Rede von
Erich
Wolfram
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem sich gestern die „großen Energiepolitiker" Franz Josef Strauß, Dr. Barzel und — in den späten Nachmittagsstunden — als dritter Redner Dr. Kohl zur Energiepolitik geäußert haben,
hatten wir heute das Vergnügen, Professor Biedenkopf und — als Ausputzer der Opposition — Herrn Gerstein zu hören.
— Das werde ich Ihnen gleich in meinem Diskussionsbeitrag nachweisen, verehrter Herr Kollege. —
Es ist bemerkenswert: Vor dem Berliner Parteitag glaubte die CDU/CSU, die Sozialdemokraten mit einer Großen Anfrage in Schwierigkeiten zu bringen. Sie hat eine Bauchlandung erlitten.
Der Berliner Parteitag ist vorbei. Die Sozialdemokraten haben klare energiepolitische Beschlüsse gefaßt,
und jetzt mäkeln Sie an diesen Beschlüssen herum. Ihnen paßt das Ergebnis von Berlin nicht.
Jetzt versuchen Sie krampfhaft, an diesem Berliner Ergebnis herumzufummeln.
Das wird Ihnen nicht gelingen.
Ich darf zunächst einmal folgendes klarstellen: Was das Berliner Ergebnis betrifft, so würde ich es so werten: In 95 % der Energiepolitik — vom Energiesparen bis zu alternativen Energiequellen — sind die Sozialdemokraten in Berlin einig gewesen. Hinsichtlich der Rolle der Kernenergie, bezüglich der Entsorgung hat es das bekannte Verhältnis gegeben. Man muß das Votum differenzierter sehen, als es landauf, landab dargestellt wird. Aber eins ist klar: Der Berliner Leitantrag 500, der eine klare Mehrheit gefunden hat, macht klare Aussagen zur Energiepolitik
und gibt auch klare Handlungsgrundlagen.
Es ist erschreckend, immer wieder festzustellen — auch in der gestrigen und heutigen Debatte —, wie sie einmal mehr die großen Vereinfacher sind. Für Sie reduziert sich das Problem der Energiepolitik auf „Kernenergie".
Sie sind große Rufer nach Kernenergie. Sie garnieren das ein bißchen, indem Sie jetzt Herrn Gerstein vorschicken, der den Nachweis führen soll, daß Sie auch für Kohle sind.
Lieber Herr Gerstein, weder Herr Strauß noch Herr Barzel, gar nicht zu reden von Frau Breuel und anderen, haben ein klares Bekenntnis zur Rolle der Kohle abgelegt.
Im Gegenteil, wenn Frau Breuel von Kohle spricht, denkt sie nur an Importkohle. Das ist völlig unstrittig.
— Ich habe zehn Minuten Zeit. Verkaufen Sie demnächst Wein, aber
lassen Sie die Energiepolitik sein.
Wenn man sich die Politik der CDU/CSU-geführten Länder anschaut, dann stellt man fest — Herr Strauß hat ja gestern die Frage unseres Fraktions-
15254 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1979
Wolfram
vorsitzenden, wie er es denn mit dem Zwischenlager in Bayern hält, unbeantwortet gelassen —: Da gibt es aus keinem CDU/CSU-geführten Bundesland eine mir bekannte Initiative für die Ausweisung neuer Standorte für. Kohlekraftwerke, keine Anregung an die EVUs Ihrer Bundesländer, Kohlekraftwerke zu planen und zu bauen.
Von Herrn Biedenkopf stammt ja wohl die Idee, Nordrhein-Westfalen, vor allem das Ruhrgebiet, solle das große Energiezentrum werden. Herr Professor, seit hundert Jahren ist es das schon. Das scheinen Sie gar nicht gemerkt zu haben.
Wir tun das, was wir können. Wir sind bereit, im Ruhrgebiet zusätzliche Kohlekraftwerke zu bauen. Wir sind durchaus bereit,
im Ruhrgebiet unseren Beitrag zu leisten. Appellieren Sie mal an die von Ihnen geführten CDU/CSU- Bundesländer, es uns nachzumachen.
Lassen Sie mich ein Wort zu dem gestrigen Angebot Ihres Fraktionsvorsitzenden an den Bundeskanzler sagen, die Opposition sei bereit, den Bundeskanzler bei seiner Energiepolitik und der Verwirklichung seiner energiepolitischen Vorstellungen zu unterstützen. Vorab eine Bemerkung: Darauf ist der Bundeskanzler nicht angewiesen. Er findet die Unterstützung seiner Fraktion und des Koalitionspartners FDP.
Noch immer haben wir die Mehrheit erbracht, die notwendig war.
Aber dieses Angebot des Herrn Dr. Kohl ist und bleibt unglaubwürdig. Wenn er es ernst gemeint hätte, dann hätten Sie am 14. Dezember 1978 der energiepolitischen Entschließung im Bundestag zustimmen müssen.
Damals haben Sie dieser Entschließung aus vordergründigen, durchsichtigen und parteitaktischen Gründen die Zustimmung versagt, weil Sie im stillen der Hoffnung waren, es wird keine Mehrheit der Koalition geben. So „glaubwürdig" sind Sie mit Ihren energiepolitischen Aussagen.
Lassen Sie mich einige Bemerkungen zu den Ausführungen des verehrten Herrn Professor Biedenkopf machen, der sich jetzt anschickt, nach Düsseldorf zu marschieren, und Düsseldorf nie erreichen wird. Herr Professor Biedenkopf, Sie sollten einmal den Leitantrag vollständig lesen und die Beschlüsse von Berlin genau zur Kenntnis nehmen. Dann wären Sie mit mir und mit uns der Auffassung: In Berlin ist ein klarer Beschluß für den Vorrang der heimischen Steinkohle gefaßt worden. Von Ihnen fehlt Vergleichbares.
Bringen Sie uns doch einmal klare Aussagen Ihres Kanzlerkandidaten und anderer Ihrer Sprecher zu diesem Vorrang der heimischen Kohle. Gestern haben Herr Strauß und Herr Barzel und andere gesagt: Ja; ein bißchen Kohle, aber nicht zu viel, weil es das Problem der „Belastung der Atmosphäre" gibt.