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ID0819216500

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    Plenarprotokoll 8/192 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 192. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1979 Inhalt: Nachruf auf den ehemaligen Vizepräsidenten des Deutschen Bundestages, Professor Dr. Carlo Schmid 15177A Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung 15177 D Telegramm der deutschen Gruppe der Interparlamentarischen Union an den Schiitenführer Ayatollah Khomeini . . . 15221 D Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1980 (Haushaltsgesetz 1980) — Drucksachen 8/3100, 8/3354 — Beschlußempfehlungen und Berichte des Haushaltsausschusses Einzelplan 08 Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen — Drucksache 8/3378 — in Verbindung mit Einzelplan 32 Bundesschuld — Drucksache 8/3393 — in Verbindung mit Einzelplan 60 Allgemeine Finanzverwaltung — Drucksache 8/3397 — Carstens (Emstek) CDU/CSU 15178A Grobecker SPD 15185A Gärtner FDP 15188B Matthöfer, Bundesminister BMF . . . 15193 B Dr. Schäuble CDU/CSU 15205 D Westphal SPD 15208 C Frau Matthäus-Maier FDP 15212 B Einzelplan 09 Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft — Drucksache 8/3379 — Glos CDU/CSU 15215 B Frau Simonis SPD 15222 C Dr. Haussmann FDP 15228 B Dr. Biedenkopf CDU/CSU 15231 D Reuschenbach SPD 15238 B Dr. Graf Lambsdorff BMWi 15241 B Gerstein CDU/CSU 15250A Wolfram (Recklinghausen) SPD . . . 15253 B Wurbs FDP 15256A II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1979 Dr. Warnke CDU/CSU 15257 B Frau Dr. Martiny-Glotz SPD 15259A Einzelplan 20 Bundesrechnungshof — Drucksache 8/3387 — 15222 B Einzelplan 10 Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — Drucksache 8/3380 — Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU . . 15261 C Simpfendörfer SPD 15264A Zywietz FDP 15266 C Ertl, Bundesminister BML 15268 D Einzelplan 12 Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr — Drucksachen 8/3382, 8/3430 — in Verbindung mit Einzelplan 13 Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen — Drucksache 8/3383 — Schröder (Lüneburg) CDU/CSU . . . 15270C Müller (Nordenham) SPD . . . 15272D, 15283A Hoffie FDP 15274 C Dr. Schulte (Schwäbisch Gmünd) CDU/ CSU 15277A Curdt SPD 15278 D Merker FDP 15281 A Feinendegen CDU/CSU 15282 C Dr. Friedmann CDU/CSU 15283 B Gscheidle, Bundesminister BMV /BMP 15285 D Einzelplan 25 Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau — Drucksache 8/3389 — Hauser (Bonn-Bad Godesberg) CDU/CSU 15288 B Frau Traupe SPD 15290 B Gattermann FDP 15293 C Dr. Schneider CDU/CSU 15295 D Müntefering SPD 15298 B Dr. Haack, Bundesminister BMBau . . . 15300 B Einzelplan 07 Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz — Drucksache 8/3377 — Dr. Friedmann CDU/CSU 15302 C Dr. Emmerlich SPD 15304A Engelhard FDP 15305 B Dr. Vogel, Bundesminister BMJ . . . . 15306A Nächste Sitzung 15307 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 15309* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1979 15177 192. Sitzung Bonn, den 12. Dezember 1979 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete (r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen* 14. 12. Dr. Aigner* 14. 12. Alber* 14. 12. Dr. Apel 12. 12. Dr. Bangemann* 14. 12. Blumenfeld* 14. 12. Egert 14. 12. Fellermaier* 14. 12. Frau Dr. Focke* 14. 12. Friedrich (Würzburg) * 14. 12. Dr. Früh* 14. 12. Dr. Fuchs* 14. 12. Gallus 14. 12. von Hassel* 14. 12. Katzer 14. 12. Dr. h. c. Kiesinger 12. 12. Dr. Klepsch* 14. 12. Lange* 14. 12. Lücker* 14. 12. Luster* 14. 12. Milz 14. 12. _ Dr. Möller 12. 12. Dr. Müller-Hermann* 14. 12. Dr. Pfennig * 14. 12. Frau Schleicher* 14. 12. Dr. Schwarz-Schilling 13. 12. Dr. Schwencke (Nienburg) * 14. 12. Seefeld * 14. 12. Sieglerschmidt * 14. 12. Frau Tübler 14. 12. Frau Dr. Walz* 14. 12. Wawrzik * 14. 12. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments
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    Rede von Heide Simonis


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    . Ja, selbstverständlich.


