Ich werde mich aber dennoch nicht vor der Beantwortung der Frage des Kollegen Althammer drücken. Da gibt es ja so viele literarische Erzeugnisse, die in dieser Ecke der Republik entstanden sind, daß ich mindestens annehmen kann, daß Sie und alle diejenigen, die diese Exemplare gelesen haben, das wissen. Von daher sind wir uns, glaube ich, darüber einig, wie diese Frage zu beantworten ist.
Die schwierige Debattenlage für die Union zu dem diesjährigen Haushalt ist mir im Grunde auch verständlich; denn der Haushalt 1980, der jetzt hier vorliegt, ist in seiner Struktur gegenüber dem Entwurf, wie er hier eingebracht worden ist, auch ansehnlicher geworden, und er ist auch ein politischer Haushalt mit nicht zu übersehenden politischen Schwerpunkten. Es ist ein Haushalt, der trotz alles Kritischen, was man zur Finanzpolitik dieser Koalition sagen kann, eindeutig Konsolidierungstendenzen aufweist.
Wer behauptet, dies alles sei in Sachen Konsolidierung nur ein Scheingefecht, hat diesen Haushalt nicht gelesen, hat ihn im Zweifel auf jeden Fall nicht verstanden.
Wir können uns weiter darüber streiten, Herr Kollege Friedmann, ob wir in der nächsten Zeit in der Konsolidierungsfrage noch ernsthafter, noch weiter vorgehen müssen. Wir sehen das so. Wir haben das auch in den letzten Haushaltsberatungen klargemacht. Ich muß auch sagen, wir sind unseren Ankündigungen in der ersten Lesung — gerade wenn Sie die FDP-Fraktion ansprechen — treu geblieben. Das Ergebnis kann sich nach meinem Eindruck auch sehen lassen.
Geradezu absurd finde ich den Hinweis, daß wir einen Haushalt vorgelegt hätten, der nicht zur Konsolidierung beitrage, aber nebenbei geradezu noch Wahlgeschenke aufweise.
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Sie haben uns bei der Haushaltsberatung 1979 gesagt: ihr konsolidiert 1979 nicht, weil ihr 1980 wieder das Geld ausgeben wollt. Nun haben wir jetzt diesen Haushalt gekürzt. Da bitte ich doch, wenigstens untereinander ehrlich zu bleiben. Wir haben diesen Haushalt netto um 800 Millionen DM gekürzt, haben die Neuverschuldung um 4 Milliarden DM heruntergesetzt, und nun sagen Sie dazu: Das ist ein Haushalt der Wahlgeschenke.
Ich meine, es gehört schon viel dazu, das noch zu verstehen.
Der Entwurf des Haushalts hatte ja auch schon in einem anderen politischen Bereich einen Schwerpunkt, nämlich im Bereich der wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Der Kollege Grobecker hat eben schon darauf hingewiesen. Ich meine, daß, wenn wir jetzt aus dieser Beratung herauskommen und beim Einzelplan für wirtschaftliche Zusammenarbeit bei einer Steigerungsrate von 15 % liegen, dies ein politisches Zeichen dieses Haushalts ist. Dazu sollte man doch wenigstens auch etwas Positives von seiten der Opposition sagen. Ich meine, bei einer Gesamtsteigerung des Haushalts von nur 5,5 % ist dies ein deutliches Zeichen dafür, daß wir unseren Beitrag zur Verminderung von Konfliktsituationen in der Welt leisten wollen, auch zur Verhinderung — langfristig — von Stellvertreterkriegen und ebenso zur Sicherung des Friedens in der Welt.
Die Verschuldungspolitik der Regierung ist in diesem Jahr wie immer kritisiert worden. Herr Biedenkopf hat das beim letzten Mal die „Ausbeutung zukünftiger Generationen" genannt. Ich fand diese Formulierung wenigstens noch intellektuell schick. Herr Strauß hat das gestern abend nicht so schön hinbekommen.
