angst.
Herr Fiebig, zu dem Stichwort Leistungsdruck: Sollten wir uns nicht einmal darauf verständigen, was das eigentlich heißt? Ist es wirklich so, daß zu viel verlangt wird, oder ist es nicht vielmehr so, daß ohne Orientierung, ohne wertgebundene Erziehung, ohne Perspektive so vieles verlangt wird und so viele nicht mehr wissen, wofür eigentlich? Ist es nicht deswegen so, daß es mehr einen psychologischen Druck gibt, weil so viele junge Menschen nicht mehr sagen können, wohin eigentlich die Reise geht? Wenn Sie mit einem jungen Menschen sprechen würden, um ihn zu fragen: „Wohin geht dieses Land, welches Ziel haben wir, welche außenpolitische Zielsetzung haben wir?", er hätte es sehr schwer, darauf eine Antwort zu geben.
Es ist ein Beweis der Schwäche dieser Bundesre gierung, wenn sie nicht den Mut aufbringt, gegen bestimmte Strömungen, weil es noch nicht modern oder populär ist, anzugehen.
Herr Eimer, wenden Sie sich ganz massiv gegen die Forderung der Jungdemokraten, Haschisch zuzulassen,
und zwar in einer überzeugenden Weise. Wenden Sie sich dagegen und stellen Sie klar, daß Haschisch mehr ist als eine Einstiegsdroge.
Wichtig ist, finde ich, um in diesem Bereich wirklich Erfolg zu haben, eine klare Analyse, eine Verdeutlichung der unterschiedlichen Positionen. Wichtig ist, Frau Huber, daß Sie sich von Ihrer Politikberatung und den falschen ideologischen Ansätzen lösen. Wichtig ist, daß der Staat bescheidener wird.
Wichtig ist, daß wir den jungen Menschen und der Familie wieder mehr zutrauen. Wir haben allen Anlaß dazu.
Der Staat und vor allem diese Bundesregierung wären gut beraten, wenn sie sich selber weniger und den Familien und den jungen Menschen mehr zutrauen würden, damit sie wieder mehr dem Staat vertrauen.