Rede von
Hans H.
Gattermann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Hauser, Sie waren so nett unser wohnungspolitisches Konzept für die 80er Jahre gutzuheißen. Das ist nicht verwunderlich, Herr Kollege. Denn es ist von drei Kriterien gekennzeichnet: von ökonomischer Vernunft, von sozialer Verantwortung und von behutsamer Durchführung.
Herr Kollege Hauser, Sie sind selbstverständlich zur Mitarbeit eingeladen, wenn wir mit unserem sozialdemokratischen Koalitionspartner ein vernünftiges wohnungspolitisches Konzept verwirklichen.
Meine Damen und Herren, Bauen, Wohnen und Geld sind Begriffe, die zusammengehören. Man kann das in den Werbetexten der Wohnungswirtschaft, der Banken und der Bausparkassen nachlesen. Wenn also der Haushalt des Bundeswohnungsbauministers beraten wird und wenn Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, diesen Haushalt zum wiederholten Male mit der Begründung einer fehlenden Konzeption ablehnen, dann ist es naheliegend, sich einmal den finanziellen Handlungsspielraum des Bauministers auf dem Hintergrund der im Wohnungsbau bewegten Finanzvolumina näher anzusehen.
Dabei können wir dann ruhig auch sogleich die entsprechenden finanziellen Leistungen der Länder und der Gemeinden in diesem Marktbereich in unsere Überlegungen mit einbeziehen.
Es ist, glaube ich, wichtig, diese Proportionen klarzustellen, weil im Rahmen der vieldiskutierten Neuorientierung der Wohnungspolitik der finanzielle Beteiligungsrahmen des Staates so bescheiden ist und bleiben muß, daß vor Aufrechterhaltung oder Stärkung von Anspruchsdenken mit entsprechender Erwartungshaltung dringend gewarnt werden muß, und weil andererseits die von uns herausgestellte Betonung des marktwirtschaftlichen Ordnungsrahmens für jede Neuorientierung der Wohnungspolitik nicht irgendeinem ideologischen Denkansatz, sondern schlichter ökonomischer Vernunft entspringt.
15294 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1979
Gattermann
Im Jahre 1978 wurden laut dem Statistischen Handbuch der Bundesregierung für 414 175 Wohnungseinheiten mit einem veranschlagten reinen Baukostenaufwand von 58,987 Milliarden DM Baugenehmigungen erteilt. Das entspricht durch- schnittlichen reinen Baukosten pro Wohnungseinheit von 150 000 DM. Berücksichtigt man den Bodenwert und die Baunebenkosten, so greift man eher zu niedrig als zu hoch, wenn man von durchschnittlichen Produktionskosten pro Wohnungseinheit von 200 000 DM ausgeht.
Der finanzielle Handlungsrahmen des Bundesbauministers im sozialen Wohnungsbau beider Förderungswege beläuft sich auf rund 1,5 Milliarden DM. Das sind ganze 1,8 %, ich wiederhole: 1,8 % der für die Wohnungsneubauproduktion benötigten Finanzvolumina.
Nimmt man den entsprechenden Aufwand der Länder hinzu — ich habe hier nur die Zahlen von 1977 schnell greifen können —, dann sind das noch einmal ca. 4 % des Finanzbedarfs für die Neubauproduktion.
In der öffentlichen Diskussion wird nun, wenn auch nicht für den Bundes- oder die Landesminister gezielt verfügbar, als staatliche Leistungsreserve im Rahmen des sogenannten Wohnungsbudgets auf die Steuerausfälle durch die Sonderabschreibung gemäß § 7 b Einkommensteuergesetz hingewiesen, die laut Subventionsbericht der Bundesregierung 1980 4,1 Milliarden DM ausmachen werden.
Bezieht man die steigende Tendenz dieser Steuerausfälle ebenso in seine Überlegungen ein wie Steuerausfälle aus der degressiven Abschreibung nach § 7 Abs. 5 EStG, dann hat man ein Steuerausfallvolumen von rund 5 Milliarden DM. Das wären dann auf derselben Rechnungsebene noch einmal rund 6% des Finanzbedarfs für den Neubau — wenn es sich insoweit wirklich um dispositionsfähige Subventionen handeln würde!
Wir sollten einmal ernsthaft darüber nachdenken, ob diese Steuerausfälle in vollem Umfang wirklich noch den Titel Subvention verdienen.
