Rede von
Dr.
Graf
Otto
Lambsdorff
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Nein.
Mir mißfällt das, und ich sage das ganz deutlich und ganz bewußt, weil ich der festen Überzeugung bin, daß wir — und das nimmt auch diese Bundesregierung für sich in Anspruch — in dem freiheitlichsten Staat leben, den es auf deutschem Boden je gegeben hat. Weil ich das so sehe, sage ich auch, daß ich die vom Kollegen Barzel zitierten Äußerungen von Professor Jens für ungerechtfertigt, falsch und unverantwortlich halte.
— Ich habe mein eigenes Urteil zu dieser Frage gesagt, und damit genügt es.
Ich will an dieser Stelle ein paar Worte zu den Argumenten sagen, die hier zum Haushaltsplan 09 und auch zur Wirtschaftspolitik in der Debatte vorgebracht worden sind, soweit sie über das hinausgehen, was ich hier vortragen konnte. Ich bin Frau Kollegin Simonis für einige Hinweise, die sie gegeben haben, durchaus dankbar. Sie versetzen mich in die angenehme Lage, auch aus meiner Sicht das eine oder andere Kritische zu einigen Entscheidungen zu sagen.
Erstens. Frau Simonis, von mir aus — das habe ich dem Haushaltsausschuß bei den Haushaltsberatungen 1979 sehr deutlich gesagt — hätte auf die Förderung regionaler Erdgasleitungen immer verzichtet werden können. Ich bin immer der Meinung gewesen, daß dies die Gesellschaften selber tun sollten. Nur: Dies war eine Entscheidung des Parlaments — so war es, eindeutig — und nicht die Entscheidung und nicht der Antrag des Wirtschaftsministers. Das ist völlig eindeutig.
Zweitens. In der Frage der Rohstoffversorgung finden Sie mich in einer ähnlich skeptischen Position, wie sie Frau Simonis hier dargestellt hat, allerdings mit einem Unterschied: Wenn schon Rohstoffversorgung, dann möchte ich dabei den Staat nicht in dem Ausmaß tätig sehen, wie ich es aus Ihren Ausführungen entnehmen konnte, weil ich nicht glaube, daß Regierungsräte, Oberregierungsräte und Ministerialräte über die notwendige Eignung verfügen, um Kobalt einzukaufen, zu verkaufen, zu lagern, zu bewirtschaften und was damit alles zusammenhängt.
Ich möchte das, was wir auf diesem Gebiet allgemeinpolitisch offenbar für unerläßlich halten — ich unterstelle diese Voraussetzung —, in einer möglichst marktnahen Form getan wissen, unter Einsatz
der Kenntnisse und der praktischen Erfahrungen der in diesem Gebiet tätigen Unternehmen — selbstverständlich unter Mitwirkung der öffentlichen Hand in dem Fall, daß über die Bestände verfügt werden soll. Denn eines darf uns wohl nicht passieren: daß wir unter Einsatz auch öffentlicher Mittel, mindestens unter Einsatz von Zinssubventionen aus dem Haushalt, schließlich nichts weiter erreichen, als daß wir Lagerbestände aufbauen, durch die sich die Wirtschaft von ihren Lagerbeständen und den damit verbundenen Kosten entlastet. Das kann wohl nicht das Ziel des Unternehmens sein.
— Wir arbeiten daran, Herr Breidbach. Wir haben der Wirtschaft die Vertragsentwürfe jetzt übersandt. Das ist nicht ganz einfach. Im übrigen war es nicht so eilig, weil wir nicht die Absicht hatten — wahrscheinlich hätten Sie uns das empfohlen —, in die Rohstoffmärkte mit ohnehin steigenden Preistendenzen auch noch kräftig hineinzukaufen und damit die Ware noch weiter zu verteuern.
Der Kollege Glos hat — ich bedanke mich dafür — mir Anerkennung gezollt für unsere Haltung im Fall AEG. Darf ich Sie daran erinnern; Herr Glos, daß der erste, der sich öffentlich für den Einsatz von öffentlichen Bürgschaften ausgesprochen hat, der Ministerpräsident Albrecht des Landes Niedersachsen gewesen ist.
Ich mache gar keinen Hehl daraus, daß — vom Ergebnis her gesehen — die Entscheidung, eine Bürgschaft in Höhe von 50 Millionen DM für Beton- und Monierbau zu übernehmen, die mir damals außerordentlich schwergefallen ist — meine Mitarbeiter wissen das noch —, eine falsche Entscheidung war. Aber ich möchte Sie dringlich bitten, jede Unterstellung derart, daß diese Bürgschaftsentscheidung getroffen worden sei wegen der persönlichen Beziehungen des Bundeskanzlers zu dem verstorbenen Aufsichtsratsvorsitzenden, zu unterlassen. Daran ist kein wahres Wort. Von beiden hat mit mir niemand vor dieser Entscheidung gesprochen.
