Rede von
Brigitte
Traupe
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich weiß, daß es fast eine Zumutung ist, zu dieser späten Stunde noch über ein Thema zu sprechen, das an sich gar nicht kontrovers ist. Es amüsiert mich ein wenig, Herr Hauser, wenn ich daran denke, wie sachkundig wir miteinander diesen Haushalt beraten haben, auch im Haushaltsausschuß, und daß Sie ihn nun auf einmal wie viele andere ablehnen können.
Meine Damen und Herren, wir alle wissen, daß die konjunkturelle Lage der Bauwirtschaft zur Zeit gut ist. Deshalb ist es haushaltspolitisch richtig, daß der Haushalt des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau nur unterproportional wächst. Dies bedeutet nicht, wie Sie behauptet haben, daß wir in der Wohnungsbaupolitik kein Konzept haben, sondern daß wir uns dem anpassen, was Sie normalerweise immer besonders preisen. Wir versuchen nämlich, uns konjunkturgerecht zu verhalten, um dem kleinen Manne, der als privater Bauherr über gestiegene Baukosten und gestiegene Zinsen klagt, das Leben nicht auch noch durch ein großes öffentliches Wohnungsbauprogramm schwer zu machen. Das wissen auch Sie ganz genau, Sie verschweigen es nur.
— Wir kommen ja dazu, Herr Kollege, Moment.
Infolge der guten Arbeitsmarktlage stieg die Zahl der im Baugewerbe Beschäftigten im Jahre 1979 auf 1,25 Millionen Mitarbeiter, und noch immer werden Arbeitskräfte gesucht. Die Zahl der offenen Stellen betrug im September 29 000.
Erfreulicherweise ist in den beiden letzten Jahren das Ausbildungsplatzangebot erhöht worden. Noch haben aber viele Eltern Sorgen, ob diese Baukonjunktur anhält. Sie haben noch nicht den Mut, ihre Kinder in das Baugewerbe als Auszubildende hineinzuschicken.
Es muß unser aller Aufgabe in Bund und Ländern sein, uns auch in den nächsten Jahren um eine Verstetigung der Baukonjunktur zu bemühen. Ich weiß, daß das schwer ist, halte das aber für absolut notwendig und richtig. Gerade weil die private Nachfrage sowohl in Betrieben wie auch bei privaten Bauherren anhält, ist eine Zurückhaltung von Bund und Ländern im öffentlichen Wohnungsbau zur Zeit angebracht.
Im Bundesbauministerium und in meiner Fraktion wird jedoch nicht übersehen — und jetzt komme ich zu Ihnen, Herr Kolb —, daß wir auf dem Gebiet des sozialen Wohnungsbaus in den Ballungsräumen noch Bedarf haben. Bund und Länder sind zusammen mit den Kommunen aufgefordert, Lösungen zu finden, die aber nicht zu einer konjunkturellen Überhitzung führen.
Ich kann Ihnen deshalb überhaupt nicht zustimmen, wenn Sie behaupten, der Wohnungsbau befinde sich in einer Sackgasse. Weiterhin öffentlich geförderter Wohnungsbau über die jetzigen Maßnahmen hinaus würde zur Zeit den privaten Wohnungsbau verteuern. Das müssen wir sehen.
Ich verlange aber von Bund und Ländern, sowohl vom Bundesministerium wie auch von den einzelnen Ländern, daß sie sich Gedanken über Konzepte für den öffentlichen Wohnungsbau machen, da wir wissen, daß bis zu dem Moment, wo sie realisierbar sind, einige Zeit vergeht. Dies kann jedoch beim sozialen Wohnungsbau keineswegs nur eine Aufgabe des Bundes sein. Sie wissen, wir brauchen dabei immer die Länder. Dies muß Aufgabe von Bund und Ländern sein, damit wir möglicherweise in Zeiten, in denen die Baukonjunktur nicht so erfolgreich ist, etwas tun können, damit wir gleich etwas auf den Tisch legen können.
Ich kann heute allerdings nur vor dem teilweise sorglosen Umgang und vor dem Verkauf von So. zialwohnungen warnen.
Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1979 15291
Frau Traupe
Die öffentliche Hand muß auch in der Zukunft Wohnungsfürsorge und Wohnungsvorsorge betreiben. Erfreulicherweise hat Herr Dr. Schneider in den letzten Haushaltsplanberatungen, die wir im Januar 1979 durchgeführt haben, wörtlich erklärt:
Der Wohnungsbau und der soziale Wohnungsbau bleibt auch für die CDU/CSU eine Daueraufgabe, und eine Daueraufgabe bedeutet auch, daß man sie verstetigen muß.