Diese Frage mag auf den ersten Blick ein bißchen provokativ klingen. Sie ist es aber jedenfalls dann nicht mehr, wenn man sie auf Sonderabschreibungen für Neubauten bezieht. Bei Produktionskosten von 200 000 DM und einem Mietniveau, das günstigstenfalls 50 bis 60, manchmal 70% — je nach Region — der betriebswirtschaftlich und steuersystematisch sauber ermittelten Kosten erbringt, sind Verluste zwangsläufig, mindestens auf eine Anzahl von Jahren. Verluste aber wirken — wiederum steuersystemgerecht —, bei welcher Einkunftsart auch immer, steuermindernd. Das haben Verluste so an sich.
Deshalb frage ich: Ist die steuerliche Wohltat der Nutzungswertbesteuerung bei Einfamilienhäusern und Eigentumswohnungen nach § 21 a Einkommensteuergesetz mit der Begrenzung des Verlustabzugs wirklich noch eine Wohltat?
Oder wirkt dies nicht mindestens in den soeben genannten ersten zehn Jahren nach Bauerstellung zwischenzeitlich eher in die entgegengesetzte Richtung? Ist die Sonderabschreibung auf einen Teil der Herstellungskosten — das ist hier der Höhe nach begrenzt — unter diesem Gesichtspunkt nicht eher so etwas wie ein gerechter Ausgleich und nicht eine Subvention?
Meine Damen und Herren, ich bitte, einmal ernsthaft hierüber nachzudenken, denn ich habe das hier angeführt, um zu belegen, daß es nicht nur politische Gründe sind, die es sehr zweifelhaft machen, ob diese 5 Milliarden DM wirklich eine finanzielle Handlungsreserve des Staates sind.
Ich will hier wegen der Kürze der Zeit den ganzen Bereich der Modernisierung und der Durchführung energiesparender Maßnahmen einmal ausklammern und in Zusammenhang mit der Frage „was ist an Wohnungsbudget verfügbar, worüber kann man in der Zukunft nachdenken?" auch noch die Leistungen des Staates für die Bausparförderung nennen, sei es als Wohnungsbauprämie oder seien es Steuerausfälle aus Sonderausgabenabzug. Jenen 1,8 Milliarden DM — das wären dann wiederum 2 % der für Neubauten benötigten Finanzvolumina —, die Bund und Länder im Jahre 1980 für Wohnungsbauprämien zahlen werden, spreche ich den Charakter einer finanziellen Handlungsreserve nicht ab. Nur: Ich persönlich sehe keinen vernünftigen Grund, warum diese staatlichen Hilfen bei der Ansammlung von Eigenkapital innerhalb der engen Einkommensgrenzen, die hier ja bestehen, für ein anderes Förderinstrument eingesetzt werden sollten. Dies ist exakt ein Punkt — Herr Kollege Biedenkopf hat heute nachmittag die Liebenswürdigkeit gehabt, mich in ähnlichem Sinne anzusprechen, wie es Herr Hauser soeben getan hat —, über den ich mich wahrscheinlich heftigst mit Herrn Professor Biedenkopf streiten würde.
Meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang über jene 690 Millionen DM an Steuerausfällen, die aus der Absetzung von Sparbeiträgen zur Bausparkasse resultieren, zu sprechen, würde ich für steuerpolitischen Dilettantismus halten. Denn würde man die Abzugsfähigkeit von Bausparraten im Rahmen der Sonderausgaben nicht mehr zulassen, dann würden die Bürger unseres Landes selbstverständlich die Sonderausgabenhöchstbeträge anderweitig ausnutzen, so daß nicht eine einzige Mark mehr in die Kasse des Finanzministers fließen würde.
Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1979 15295
Gattermann
Ich resümiere: Der finanzielle Handlungsrahmen des zuständigen Ressortministers und des Staates überhaupt ist verhältnismäßig eng. Ich merke an, daß angesichts der Haushaltslage, wie sie sich für 1980 darstellt und wie sie sich unter dem Konsolidierungsgedanken wahrscheinlich auch noch in den Folgejahren darstellt, eine nennenswerte Ausweitung dieses finanziellen Handlungsrahmens kaum möglich sein wird.
Ich stelle weiter fest, daß die vorhandenen Mittel von dem Ressortminister richtig und vernünftig eingesetzt werden, da sie nämlich fast ausnahmslos Eigentumsmaßnahmen und dem Mietwohnungsbau für soziale Zielgruppen zufließen. Dies ist die einzig vernünftige Verwendung der vorhandenen Mittel.