Rede von Michael Glos
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Frau Kollegin Simonis, würden Sie mir ausdrücklich bestätigen, daß ich in meiner Rede vorhin gesagt habe, daß überdurchschnittlich steigende Gewinne in Mangelzeiten ein Ärgernis sind?

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    Rede von Heide Simonis


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Ja, Herr Kollege Glos, ich habe mit sehr viel Interesse vernommen, daß Sie doch ein bißchen von Doppelstrategie verstehen, nämlich in einer Rede dies hier zu Protokoll zu geben, damit Sie zu Hause sagen können: Ich habe auch was gegen die Großen gesagt, aber wenn dann was gemacht wird, empört aufzuschreien, daß an der freien Marktwirtschaft die kleine Axt angelegt wird. Dies ist Doppelstrategie

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    15224 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1979
    Frau Simonis
    Das Parlament hat einstimmig — das gebe ich zu — durch seinen Beschluß, einen Heizölkostenzuschuß an die sozial Schwachen zu gewähren, auf diesem Gebiet gewisse Erleichterungen geschaffen. Dennoch trifft die Preispolitik der Ölkonzerne die kleinen Einkommensempfänger immer noch empfindlich hart.
    Nebenbei darf ich Ihnen als Haushaltspolitiker mal sagen, dieser Zuschuß hat im Budget des kleinen Privatmannes lediglich den Charakter eines durchlaufenden Postens. Wir hätten genauso gut beschließen können, es direkt auf die Gewinnkonten der Ölkonzerne zu überweisen, falls diese es nicht als zu genierlich empfunden hätten, direkt von uns subventioniert zu werden;

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    sie scheinen es vorzuziehen, es über den Preis zu machen.

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Sie haben aber zugestimmt!)

    — Ja, natürlich habe ich zugestimmt. Soll ich denn weiterhin zuschauen, daß kleine Einkommensempfänger den Unsinn bezahlen, den multinationale Ölkonzerne machen und, wenn wir was dagegen unternehmen wollen, daß Sie dann hier als Marktpolitiker auftreten.

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Sie haben vollkommen recht! Ich wollte das nur mal festgehalten haben!)

    — Ich danke Ihnen, daß Sie mir einmal recht geben. Das spricht fast für Sie, daß Sie mir in diesem Punkt recht geben.
    Eucken und seine Schule haben sicherlich an eine andere Wirtschaftsorganisation als an die, die wir heute vorfinden, gedacht. Er hat ganz gewiß auch nicht daran gedacht — das kann ich mir jedenfalls nicht vorstellen —, daß ein großes deutsches Energieunternehmen Nordseeöl — wie Sie bereits angedeutet haben — zu ungefähr 25 Dollar einkauft und es dann, wie es im Rundfunk geheißen hat, „nach international üblichen Ringtauschaktionen" auf dem deutschen Markt zu 35 Dollar verkauft

    (Haase [Kassel] [CDU/CSU]: In Rotterdam verscheuern die das! — Zuruf von der CDU/CSU: Weiter ölige Hände!)

    und dann auch noch erklärt, dieses — —
    Ach wissen Sie, das waren nicht die öligen Hände des Ministers.

    (Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Doch, der steckt da mit drin!)

    Das waren die öligen Hände der Konzernherren.

    (Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Der Minister ist doch in den Aufsichtsräten! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Sie müssen nicht immer die Falschen angreifen,
    Herr Glos. Das macht Ihre Politik so wirkungslos,
    weil Sie immer die Falschen hauen. Hauen Sie doch
    einmal die Richtigen; dann könnte bei Ihnen vielleicht sogar mal was herauskommen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein [CDU/ CSU]: Denken Sie an die Konzernherren von Aral zum Beispiel?)

