Rede von
Michael
Glos
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Ich bin sicher, Herr Kollege Haase, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister darauf anschließend eine Antwort geben wird. Hoffentlich spricht er nicht so über den Spotmarkt, daß er hinterher nur Hohn und Spott erntet.
Energiesparen ist, besonders bei knapper werdendem Cl, nicht nur sinnvoll, sondern lebensnotwendig. Voraussetzung dafür ist, daß die Bevölkerung .über alle einschlägigen Möglichkeiten Bescheid weiß. Dafür ist allein in diesem Haushalt ein Betrag in Höhe von 41,5 Millionen DM vorgesehen.
Es wäre allerdings noch viel sinnvoller, wenn die öffentliche Hand, von den Ministern bis zu den kleinen Behörden vor Ort, ein Beispiel gäbe. Auf Seite 8 der „Spartips" des Ministers heißt es: Energiesparen kann beim Kauf eines Autos beginnen. Richtig! Unsere Industrie bemüht sich mit Erfolg darum, benzinsparende Autos zu entwickeln und zu bauen. Viele Käufer haben den Zug der Zeit auch erkannt und bevorzugen kleinere, energiesparendere Autos. Nicht so die Bundesregierung. Man höre und staune: Während man dem Volk Sparen verordnet, wird gleichzeitig die PS-Klasse für Dienstwagen der Staatssekretäre der Bundesregierung von 150 auf 170 PS erhöht,
sicher auch mit Ihrer Zustimmung, Herr Bundeswirtschaftsminister. Wo war denn hier Ihr mahnendes Wort? Der so oft zitierte mündige Bürger, dem man von Amts wegen Sparen verordnet, kann hier ein Schulbeispiel von Theorie und Praxis einer pseudoliberalen Energieeinsparungspolitik erleben.
Unsere Autofahrer sind besser als ihr Ruf. So liegt der Benzinverbrauch trotz eines um 6,2 % erhöhten Kraftfahrzeugbestandes nur um 1,4 % über dem Vorjahresniveau. Auf die Zahl der Autos bezogen, ergibt sich eine Einsparung von 4,8 %, und dies ohne dirigistische Maßnahmen oder Geschwindigkeitsbegrenzungen auf Autobahnen. Diese Zahlen stärken sicher dem Wirtschaftsminister gegenüber seinem Kollegen Hauff, der mit Verboten arbeiten will, den Rücken. Der deutschen Automobilindustrie, von der nach wie vor jeder siebte Arbeitsplatz in unserem Lande abhängt und die ohnedies für die kommenden Jahre einen Produktionsrückgang befürchten muß, sind weitere Verunsicherungen ihrer Kunden wenig hilfreich.
Prognosen sagen uns eine weitere kräftige Steigerung der Ölpreise voraus. Der VEBA-Chef spricht in einem Interview sogar davon, in den nächsten Jahren sei mit einer zwei- bis dreifachen Energiepreiserhöhung zu rechnen. Der EG-Kommissar Brunner prophezeit, bereits im April würde ein Liter Benzin 1,25 DM kosten.
Es ist sicher sehr schwierig, zu diesen Zahlen Stellung zu nehmen. Es gibt auch optimistische Schätzungen, die für das kommende Jahr eine Entspannung am Ölmarkt erwarten. Es ist jedoch sicher, daß die Preisentwicklung von politischen Risiken bestimmt wird, die sich weitgehend unserer Einflußnahme entziehen. Eine unserer Hauptwaffen gegen das Preisdiktat der OPEC-Staaten ist das Energiesparen. In dieser Situation aber eine Sondersteuer auf Mineralölprodukte einzuführen, wie der Sachverständigenrat es gefordert hat, hieße geradezu die Ölförderländer zu weiteren Preiserhöhungen animieren.
Deswegen lehnen wir eine solche Sondersteuer auch mit Nachdruck ab.
Die unsichere politische Lage im Iran, in der unsere Sympathie und unsere Anteilnahme den inhaftierten Geiseln und der Haltung Amerikas gelten,
die unsichere Lage im Nahen Osten insgesamt und
auch der herannahende Winter zwingen zu der Fra-
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ge, wie unsere Ölversorgung aussähe, wenn es zu einem Stopp der Lieferungen aus diesen Gebieten käme.