Meine Damen und Herren, unter diesem Aspekt vermag ich in dem vorliegenden Haushaltsplan 1980, was die Investitionsförderung betrifft, nicht den geringsten Anhaltspunkt für Kritik zu finden.
Über die Notwendigkeit und die Effektivität der im Rahmen des Wohngeldgesetzes eingesetzten Mittel brauche ich kein Wort zu verlieren, denn wenn ich es richtig sehe, erkennt auch die Opposition dies an, da das Wohngeldgesetz ein wichtiges und entscheidendes Förderinstrument der Zukunft ist.
Auch in den übrigen Ansätzen für das Haus selbst, für seine Bediensteten und für Zuschüsse an entsprechende Institutionen und Einrichtungen sehen wir keine Anhaltspunkte für Kritik.
Ich möchte aber abschließend noch einige Bernerkungen zur Bauforschung machen. Ich habe mich, wie Sie gemerkt haben, zu den Produktionskosten und der Ertragssituation des Wohnungsmarktes geäußert. Ich will dies um die Feststellung ergänzen, daß die Entwicklung der Produktionskosten einerseits und die Entwicklung der Einkommen andererseits keine besonders erfreulichen Perspektiven aufzeigen, keine erfreulichen Perspektiven für die Wohnungsversorgung, für das Angebot, für die Bereitstellung von Wohnungen durch den Markt und auch keine erfreulichen Perspektiven für die Möglichkeit unserer Bürger — der breiten Schichten der Bevölkerung —, diese tatsächlich auf sie zukommenden Wohnkosten ohne Hilfe zu zahlen.
Diese Perspektiven sind nicht erfreulich, und ich sehe im Augenblick auch noch keinen Trend, der darauf hinweist, daß die Schere zwischen Einkommen und Wohnkosten nicht weiter auseinanderlaufen könnte.
Diese Feststellungen zwingen den zuständigen Ressortminister und zwingen die Bundesregierung nach meiner Auffassung u. a. zu einer Konzentration auf die Fragestellung: Begrenzung des Kostenanstiegs durch Rationalisierung. Angesichts der zuweilen altväterlich anmutenden Produktionsmethoden und angesichts des zum großen Teil klein- und mittelständisch strukturierten Bauhaupt- und Ausbaugewerbes ist hier der Staat in der Rationalisierungsforschung gefordert.
Meine Damen und Herren, wir haben mit Befriedigung zur Kenntnis genommen, daß der entsprechende Etatansatz im Haushaltsplan 25 von 6 Millionen DM auf 9,5 Millionen DM aufgestockt wurde. Wir haben auch mit Befriedigung zur Kenntnis genommen, daß im Einzelplan 09 der Bundesminister für Wirtschaft erstmalig für vergleichbare Forschungszwecke 600 000 DM ausgewiesen hat. Wir haben schließlich auch mit Befriedigung zur Kenntnis genommen, daß der entsprechende Ansatz im Etat des BMFT von rund 22 Millionen DM wieder auf 24 Millionen DM aufgestockt worden ist. Wir reklamieren allerdings, daß diese Mittel mittelfristig nicht ausreichend sind, daß hier schon ab 1981 ein höherer Mitteleinsatz erforderlich werden wird. Wir stellen die Frage, welche Möglichkeiten der Konzentration oder Koordination bei dieser mehrfach angegangenen Rationalisierungsforschung es wohl gibt. Wir bitten die Bundesregierung, darüber einmal nachzudenken.
Wir melden unsere Forderung an, daß Forschungsergebnisse mit Rationalisierungswirkung auch dann jedermann frei zugänglich sein müssen, wenn die Forschung von Privatunternehmen mit staatlicher Förderung betrieben wird.
Ich komme zum Schluß. Begrenzte staatliche Mittel, unzureichende Privatinvestitionen, steigende Komfort- und Wohnflächenansprüche, überproportional steigende Produktions- und Bewirtschaftskosten, und dies bei ausgeprägter Erwartungshaltung und ausgeprägtem Besitzstandsdenken, kennzeichnen die Situation. Der Einzelplan 25 bietet kein Patentrezept. Im Rahmen der begrenzten Mittel und im Rahmen der begrenzten Zuständigkeiten gibt er indes für die finanziellen Förderungsmöglichkeiten des Bundes die optimale Teilantwort.
Meine Damen und Herren, meine Fraktion stimmt dem Haushalt zu.