Ja, Herr Kollege Glos, ich habe mit sehr viel Interesse vernommen, daß Sie doch ein bißchen von Doppelstrategie verstehen, nämlich in einer Rede dies hier zu Protokoll zu geben, damit Sie zu Hause sagen können: Ich habe auch was gegen die Großen gesagt, aber wenn dann was gemacht wird, empört aufzuschreien, daß an der freien Marktwirtschaft die kleine Axt angelegt wird. Dies ist Doppelstrategie
15224 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1979
Frau Simonis
Das Parlament hat einstimmig — das gebe ich zu — durch seinen Beschluß, einen Heizölkostenzuschuß an die sozial Schwachen zu gewähren, auf diesem Gebiet gewisse Erleichterungen geschaffen. Dennoch trifft die Preispolitik der Ölkonzerne die kleinen Einkommensempfänger immer noch empfindlich hart.
Nebenbei darf ich Ihnen als Haushaltspolitiker mal sagen, dieser Zuschuß hat im Budget des kleinen Privatmannes lediglich den Charakter eines durchlaufenden Postens. Wir hätten genauso gut beschließen können, es direkt auf die Gewinnkonten der Ölkonzerne zu überweisen, falls diese es nicht als zu genierlich empfunden hätten, direkt von uns subventioniert zu werden;
sie scheinen es vorzuziehen, es über den Preis zu machen.
— Ja, natürlich habe ich zugestimmt. Soll ich denn weiterhin zuschauen, daß kleine Einkommensempfänger den Unsinn bezahlen, den multinationale Ölkonzerne machen und, wenn wir was dagegen unternehmen wollen, daß Sie dann hier als Marktpolitiker auftreten.
— Ich danke Ihnen, daß Sie mir einmal recht geben. Das spricht fast für Sie, daß Sie mir in diesem Punkt recht geben.
Eucken und seine Schule haben sicherlich an eine andere Wirtschaftsorganisation als an die, die wir heute vorfinden, gedacht. Er hat ganz gewiß auch nicht daran gedacht — das kann ich mir jedenfalls nicht vorstellen —, daß ein großes deutsches Energieunternehmen Nordseeöl — wie Sie bereits angedeutet haben — zu ungefähr 25 Dollar einkauft und es dann, wie es im Rundfunk geheißen hat, „nach international üblichen Ringtauschaktionen" auf dem deutschen Markt zu 35 Dollar verkauft
und dann auch noch erklärt, dieses — —
Ach wissen Sie, das waren nicht die öligen Hände des Ministers.
Das waren die öligen Hände der Konzernherren.
Sie müssen nicht immer die Falschen angreifen,
Herr Glos. Das macht Ihre Politik so wirkungslos,
weil Sie immer die Falschen hauen. Hauen Sie doch
einmal die Richtigen; dann könnte bei Ihnen vielleicht sogar mal was herauskommen.
— Ich rede ja nicht von Aral. Ich rede von einem ganz anderen Konzern. Sie müssen mal die Zeitung lesen. Wir haben im Moment einen anderen im Auge. Das wissen Sie genauso gut wie ich. Es ist eben nicht Aral.
— Ich will nun also von Ihren „öligen Händen" wieder zu meinem Manuskript zurückkommen, damit ich weiterreden kann.
— Mein Manuskript ist nicht ölig, nein. Ich finde, solche Preisprofite unanständig und hätte es auch richtig gefunden, wenn Sie das so gesagt hätten. Zum Teil geben Sie ja zu, daß es unanständig ist. Ich erwarte von den ordnungspolitischen Jüngern in der Opposition, daß sie mehr tun als nur den Herrn Glos hier nach vorne schicken
und auch mal sagen, was sie von solchen Aktionen halten.
— Ja, Herr Glos, die, die sonst — —
— Ach, sind Sie der Experte, ach so? Ich hoffe aber doch, daß später noch andere Redner von Ihnen kommen und daß die auf diesen Punkt eingehen werden und richtig sagen, daß das nach Marktgesichtspunkten nicht anständig war, was dort passiert ist, und daß das nicht nur Sie allein hier auszukämpfen haben. Aber ich erkenne an, daß Sie es gesagt haben.
