Rede von
Prof. Dr.
Helmut
Haussmann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Sie wird vom Bund gemacht. Wir haben deshalb in den vergangenen Jahren auch wesentliche Fortschritte erzielt bei der Gewerbesteuer, bei der Zurückführung ertragsunabhängiger Steuern und bei dem Verlustrücktrag. Das sind immerhin einige Punkte, die Sie in Ihrer Regierung damals nicht geschafft haben. Ich halte dies für sehr wichtig. Herr Kolb, es wäre schlimm, wenn jeder Selbständige heute bereits einen Antrag stellen müßte. Sie vergessen völlig, daß über 50 % der Gründungen ohne staatliche Hilfe erfolgen. Dabei soll es auch bleiben.
Lassen Sie mich nun noch kurz auf einige zentrale Punkte, was die Lage der deutschen Wirtschaft angeht, eingehen. Ich glaube, man sollte hier nicht unerwähnt lassen, daß wir im Jahre 1979 eine Situation haben, wie ich sie seit meiner Zugehörigkeit zum Deutschen Bundestag bisher nicht gesehen habe: Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute, der Sachverständigenrat und der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Herr Rodenstock, bewerten die wirtschaftliche Lage übereinstimmend positiv.
Ich halte es für einen sehr großen Erfolg des Wirtschaftsministers Graf Lambsdorff, daß wir inzwischen zu einer wirtschaftlichen Lage gekommen sind, die international führend ist. Graf Lambsdorff wird bei dieser Politik, Herr Waigel und Herr Glos, von einer sehr großen Mehrheit in seiner Partei und der gesamten Fraktion gestützt. Insofern bedanken wir uns zwar für Ihr Angebot, aber es ist eigentlich nicht nötig. Wir werden diese erfolgreiche Politik fortsetzen.
Allerdings werden wir auch die kritischen Passagen des Sachverständigenrates, die die Opposition bisher nicht ausreichend aufgegriffen hat, kritisch aufgreifen. Das heißt z. B., was Herr Kollege Hoppe schon gesagt hat, daß die Tendenzwende in der staatlichen Verschuldung, der Einstieg in eine Konsolidierung nicht nur 1979 gemacht werden darf, sondern daß wir vorhaben, dies fortzusetzen.
15230 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1979
Dr. Haussmann
Wir werden deshalb auch bei allen berechtigten Wünschen nach Steuerentlastung darauf achten, daß Mittel für zwei Zwecke, die uns der Sachverständigenrat ans Herz gelegt hat, übrigbleiben, nämlich einmal für Energieinvestitionen und zum zweiten für mehr Entwicklungshilfe.
Ich komme gleich zu dem Punkt der Energievorsorge. Ich halte es für ein Problem unserer Wirtschaftspolitik, daß wir bisher nicht in der Lage waren, ausreichend zu vermitteln, daß wir vor sehr großen Herausforderungen stehen. Wenn in der „Süddeutschen Zeitung" beklagt wird, daß die Kluft zwischen staatlicher Sicherheitsgarantie und den Zukunftsängsten der jüngeren Generation immer größer werde, so ist dies eine Frage, die sich Opposition und Regierung stellen müssen. Es ist doch paradox, daß wir auf der einen Seite gewaltige Herausforderungen im Bereich der Arbeitsplätze, im Bereich der Energiesicherheit auf uns zukommen sehen, daß wir aber auf der anderen Seite nicht in der Lage sind, der jüngeren Generation zu vermitteln, daß wir diese Herausforderung nur bewältigen können, wenn die jüngere Generation aktiv in unserem Wirtschaftssystem mitmacht.
Ich glaube, daß es deshalb von zentraler Wichtigkeit ist, daß wir in dem Bereich der Beschäftigungspolitik von der ausschließlichen Diskussion über weitere steuerentlastende oder konjunkturelle Maßnahmen wegkommen und die eigentlichen Strukturprobleme erkenne, daß wir also sehen, daß die Kluft zwischen den Anforderungen eines hochqualifizierten Wirtschaftssystems und dem Angebot an bisher nicht Beschäftigten und deren Qualifikatione'n immer größer wird. Meine Damen und Herren, dies kann ja nur ein Doppeltes heißen: nicht, daß wir diese Kluft wieder schließen werden durch eine Öffnung unserer Grenzen für ausländische Mitarbeiter, sondern daß wir die Wirtschaft und unsere Menschen dazu bringen müssen, daß auch solche, die gewisse Handikaps haben, sei es vom Alter her oder aber auch von der Gesundheit her, wieder ihre Chance in unserer Wirtschaft bekommen. Dies heißt zweierlei, einmal eine sehr hohe Bereitschaft unserer Betriebe zur innerbetrieblichen Weiterbildung, damit untere Beschäftigungsstufen frei werden für solche, die im Moment nicht beschäftigt sind, und zum zweiten eine sehr hohe Bereitschaft der Betroffenen selbst zum lebenslangen Lernen. Dann können wir diese Lücke schließen. Ich halte dies für sehr wichtig. Wenn wir den Status quo in der Beschäftigung halten wollen, müssen wir permanent neue Arbeitsplätze schaffen, weil wir durch die Bevölkerungsstruktur laufend mehr junge Menschen bekommen, die in das Arbeitsleben treten.
