Rede von
Norbert
Eimer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Kollege, Sie wissen genau, daß die Bundesregierung zu den Familienberichten immer sehr kritisch Stellung genommen hat, auch gerade zu dem Zweiten Familienbericht. Das können Sie nicht abstreiten.
Sie reden immer von der Zerstörung der Familie, und durch Ihre Schwarzmalerei zerstören Sie das, was Sie zu schützen vorgeben.
Ich frage Sie: Wo zerstören wir denn die Familie? Vielleicht bei der elterlichen Sorge? Das behaupten Sie immer wieder. Da kann ich Ihnen nur den guten Rat geben: Gehen Sie einmal zur Evangelischen Aktionsgemeinschaft für Familienfragen! Fragen Sie einmal deren Vorsitzenden, Professor Keil, was er Ihnen über das Gesetz zur Neuregelung der elterlichen Sorge zu sagen hat! Er macht auch Vorwürfe. Aber er sagt: Wir machen zu wenig, und wir haben uns von Ihnen zu sehr bremsen lassen. Das ist der Vorwurf, der von der Evangelischen Aktionsgemeinschaft für Familienfragen kommt.
Ich frage Sie, wo mißachten wir denn das Elternrecht? Da ist mir diese Woche eine Schrift auf den Tisch gekommen — Sie müssen sie auch bekommen haben — von der Arbeitsgemeinschaft der evangelischen Jugend in der Bundesrepublik. Hieraus möchte ich Ihnen einige Zitate bringen.
Da heißt es zum Beispiel:
Das Gesetz stellt die Förderung der Erziehungsfähigkeit der Familie in den Vordergrund ... Es ist positiv hervorzuheben, daß der Gesetzentwurf die Erziehungsrechte der Eltern im Rahmen des Grundgesetzes voll wahrt. Darüber hinaus ist der Leistungsteil des Entwurfs vom Vorrang der Familienerziehung her konzipiert ... Insgesamt gesehen stellt der Gesetzentwurf die Förderung der Erziehung in der Familie ins Zentrum der Aufgaben der Jugendhilfe. Damit stärkt er die Erziehungsverantwortung der Eltern und unterstreicht gleichzeitig den Vorrang der Familienerziehung vor staatlicher Einflußnahme.
— Ich werde Ihnen noch weiter vorlesen:
Die EKD hat in ihrer Stellungnahme ausdrücklich betont, daß der Gesetzestext des Entwurfes
keinen Anlaß zur Besorgnis gibt, daß die Erziehungsrechte der Eltern durch das Gesetz eingeengt oder bedroht werden könnten.
— Wenn Sie die letzten Seiten ansprechen — —
Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 193. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. Dezember 1979 15343
Eimer
— Lassen Sie mich ausreden. Wenn Sie die letzten Seiten und die letzte Seite ansprechen: Diese Argumentationshilfe kann ein Beispiel dafür sein, wie man gut und sauber argumentiert. Es sind nämlich nicht nur die eigenen Stellungnahmen drin, sondern auch die Stellungnahmen von anderen Verbänden, die Sie angesprochen haben, aber nicht als Meinung dieses Verbandes, sondern als Meinungen, die von anderen Verbänden geliefert werden. Wenn man diese Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft der evangelischen Jugend liest, kann man eben nicht mehr behaupten, daß wir die Familien zerstören würden.
Wir nehmen es Ihnen ja gar nicht übel, wenn Sie in diesen Punkten anderer Meinung sind als wir, wenn Sie auf Grund eines anderen Menschenbildes, eines konservativen Menschenbildes
eben zu anderen Aussagen, zu konservativen Aussagen kommen. Das müssen wir ertragen, und Kritik können wir auch einstecken. Was wir aber nicht ertragen, nicht einstecken, ist dies: wir wollen uns nicht von Ihnen diffamieren lassen.
Ich meine, meine Damen und Herren, Sie diffamieren hier in Ihren Reden nicht nur die Bundesregierung, nicht nur die Koalition, sondern Sie diffamieren die Politik insgesamt. Das schlägt auf die Glaubwürdigkeit der Politiker und auf die Glaubwürdigkeit der Politik zurück. Das Opfer werden wir alle sein, nicht nur wir, die wir zunächst vielleicht als Ziel gedacht sind.
Ich habe bereits gesagt, daß die zitierte Schrift ein Beispiel dafür ist, wie man in der Kritik auch anders vorgehen kann. Diese Schrift gibt uns nicht in allen Punkten recht, und das verlange ich auch nicht von einem Verband. Hier ist man z. B. anderer Meinung, was das Verhältnis von freien zu öffentlichen Trägern angeht. Ich sage Ihnen, auch wir wollen kein Übergewicht der öffentlichen Träger. Hier decken sich unsere Meinungen. Wir geben zu, daß andere besser formuliert haben, was wir in diesem Gesetz eigentlich wollen. Wir sind so offen, das anzunehmen. Wir werden hier z. B. die Formulierung des Deuschen Vereins übernehmen. Wir sind z. B. auch der Meinung, daß die Kritik gerechtfertigt ist, wenn es darum geht, das Jugendhilfegesetz nicht in das Sozialgesetzbuch aufzunehmen. Wir Freien Demokraten werden dem Rechnung tragen.
Wir sehen auch die Sorge dieser freien Träger, daß die Forderung nach Fachlichkeit ehrenamtliche Kräfte beeinträchtigen kann. Wir selber sehen diese Gefahr zwar nicht, aber wir wollen durch neue Formulierungen dafür sorgen, daß eine Fehlinterpretation nicht mehr möglich ist.
Ich kann nochmals betonen: Ich möchte Ihnen diese Argumentationshilfe, obwohl sie uns nicht in allen Punkten recht gibt, als ein Beispiel dafür empfehlen, wie man in Sauberkeit, in Klarheit und in Aufrichtigkeit der Darstellung argumentieren kann, als Beispiel dafür, wie man mit anderen Meinungen umgeht, als ein Beispiel, das sich gerade die Opposition zu Herzen nehmen sollte.
Ich glaube — und das muß ich nochmals betonen —, es würde uns allen helfen, vor allem der Glaubwürdigkeit der Politik und der Politiker. Das haben wir alle — Sie und wir —, glaube ich, bitter notwendig.
Lassen Sie mich schließen mit ein paar Worten zum Hilfswerk für das behinderte Kind. Dieser Gesetzentwurf wurde hier vor etwa einem Monat in erster Lesung beraten und von allen Fraktionen begrüßt. Meine damalige Hoffnung auf eine zügige Beratung hat sich erfüllt. Wir begrüßen die Aufstokkung um 170 Millionen DM und bitten Sie, dem Gesetz und dem Haushalt zuzustimmen.