Energiepolitik, die also einerseits alle gleichermaßen zum Sparen anregt und die gleichzeitig die heimischen Energieträger stärkt und unsere internationale Abhängigkeit abbauen will, muß konsequenterweise die Verstärkung der Kohlehilfen in der Bundesrepublik nach sich ziehen. Deswegen verstehe ich auch nicht, Herr Glos — und fast muß ich Ihren Todesmut bewundern, mit dem Sie hier nach vorn gehen —, daß Sie bejammern, daß die Regierung einen Betrag von 400 Millionen DM zur Verstärkung der Kohlehilfen des Landes Nordrhein-Westfalen mit in den Haushaltsplan eingestellt hat. Die nationale Versorgung mit heimischen Energieträgern, die nebenbei übrigens noch den positiven Effekt hat, daß wir von internationalen Rohstoffträgern und internationalen multinationalen Konzernen unabhängig werden, können Sie doch nicht allein unter haushaltstechnischen Gesichtspunkten abhandeln wollen. Das haben wir doch sonst auch nicht so gemacht, sondern das muß man politisch
Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1979 15225
Frau Simonis
entscheiden. Auch die Bayern, die so große Schwierigkeiten haben, dem „feindlichen Preußen" die eine oder andere Mark zur Verfügung zu stellen, werden am Ende dafür zu bezahlen haben, wenn wir nicht weiterhin Nordrhein-Westfalen unterstützen. Herr Pieroth hat erklärt, daß der Eschweiler Bergwerks-verein auch noch Geld bekäme, sei eine subventionspolitische Schande; so ähnlich hat er sich ausgedrückt. Ich muß Ihnen sagen: Ich finde es in Ordnung, daß da etwas gemacht wird, denn wir brauchen diese Kohle.
— Wir haben es zufällig einstimmig beschlossen.
Sie müßten vielleicht vorher mit Herrn Pieroth reden
— das werde ich Ihnen sowieso an einer anderen Stelle noch einmal empfehlen —, damit bei Ihnen die rechte Hand weiß, was die halbrechte meint oder will, damit nicht der eine Ausschuß mit uns einer Meinung ist und ein anderer Ausschuß uns dafür prügelt.
Herr Glos, Sie haben vorhin etwas zu den Bürg- schalten gesagt. Sie haben die Beispiele genannt, wo etwas in den Sand gebaut worden ist. Sie haben aber nie etwas gesagt, wenn Bürgschaften beantragt wurden, von denen sich die Antragsteller erhofft haben, daß es ihren Geschäften dienlich ist. Wären Sie doch dann einmal aufgestanden und hätten gesagt: Hier nicht und dort nicht, für dieses Geschäft und für jenes Geschäft nicht!
Ich hätte mit Ihnen gestimmt, vielleicht sogar gegen meine eigene Fraktion.
Aber sich hinterher hier hinzustellen, wenn irgendeine Sache schiefgegangen ist, und dann zu sagen „Dies habe ich auch gewußt!", dies ist ein bißchen zu' einfach, Herr Glos, um es hier als „haushaltspolitischer Experte für Wirtschaftsfragen" verkaufen zu dürfen.
— Herr Haussmann hat ja noch nicht gesprochen. Wie ich den Kollegen Haussmann aus den vorhergehenden Jahren kenne, wird er nicht viel Unvernünftiges sagen. Deswegen habe ich dazu nichts zu sagen. Ich muß mich mit Ihnen auseinandersetzen, nicht mit Herrn Haussmann.
— Nichts Unvernünftiges; Entschuldigung, Herr Haussmann.
Im übrigen, Herr Glos, bin ich heilfroh, daß jetzt auch im Protokoll des heutigen Tages steht, daß Sie der Meinung sind: Kernenergiekraftwerke dürfen gebaut werden, nachdem die Entsorgung gesichert ist. Sie müßten doch im Grunde genommen mit der Beschlußlage des Berliner SPD-Parteitags so glücklich sein wie kaum ein Mensch zuvor;
denn Sie bestätigen das, was dort mit Mehrheit von uns beschlossen wurde, nämlich daß auch wir nichts gegen Kernkraftwerke haben, nachdem die Entsorgung sicher ist. Wir sind ja nicht wirklichkeitsfremd.
Nur, Herr Glos: Vielleicht reden Sie einmal mit Ihrem Ministerpräsidenten, der ja erklärt hat, in seinem Land werde ein Zwischenlager auf keinen Fall eingerichtet. Der kokettiert nämlich gern ein bißchen mit den Grünen und sagt: Endlagerung? — Bei uns nicht; aber Kernenergie bei den anderen, das können die dann machen.