Ich meine aber, man sollte hier unterstreichen, daß die Wohnungsbaupolitik des Bundes in den letzten zehn Jahren überaus erfolgreich war.
— Warten Sie doch ab!
Leider waren am Freitag vor fast 14 Tagen nicht
mehr sehr viele im Plenum, sonst hätten sie von
eindruckenden Daten hören können.
Erstens. Für jeden vierten Haushalt ist in den letzten zehn Jahren in der Bundesrepublik Deutschland neuer Wohnraum geschaffen worden. Für jeden vierten Haushalt!
Zweitens. Die durchschnittliche Wohnfläche pro fertiggestellter Wohnung stieg von 84 qm auf 102 qm an.
— Ich weiß nicht, ob sie nicht einmal einen kleinen Moment überlegen sollten, welches Land in Europa in den letzten zehn Jahren einen ähnlichen Fortschritt in der Baupolitik vorzuweisen hat.
— Ja, doch, das sollten Sie mir erst einmal vorrechnen!
Und schließlich: 61 % aller neuen Wohnungen haben heute fünf oder mehr Räume. Auch dies ist, glaube ich, ein Erfolg, auf den wir stolz sein können.
Altstadtsanierung, Modernisierung und Energieeinsparung wurden zu neuen langfristigen Schwerpunkten unserer Wohnungsbaupolitik. Lassen Sie mich zum Heizenergieeinsparungsprogramm einiges sagen. Sie haben es ja zunächst erschwert.
— Es ist eine Geschmacksfrage, ob Sie es verbessert haben. Wir hätten es jedenfalls ein volles Jahr früher beginnen können, wenn Sie uns nicht Schwierigkeiten bereitet hätten.
Über die Notwendigkeit dieses Programmes kann es ja wohl heute bei der aktuellen Lage im Energiebereich keinen Streit mehr geben. Der Einsparung von Heizenergie in Gebäuden kommt dabei eine besondere Bedeutung zu, weil rund 40 % des gesamten
Energieverbrauchs in der Bundesrepublik Deutschland auf die Beheizung von privaten und öffentlichen Gebäuden entfallen. Nachdem für neu zu errichtende Gebäude durch Vorschriften, die mit entsetzlichen Worten benannt sind — ich bin kein Baufachmann, aber ich will sie Ihnen nennen —, durch die Wärmeschutzverordnung und durch die Heizungsanlagenverordnung, weitgehende Bestimmungen geschaffen worden sind, die Sparmaßnahmen und eine sparsame Energieverwendung bezwecken, haben wir durch dieses Heizenergieeinsparungsprogramm geholfen, im Altbau- und im älteren Wohnungsbestand einiges zu schaffen.
— Moment! Wir haben von 1978 bis 1982 insgesamt Investitionshilfen — die steuerlichen Maßnahmen sind hier noch gar nicht dabei — von 2,34 Milliarden DM für Energieeinsparung zur Verfügung gestellt bzw. werden sie durch den Verpflichtungsrahmen zur Verfügung stellen. Dies ist — auch in diesem Haushalt — ein stattlicher Betrag. Mit diesen Förderungsmitteln können bei durchschnittlichen Kosten von 8000 DM pro Wohnung in fünf Jahren 1,2 Millionen Wohnungen renoviert oder verbessert werden. Dies ist natürlich nur ein Teil des gesamten Wohnungsbestandes, aber das ist ein enormer Erfolg.
Wenn ich mir nun vorstelle, was noch über Steuervergünstigungen erreicht worden ist, so muß ich Ihnen sagen: Diese Bundesregierung kann behaupten, daß sie hierin sehr erfolgreich war.
Die Überheblichkeit, mit der manche Leute meinen, daß es sich hier nur um ein Programm zur Modernisierung von Fenstern handelt, kann ich deshalb nicht nachvollziehen, weil das Ergebnis, nämlich daß tatsächlich Heizenergie eingespart wird, etwas Gutes ist.
Ich wünsche mir, daß auch auf dem Heizungssektor noch etwas mehr geschehen wird. Da kommt es aber auch auf die Aufklärung an.
