Rede von
Dr.
Dieter
Haack
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich im wesentlichen mit Ihren Ausführungen, Herr Kollege Schneider, auseinandersetzen. Ich war zwar bisher der Auffassung, daß Sie in der Mannschaft des bayerischen Kandidaten schon einen sicheren Platz haben, bin angesichts Ihrer heutigen Ausführungen aber zweifelnd geworden. Ich habe den Eindruck gewonnen, daß Sie — ähnlich wie Herr Blüm gestern — eine Pflichtübung machen mußten. An und für sich ist es unter Ihrem Niveau.
Sehen Sie, Sie sagen, unsere Politik sei reaktionär, und Sie fordern, wir sollten im Wohnungsbau zusammen mit der CDU eine Reformpolitik machen. Hier muß ich Ihnen einmal die Frage stellen: Mit welcher CDU sollen wir eine Reformpolitik im Wohnungsbau machen? Etwa mit dem Herrn Biedenkopf ? Sie wären dann glaubwürdig, wenn Sie sich heute abend von den wohnungspolitischen Thesen des Herrn Biedenkopf distanziert hätten,
bevor Sie sagen, wir sollten mit Ihnen eine Politik machen, und versuchen, unsere Politik unsachlich anzugreifen.
— Herr Kolb, hören Sie doch auf, damit Sie endlich einmal etwas Ordentliches hören.
Im September dieses Jahres hat Herr Biedenkopf zum zweiten Nachtragshaushalt 1979 hier in der Debatte gesagt:
Wir müssen im Haushalt danach fragen, welche staatlichen Aufgaben überflüssig geworden sind, welche staatlichen Aufgaben abgebaut werden können.
Dann kam er auf die Bausparförderung und sagte:
Ich bin mir völlig darüber im klaren, welche Probleme es z. B. in der Bausparförderung macht, die staatlichen Subventionen abzubauen ...
Und nun wird es ganz interessant. Er sagt:
... aber nicht wegen der betroffenen Bürger, sondern wegen der Bausparkassen.
Das heißt, es geht hier nicht um die Bürger, es geht hier nicht um die Eigentumsbildung. Gleichzeitig sagen Sie, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sollen im Interesse der Bürger verbessert werden. . Da muß ich Ihnen einmal konkret die Frage stellen: Im Interesse welcher Bürger?
Es kam noch besser, und auch davon haben Sie sich bisher leider nicht distanziert. Herr Biedenkopf hat bei der Debatte gesagt:
Es ist inzwischen unter den Experten im Bereich der Wohnungsbaupolitik unbestritten, daß man aus dem Etat für den Wohnungsbau
— ich weiß nicht, ob er meinen gemeint hat, dann hätte man ihn nämlich völlig streichen können —
zwischen 3 und 5 Milliarden DM entnehmen
kann, ohne daß dies irgendeine Auswirkung auf
den sozialen Auftrag des Wohnungsbaues hat.
Das ist gefordert worden, und ich weiß, daß es daraufhin in Ihrer Fraktion eine Debatte gegeben hat. Solange Sie das aber nicht klarstellen, solange Sie sich davon nicht distanzieren, können Sie uns nicht auffordern, wir sollten mit Ihnen eine entsprechende Politik machen.
— Herr Schneider, ich habe im Gegensatz zu Ihnen nur zehn Minuten, deshalb muß ich mich ganz kurz fassen.
Es wäre mir dann viel lieber, wenn Sie hier dasselbe gesagt hätten, was wirkliche bayerische Experten — der Herr Tandler hat einen solchen Brief an Herrn Biedenkopf unterschrieben —, ich meine
Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1979 15301
Bundesminister Dr. Haack
die Experten der bayerischen obersten Baubehörde, zu diesen ganzen schwummerigen Plänen von Herrn Biedenkopf auf Grund seiner Schrift gesagt haben. Sie sagen:
Als Fazit muß ich nach dem Studium Ihrer Schrift leider feststellen, daß eine Reihe von Annahmen und Feststellungen nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmen und einige Behauptungen nicht belegt und wohl auch nicht zu begründen sind .