Wenn Sie uns in die Lage versetzen, daß wir überall dort, wo es CDU/CSU-Ministerpräsidenten gibt, keine Endlager anlegen dürfen, daß in denselben Ländern, in denen es CDU/CSU-Ministerpräsidenten gibt, auch keine Genehmigungen zum Bau von Kernkraftwerken mehr erteilt werden — was, um Gottes willen, sollen wir denn noch energiepolitisch machen? Sie zurren doch alles fest und laufen dann durch die Lande als die großen energiepolitischen Zampanos, und dies, obwohl Ihre Ministerpräsidenten vorher alles zugenagelt haben.
— Natürlich stimmt das. Lesen Sie es sich noch einmal durch.
— Wenn Sie sich wieder beruhigt haben, dann lassen Sie sich einmal von Herrn Albrecht einladen und besprechen das mit ihm ganz in Ruhe unter vier Augen. Er erklärt es Ihnen vielleicht, wie das faktisch läuft. Ich habe jedenfalls begriffen, was er vorhat:
Sie haben meiner Meinung nach ein bißchen zuwenig Wert auf die Tatsache gelegt, daß in diesem Haushaltsplan eine ganze Menge Mittel zur Verfügung stehen, um Energieeinsparungen vorzunehmen. Meine Fraktion ist der Meinung, daß angesichts der weltweiten Verknappung von Energie, die die Ärmsten der Armen in der Dritten und der Vierten Welt beinahe über den Rand des Existenzminimums hinaustreibt, es nicht möglich sein darf, 01 weiterhin in der Attitüde eines Großmanns, der ja alles bezahlen kann, zu verbrauchen, als ob dieses aus dem heimatlichen Küchenwasserhahn fließen könnte.
Wir können es uns bei uns auch unter ordnungspolitischen Gesichtspunkten nicht leisten, die Forderung nach Wohlstand und Freiheit für uns aufrechtzuerhalten, wenn für andere Länder damit die Freiheit verbunden ist zu verhungern. Marktwirt-
15226 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1979
Frau Simonis
Schaft ist keineswegs eine geschlossene Veranstaltung zur Verteidigung ökonomischer Privilegien, sondern sie muß in erster Linie der Aufgabe einer weltweiten Verteilung von materiellem Wohlstand und der Abwendung von Armut dienen.
Ich begrüße daher alle Maßnahmen, die der Wirtschaftsminister in seinen Einzelplan zur Energieeinsparung eingestellt hat. Allerdings muß ich Sie fragen, Herr Minister: War es denn unbedingt nötig, daß auch die deutschen Gasunternehmen mit bezuschußt werden, wenn sie Gasleitungen bauen? Müssen denn ausgerechnet jene Gesellschaften, deren Gewinne langsam in Zonen kommen, wo man so ein bißchen das Gefühl hat, das ist mehr als „satt", nun auch noch auf Kosten der Steuerzahler bezuschußt . werden?
Eine zweite kritische Bemerkung sei mir zu dem Titel erlaubt, der zunächst einmal nur mit 54 Millionen DM für die nächsten drei Jahre ausgedruckt ist, der aber dennoch meiner Meinung nach Grundsätze privatwirtschaftlichen Handelns berührt bzw. außer Kraft setzt. Sie haben in der Begründung gesagt, wegen der großen Importabhängigkeit und zur Vermeidung von Versorgungsstörungen sollten weitere Mengen von fünf hochsensiblen Rohstoffen zur Herstellung von Edelstählen wie Chrom, Mangan, Vanadium usw. bei einigen wenigen Unternehmen zusätzlich bevorratet und vom Staat bezuschußt werden. Ist es denn wirklich staatliche Aufgabe, Herr Minister, ein absehbares Unternehmerrisiko, dessen Abwendung im ureigensten Interesse der betroffenen Unternehmen liegt, auf Staatskosten zu bezuschussen? Wo bleibt denn das so oft beschworene Unternehmerrisiko derjenigen, die immer mit Leib und Leben, mit ihrem Gut und allem dafür eintreten, wenn etwas schiefgeht? Woher wissen Sie, daß morgen die Liste der importsensiblen Güter nicht verlängert wird?
— Nein, der Hintergrund ist nicht „noch viel schlimmer", wie Sie es meinen. Der Hintergrund ist nur viel schlimmer, wenn sie heute einmal die „Süddeutsche Zeitung" lesen.
Wer bestimmt im Falle eines Falles darüber, Herr Minister, welche Betriebe diese zusätzlichen Mengen einsetzen dürfen, wer also darüber verfügen kann? Ich nehme an, daß Herr von Amerongen, der sich ja sonst so wacker als Ritter gegen Subventionen wendet, seine Stahlkocherkollegen auch dieses Mal zur Subventionsabstinenz aufgerufen hat.