    — Ich rede ja nicht von Aral. Ich rede von einem ganz anderen Konzern. Sie müssen mal die Zeitung lesen. Wir haben im Moment einen anderen im Auge. Das wissen Sie genauso gut wie ich. Es ist eben nicht Aral.

    (Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Die öligen Hände sind es!)

    — Ich will nun also von Ihren „öligen Händen" wieder zu meinem Manuskript zurückkommen, damit ich weiterreden kann.

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Öliges Manuskript!)

    — Mein Manuskript ist nicht ölig, nein. Ich finde, solche Preisprofite unanständig und hätte es auch richtig gefunden, wenn Sie das so gesagt hätten. Zum Teil geben Sie ja zu, daß es unanständig ist. Ich erwarte von den ordnungspolitischen Jüngern in der Opposition, daß sie mehr tun als nur den Herrn Glos hier nach vorne schicken

    (Zurufe von der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    und auch mal sagen, was sie von solchen Aktionen halten.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    — Ja, Herr Glos, die, die sonst — — (Zurufe von der CDU/CSU)

    — Ach, sind Sie der Experte, ach so? Ich hoffe aber doch, daß später noch andere Redner von Ihnen kommen und daß die auf diesen Punkt eingehen werden und richtig sagen, daß das nach Marktgesichtspunkten nicht anständig war, was dort passiert ist, und daß das nicht nur Sie allein hier auszukämpfen haben. Aber ich erkenne an, daß Sie es gesagt haben.
    Energiepolitik, die also einerseits alle gleichermaßen zum Sparen anregt und die gleichzeitig die heimischen Energieträger stärkt und unsere internationale Abhängigkeit abbauen will, muß konsequenterweise die Verstärkung der Kohlehilfen in der Bundesrepublik nach sich ziehen. Deswegen verstehe ich auch nicht, Herr Glos — und fast muß ich Ihren Todesmut bewundern, mit dem Sie hier nach vorn gehen —, daß Sie bejammern, daß die Regierung einen Betrag von 400 Millionen DM zur Verstärkung der Kohlehilfen des Landes Nordrhein-Westfalen mit in den Haushaltsplan eingestellt hat. Die nationale Versorgung mit heimischen Energieträgern, die nebenbei übrigens noch den positiven Effekt hat, daß wir von internationalen Rohstoffträgern und internationalen multinationalen Konzernen unabhängig werden, können Sie doch nicht allein unter haushaltstechnischen Gesichtspunkten abhandeln wollen. Das haben wir doch sonst auch nicht so gemacht, sondern das muß man politisch
    Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1979 15225
    Frau Simonis
    entscheiden. Auch die Bayern, die so große Schwierigkeiten haben, dem „feindlichen Preußen" die eine oder andere Mark zur Verfügung zu stellen, werden am Ende dafür zu bezahlen haben, wenn wir nicht weiterhin Nordrhein-Westfalen unterstützen. Herr Pieroth hat erklärt, daß der Eschweiler Bergwerks-verein auch noch Geld bekäme, sei eine subventionspolitische Schande; so ähnlich hat er sich ausgedrückt. Ich muß Ihnen sagen: Ich finde es in Ordnung, daß da etwas gemacht wird, denn wir brauchen diese Kohle.

    (Glos [CDU/CSU]: Wir haben das einstimmig beschlossen!)

    — Wir haben es zufällig einstimmig beschlossen.

    (Glos [CDU/CSU]: Bei uns geschieht nichts zufällig!)

    Sie müßten vielleicht vorher mit Herrn Pieroth reden

    (Beifall bei der SPD)

    — das werde ich Ihnen sowieso an einer anderen Stelle noch einmal empfehlen —, damit bei Ihnen die rechte Hand weiß, was die halbrechte meint oder will, damit nicht der eine Ausschuß mit uns einer Meinung ist und ein anderer Ausschuß uns dafür prügelt.
    Herr Glos, Sie haben vorhin etwas zu den Bürg- schalten gesagt. Sie haben die Beispiele genannt, wo etwas in den Sand gebaut worden ist. Sie haben aber nie etwas gesagt, wenn Bürgschaften beantragt wurden, von denen sich die Antragsteller erhofft haben, daß es ihren Geschäften dienlich ist. Wären Sie doch dann einmal aufgestanden und hätten gesagt: Hier nicht und dort nicht, für dieses Geschäft und für jenes Geschäft nicht!
    Ich hätte mit Ihnen gestimmt, vielleicht sogar gegen meine eigene Fraktion.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Übernehmen Sie sich mal nicht!)