Der Bundeswirtschaftsminister hat vorhin gesagt, daß er jetzt permanent danach gefragt wird, was man denn für die Energieeinsparung tun könne. Der Bundesbauminister kann eine noch längere Liste anführen. Deswegen kann ich überhaupt nicht verstehen, daß Sie mit Ihren Streichungsvorschlägen in der Drucksache 8/3474 ausgerechnet die Mittel für die Unterrichtung der Öffentlichkeit — einen Posten, der im Städtebauministerium erheblich niedriger als in vergleichbaren Ministerien angesetzt worden ist
— auch noch um 40 000 DM kürzen wollen. Hier können wir Ihnen wirklich nicht folgen. Sie hätten sich von Herrn Hauser darüber Auskunft geben lassen können, wie streng wir als Berichterstatter bei Steigerungsraten waren. Wir haben nämlich weder 1979 noch 1980 Steigerungsraten überhaupt erlaubt.
15292 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1979
Frau Traupe
Es muß an dieser Stelle über eine gute Wohnungsbaupolitik auch noch gesagt werden, daß wir immer wieder wegen unserer Städtebauförderungspolitik von Ausländern bewundert werden. Am 13. Dezember wird die Bund-Länder-Ministerkonferenz die Mittel des Städtebauförderungsprogramms 1980 verteilen. Es handelt sich dabei um das 10. Bund-Länder-Programm seit Inkrafttreten des Städtebauförderungsgesetzes im Jahre 1971. Das Datum spricht schon dafür, wer dieses Gesetz gemacht hat. Die Bedeutung der Stadterneuerung und ihrer Förderung hat von Jahr zu Jahr zugenommen. Das finanzielle Engagement des Bundes hat die gewollte Anstoßrichtung nicht verfehlt. Im Interesse der Gemeinden ist in den letzten Jahren sehr viel gemacht worden, aber die Gemeinden sagen einem auch heute immer wieder: Führt dieses Programm unbedingt weiter, und sorgt dafür, daß ihr vielleicht in den nächsten Jahren noch mehr Mittel hineinstecken könnt! Der Bund hat immerhin seit 1971 Mittel in Höhe von 3,5 Milliarden DM für Zwecke der Städtebauförderung zur Verfügung gestellt.
700 Maßnahmen haben inzwischen Aufnahme in dieses Bund-Länder-Programm gefunden. Ich habe im letzten Jahr einige Beispiele für besonders gute, gelungene und notwendige Maßnahmen genannt.
In mehreren Bundesländern ist die erste Maßnahmengeneration abgeschlossen. Die Förderung der zweiten Maßnahmengeneration ist eingeleitet. Ich möchte alle Mitglieder des Bundestages sehr bitten, daß wir für dieses Programm in den nächsten Jahren noch mehr Mittel zur Verfügung stellen. Das ist etwas Sinnvolles, das außerdem auch Arbeitsplätze erhält und bringt, Herr Grobecker.
Neben der wesentlichen Aufgabe, unsere Städte und Gemeinden zu erhalten und zu erneuern, sowie die Wohnungen zu verbessern und das Wohnumfeld in besonders belasteten Gebieten wieder lebenswert zu gestalten, sollten wir — dies ist eine Mahnung an uns alle — uns um neue Formen des Wohnens bemühen. Dies gilt für den privaten wie für den öffentlichen Wohnbedarf; aber es trifft auch für öffentliche Bauten zu. Nicht nur Erprobung neuer Bautechniken, Wärme- und Schallschutztechniken sowie energieeinsparende Heizungssysteme sind wichtige Aufgaben, sondern wir sollten auch mit neuen Ideen für neue Bauweisen Mut machen.
Viele öffentliche Bauten — wir haben das in Berlin gerade hinter uns — bereiten uns heute Schrekken, weil vor lauter Funktionalität oftmals vergessen wurde, danach zu fragen, wie sich Menschen wohl darin wohlfühlen können.
Die Wohnungsbaupolitik der 80er Jahre kann deshalb nicht nur aus Sanieren und Modernisieren und dem Zubau des fehlenden Wohnungsbedarfs bestehen. Wir sind eine hochqualifizierte Industriegesellschaft, die sich auch um die Weiterentwicklung ihres modernen Bauwesens neue Gedanken machen kann und muß.
Industrie- und Bürobauten dürfen heute als moderne Bauten nicht noch inhumaner als frühere sein. Wir haben manchmal das Gefühl, daß die Architekten, die das erstellt haben, nicht daran gedacht haben, daß dort Menschen sechs oder acht Stunden ihren Dienst oder ihre Arbeit versehen müssen.
