Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich Berlinerin wäre, würde ich zur Rede von Herrn Glos sagen: Junge, Junge, det war en Klops! Und das wäre auch alles, was man dazu zu sagen hätte. Nur ist es nicht meine Aufgabe, auf Ihren etwas mißglückten Versuch einer wirtschaftspolitischen Rede Antwort zu geben, sondern zu dem uns vorgelegten Plan des Wirtschaftsministeriums Stellung zu nehmen. Insoweit kehre ich also zu dem zurück, was wir im Haushaltsausschuß beraten haben, und werde ich mich nur am Rande mit dem beschäftigen, was Sie hier vorzutragen versucht haben.
Sie haben zwar, Herr Glos — das gebe ich Ihnen zu —, einen gelungenen Versuch gemacht, Realität zu verfremden. Ich habe mich an einigen Stellen verzweifelt gefragt, von welchem Entwurf Sie ausgehen. Aber ich bin zu dem Ergebnis gekommen, daß ein paar Titel, die Sie genannt haben, auch in dem Entwurf, der uns vorliegt, vorkommen, so daß ich annehme — —
Ihr seid alle ein bißchen laut. Das macht es so problematisch, zu reden.
— Ich gebe also zu, Sie müssen offensichtlich den Entwurf gehabt haben, den ich kenne. Deswegen werden wir uns jetzt einmal damit beschäftigen.
Ich glaube, Sie sind auf drei Punkte nicht ganz so eingegangen, wie es der Entwurf eigentlich verdient hätte, und die in den Augen meiner Fraktion für die weitere ausgewogene Entwicklung unserer Wirtschaft bzw. für die Lösung auch internationaler Probleme von größter Bedeutung sind.
Erstens handelt es sich um die Sicherung der Rohstoffversorgung, insbesondere um die Sicherung der Energieversorgung, und ganz besonders auch um den Schwerpunkt der Energieeinsparung. Sie haben dazu allerdings einige Worte gesagt.
Zweitens handelt es sich um Maßnahmen zur Mittelstandsförderung und zur Stärkung der Wettbewerbspolitik.
Drittens handelt es sich um Maßnahmen zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur. Ich gehe noch einmal darauf ein, weil Sie wieder einmal
— vielleicht schon zum zweiten- oder drittenmal — einer Ente Ihres bayerischen und auch sonstiger CDU-Ministerpräsidenten aufgesessen sind.
Niemand wird grundsätzlich bestreiten, daß diese drei Aufgaben von großer wirtschaftspolitischer Be-
Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1979 15223
Frau Simonis
deutung sind. Es geht doch nur darum, wie und in welchem Maße der Staat Einfluß nehmen soll, um das zu erreichen, was wir alle gemeinsam wollen. Für mich heißt das aber auch insbesondere Fragen danach zu stellen, welche Auswirkungen in regionaler, sektoraler und einkommensmäßiger Hinsicht in Zukunft zu erwarten sind.
Bei Ihnen in der Opposition heißt das dann immer so wirtschaftsphilosophisch die „Wahrung des ordnungspolitischen Rahmens". Ich gestehe Ihnen ehrlich: Darunter kann sich niemand etwas Vernünftiges vorstellen. Eine schöne politische Rundumkeule ist dieser Begriff aber allemal, weil ihn nämlich niemand versteht und jeder das Gefühl hat, es handle sich um „ordnungsgemäßes" wirtschaftliches Handeln, wenn man Subventionen nur als im Einklang mit der Ordnungspolitik des Marktes erklärt. Ich glaube, daß dies alleine nicht ausreicht, um Finanzierungsmaßnahmen der Regierung zu beurteilen.
Ich möchte nämlich gerne wissen, was damit gemacht wird, wer in welchem Maße davon profitiert und welche einkommenspolitischen Maßnahmen davon zu erwarten sind bzw. was der Steuerzahler zu bezahlen hat, weil ich nämlich nicht mehr viel Lust habe, mich als SPD-Haushälter hier im Plenum und draußen in den Zeitungen beschimpfen zu lassen, wir könnten nicht mit Geld umgehen. Wenn man aber als Haushälter wagt, irgendeine Forderung abzulehnen, dann stehen plötzlich lauter nette Menschen auf der Matte und erklären, daß sie überhaupt keine ordnungspolitischen Magenschmerzen mehr hätten, sondern daß wir eine bestimmte Summe ganz schnell und ganz geräuschlos und möglichst in dem Rahmen, den sie sich vorgestellt hätten — ohne irgendwelche Seelenschmerzen, die sie sonst immer haben, wenn sie von der Gefährdung der Marktwirtschaft reden —, zur Verfügung zu stellen hätten, die sie brauchten und die sie uns vorgerechnet hätten.
Das ist nämlich Ordnungspolitik, Herr Glos, wenn man hingeht und einmal nein sagt, anstatt in große Krokodilstränen auszubrechen, wie Sie das hier beim Mittelstand und beim Handwerk gemacht haben. Ich weiß, Sie müssen weinen, weil Sie Handwerker und mittelständischer Gewerbetreibender sind. Aber es war nicht nötig; ich werde Ihnen nachher auch erklären, warum es nicht nötig war.
— Es war hervorragend, was er gesagt hat, das stimmt. Er hat auch schön geweint, aber das war nicht nötig.
Es gehört heute beinahe schon zum guten Ton und zu den Pflichtübungen eines jeden Politikers — auch Herr Glos hat das gemacht —, von der Bedrohung der Energieversorgung zu sprechen. Dann wird übereinstimmend gefordert, daß die Regulierung des Verbrauchs dieses knappen Rohstoffes über den Preis zu erfolgen hätte. Ordnungspolitiker jubeln, denn dies ist ja systemkonform. Über die verteilungspolitisch negativen Wirkungen einer solchen Art von Energieeinsparung höre ich hier im Plenum eigentlich nur immer etwas in Fragestunden, nämlich dann, wenn der eine oder andere Abgeordnete aus der Regierungsfraktion aufsteht und die Regierung fragt, ob man denn das auch bedacht habe. Wenigstens dann heißt es: Doch, doch, wir bedenken das, und wir werden auch etwas dagegen tun.
Die veröffentlichten Zahlen über die geradezu phantastischen Gewinne der multinationalen Ölkonzerne, die sie 1979 einstreichen werden — und die selbst die nicht einmal zimperlichen OPEC-Staaten zum lauten Nachdenken über weitere Preiserhöhungen angeregt haben — sind auf der einen Seite nicht nur das Ergebnis unkontrollierten Monopolverhaltens, was weiß Gott nicht marktkonform ist, sie sind auf der anderen Seite auch verteilungspolitisch fatal, weil sie in besonders hartem Maße von kleinen und mittleren Einkommensempfängern
und selbstverständlich auch von kleinen und mittleren Gewerbetreibenden getragen werden müssen. Keiner Ihrer sonst so munteren und tapferen Gralshüter ordnungspolitischer Marktpolitik ist hier aufgestanden und hat irgend etwas gegen diese Gewinne gesagt. Es bleibt sozialdemokratischen Politikern vorbehalten, auch dieses in Fragestunden anzusprechen Die Opposition begnügt sich dann mit Zwischenrufen wie „unverschämt" und „da muß man doch mal darauf hinweisen, daß die Regierung keine Möglichkeit hat".
— Ja, man sollte immer was tun, Herr Haase. Das sagen Sie hier, man muß was tun. Aber wenn die Regierung was tut, dann schreien Sie, daß die Marktwirtschaft gefährdet sei.