Die zweite große Herausforderung liegt ohne Zweifel im Bereich der Energiesicherung. Hier liegt es an uns, das Umdenken sowohl bei den Verbrauchern als auch bei der Industrie staatlich zu unterstützen, nicht immer durch Geld, sondern auch durch vorbildliche Maßnahmen, durch Vorbildfunktion auch bei eigener Einschränkung im staatlichen Bereich. Ich glaube, wenn der politische Kompromiß, der in der Frage der Kernenergie von den Koalitionsparteien vertreten wird, nämlich das Offenhalten beider Wahlmöglichkeiten, nicht nur Gerede sein soll, dann sind heute schon enorme finanzielle Mittel für diese notwendige energiepolitische Umrüstung bereitzustellen. Ich selbst sehe in unseren Haushalten und in unserer Finanzpolitik noch nicht die Ansätze, die eine Antwort auf diese gewaltige Herausforderung ermöglichen.
Wenn es z. B. stimmt, was der Düsseldorfer Kreis, eine Vereinigung von Industriellen, Bankern und Energiewissenschaftlern, sagt, daß für die Umrüstung im Olbereich 85 Milliarden DM notwendig sind, nicht nur beim Staat, sondern natürlich auch bei der Industrie selbst, so zeigt dies die Größenordnung, die auf uns zukommt. Ich halte unsere Haushalte unter dem Gesichtspunkt für noch nicht ausreichend gesichert.
Lassen Sie mich zum dritten Punkt kommen, zur allgemeinen Wirtschaftspolitik, die nicht sosehr mit Geld zu tun hat, sondern mit Vorbildmaßnahmen. Ich glaube, wenn die deutsche Wirtschaft und die deutsche Bevölkerung ihren hohen Standard halten möchten, nicht nur an Wohlstand, nicht nur materiell, sondern auch an Toleranz, auch an Möglichkeiten, sich für verschiedene Lebensformen zu entscheiden, dann wird es in den 80er Jahren eine gewaltige Herausforderung darstellen, all das zu unterstützen, was mit Risikobereitschaft, mit Unternehmungsgeist, was mit Anpassungsbereitschaft, mit Umstellungsbereitschaft zu tun hat.
Wir werden dies nicht ohne die Gewerkschaften schaffen. Ich halte es für eine böse Unterstellung, wenn ich manchmal draußen in den Diskussionen höre, etwa die Sozialdemokraten oder insbesondere die deutschen Gewerkschaften wären nicht bereit, sich diesem harten Strukturwandel zu stellen. Ich halte — und ich möchte dies als Freier Demokrat deutlich sagen — die deutschen Gewerkschaften für diejenigen in Europa, die am besten dafür gerüstet sind, mit dieser gewaltigen technologischen Herausforderung fertig zu werden.
Sie haben eine offene Einstellung zum technischen Fortschritt. Wir haben eine Forschungs- und Technologiepolitik, die von den deutschen Gewerkschaften mitgetragen wird. Das ändert nichts daran, daß ich manchmal auf die Problematik hinweise und mit Herrn Hauff in einer Diskussion darüber stehe, wie wir diese Forschungspolitik stärker entbürokratisieren können, wie wir sie für Klein- und Mittelbetriebe öffnen können. Richtig ist aber der Grundsatz, daß ein Hochlohnland mit hohen Standortkosten von seiner Bereitschaft, zu forschen und zu entwikkeln, abhängt.
Mir scheint, man sollte die Ängste oder die Befürchtungen der Beschäftigten ernst nehmen, wir sollten aufklären, und wir sollten den Technologieausschuß dafür ausrüsten, daß wir diese Diskussion darüber führen können, wohin denn diese neuen Technologien führen und wie sie sich nicht nur auf die Zahl der Arbeitsplätze, sondern auch auf die Qualifikation der Beschäftigten auswirken.
Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1979 15231
Dr. Haussmann
Meine Damen und Herren, wenn wir ein wirtschaftspolitisches Klima herbeiführen, das für mehr Risikobereitschaft und mehr Selbständigsein günstig ist, und gleichzeitig mit den Beschäftigten in einen Dialog darüber eintreten, was Forschung und Technologie bzw. technologische Entwicklung für sie bedeuten, können wir, wie ich glaube, bestehen.
Lassen Sie mich abschließend noch zur allgemeinen Diskussion über Subventionen kommen. Ich habe mich sehr darüber gefreut, daß der Bund junger Unternehmer uns aufgefordert hat, mit dem Subventionsunwesen Schluß zu machen. Ich halte dies zunächst für eine mutige Aussage. Als ich dann aber in eine konkrete Diskussion mit den jungen Unternehmern eintrat und fragte, wo das denn nicht so wehtun würde,
ist es bereits schwieriger geworden, und ich warte noch heute auf andere Anregungen als den kühnen Vorschlag, das Forschungsministerium generell abzuschaffen. Wenn das geschähe, würden sich viele Unternehmer wundern, auch wir, Herr Stavenhagen, in Baden-Württemberg mit unseren Vorstellungen, die wir oft an den Forschungsminister herantragen.
Wenn wir diesen Vorschlag einmal abrechnen, müssen wir, denke ich, so weit kommen zu sagen: Wir müssen die Subventionen stärker differenzieren. All das, was mit dem Konservieren von nicht erhaltungswürdigen Strukturen zu tun hat, ist sicher kontrollierbar. Aber wer bestimmt, was erhaltungswürdig ist, wer bestimmt, was praktisch zukunftsträchtig ist?
Wenn wir dies nicht können, müssen wir über andere qualitative Kriterien einer permanenten Subventionsüberprüfung nachdenken. Wir müssen die Subventionen degressiv gestalten, wir müssen die Begründungspflicht umdrehen, so daß nach einer bestimmten Zeit dargelegt werden muß, warum eine Subvention weiterbesteht. Und wir müssen den Rat der Sachverständigen ernst nehmen, die davor gewarnt haben, daß die Subventionen inzwischen eine Größenordnung erreicht haben, die — so wörtlich — die Flexibilität der Finanzpolitik ernsthaft behindert.
Ich möchte sagen, es wäre an sich der Sinn einer solchen Wirtschaftsdebatte, daß wir in allen drei Fraktionen versuchen, Beispiele dafür zusammenzutragen, wo dies nicht stattfindet oder nicht stattfinden soll.
Ich bin dadurch ermutigt, daß in einem sehr wesentlichen Bereich ein Dammbruch vermieden werden konnte, und zwar durch das engagierte Eintreten des liberalen Wirtschaftsministers. Heute morgen ist bereits von der AEG die Rede gewesen. Meine Damen und Herren, wenn wir hier in einen Bereich, der bisher als nicht krisenanfällig und als international nicht subventionsabhängig definiert worden ist, eingestiegen wären, wären alle Dämme gebrochen. Nur sehe ich daran, daß Herr Glos nickt, daß er damals übersehen hat, daß der Ministerpräsident von Niedersachsen einer der ersten war, der Forderungen an den Bundeshaushalt herangetragen hat. Ich bin sehr stolz darauf, daß ein früherer FDP-Wirtschaftsminister, nämlich der heutige Sprecher der Dresdner Bank, Herr Friderichs, die Banken, die Versicherungsunternehmen und die private Industrie bei dieser Transaktion in ihre Pflicht genommen hat.
Wenn dies auch auf weitere Fälle vorbildlich wirkt, kommen wir zu einer Entlastung dergestalt, daß wir unsere knappen finanziellen Mittel für Zukunftsanpassung für kleine und mittlere Betriebe reservieren. Wenn wir dies tun, glaube ich, sind die Voraussetzungen für die 80er Jahre sehr gut.
Sicher — das gebe ich zu — war dies alles sehr praktisch, und wenn jetzt Herr Professor Biedenkopf reden wird, wird es einen Ausflug in die großen ordnungspolitischen Themen geben. Ich bin bereit, Ihnen da zu folgen. Vielleicht können Sie heute die Konsequenzen von dem andeuten, was Sie in der Wachstumsdiskussion vor drei Monaten gesagt haben.
Die Freien Demokraten stimmen dem Haushalt des Bundeswirtschaftsministeriums zu.