Nicht nur Großraumbüros, künstliche Beleuchtung und künstliche Belüftung sind negative Erscheinungen unseres modernen Bauens — und inzwischen auch als Energieverschwendung anerkannt — sondern auch die Verwendung vieler Baumaterialien trägt nicht dazu bei, daß man sich in solchen Bauten wohlfühlt. So widersprüchlich es klingen. mag, auch moderne Arbeitsplätze können unmenschlich sein, und darum haben wir uns auch zu kümmern.
Uns stellt sich auch die Aufgabe, über manchen modernen Bau der öffentlichen Hand nachzudenken.
Nicht weit von uns steht bekanntlich unser Abgeordnetenhaus, über dessen bauliche Unzulänglichkeit sich jeder von uns schon geärgert hat. Wir fragen uns manchmal, wo eigentlich unser Sachverstand war, als wir das geplant haben.
Seine Fehlerhaftigkeit nimmt uns heute etwas von dem nötigen Schwung, den wir eigentlich zum Neubau des Bundestages benötigten.
Die geplante Grundsteinlegung 1980 ist damit unrealistisch geworden, obwohl dies eine Absicht dieses Parlaments war und obwohl sich jeder darüber im klaren ist, daß wir hier in Raumnot sind. Das wissen die Geschäftsführer, die ihre Fraktionen untergebracht sehen, das weiß auch die Verwaltung.
— Ich spreche nicht vom Plenarsaal, sondern ich spreche von Bundesbauten. — Neben der baulichen Unzulänglichkeit, der Fehlerhaftigkeit beschäftigt uns heute noch die Furcht vor zu großen Baukörpern. Sie läßt uns über die Konzepte, die vorliegen, neu nachdenken.
Ganz besonders wichtig scheint es mir zu sein, daß wir über neue Konzepte im privaten Wohnungsbau, im öffentlichen Wohnungsbau und auch im gewerblichen Bauen nachdenken.
Hier wünsche ich mir — das sage ich, obwohl die Internationale Bauausstellung auch nicht mein gelieb-
Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1979 15293
Frau Traupe
tes Kind ist —, daß wir von dieser Bauausstellung ein paar Ideen bekommen; das ist ihre Aufgabe.
— Der kommt ja wieder zurück, der macht das im Bauministerium hier. — Wir sollten uns darum bemühen, hier wirklich etwas zu tun.
Wir haben Ihnen immer gesagt — lassen. Sie mich ein letztes Wort dazu sagen —, daß die völlige Freigabe von Baulandpreisen dazu führen werde, daß es immer weniger Leuten leicht falle zu bauen, weil nämlich die Baulandpreise, die Quadratmeterpreise in vielen Gemeinden — nicht nur in Großstädten — heute Summen erreicht haben, die ein „normaler" Bauwilliger nicht mehr bezahlen kann.
Hier muß den Gemeinden geholfen werden,
überhaupt noch erschwingliches Bauland anbieten zu können.
Ich persönlich gehöre zu denjenigen, die sich darüber Gedanken machen. Ich bin der Meinung, daß wir Wohneigentum für breite Schichten der Bevölkerung besser schaffen können, wenn wir den Grund und Boden durch die Kommunen kaufen — das können sie nicht immer alle allein; da müßte man wahrscheinlich von Länderseite helfen —, und für den einzelnen Bauwilligen muß der Boden auf Erbbauzinsbasis verfügbar sein,
und nicht so, daß wir das, was wir nicht vermehren können, verkaufen mit der Problematik, daß wir es nicht wiederholen können.
Meine Damen und Herren, wir können der CDU/ CSU überhaupt nicht darin folgen,
daß sie diesen Haushalt ablehnt, hat sie ihn doch sachlich mitberaten. Wir können dem Bundesbauminister nur sagen: Da er jetzt sehr sparsam war, soll er darüber nachdenken
— der denkt schon, sehr klug sogar —, was in den nächsten Jahren an notwendigen Aufgaben geleistet werden muß. Dafür muß auch der Bundestag in Zukunft Mittel zur Verfügung stellen. Das kann nicht nur eine Länder-Sache sein, wie ja manche von Ihnen meinen.
Wir wollen über den Entschließungsantrag, den Sie zur Wohnungsbaupolitik vorgelegt haben, nachdenken. Das heißt, dies kann besser der Fachausschuß. Wir sind uns einig, daß er das tun sollte. Im übrigen stimmen wir diesem Haushalt natürlich zu.