Herr Kollege Grobecker hat das noch einmal klargemacht. Ich bitte Sie, das wirklich wenigstens zu akzeptieren; ich will nicht sagen: zu verstehen. In den Jahren 1973, 1974 und 1975 hat in dieser Republik etwas stattgefunden, ist auf uns etwas hereingeprasselt, was wirklich nicht von uns zu verantworten war. Das, was der Kollege Grobecker den „Ülpreisschock" genannt hat, ist etwas gewesen, womit dieses Land fertig werden mußte. Es ist damit fertig geworden, und zwar so, daß es viele Länder dieser Welt gibt, die uns um unsere Entwicklung beneiden.
Ich beneide Sie überhaupt nicht, wenn Sie mit ausländischen Kollegen reden. Wenn Sie eine derartige Beschreibung über das Land abgeben, aus dem Sie kommen, dann sagen die ausländischen Gesprächspartner immer: Das kann doch wohl nicht wahr sein!
Derartige Schwierigkeiten, die Sie gelegentlich in deutschland- und außenpolitischen Debatten haben, haben Sie auch dann, wenn Sie die Wirklichkeit dieses Landes beschreiben. In diesem Lande hier — das sagen Sie nur nicht so laut und nicht so deutlich — geht es doch vielen Bürgern besser als den Bürgern in vielen Ländern dieser Welt.
Sie sollten auch nicht sagen, daß hier die Arbeitslosenraten steigen. Sie vergessen dabei nämlich, wie die Situation jenseits der Grenzen ist.
Es ist doch nicht so, daß man von uns aus freudig zu einer Arbeitslosenquote von 3,7 % ja sagt. Sie müssen sehen, von welchem Level wir heruntergekommen sind. Sie müssen einmal sehen, wie die Anstrengungen anderer Länder aussehen, wie die versucht haben, auf einen solchen Level zu kommen, wie wir ihn haben. Die anderen Länder befinden sich auf einem viel höheren Level. Es ist gar keine Frage, daß wir darüber nicht glücklich sind. Aber Sie können doch nicht abstreiten, daß diese Regierung mindestens ein Lob' dafür verdient hat, daß wir dieses Ergebnis erzielt haben.
Herr Kollege Carstens hat darauf hingewiesen, im Sachverständigengutachten sei der Hinweis enthalten, daß es ein 25 Milliarden DM großes strukturelles Defizit gibt, von dem der Bund etwa die Hälfte trägt. Einverstanden; aber dann, Herr Kollege Carstens, ist der Änderungsantrag auf dem rosa Papier, den Sie heute morgen zu begründen versucht haben, überhaupt nicht verständlich. Der Antrag auf dem rosa Papier bedeutet eine Erhöhung der strukturellen Leistungen des Bundes, d. h. eine Erhöhung des strukturellen Defizits, solange Sie nicht zur Dekkung eine strukturelle Maßnahme vorschlagen.
Sie haben sich zwar heute morgen über die globale Minderausgabe ausgelassen. Wer den Antrag liest, stellt fest, daß Sie zur Deckung eines Teils der Maßnahmen eine globale Minderausgabe beim Einzelplan 30 — Forschung und Technologie — vorschlagen. Man muß da schon vorsichtig sein.
— Das ist aber im Prinzip das, was Sie heute morgen kritisiert haben. Man kann doch nicht hingehen und sagen „Wir haben ein strukturelles Defizit, konsolidieren darf man nicht mit globalen Minderausgaben", aber dann kommen Sie mit einer Mehrausgabe und decken sie aus einer globalen Minderausgabe.
Ich gebe zu: Das ist ein komplizierter Sachverhalt. Aber wenigstens das sollten Sie mit nach Hause nehmen, daß wir Ihnen in dieser Frage nicht nachgeben werden.
-- Wir haben aber keine Mehrausgabe, die ein strukturelles Defizit verursachen konnte, beschlossen. Darüber sollten wir uns unterhalten.
Ich meine, wenn man sich in der diesjährigen finanzpolitischen Situation bewegt, stellt man mit Erstaunen fest, daß bezüglich der Einnahmeseite in diesem Jahr keine Oppositionsanträge gestellt worden sind. Von daher, Herr Kollege Friedmann, gebe ich Ihnen völlig recht: Man kann in etwa 40 Minuten erwarten, daß es in einem anderen Raum geschieht. Von daher hatten Sie wohl einen Teil Ihrer Rede mit
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einer Sperrfrist versehen. Sie haben einen Teil einfach nicht vortragen dürfen, weil das offenbar anderen Leuten vorbehalten war.