Der Herr Finanzminister hat sich vorhin hier so gebrüstet, wie gut die Ölbevorratung geregelt sei und wie gut das Geld dort angelegt sei. Deswegen bin ich gezwungen, darauf etwas detaillierter einzugehen. Die Ölbevorratung, die 1970 beschlossen worden ist, sah ein Bevorratungsziel von 10 Millionen Tonnen vor. Als Gesamtkosten waren damals 750 Millionen D-Mark veranschlagt, und zwar 420 Millionen DM für den Kavernenbau, 330 Millionen DM für den Erwerb von Rohöl, was damals einer Menge von 10 Millionen Tonnen entsprochen hat. Vom Haushaltsansatz 1971 bis zum Haushalt 1980 sind die veranschlagten Gesamtkosten auf 2,7 Mrd. DM gestiegen. Bis jetzt sind allerdings leider nur 6 Millionen Tonnen eingelagert.
Das Bevorratungsziel ist also bei weitem nicht erreicht. Der Rohölkauf sollte ursprünglich in den Jahren 1974 und 1975 erfolgen.
Nach den damaligen Preisen hätten die 10 Millionen Tonnen Rohöl 1,2 Mrd. DM gekostet. Wenn die Bundesregierung pflichtgemäß die im Jahre 1979 vom Parlament zur Verfügung gestellten Mittel in Höhe von 570 Millionen DM zum Rohölerwerb genutzt hätte, dann hätte sie zirka 3 Millionen Tonnen am Anfang des Jahres 1979 kaufen können; denn die Tonne Rohöl hat damals nur zirka 200 DM frei Grenze gekostet.
Dies ist versäumt worden, unsere Versorgungssicherheit ist vernachlässigt worden. Von dem im Haushalt 1979 zur Verfügung gestellten Betrag ist nichts abgeflossen, keine Mark ausgegeben worden. Ím Gegenteil ist dieser Titel statt dessen immer wieder als willkommene stille Reserve betrachtet worden, aus der man Nachtragshaushalte beliebig finanzieren konnte.
Im Verlauf des Jahres wurde ein Ölerwerb auf dem Spot-Markt auch schwieriger, so daß das Wirtschaftsministerium auf den Ölkauf überhaupt verzichtete, obwohl Rohöl — da gebe ich Herrn Bundesminister Matthöfer recht — die beste Geldanlage überhaupt gewesen wäre.
Außer bei Gold ist der Preis bei keinem Produkt in letzter Zeit vergleichbar gestiegen. Wenn wir das Vorratsziel von zehn Millionen Tonnen überhaupt noch erreichen wollen und im Jahre 1979 nichts gekauft worden ist, so wäre es die logische Folgerung gewesen, die Finanzmittel im Haushalt 1980 dafür entsprechend zu erhöhen. Es ist nichts dergleichen geschehen; es ist lediglich eine Summe von 254 Millionen DM in diesen Haushalt 1980 eingesetzt worden. Dieser Betrag reicht nach heutigem Preisstand maximal zum Erwerb von 0,8 Millionen Tonnen, so daß das dringend notwendige Bevorratungsziel von 10 Millionen Tonnen, für die auch Lagerraum vorhanden ist, in weite Ferne gerückt ist.
Ich halte das für eine sträfliche, unverantwortliche Vernachlässigung unserer vitalen Lebensinteressen.
Wir müssen es ablehnen, dafür Mitverantwortung zu übernehmen.
Herr Minister, wir erwarten, daß die Bevorratungsverpflichtung baldmöglichst erfüllt wird. Ein Verschieben auf den Sankt-Nimmerleins-Tag ist unzumutbar. Unsere Erpreßbarkeit ist um so größer, je weniger wir eingelagert haben.
Vor dem Hintergrund der Entwicklung auf dem Energiemarkt stellt sich natürlich auch die Frage, wie es mit Konjunktur und Wachstum der deutschen Wirtschaft 1980 weitergehen wird. Die Prognosen sind äußerst widersprüchlich. Nicht wenige erwarten angesichts der Ölpreisexplosion in der Bundesrepublik Deutschland eine spürbare Konjunkturabschwächung. Das Ifo-Institut hält die Verringerung des Wirtschaftswachstums auf 2 bis 2,5 für möglich. Die Prognose des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel liegt sogar noch unter diesem Wert. Der Deutsche Industrie- und Handelstag sieht demgegenüber durchaus Chancen, daß sich der derzeitige Konjunkturaufschwung auch 1980 fortsetzen wird, vielleicht in geringerem Tempo. Diese deutlich auseinanderklaffenden Erwartungen beruhen offensichtlich auf einer unterschiedlichen Bewertung der zweifelsohne vorhandenen Konjunktur- und Wachstumsrisiken. Deren tatsächliche Auswirkung auf den Wirtschaftsverlauf des kommenden Jahres kann heute sicher niemand mit ausreichender Genauigkeit abschätzen.
