Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir, daß ich vor den Bemerkungen, die ich selbst zum Haushalt machen möchte, einige wenige Sätze zu meinen Vorrednern sage. Ich fand es zunächst interessant und wichtig, daß sich Frau Kollegin Simonis die Mühe gemacht hat, die Subventionsleistungen zu addieren, die für das Handwerk erbracht werden. Sie ist, wenn ich es richtig erinnere, bei der Summe von rund 700 Millionen DM angelangt. Wenn man diese Summe angemessen beurteilen will, kann man sie allerdings nicht als absolute Zahl sehen, sondern man muß sie in Relation zu anderen Ausgaben setzen. Das Handwerk in der Bundesrepublik Deutschland beschäftigt in 500 000 Betrieben rund vier Millionen Arbeitnehmer. Das heißt, es ist neben der Großindustrie der wichtigste Arbeitgeber in der Bundesrepublik Deutschland. Wenn ich jetzt die 700 Millionen DM, die hier nicht nur für das Handwerk, sondern für den gesamten mittelständischen Bereich ausgewiesen werden, etwa in Relation zu den 400 Millionen DM setze, die ohne nähere Zweckbindung im Haushalt des Wirtschaftsministers von Nordrhein-Westfalen ausgewiesen sind, gewinnt die Zahl eine völlig andere Dimension.
Ich meine, nur diese Art von Vergleich ist sinnvoll.
15232 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1979
Dr. Biedenkopf
— Ich trage in der Regel vor, was ich meine, Herr Kollege, im Unterschied zu manchen anderen.
Im übrigen habe ich mich besonders gelabt — wenn ich das sagen darf — an Ihrer Beschreibung der Stützung von Besitzständen untereinander. Die Formulierung „Schützt du meine Region, schütz' ich deine Region, und die Deppen werden dann schon zahlen" finde ich eine geradezu klassische Beschreibung der Filzokratiesituation im Ruhrgebiet.
Herr Haussmann hat mich zu einem Ausflug in die Ordnungspolitik eingeladen. Herr Kollege Haussmann, ich hätte Sie da gern mitgenommen;
aber ich werde versuchen, wenigstens auf den einen oder anderen Punkt einzugehen, und ich habe in der Tat vor, auch an die Fragen anzuknüpfen, die das Wachstumsthema betreffen.
Sie haben gesagt, Herr Kollege Haussmann, daß der Wirtschaftsminister Graf Lambsdorff auf eine breite Mehrheit in seiner Partei und in seiner Fraktion rechnen könne. Ich finde das sehr erfreulich. Ich möchte nur, was die politische Durchsetzbarkeit dessen betrifft, was der Wirtschaftsminister oft mit unserer Zustimmung zu tun versucht, darauf hinweisen, daß die Partei über eine „Mehrheit" von 7 % verfügt
und daß man damit allein keine Politik machen
kann. Das Problem ist, daß in den zentralen Fragen
— dies gilt insbesondere für die Energiepolitik — die Mehrheit, die notwendig ist, woanders beschafft werden muß und daß die Mehrheit, die notwendig ist — ich werde gleich darauf eingehen —, von der sozialdemokratischen Partei nicht zur Verfügung gestellt wird.
Im übrigen möchte ich an Herrn Kollegen Gattermann erinnern, der uns kürzlich in einem anderen Zusammenhang die Freude gemacht hat, darauf hinzuweisen, daß die Leitlinien der Freien Demokraten zur Wohnbaupolitik eher mit der CDU als mit der SPD verwirklicht werden können.
Aus der Fülle der Themen, die im Zusammenhang mit dem Haushalt des Wirtschaftsministers behandelt werden können, möchte ich zwei herausgreifen: zum ersten — und damit knüpfe ich an die erste Lesung an — das Problem der öffentlichen Verschuldung und ihrer weiteren Entwicklung, zum zweiten Fragen der Energiepolitik.
Zum ersten erinnere ich daran, daß Herr Kollege Hoppe von einer Zeitbombe im Haushalt sprach, ein Begriff, den Ministerpräsident Strauß gestern aufgegriffen hat. Man könnte auch von einer programmierten Krise sprechen. Sie ist heute morgen wieder deutlich geworden, als der Finanzminister feststellte, die Verschuldung sei notwendig, um die Vollbeschäftigung zu sichern, d. h. die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Mit anderen Worten: Die Verschuldung ist notwendig, um das Wachstum der Wirtschaft zu erreichen, das unter gegebenen politischen Bedingungen für notwendig gehalten wird, um Vollbeschäftigung zu sichern.
Diese Forderung nach der Notwendigkeit weiterer Verschuldung zu diesem konjunkturpolitischen Zweck wird aufgestellt, obwohl wir im Jahre 1979 ein angemessenes Wachstum hatten, obwohl der Sachverständigenrat in seinem jüngsten Gutachten feststellt, weitere staatliche Maßnahmen der Konjunkturpolitik seien 1980 nicht notwendig, und obwohl von der Regierungsseite allgemein festgestellt wird, daß die Wirtschaftslage befriedigend bis gut sei und man sie mit großer Zufriedenheit betrachten könne.
— Ich teile die Auffassung, aber gerade aus diesem Grunde meine ich, daß eine Verschuldung der öffentlichen Haushalte zu dem vom Finanzminister genannten Zweck unzulässig ist.
Der Sachverständigenrat hat die Aufgabe der Konsolidation der Haushalte heute als eher dringlicher bezeichnet als in den vergangenen Jahren.