— Herr Kollege Carstens, ich bin ja froh, daß nicht jeder Zwischenruf hier über das Mikrofon geht.
Immerhin diskutiert man in diesem Jahr über das Thema einer Steuerentlastung für das Jahr 1980. In diesem Jahr haben Sie es quasi unterlassen, in der finanzpolitischen Diskussion gestern und heute von massiven Steuersenkungen in 1980 zu sprechen. Herr Kollege Strauß hat das gestern abend selbst in bewundernswerter Klarheit gesagt, daß es einen gewissen Widerspruch gibt zwischen Steuersenkungsforderungen auf der einen Seite und Konsolidierungsforderungen auf der anderen Seite. Ich bin nur gespannt, wie die Entscheidung der Unionsfraktionen, die nachher in der Pressekonferenz verkündet werden wird, diesem gerecht wird.
Das ist auch deshalb interessant, weil der Ministerpräsident im ,Abendjournal" des Bayerischen Rundfunks am 30. Oktober 1979 ein Interview gegeben hat — das ist also gar so lange noch nicht her; allerdings war es abends 21.30 Uhr, und da weiß man nie so recht, ob. nicht Schreibfehler entstehen können, wie man ja unlängst gesehen hat —, in dem er gesagt hat — ich darf ihn jetzt einmal so zitieren, wie ich das vorliegen habe —:
Deshalb waren wir der Meinung, — also die Union —
man sollte eine kleine Tarifkorrektur für das Jahr 1980 vorsehen mit einer Auswirkung von etwa 6 Milliarden DM, allerdings die größere Korrektur dann im Jahre 1981 vornehmen. Und dahinter steht überhaupt einmal der zweite Teil der Steuerreform, d. h. eine echte Steuerreform, bei der erhebliche Beträge umverteilt werden müssen, was allerdings
— und nun bitte ich zuzuhören —
nur über einen Zeitraum von mehreren Jahren, also sagen wir in der neunten Dekade
— er liebt diese Formulierung ja — dieses Jahrhunderts möglich ist.
Also das, was im vorigen Jahr noch für dieses Jahr für möglich gehalten wurde, wird jetzt von dem Verursacher dieser Diskussion selbst auf einen viel weiteren Zeitraum verschoben. Da darf man doch uns nicht kritisieren, die wir unsere Beschlüsse seriös fassen und sagen: im Jahr 1980 nichts, sondern zum 1. Januar 1981.
Wenn ich dieses Ausmaß an Übereinstimmung feststellen kann, darf ich wohl zumindest davon ausgehen, daß wir in diesem Plenum eine Diskussion führen werden, die frei von Emotionen ist und in der wir uns in sachlicher Weise gemeinsam auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens verständigen können.
Wenn wir im Rahmen der Steuerentlastung den familienpolitischen Aspekt noch hinzunehmen, d. h. die Steuersenkung über den Tarif mit einer familienpolitischen Diskussion verknüpfen, so meine ich, Herr Kollege Carstens, daß wir uns angesichts des strukturellen Defizits, das wir gemeinsam zu beklagen haben, einmal darüber unterhalten sollten, wie denn ein Teil dieses strukturellen Defizits beim Bund zustande gekommen ist. Zwar hat jeder in den letzten Jahren viel über Familienpolitik geredet, nur liefen die meisten Anträge auf den Tenor hinaus: Aber du, Bund, bezahle bitte. Bei der Umstellung der Kindergeldzahlungen ist das im Blick auf den Bundeshaushalt eben das beklagenswerte Ergebnis. Insofern müßten wir zumindest einer Meinung sein.
Ich möchte diejenigen, die 1981 ernsthaft familienpolitische Maßnahmen durchsetzen wollen, bitten, bei der Beratung der Steuerentlastungspakete — wie groß auch immer sie geschnürt werden — zu zeigen, daß sie daraus dann auch die Konsequenzen ziehen. Familienpolitische Profilierung allein auf Kosten des Bundes kann nicht stattfinden. Man muß sich im Jahre 1981 bei einer zu beschließenden Regelung klar zur Finanzamtslösung bekennen und nicht die alte Arbeitsamtslösung vertreten.
