Rede von
Heinz
Westphal
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Ich will hier wenigstens in bezug auf die Frage, wie es mit den Zinsen und unserer Einordnung in der Welt steht, die Tassen im Schrank gegenüber der Opposition ein wenig zurechtrücken. Wie steht es mit dem Zinsanteil an den Ausgaben des öffentlichen Haushalts? Wie steht die Bundesrepublik im internationalen Vergleich da?
Wir liegen mit 5 % Zinsanteil am Bundeshaushalt ähnlich wie die Schweiz im unteren Drittel der Industriestaaten und dabei spürbar niedriger als Japan mit 7,8 %,
Italien mit 7,2 %, Belgien mit 7,9 %, England mit 11,4 %, USA mit 14,2 %.
Es wird doch wohl niemand so vermessen sein, den Japanern oder unserem stärksten westlichen Partner, den USA, vorwerfen zu wollen, die verspielten die Zukunft ihrer Kinder. Das ist doch immer Ihr Vorwurf, wenn Sie unsere wesentlich niedrigere Rate hier zum Thema machen. Wir nehmen das Problem schon ernst genug. Aber wir machen daraus nicht einen Spielball der Kritik dieser Art, wie Sie sie angesetzt haben.
Was aber würde für unsere Staatsfinanzen herauskommen, wenn die Opposition das Sagen hätte, wenn die Herren Späth und Häfele und Strauß und Kreile und der Wirtschaftsrat der Union und die CDU-Mittelstandsvereinigung .
Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1979 15211
Westphal
ihre Pläne, die sie allein im jetzt abgelaufenen Jahr vorgetragen haben, verwirklichen müßten — „müßten", sage ich; denn dazu, daß sie das dürften, kann es ja wohl nicht kommen —? Wir haben das alles sorgfältig nachgerechnet. Dabei kommen unglaubliche Zahlen heraus. Im Bundestag und im Bundesrat hat die CDU/CSU Gesetzesanträge zur Steuersenkung eingebracht, die 13,2 Milliarden DM Steuermindereinnahmen bedeuten würden. Ich nehme an, die 16 Milliarden von heute kommen dazu.
— Na gut, das werden wir prüfen. Jedenfalls ist es jetzt schon wieder mehr, als ich in mein Manuskript gestern nacht geschrieben habe. Und wenn wir das hinzunähmen, was die anderen fordern, die ich genannt habe und die Herr Carstens — er war es, wie ich glaube — heute morgen ein „Sammelsurium" von CDU-Leuten oder CDU-Institutionen genannt hat,
dann kämen 77,35 Milliarden allein im Steuerbereich hinzu.
In vorliegenden Gesetzentwürfen werden zusätzliche Ausgaben gefordert. Da sind Sie mit einer Milliarde DM mit dabei. Heute fordern Sie noch einmal 600 Millionen DM, wenn ich das richtig sehe. Darüber hinaus haben Politiker der Opposition Ausgabensteigerungswünsche in einer Größenordnung von über 33 Milliarden DM öffentlich angemeldet. Man traut sich fast nicht, das zusammenzurechnen, denn es kämen Zahlen heraus, die mehr als die Hälfte des ganzen Bundeshaushalts ausmachen würden. Selbst wenn man diese Forderungen auf zehn Jahre verteilt, wären sie nach wie vor auch dann unfinanzierbar. Wie kümmerlich wirken dagegen die Anträge der Opposition im Haushaltsausschuß, mit denen Sie uns in unserem Bemühen um Sparsamkeit verbal übertreffen wollten.
Meine Damen und Herren von der Opposition, darf ich Sie daran erinnern, daß Sie Steuersenkungen für 1980 wollten, nicht durch zusätzliche Verschuldung, sondern durch Einsparungen? Rechnen Sie das, was Sie im Haushaltsausschuß über die von uns gemachten Vorschläge hinaus zusätzlich fordern, einmal gegen die Pläne, die nun vorliegen, oder gegen das auf, was Sie für das Jahr 1980 bisher gefordert haben. Ihre ganze Linie, eine Steuerentlastung in einer solchen Größenordnung und Senkung — —
— Was die Familie betrifft, so lassen Sie mich rasch eine Zwischenbemerkung machen.
