Rede von
Dr.
Graf
Otto
Lambsdorff
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Zunächst, Herr Reuschenbach, herzlichen Dank!
Ich hatte mich gestern während der Debatte — wie ich zugebe, unziemlicherweise — für eine Stunde entfernt. Das ist erfreulicherweise nicht aufgefallen, und das ist auch gut so.
Das erklärt sich daraus, daß ich gebeten worden war, an einem Fernsehinterview teilzunehmen, an dem sich außerdem ein japanischer, ein englischer und ein amerikanischer Wirtschaftspolitiker sowie der
kuwaitische Finanzminister beteiligten. Das Interview war nicht lang, es gab nicht viele Fragen.
Aber drei Fragen waren in der Form, wie sie gestellt wurden, für mich doch interessant; sie führten mich dazu, daß ich abwehren mußte.
Es wurde zunächst gefragt: Können Sie uns verraten, wie es die Bundesrepublik Deutschland möglich gemacht hat, bei der Bekämpfung der Inflation am erfolgreichsten von uns abzuschneiden?
Die zweite Frage lautete: Können Sie uns verraten, wie es die Bundesrepublik Deutschland fertiggebracht hat, in der Frage der Arbeitslosigkeit so erfolgreich zu sein?
Die Schlußfrage war: Werden Sie nach Ablauf von zehn Jahren, am. Ende der 80er Jahre, auch sagen können, daß die Bundesrepublik Deutschland im Kreise dieser Länder ihre Probleme am erfolgreichsten bekämpft hat?
Ich habe Ihnen gesagt: Ich habe etwas abwehrend geantwortet. Da gibt es durchaus Differenzierungen.
Als ich ins Plenum zurückkam, sprach hier der bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß und ich habe mir erneut die Frage gestellt: In welchem Land leben wir eigentlich, und ist das das Land, nach dem ich befragt worden bin, das von dieser Stelle im Deutschen Bundestag beschrieben wird?
Nun hat sich Herr Strauß angewöhnt, nicht mehr in der Art mit uns umzugehen, wie es in der von Herrn Wehner gestern zitierten Rede damals noch geschah. Ich fand es sehr richtig, daß Sie den Namen des schönen bayerischen Ortes herausgelassen haben; man tut ihm unrecht, wenn man ihn immer wiederholt. Aber was uns berichtet wurde, war nicht die Situation dieses Landes am Ende der 70er Jahre, und wie es uns berichtet wurde, das klappte nicht mehr so recht und wirkte nicht. Das war ja wohl spürbar. Der alte Franz Josef Strauß darf er nicht sein, und der neue Franz Josef Strauß kann er nicht sein.
Das erinnerte mich ein wenig an die englische Spruchweisheit, die man vielleicht einigen seiner Berater empfehlen sollte: You don't teach an old dog new tricks.
So ist auch das Echo dieser Debatte. Ich habe mir nur drei Zeitungsausschnitte herausgesucht, natürlich aus drei Zeitungen, die Ihnen, den Damen und Herren der Opposition, nahestehen. Das beginnt mit der „Rheinischen Post": „Nur wenig deutete darauf hin, daß der Majestät in Bonn vom bayerischen Thron aus Gefahr droht. Die „Kölnische Rundschau schrieb unter der Überschrift „Mißglückter Angriff": „Das war nicht die große Stunde der Opposition. In der „Rheinpfalz" war zu lesen: „Will Strauß politi-
15242 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1979
Bundesminister Dr. Graf Lambsdorff
scher Kabarettist werden oder Chef eines Kabinetts?"
— Das ist eine Auswahl aus Ihnen nahestehenden Zeitungen. Das wird man doch vielleicht sagen dürf en, verehrter Herr Kollege.
— Nein, die haben nicht meine Referenten vorgelegt, Sie täuschen sich. Ich habe die Presse selbst durchgesehen und mir die Artikel selber herausgesucht!
Im übrigen zeigt sich ja, daß es zwischen praktischer politischer Arbeit, auch im Regierungsamt, und dem, was man, auch von diesem Pult aus, verkündet, Unterschiede gibt. Ich habe den Eindruck, daß auch der bayerische Ministerpräsident merkt, daß es selbst mit der satten Mehrheit der CSU im Landtag in München so ohne weiteres und so glatt nicht läuft. Ich möchte Ihnen drei Stichworte nennen. Da gibt es diese — das müßte man hier wirklich zur Kenntnis nehmen, es spielt sich ein bißchen fern von uns ab — geradezu ungewöhnlich erheiternde Feiertagsdebatte in Bayern.
- Ich nenne Ihnen drei Stichworte, Herr Glos, und ich werde gleich den Zusammenhang wiederherstellen. Haben Sie keine Sorge! — Dieses, wie gestern die „Frankfurter Neue Presse" schrieb, , Konkubinat zwischen Kommerz und Klerus" meine ich. Ich frage Sie, meine Damen und Herren von der CSU, wo da eigentlich die sonst so oft beschworene Schonung der mittelständischen Wirtschaft bei der hier angeregten Feiertagsregelung bleibt.
Da gibt es die hier schon erwähnte Diskussion — damit sind wir wieder sehr in Bonn, Herr Glos — mit einer ganz und gar unbefriedigenden Antwort des bayerischen Ministerpräsidenten gestern in der Frage der Zwischenlager und der Standortgenehmigung für Kernkraftwerke auch im Freistaat Bayern. Und da gibt es — damit sind wir zum drittenmal mit einer Verbindungslinie in Bonn — die geradezu unglaubliche Tatsache, daß es dem bayerischen Ministerpräsidenten nicht einmal gelingt, die Fraktion seiner eigenen Partei im Stadtrat von München dazu zu bringen, die Gewerbesteuer zu senken und nicht die Lohnsummensteuerausgleiche einzukassieren.
Was taugen die Versprechungen neuer Steuersenkungen, wenn man in seinem eigenen Bereich nicht einmal in der Lage ist, eine kümmerliche Gewerbesteuersenkung zustande zu bringen?
Ich habe ein wenig den Eindruck: Hier ist der bayerische Löwe zum Papiertiger geworden.