Wissen Sie, Herr Kollege Friedmann, der Kollege Spöri ist mir als ein durchaus intelligenter und informierter Kollege bekannt; deswégen braucht ihm das nicht verdeutlicht zu werden. Ich fürchte nur, daß er hier im Grunde gegen besseres Wissen so niveaulos argumentiert hat.
Meine verehrten Damen und Herren, ich möchte gern wenige Sätze zu einer Diskussion sagen, die uns auf dem Felde der Steuerpolitik offenbar auch in Zukunft beschäftigen wird. Herr Bundesfinanzminister, wenn ich die Überlegungen, die aus Ihrem Hause zu diesem Thema nach außen dringen und die Sie selber in den — von Ihnen jetzt plötzlich so kritisierten — Pressekonferenzen dauernd verkünden, betrachte, so ergibt sich, daß Sie" daran denken, die Korrektur beim Lohn- und Einkommensteuertarif durch eine Verlängerung der Proportionalzone vorzunehmen. Meine Damen und Herren, wenn Sie dies tun, werden Sie die eigentlich drängende Problematik unseres Steuersystems weiter verschärfen. Denn das, wogegen wir angehen müs-
15208 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1979
Dr. Schäuble
sen, ist die Verschärfung der Steuerprogression gerade auch als Folge der heimlichen Steuererhöhungen. Durch eine Ausdehnung der Proportionalzone werden Sie im Ergebnis — und so sind offenbar Ihre Überlegungen — zu einer weiteren Verschärfung der Steuerprogression gerade im mittleren Bereich, gerade bei den Facharbeitern, gerade bei den Arbeitnehmerehepaaren, bei denen Mann und Frau gemeinsam verdienen, kommen. Damit werden Sie erreichen, daß künftige Lohn- und Einkommenszuwächse einem weiter verschärften Zugriff der Steuerprogression ausgesetzt sind. Sie werden damit eine weitere Behinderung der Leistungsbereitschaft und der Investitions- und Risikobereitschaft in unserem Volke verursachen. Dies ist der falsche Weg, und ich glaube, bei der Beratung Ihres Einzelplans muß darauf hingewiesen werden, daß Sie diesen Weg nicht weitergehen sollten
und daß Sie auch aus diesem Grunde die Zustimmung der Opposition zu Ihrem Etat nicht finden können.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich einen letzten Gesichtspunkt noch in aller Kürze ansprechen. Wir haben darüber oft diskutiert, aber nachdem Sie jetzt — und da muß man ja sehr genau zuhören — die Diskussion über das Ehegattensplitting offenbar neu eröffnen wollen, will ich Ihnen doch noch einmal folgendes sagen. Es ist eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, daß Sie die höheren Belastungen von Familien mit Kindern bei der Ermittlung der steuerlichen Leistungsfähigkeit nicht berücksichtigen wollen, daß Sie also sagen: Kinder sind kein steuerlich zu berücksichtigender Tatbestand.
Dies ist eine himmelschreiende Ungerechtigkeit!
Herr Bundesfinanzminister, wenn Sie das Wort „Steuergerechtigkeit" noch einmal mit halbwegs gutem Gewissen in den Mund nehmen wollen, müssen Sie sich einmal ernsthaft überlegen, ob es wirklich angehen kann, daß eine Familie mit drei Kindern bei gleichem Einkommen genauso viel Lohn- und Einkommensteuer zu zahlen hat wie das Ehepaar ohne Kinder. Dies ist eine Ungerechtigkeit; dies verstößt gegen das System der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit.
Deswegen, Herr Bundesfinanzminister, werden Sie von der Opposition nicht in Ruhe gelassen werden. Wir werden auf diesem Punkt bestehen. Und Sie werden auch die Zustimmung der Opposition zu Ihrem Haushalt nicht bekommen, solange Sie in diesem Punkt
nicht auf den richtigen Weg der Erkenntnis zurückkehren.