Rede von
Dr.
Kurt H.
Biedenkopf
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Angesichts der Sachverhaltsnähe, in der ich mich befinde, Herr Kollege Haase, erinnere ich mich.
Wenn aber erfolgreich regieren heißt, ein Programm zu verwirklichen — und darauf kommt es hier doch an —, dann kann der Bundeskanzler in der Energiepolitik zwar auf die unionsregierten Länder, aber nicht auf die Sozialdemokraten in Nordrhein-Westfalen rechnen. Genau das ist der Grund, Herr Haussmann, warum ich zu Beginn gesagt habe, die Mehrheit innerhalb der 7 % reicht nicht aus.
Wir haben in Nordrhein-Westfalen und in Baden-Württemberg Beschlüsse der zuständigen SPD-Organisationen, die im Ergebnis darauf hinauslaufen, daß die Kerntechnologie nicht weiter entwickelt werden kann und daß Deutschland, wie es Graf Lambsdorff unnachahmlich formuliert hat, auf dem Weg ins technologische Abseits ist. Herr Rau zieht damit die Konsequenzen aus den Beschlüssen in Berlin. Die 58%, die dort für den Leitantrag des Vorstandes gestimmt haben, sind, wie man sieht, politisch nichts wert.
Bereits kurz nach Berlin ist im Ergebnis das Moratorium der Kernenergie verwirklicht.
Nun sind wir die letzten, die meinen, das Problem der Kernenergie sei ein leichtes Problem. Aber wir sind entschieden dagegen, erstens dieses Problem zu verschleiern und zweitens etwas ganz anderes damit zu meinen, als man sagt. Dazu noch einige Bemerkungen.
Zur Verschleierung der Auseinandersetzung sind eine Reihe von Formeln erfunden worden, die den Eindruck der Entscheidungsfreudigkeit hervorrufen, in Wirklichkeit aber die Entscheidung vermeiden sollen. Die wichtigste dieser Formeln hat der Bundeskanzler gestern hier mit dem ganzen ihm zur Verfügung stehenden Pathos vorgetragen. Die Formel lautet: die Optionen erhalten. Was ist denn eine Option? Eine Option ist die Möglichkeit zu wählen. Aber sie ist keine Entscheidung.
Ich frage Sie: Was würden Sie machen, wenn Sie auf einem Dampfer mitführen, das Schiff sich geradlinig auf ein Hindernis zu bewegte und der Steuermann den Kapitän fragte, welchen Kurs er steuern sollte, worauf der Kapitän mit zackiger Stimme antworten würde: alle Optionen offenhalten?
Genau das sagt die Formel. Sie gibt eben keine Auskunft über die Frage, die Herr Haussmann gestellt
hat: Warum sind in den Haushalten nicht schon jetzt
Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1979 15237
Dr. Biedenkopf
die Mittel enthalten, um die Optionen, also die Möglichkeiten so weit zu realisieren, wie das notwendig wäre, um den Anschluß an die Zukunft nicht zu verlieren?
Die Erhaltung der Wahlmöglichkeit als solche wird bereits als eine Führungsleistung gefeiert. Nichts kann deutlicher machen als dieser Umstand, daß wir nicht mehr geführt, sondern nur noch verwaltet werden.
Die zweite Formel, vor allen Dingen vom Herrn Kollegen Wolfram, aber auch von anderen bemüht, heißt: absoluter Vorrang der Kohle.
— Herr Kollege Wolfram, ich habe nicht das Geringste dagegen.
„Absoluter Vorrang der Kohle", was heißt das denn auf deutsch? Das heißt: So viel Kohle produzieren, wie es möglich ist.
Ich habe mich bereits vor anderthalb Jahren in Bochum auf der .ersten Ruhrgebietskonferenz der CDU, lange bevor Herr Rau überhaupt das Problem des Ruhrgebiets entdeckt hatte, dafür ausgesprochen, so viel Kohle wie möglich zu fördern.
— Wollen Sie wirklich die großen Verdienste von Walter Arendt und Adolf Schmidt bei der Anpassung und Restrukturierung der Kohle mit einer solchen Handbewegung vom Tisch wischen?
Was heißt absoluter Vorrang der Kohle? Absoluter Vorrang der Kohle heißt: So viel Kohle wie möglich fördern, und zwar auch dann, wenn dies unwirtschaftlich sein sollte.