    Aber sich hinterher hier hinzustellen, wenn irgendeine Sache schiefgegangen ist, und dann zu sagen „Dies habe ich auch gewußt!", dies ist ein bißchen zu' einfach, Herr Glos, um es hier als „haushaltspolitischer Experte für Wirtschaftsfragen" verkaufen zu dürfen.

    (Glos [CDU/CSU]: Sagen Sie auch mal was zu Herrn Haussmann!)

    — Herr Haussmann hat ja noch nicht gesprochen. Wie ich den Kollegen Haussmann aus den vorhergehenden Jahren kenne, wird er nicht viel Unvernünftiges sagen. Deswegen habe ich dazu nichts zu sagen. Ich muß mich mit Ihnen auseinandersetzen, nicht mit Herrn Haussmann.

    (Heiterkeit — Zurufe von der CDU/CSU: Nicht viel!)

    — Nichts Unvernünftiges; Entschuldigung, Herr Haussmann.
    Im übrigen, Herr Glos, bin ich heilfroh, daß jetzt auch im Protokoll des heutigen Tages steht, daß Sie der Meinung sind: Kernenergiekraftwerke dürfen gebaut werden, nachdem die Entsorgung gesichert ist. Sie müßten doch im Grunde genommen mit der Beschlußlage des Berliner SPD-Parteitags so glücklich sein wie kaum ein Mensch zuvor;

    (Beifall bei der SPD)

    denn Sie bestätigen das, was dort mit Mehrheit von uns beschlossen wurde, nämlich daß auch wir nichts gegen Kernkraftwerke haben, nachdem die Entsorgung sicher ist. Wir sind ja nicht wirklichkeitsfremd.
    Nur, Herr Glos: Vielleicht reden Sie einmal mit Ihrem Ministerpräsidenten, der ja erklärt hat, in seinem Land werde ein Zwischenlager auf keinen Fall eingerichtet. Der kokettiert nämlich gern ein bißchen mit den Grünen und sagt: Endlagerung? — Bei uns nicht; aber Kernenergie bei den anderen, das können die dann machen.

    (Glos [CDU/CSU]: In der Sowjetunion!)

    Wenn Sie uns in die Lage versetzen, daß wir überall dort, wo es CDU/CSU-Ministerpräsidenten gibt, keine Endlager anlegen dürfen, daß in denselben Ländern, in denen es CDU/CSU-Ministerpräsidenten gibt, auch keine Genehmigungen zum Bau von Kernkraftwerken mehr erteilt werden — was, um Gottes willen, sollen wir denn noch energiepolitisch machen? Sie zurren doch alles fest und laufen dann durch die Lande als die großen energiepolitischen Zampanos, und dies, obwohl Ihre Ministerpräsidenten vorher alles zugenagelt haben.

    (Beifall bei der SPD — Lenzer [CDU/CSU]: Das ist doch ein Witz, was Sie hier erzählen! — Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Das stimmt nicht!)

    — Natürlich stimmt das. Lesen Sie es sich noch einmal durch.

    (Pfeffermann [CDU/CSU]: Was erzählen Sie da für einen Unsinn! Das ist blanker Unsinn!)