— Gut. Ich habe in Erinnerung, was' im Haushaltsausschuß geschehen ist, Ihr Verhalten dort, das Rauf
und Runter und auch das, was Sie mit der globalen Minderausgabe und sonstigem machen wollten. Aber jetzt haben Sie sich hier auf diese 600 Millionen DM konzentriert.
Ich will Ihnen auch zu dieser Frage sagen: Wir realisieren im Haushalt 1980 für ein volles Jahr die Erhöhung des Kindergeldes, das wir für das zweite Kind ab 1. Juli 1979 um 20 DM gesteigert haben; das ist jetzt gerade fünf Monate her.
Wir realisieren in diesem Jahr die Vollfinanzierung des Mutterschaftsurlaubs erstmalig für ein ganzes Jahr. Wir haben ab 1. Januar 1980 das Unterhaltsvorschußkassengesetz, das zu diesem Zeitpunkt in Kraft tritt und das durch diesen Haushalt finanziert wird. Es ist auch eine Verbesserung der Renten für die Contergan-Kinder vorgesehen. Ich habe nur vier oder fünf Positionen genannt, aber das ist die Familienpolitik, die wir jetzt für das Jahr 1980 vollziehen.
1981 kommen wir mit einer beachtlichen familienpolitischen Komponente. Darüber reden wir Anfang des nächsten Jahres.
Ich kann mir das jetzt ersparen; andere tun das draußen, wir tun das hier, aber erst ab Anfang nächsten Jahres. Jetzt reden wir über diesen Haushalt. Darin ist Beachtliches für die Familie. Da wird nicht aus dem Hut gezaubert und nicht mit unsicheren Formen der Finanzierung und Deckungsvorschlägen gearbeitet, wie Sie das hier gemacht haben.
Meine Damen und Herren, wir haben dem Bürger offen gesagt: 1980 wird sein Steuergeld in seinem eigenen Interesse zum beschleunigten Abbau der Neuverschuldung verwendet. Eine Verminderung begründeter Leistungen, insbesondere sozialer Leistungen, findet nicht statt. Im Gegenteil, der schrittweise Ausbau des Sozialstaats geht weiter, wenn auch in kleinen Schritten.
Steuerentlastungen — das ergibt sich aus der Logik und aus unserem progressiven Steuersystem — sind von Zeit zu Zeit erforderlich. Die letzte haben wir gerade Anfang dieses Jahres vorgenommen; die nächste folgt 1981. Wir machen das mit seriösen, klaren Schritten und bereiten das auch ordentlich vor, aber wir springen doch nicht von einem Tag in den anderen hinein, so wie Sie es uns hier vorzuführen versuchen. Das ist mit kräftigen familienpolitischen Leistungen verbunden.
Ganz gegen unsere sonstigen Verhaltensweisen richten wir uns in dieser Frage nach Herrn Strauß, allerdings aus der Zeit, als er Finanzminister dieser Republik gewesen ist. Er wandte sich laut „Stuttgarter Zeitung" vom 15. Januar 1968 entschieden gegen
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den Abbau steuerlicher Belastungen zur falschen Zeit
und auch gegen die Wünsche aus Wirtschaftskreisen. Er meinte, alle durch Steuersenkungen entstehenden Löcher müßten ansonsten zusätzlich auf dem Kreditwege gestopft werden. Dies damals schon bei einer Neuverschuldung von 11 Milliarden DM. Er hat das zu Recht abgelehnt. Irgendwie müssen diesem Mann mit geänderter Funktion die früheren Einsichten abhanden gekommen sein — uns aber nicht; wir machen keine unseriösen Sachen.
Wir beschließen den Haushalt und wissen uns in unserer Linie einig nicht nur mit der Bundesbank, nicht nur mit den meisten wirtschaftswissenschaftlichen Instituten, sondern auch mit den Gewerkschaften und mit den Bürgern draußen.
Meine Damen und Herren, die letzte Bemerkung; sie kostet eine Minute. Die Fraktionen haben sich gemeinsam entschlossen, zusammen mit der Regierung eine Zusage einzulösen, deren Ergebnis sein wird, daß Mittel für eine abschließende Leistung zur Abgeltung von Härten in Einzelfällen an die jüdischen Gemeinden und an den jüdischen Weltrat über den Zentralrat der Juden in Deutschland zur Verfügung stehen werden. Der Herr Finanzminister hat dazu vorhin sein Wort gesagt. Ich möchte hier sagen: ich halte einen Beschluß darüber in der zweiten Lesung des Haushalts für notwendig.