Dann wird sich zeigen, was Propaganda ist und wo praktische Politik gemacht wird.
— Herr Kollege Carstens, das hat doch mit diesem Fall überhaupt nichts zu tun. Bei der Finanzamtslösung haben wir sogar den Vorteil, daß der Steuervereinfachung nicht nur das Wort geredet, sondern sie sogar praktiziert wird. Auf der anderen Seite muß klargemacht werden, daß die Länder, angeführt von Ihren Ministerpräsidenten, nicht dauernd sagen dürfen: Familienpolitik ist wichtig, da muß etwas gemacht werden; aber wir zahlen es nicht, sondern der Bund soll zahlen. Und gleichzeitig wird der Bund dann an der Front vorgeführt, weil die Staatsverschuldung so hoch sei. Das ist ein Thema, bei dem Sie sich glaubwürdiger darstellen müssen. Da gilt für Sie das berühmte Wort, Butter bei die Fische zu tun.
Sie haben in Ihrem Beitrag auch die Höhe und Struktur der Staatsbeteiligungen angesprochen. Gestern hat das der Ministerpräsident von Bayern auch getan. Man kann es sich natürlich nicht verkneifen, daran zu erinnern, daß auch er Aufsichtsratsvorsitzender eines Unternehmens ist. Die Frage der bayerischen Staatsbeteiligung an diesem Unternehmen wird ja wohl auch nicht zur Disposition gestellt. Oder gibt es da neuere Hinweise?
Sicherlich wird es eine sorgfältige Diskussion geben müssen, ob immer und in jeder Höhe an jedem Unternehmen eine Staatsbeteiligung notwendig und unter dem Gesichtspunkt der sinnvollen Ausgabe von Steuergeldern vertretbar ist. Vor diesem Hintergrund darf man nun wirklich nicht den Bundesfinanzminister für die Staatsbeteiligungen verantwortlich machen, wie Sie es, glaube ich, getan haben, und ihm vorhalten, daß er die Staatsbeteiligung
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an einem Unternehmen weiterhin aufrechterhält, die Sie Ihrerseits für überflüssig halten. Sie hatten einer Kapitalerhöhung ja nicht zustimmen wollen. Der Kollege Hoppe hat Ihnen das, was die Frage mit Salzgitter angeht, zurückgegeben. Ich meine, es geht wirklich nicht, global zu sagen: „Da könnt ihr runtergehen, aber ihr, Regierung, müßt das sagen", und wenn die Regierung gemeinsam mit den Koalitionsfraktionen Entsprechendes beschließt, Briefe zu schreiben und zu sagen: „Das waren aber Sie gewesen. Wir hätten es zwar auch gemacht, nur wir hätten es nicht gesagt" Das finde ich nicht so ganz fair.
In der letzten Diskussion haben — und auch gestern ist das gesagt worden — die Subventionspolitik der Regierung und der Versuch, gemeinsam mit dem Parlament zu Lösungen zu kommen, eine gewisse Rolle gespielt. Der Kollege Hoppe hat gestern den Subventionsbericht als eine neuartige Form der Leistungsbilanz, die sozusagen nicht aus den Öffentlichkeitstiteln finanziert wird, bezeichnet. Das ist schon ein ganz schwieriges Geschäft.
Jahr für Jahr beschließen mannhaft einige Kollegen in allen drei Fraktionen: Aber beim nächstenmal gehen wir an die Subventionen ganz bestimmt heran. Jahr für Jahr werden, statt daß alte Subventionen gestrichen werden, neue Subventionen eingeführt. Ich gebe zu bedenken, ob wir nicht das Prinzip, das wir in diesem Jahr bei der Beratung des Haushalts angewandt haben, denjenigen, der Mehrausgaben oder andere Ausgaben verstärken will, dazu zu verpflichten, in anderen Einzelplanbereichen zu sparen, d. h. einen Deckungsvorschlag vorzulegen, auch hier anwenden sollten. Derjenige, der eine neue Subvention in den Subventionsbericht hineinschreiben will, sollte mindestens eine alte in gleicher Höhe streichen.