    — Wenn Sie sich wieder beruhigt haben, dann lassen Sie sich einmal von Herrn Albrecht einladen und besprechen das mit ihm ganz in Ruhe unter vier Augen. Er erklärt es Ihnen vielleicht, wie das faktisch läuft. Ich habe jedenfalls begriffen, was er vorhat:
    Sie haben meiner Meinung nach ein bißchen zuwenig Wert auf die Tatsache gelegt, daß in diesem Haushaltsplan eine ganze Menge Mittel zur Verfügung stehen, um Energieeinsparungen vorzunehmen. Meine Fraktion ist der Meinung, daß angesichts der weltweiten Verknappung von Energie, die die Ärmsten der Armen in der Dritten und der Vierten Welt beinahe über den Rand des Existenzminimums hinaustreibt, es nicht möglich sein darf, 01 weiterhin in der Attitüde eines Großmanns, der ja alles bezahlen kann, zu verbrauchen, als ob dieses aus dem heimatlichen Küchenwasserhahn fließen könnte.
    Wir können es uns bei uns auch unter ordnungspolitischen Gesichtspunkten nicht leisten, die Forderung nach Wohlstand und Freiheit für uns aufrechtzuerhalten, wenn für andere Länder damit die Freiheit verbunden ist zu verhungern. Marktwirt-
    15226 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1979
    Frau Simonis
    Schaft ist keineswegs eine geschlossene Veranstaltung zur Verteidigung ökonomischer Privilegien, sondern sie muß in erster Linie der Aufgabe einer weltweiten Verteilung von materiellem Wohlstand und der Abwendung von Armut dienen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Ich begrüße daher alle Maßnahmen, die der Wirtschaftsminister in seinen Einzelplan zur Energieeinsparung eingestellt hat. Allerdings muß ich Sie fragen, Herr Minister: War es denn unbedingt nötig, daß auch die deutschen Gasunternehmen mit bezuschußt werden, wenn sie Gasleitungen bauen? Müssen denn ausgerechnet jene Gesellschaften, deren Gewinne langsam in Zonen kommen, wo man so ein bißchen das Gefühl hat, das ist mehr als „satt", nun auch noch auf Kosten der Steuerzahler bezuschußt . werden?
    Eine zweite kritische Bemerkung sei mir zu dem Titel erlaubt, der zunächst einmal nur mit 54 Millionen DM für die nächsten drei Jahre ausgedruckt ist, der aber dennoch meiner Meinung nach Grundsätze privatwirtschaftlichen Handelns berührt bzw. außer Kraft setzt. Sie haben in der Begründung gesagt, wegen der großen Importabhängigkeit und zur Vermeidung von Versorgungsstörungen sollten weitere Mengen von fünf hochsensiblen Rohstoffen zur Herstellung von Edelstählen wie Chrom, Mangan, Vanadium usw. bei einigen wenigen Unternehmen zusätzlich bevorratet und vom Staat bezuschußt werden. Ist es denn wirklich staatliche Aufgabe, Herr Minister, ein absehbares Unternehmerrisiko, dessen Abwendung im ureigensten Interesse der betroffenen Unternehmen liegt, auf Staatskosten zu bezuschussen? Wo bleibt denn das so oft beschworene Unternehmerrisiko derjenigen, die immer mit Leib und Leben, mit ihrem Gut und allem dafür eintreten, wenn etwas schiefgeht? Woher wissen Sie, daß morgen die Liste der importsensiblen Güter nicht verlängert wird?

    (Glos [CDU/CSU]: Der Hintergrund ist noch viel schlimmer! Die wollen Südafrika aushungern!)