Generell müssen die Bemühungen zur Verstetigung des derzeitigen Konjunkturaufschwungs darauf konzentriert werden, daß die von außen kommenden Inflationsimpulse nicht zum Verstärker für binnenwirtschaftlich verursachte Preissteigerungstendenzen werden. Zu diesen Preissteigerungstendenzen hat nicht zuletzt die erneute Mehrwertsteuererhöhung zum 1. Juli dieses Jahres beigetragen.
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Der Zeitpunkt dieser Erhöhung war falsch. Das beweist die Entwicklung an der Preisfront.
Wir alle wissen nur zu gut: Inflation ist Gift für Konjunktur und Wachstum und führt über kurz oder lang auch zur Beschäftigungslosigkeit. Die Preissteigerungsrate von 5,7 % birgt große Gefahren in sich. Über die Preisentwicklung des Jahres 1980 entscheidet gerade auch das maßvolle und verantwortungsbewußte Verhalten aller für die binnenwirtschaftliche Preis- und Kostengestaltung verantwortlichen Gruppen unserer Gesellschaft. Mit einer Lohnerhöhung, die auf die Arbeitnehmer wieder zurückschlägt, ist niemandem gedient. Den Betrieben würden nur zusätzliche Kosten aufgelastet, welche die Wettbewerbsfähigkeit und damit die Arbeitsplätze gefährden könnten.
Zugegeben, Herr Minister: Viele, die ihr Augenmerk nur auf kurzfristige Erfolge lenken dazu rechne ich auch manche Spitzen der deutschen Industrie —, sind über Ihre Politik nicht unglücklich. Der „Spiegel" schreibt am 29. Oktober, Sie seien der oberste Sales-Promoter der deutschen Industrie. Er schreibt weiter: „Im Ausland arbeitet der Wirtschaftsminister vornehmlich als Industrie-Lobbyist. Das ist sicher eine notwendige Aufgabe — wir begrüßen und unterstützen diese Aufgabe —, aber sicher kommt diese Aufgabe auch der Spendenkasse Ihrer Partei zugute.
Wir erkennen Ihr Bemühen um Verkaufsförderung selbstverständlich an, weil wir wissen, daß jeder vierte Arbeitsplatz vom Export abhängt. Wir nehmen mit Genugtuung zur Kenntnis, Herr Bundesminister, daß Sie den Freihandel international hochhalten und auch innerhalb Ihrer Koalitionsreihen einen schwierigen Kampf — wir wissen ja, mit welchem Partner Sie sich schlagen müssen — für die konsequente Verwirklichung der Marktwirtschaft kämpfen. Sie haben die Pläne des Herrn Ehrenberg dankenswerterweise zurückgewiesen, als es um die drastische Begrenzung der Überstunden im Rahmen einer Novellierung der Arbeitszeitordnung ging. Wir kennen Ihren klaren Widerstand gegen die Absicht, die Bemessung der Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung von der Lohnsumme abzukoppeln und eine „Maschinensteuer" einzuführen. Wir wissen auch, daß Sie immer wieder geprügelt werden, wenn Sie marktkonforme Sozialpolitik fordern. Wir nehmen Sie auch in Schutz, wenn der stellvertretende Obmann der Arbeitsgruppe Arbeit und Soziales der SPD-Bundestagsfraktion Sie mit den Worten zu verleumden sucht: Der Minister identifiziert sich so nahezu ausschließlich mit den Interessen des Kapitals in unserem Land, daß man nur die Themen kennen muß, mit denen sich Graf Lambsdorff befassen will, um Wetten über den Inhalt einer Ministerkundgebung abzuschließen.
Sie werden bei solchen Fragen, bei denen wir Sie in Schutz nehmen, immer unsere Unterstützung finden.
Aber bitte, Herr Minister, suchen Sie sich einen anderen Weg, um den Sozialisten in der SPD zu gefallen und dadurch Ihr politisches Überleben zu sichern, als Ihre immer wiederkehrenden blindwütigen Attacken gegen den bayerischen Ministerpräsidenten!
Aussagen wie: „Ein Kanzler Strauß muß alle erschrecken, die jene Freiheiten ausbauen und wahren wollen, die wir tins seit der Gründung der Bundesrepublik geschaffen haben" sind unter Ihrem Niveau und eines seriösen Politikers unwürdig.