Bevor Sie hier nicht klarmachen, was denn nun gilt, was hier gesagt wird oder was Herr Biedenkopf gesagt hat, das auf eine völlige Demontage des sozialen Wohnungsbaus, auf eine völlige Demontage der Eigentumsförderung hinauslaufen würde, können Sie uns doch nicht auffordern, hier eine Politik mit Ihnen zu machen.
Nun war für mich eines interessant, Herr Schneider. Sie reden immer von den Rahmenbedingungen. Ich habe von Ihnen aber noch nie gehört, daß Sie zusammen mit der Bundesregierung und anderen Verantwortlichen etwa im letzten Jahr gemahnt hätten, daß die Baukosten nicht ins Unermeßliche steigen.
Ich habe von Ihnen noch nie gehört, daß Sie sich etwa an Modellen beteiligen, wie wir die Grundstückskosten herabsetzen können. Das nehmen Sie alles hin, und dann sagen Sie: „Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen müssen verändert werden.
Das einzige, was Ihnen heute eingefallen ist, ist der Sozialmaurer, d. h. wenn sich etwas ändern soll, dann offensichtlich der Lohn des Maurers, während die Grundstückskosten hier überhaupt keine Rolle spielen.
Dann sagen Sie, in den letzten 13 Jahren habe sich überhaupt nichts entwickelt.
Die Bilanz sei mager. Ich habe das Gefühl, daß Sie jetzt einfach versuchen, hier in Hektik zu machen, weil Sie auch kein Konzept haben.
— Das „auch" bezieht sich selbstverständlich auf den Herrn Biedenkopf, den ich hier gerade erwähnt habe.
Ich nenne Ihnen jetzt nur einmal die Zahlen für die Jahre 1970 bis 1979. Sie haben sogar mit Recht einen längeren Zeitraum genannt Sie haben von 13 Jahren gesprochen. Da gibt es einen sozialdemokratischen Wohnungsbaupolitiker der Großen Koalition, Herrn Lauritzen, der hier mit Recht genannt wird. Sonst fängt es immer bei der Zeitrechnung mit dem Jahre 1969 an. Sie haben völlig recht, daß Sie ab 1966 gezählt haben. Was Sie in der Sache sagen, ist aber falsch. Wenn ich allein den Zeitraum von 1970 bis 1979 nehme, dann komme ich zu einer Neubauförderung von 41/2 Millionen Wohnungen — das ist die Zahl, die vorhin auch Frau Traupe genannt hat — oder von etwa 1,3 Millionen Sozialwohnungen. Das ist nach meiner Auffassung eine Leistung.
Im übrigen fällt in Ihrem Beitrag alles weg, was sich im Bereich des Städtebaus durchaus positiv entwickelt hat, auch im Rahmen des experimentellen Städtebaus, alles das, was wir im Rahmen des Zukunftsinvestitionsprogramms in vielen Städten und Gemeinden der Bundesrepublik in den' letzten Jahren geleistet haben.
Wir werden im Frühjahr des kommenden Jahres eine Reise in die geförderten Schwerpunkte im Bundesgebiet unternehmen und laden Sie hierzu ein.
— Das hat gar nichts mit Propaganda zu tun. Das ist eine sachliche Information. Ich lade Sie dazu ein. Sie können dann darstellen, daß hier überhaupt nichts geschehen ist.
Es kommt also darauf an, festzustellen, daß unter den gegebenen Umständen, unter den gegebenen Voraussetzungen der letzten zehn und 13 Jahre Enormes geleistet worden ist, daß wir uns aber jetzt in einem Umbruch befinden. Im übrigen ist das, was Sie hier bringen, weitgehend mit dem deckungsgleich, was ich seit etwa einem Jahr vertrete. Der entscheidende Punkt ist aber der, zu erkennen, daß es darum geht, ein vorhandenes Instrumentarium vernünftig fortzuentwickeln und nicht von einem auf den anderen Tag auf den Kopf zu stellen. Ich sage Ihnen hier, daß ich mich von Ihrem hektischen Getue in keiner Weise beeindrucken lasse.