    — Nein, der Hintergrund ist nicht „noch viel schlimmer", wie Sie es meinen. Der Hintergrund ist nur viel schlimmer, wenn sie heute einmal die „Süddeutsche Zeitung" lesen.
    Wer bestimmt im Falle eines Falles darüber, Herr Minister, welche Betriebe diese zusätzlichen Mengen einsetzen dürfen, wer also darüber verfügen kann? Ich nehme an, daß Herr von Amerongen, der sich ja sonst so wacker als Ritter gegen Subventionen wendet, seine Stahlkocherkollegen auch dieses Mal zur Subventionsabstinenz aufgerufen hat.
    Ich hatte heute morgen einen Moment lang das Gefühl, ich befände mich auf dem richtigen Wege, als ich gelesen habe, daß sich die Frankfurter Metallgesellschaft diesem Beispiel verschließen wollte. Erst als ich beim letzten Absatz war, wußte ich, warum: Sie wollen nämlich noch mehr Geld als nur die 54 Millionen haben. Die wollen an die in Aussicht gestellten 600 Millionen heran. Da allerdings würde ich auch pokern und mich zunächst einmal „verschließen". Wenn es darum geht, aus 54 Millionen 600 Millionen zu machen, sollte man nicht gleich ja sagen. Wer weiß, was man noch alles herauskriegt, wenn man sich nur lange genug spröde zeigt?
    Hier sind ordnungspolitische Fragen sehr wohl angebracht, und ich meine, daß der Herr Minister, der ja manchmal auch als Hüter der Marktwirtschaft auftritt, dazu etwas sagen sollte.
    Sie haben übrigens erklärt, wenn ich mich richtig erinnere, Sie hätten diese Rohstoffe nicht gerne im Hofe Ihres Ministeriums. Damit bin ich einverstanden. Der Hof eignet sich dazu auch schlecht, weil er ein bißchen klein ist. Aber ich meine, wenn schon eine Rohstoffbevorratung auf staatliche Kosten, dann hätte ich es auch ganz gern unter staatlicher Mitsprache.
    Nun ein Wort zum Mittelstand. Zum jährlichen Haushaltsritual gehört es auch, darüber zu klagen, daß der Mittelstand nicht genügend Geld kriegt. Das wird vorgetragen, ohne daß sich jemand die Mühe macht und die quer und bunt verstreuten Titel im Einzelplan 09 durchguckt. In diesem Jahr haben wir nun zum erstenmal eine neue Titelgruppe. Wenn Sie einmal einen Bleistift und ein Stück Papier zur Hand nehmen und durchrechnen, kommen Sie auf die phantastische Summe von immerhin 700 Millionen DM — gleich einer 23 % igen Steigerung — für den Mittelstand. Man hätte ganz sicher hier und dort noch ein Milliönchen drauf tun können. Herr Glos, Sie wissen, daß ich mit einer bestimmten Sache auch einverstanden war, nämlich für das Handwerk.
    Nur, ich hatte vorher das Glück, auf einer Veranstaltung des Unternehmerverbandes in Schleswig-Holstein, dem sogenannten Unternehmertag, als mehr oder weniger gelungenes Alibi aufzutreten. Da habe ich mit dann von Herrn Schnitker, von Herrn Strauß, von Herrn Stoltenberg, vom Vorsitzenden des Unternehmerverbandes und allen anderen Leuten anhören müssen, daß sich insbesondere das Handwerk und die kleine, mittelständische Wirtschaft sozusagen im Würgegriff der Bürokratie und der Sozialdemokraten befänden. Man müsse alles tun, um aus diesem Würgegriff herauszukommen. Als Beweis wurde angeführt, daß die Subventionen jener schreckliche Würgegriff seien, mit denen man den Zugriff über die Wirtschaft habe. Das war so ein bißchen „Sozialismus auf kaltem Weg", und alle haben ganz frenetisch geklatscht.

    (Kolb [CDU/CSU]: Das ist auch so!)

    Nun bin ich ja lernfähig. Wenn man mir etwas so lange und so oft und so eindeutig erklärt, begreife ich, daß man aus dem Würgegriff herauskommen muß. Was ich allerdings nicht begreife, ist, daß man klammheimlich Briefe schreibt und sagt, wir hätten noch hier ein Milliönchen und dort Milliönchen und was weiß ich. Das heißt doch wohl, wir möchten gern noch ein bißchen mehr gewürgt werden.

    (Zuruf von der SPD)

    Dieses, meine Damen und Herren, nenne ich

    (Kolb [CDU/CSU]: Andere steuerliche Tatbestände schaffen!)

    Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1979 15227
    Frau Simonis
    — nein — Politmasochismus. Der mag zwar manchen Leuten Lustgewinn bereiten. Aber ich bin nicht bereit, das zu bezahlen.
    Deswegen meine ich: Man kann sich mit dem Handwerk durchaus unterhalten, ob sie noch eine Million DM kriegen sollen. Aber dann sollen sie sich bitte zu ihrem marktpolitischen Sündenfällen bekennen und das nicht immer den Sozialdemokraten als „kalten Sozialismus" in die Schuhe schieben. Dann kann man auch wieder vernünftig miteinander reden.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Glos [CDU/CSU]: Bei der Ausbildung der Jugendlichen!)

    — Wissen Sie, wenn man eh schon gewürgt wird, Herr Glos, und dann noch ein kleiner Griff dazu kommt — eine Million —, kann man daran erstikken. Das wollte ich den Leuten ersparen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Pfeffermann [CDU/CSU]: Was sind Sie doch für ein Witzbold!)

    — Ich bin fast so witzig wie Sie.