Ich hatte heute morgen einen Moment lang das Gefühl, ich befände mich auf dem richtigen Wege, als ich gelesen habe, daß sich die Frankfurter Metallgesellschaft diesem Beispiel verschließen wollte. Erst als ich beim letzten Absatz war, wußte ich, warum: Sie wollen nämlich noch mehr Geld als nur die 54 Millionen haben. Die wollen an die in Aussicht gestellten 600 Millionen heran. Da allerdings würde ich auch pokern und mich zunächst einmal „verschließen". Wenn es darum geht, aus 54 Millionen 600 Millionen zu machen, sollte man nicht gleich ja sagen. Wer weiß, was man noch alles herauskriegt, wenn man sich nur lange genug spröde zeigt?
Hier sind ordnungspolitische Fragen sehr wohl angebracht, und ich meine, daß der Herr Minister, der ja manchmal auch als Hüter der Marktwirtschaft auftritt, dazu etwas sagen sollte.
Sie haben übrigens erklärt, wenn ich mich richtig erinnere, Sie hätten diese Rohstoffe nicht gerne im Hofe Ihres Ministeriums. Damit bin ich einverstanden. Der Hof eignet sich dazu auch schlecht, weil er ein bißchen klein ist. Aber ich meine, wenn schon eine Rohstoffbevorratung auf staatliche Kosten, dann hätte ich es auch ganz gern unter staatlicher Mitsprache.
Nun ein Wort zum Mittelstand. Zum jährlichen Haushaltsritual gehört es auch, darüber zu klagen, daß der Mittelstand nicht genügend Geld kriegt. Das wird vorgetragen, ohne daß sich jemand die Mühe macht und die quer und bunt verstreuten Titel im Einzelplan 09 durchguckt. In diesem Jahr haben wir nun zum erstenmal eine neue Titelgruppe. Wenn Sie einmal einen Bleistift und ein Stück Papier zur Hand nehmen und durchrechnen, kommen Sie auf die phantastische Summe von immerhin 700 Millionen DM — gleich einer 23 % igen Steigerung — für den Mittelstand. Man hätte ganz sicher hier und dort noch ein Milliönchen drauf tun können. Herr Glos, Sie wissen, daß ich mit einer bestimmten Sache auch einverstanden war, nämlich für das Handwerk.
Nur, ich hatte vorher das Glück, auf einer Veranstaltung des Unternehmerverbandes in Schleswig-Holstein, dem sogenannten Unternehmertag, als mehr oder weniger gelungenes Alibi aufzutreten. Da habe ich mit dann von Herrn Schnitker, von Herrn Strauß, von Herrn Stoltenberg, vom Vorsitzenden des Unternehmerverbandes und allen anderen Leuten anhören müssen, daß sich insbesondere das Handwerk und die kleine, mittelständische Wirtschaft sozusagen im Würgegriff der Bürokratie und der Sozialdemokraten befänden. Man müsse alles tun, um aus diesem Würgegriff herauszukommen. Als Beweis wurde angeführt, daß die Subventionen jener schreckliche Würgegriff seien, mit denen man den Zugriff über die Wirtschaft habe. Das war so ein bißchen „Sozialismus auf kaltem Weg", und alle haben ganz frenetisch geklatscht.
Nun bin ich ja lernfähig. Wenn man mir etwas so lange und so oft und so eindeutig erklärt, begreife ich, daß man aus dem Würgegriff herauskommen muß. Was ich allerdings nicht begreife, ist, daß man klammheimlich Briefe schreibt und sagt, wir hätten noch hier ein Milliönchen und dort Milliönchen und was weiß ich. Das heißt doch wohl, wir möchten gern noch ein bißchen mehr gewürgt werden.
Dieses, meine Damen und Herren, nenne ich
Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1979 15227
Frau Simonis
— nein — Politmasochismus. Der mag zwar manchen Leuten Lustgewinn bereiten. Aber ich bin nicht bereit, das zu bezahlen.
Deswegen meine ich: Man kann sich mit dem Handwerk durchaus unterhalten, ob sie noch eine Million DM kriegen sollen. Aber dann sollen sie sich bitte zu ihrem marktpolitischen Sündenfällen bekennen und das nicht immer den Sozialdemokraten als „kalten Sozialismus" in die Schuhe schieben. Dann kann man auch wieder vernünftig miteinander reden.
— Wissen Sie, wenn man eh schon gewürgt wird, Herr Glos, und dann noch ein kleiner Griff dazu kommt — eine Million —, kann man daran erstikken. Das wollte ich den Leuten ersparen.
— Ich bin fast so witzig wie Sie.