Ich bin der Meinung, daß der Wohnungsmarkt, daß die Stadtentwicklung viel zu komplizierte Gebilde sind, als daß man sie kurzfristig grundlegenden Korrekturen unterziehen könnte. Hier kommt es darauf an, das Instrumentarium stetig vernünftig fortzuentwickeln. Das haben wir gemacht, und das werden wir auch nach 1980 weiter tun.
{Kolb [CDU/CSU]: Wer sitzt zwischen den
Stühlen? Das haben doch Sie gesagt!)
Vieles ist gesagt worden, auch von Herrn Müntefering, von Herrn Gattermann und Frau Traupe über den Wohnungsbau 1978/79, über die Städtebauförderung.
Ich möchte noch eine Bemerkung zum Ausbau Bonns machen,
weil das vorhin von Herrn Hauser erwähnt worden ist. Ich darf aber vorher noch eine andere Bemerkung machen. Es hat mich etwas gewundert, daß es nicht erwähnt worden ist. Sie finden in unserem Haushalt, daß die Bundesregierung für die HabitatStiftung der Vereinten Nationen beim Zentrum für
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Bundesminister Dr. Haack
menschliche Siedlungen eine Million DM im Haushalt bereitgestellt hat und zuweisen wird. Wir wollen mit diesem Beitrag die Durchführung des im Frühjahr dieses Jahres verabschiedeten Arbeitsprogramms dieser Habitat-Stiftung ermöglichen. Ich sage das auch deshalb, weil Sie erkennen müssen, daß bei all unseren eigenen Problemen, die wir haben, wenn wir von Entwicklungshilfe glaubwürdig sprechen wollen, auch der Wohnungsbau und die Stadtentwicklung in Zukunft einen Stellenwert in der Entwicklungshilfe bekommen müssen.
Was den Hauptstadtausbau anbelangt — das ist meine letzte Bemerkung —, so wissen Sie wahrscheinlich, daß die neuen Finanzverhandlungen mit der Stadt Bonn kurz vor dem Abschluß stehen. Bonn hat in den letzten zehn Jahren Bundesfinanzhilfen in Höhe von fast einer Milliarde DM erhalten, d. h., die Stadt Bonn konnte mit dieser Bundesfinanzhilfe eine gute Infrastruktur aufbauen. Der Bund wird seine Leistungen gegenüber der Stadt Bonn auch in diesem neuen Finanzvertrag, der für weitere zehn Jahre gelten soll, entsprechend zur Verfügung stellen und seinen Verpflichtungen nachkommen. Das gilt im übrigen auch für die Umlandgemeinden und für die Nachbargemeinden. Ich hoffe — auch das ist hier erwähnt worden —, daß wir beim Neubau der Parlamentsgebäude und beim Neubau oberster Bundesbehörden darauf achten, daß wir auch baulich die Ansprüche erfüllen, die wir an unsere parlamentarische Demokratie stellen müssen.
Im Zusammenhang mit den Bonner Aktivitäten noch eine abschließende Bemerkung zum Ausbau Petersberg als Gästehaus der Bundesregierung. Wir haben einen Architektenwettbewerb ausgeschrieben. Er wurde mit einem sehr guten Ergebnis beendet. Wir hoffen, daß wir, wenn der Haushaltsausschuß Anfang des kommenden Jahres die Mittel bewilligt, zügig vorankommen und das Projekt etwa bis zum Jahre 1983 fertigstellen können.
Ich bin der Auffassung — Herr Gattermann hat das vorhin schon ausgeführt —, daß dieser Einzelplan das enthält, was im Jahre 1980 machbar ist, was vernünftig ist. Ich bedanke mich bei dieser Gelegenheit auch bei den Berichterstattern für unseren Haushalt.