Das brauchen Sie nicht festzustellen; denn ich sage Ihnen: Mit mir hat niemand gesprochen.
Der einzige Punkt, der mich in der Argumentation davon überzeugt hat, sich für diese Bürgschaft auszusprechen, war der Umstand, daß bei Fälligwerden der Verpflichtungen in Algerien und bei dem „Nicht-mehr-bezahlt-werden-Können" der Verpflichtungen in Algerien weitere größere Bürgschaftsverpflichtungen, die der Bund übernommen hatte, ebenfalls fällig gestellt worden wären. Dieses allein geschäftliche und wirtschaftspolitische Argu-
Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1979 15247
Bundesminister Dr. Graf Lambsdorff
ment hat mich damals überzeugt zu sagen: Ich mache dies.
— Der Anruf bei Herrn Riemer hat erbracht, daß wir es beide gemacht haben.
Herr Glos, ich will Ihre Frage weiter beantworten. Ich habe mit Interesse gehört, daß sie mir die 40-Millionen-Frage — Verzicht auf das Kohledrittel in Nordrhein-Westfalen — ordnungspolitisch ankreiden. Ich möchte sagen, wenn es Haushaltsordnung ist, könnte man sicherlich darüber diskutieren. Ein ordnungspolitscher Punkt ist es nicht. Aber für Sie spielt ja nur der Briefkasten eine Rolle. Ich habe natürlich auch von dem Kollegen Biedenkopf zu diesem „ordnungs-politischen Fauxpas" kein Wort gehört. Wir sind uns alle darin einig, daß das läuft und daß ein Formular gefunden werden mußte. Ich habe das im Haushalts- und Wirtschaftsausschuß sorgfältig begründet und aus meiner Position in dieser Frage keinen Hehl gemacht.
Dann kam der Kollege Haase mit einer Zwischenfrage nach dem in der Tat außerordentlich anfechtbaren Rohölgeschäft der Union Kraftstoff in Wesseling. Man kann den Namen ja nennen; denn er stand in der Zeitung. Nur, daß der Bund darauf einen Einfluß hätte, Herr Kollege Haase, ist natürlich nicht richtig.
— Wie denn?
— Welchen Einfluß haben wir denn auf das RWE?
— Herr Kollege Biedenkopf, da gibt es wieder einen Gegenstand ordnungspolitischen Belehrungsbedürfnisses. Wie soll denn der Wirtschaftsminister auf die Rohölgeschäfte der UK in Wesseling Einfluß nehmen?
Ich habe dem britischen Energieminister einen Brief geschrieben — in den Zeitungen war zu lesen, er wolle mich auf der Tagung der Internationalen Energieagentur am vergangenen Montag darauf ansprechen; er hat es nicht getan —, ihm die Informationen, die wir über dieses Geschäft haben, weitergeleitet und ihm dabei geschrieben:
Ich möchte nochmals zum Ausdruck bringen, daß ich bei allem Verständnis für die schwierigen Versorgungsprobleme gerade der nicht integrierten Raffineriegesellschaften derartige Spotmarkttransaktionen mißbillige. Wir haben das betroffene Unternehmen daher nachdrücklich darauf hingewiesen, in Zukunft Zurückhaltung bei derartigen Geschäften zu üben.
Ich glaube, das ist im wesentlichen die Beantwortung der Fragen. Aber ich sagte vorhin, Frau Simonis, Sie hätten mir, da Sie Ihrerseits einige kritische
Bemerkungen gemacht hätten, Gelegenheit gegeben, auch meinerseits zwei Punkte zu erwähnen, die mir bei den Entscheidungen des Parlaments und auch des Haushaltsausschusses Sorge machen. Ich komme im Einzelplan 09 immer noch nicht von den Zeitarbeitsverträgen bei den Oberbehörden herunter. Ich halte es für einen ganz schwierigen Zustand, daß wir veranlaßt werden, rechtliche Modelle zu benutzen, deren Fragwürdigkeit wahrscheinlich niemand im Hause bestreiten wird. Es ist eine beklagenswerte und problematische Entwicklung, daß Sachaufgaben, die offensichtlich notwendig sind, uns mehr und mehr zugewiesen werden, daß wir sie aber, was die personelle Seite anbelangt, nur mit Mitarbeitern erledigen können, denen wir bestenfalls Einjahresverträge und die Aussicht auf eine Verlängerung geben können. Ich finde, das ist für den Arbeitgeber Bund keine angenehme Situation.