Das wird mit Sicherheit ein ganz schwieriges Geschäft und deutet in etwa das an, was Sie auch gesagt haben: Ich meine den Bereich der Personalkommission, d. h. die Personalzuwächse der Ministerien. Dort ist es im Grunde auch gegangen. Ich meine, daß dieser Vorschlag, an die Subventionen heranzugehen, nur verwirklicht werden kann, wenn wir das gemeinsam machen, weil sich in der Gesellschaft, in der wir leben, so etwas wie eine Subventionsmentalität breitgemacht hat und jeder glaubt, sich bedienen zu können, weil wir gemeinsam nicht stark genug waren, in einigen Bereichen abzulehnen. Das können wir nur gemeinsam machen, weil sonst auf dem offenen Markte der eine gegen den anderen ausgespielt wird und es dann keinen mehr geben kann, der das durchhält. Deshalb sollten wir die Erlebnisse, die wir in der Personaldiskussion hatten, vielleicht in dieser Richtung weiterlenken. Ich meine, daß wir dann auch zu ganz guten Ergebnissen kommen.
Lassen Sie mich zum Schluß auch noch ein paar Bemerkungen über das machen, was für uns wirklich notwendig ist und, wie ich meine, auch in den nächsten Haushalten auf uns zukommt. Wir werden in den nächsten Haushalten eine ganze Menge mehr an Leistungen für die Länder der Dritten
Welt beschließen müssen. Wir haben gestern in der Rohstoffdiskussion, die hier geführt worden ist, gehört, daß wir in Zukunft Probleme haben werden, bestimmte Rohstoffe überhaupt zu bekommen. Das wird in den nächsten Jahren nicht möglich sein, wenn wir nicht beginnen — von diesem in das nächste Jahr steigernd —, deutlich zu machen, daß wir mit den Ländern, die Rohstoffe haben, die meist noch Entwicklungsländer sind, einen echten partnerschaftlichen Dialog praktizieren, der dazu führt, daß sie ihre Leistungen erheblich steigern, sie sogar mehr steigern als nur im Umfang des Zuwachses unseres eigenen Wachstums. Auch die Länder der Dritten Welt merken schon, daß das, was wir ihnen großzügig geben, aus dem Überfluß kommt, d. h. uns eigentlich nicht wehtut. Ich glaube bestimmt, daß in den nächsten Jahren auch die Diskussion bei uns nicht davor Halt machen wird, daß wir Leistungen auch aus unserem sogenannten Eingemachten geben müssen. Wir müssen das auch deshalb machen, damit nicht der Schock auf uns zukommt.
Wir müssen jetzt lernen, Probleme vorher zu erkennen und sie vorher auch zu lösen. Entweder lernen wir es, z. B. den Rüstungswettlauf zu stoppen, oder es wird in Zukunft eine Ära der kalten Unmenschlichkeit geben. Entweder lernen wir es, daß wir unsere Wachstumsrekorde der Vergangenheit heute im Grunde sanieren oder reparieren müssen, oder es wird eben so sein, daß wir nur Mitglieder einer Konsumgesellschaft mit beschränkter Haftung sein werden.
— Auch unsere Ansprüche. Genau das ist das Problem. Die Frage ist immer, wie wir mit unseren eigenen Ansprüchen umgehen. Wenn wir nicht Sparsamkeit vorleben, wird es keiner draußen im Lande nachvollziehen.
Wir müssen, meine ich, auch lernen, daß es in Zukunft keine billige Energie mehr gibt, daß es keine billigen Arbeitskräfte mehr gibt und daß man von daher auch nicht so markige Konsequenzen ziehen kann, wie sie gestern hier von einigen Rednern vorgeführt worden sind.
Wir müssen offen über die Probleme, die unsere Bürger haben und die sie an uns herantragen, diskutieren. Dabei muß man mit den Bürgern diskutieren, die z. B. ein kritisches Verhältnis zur Technologie der Kernenergie haben. Das kann man nicht nach dem Motto machen: Es wird befohlen und angenommen.
Wer Diskussion, Liberalität und Toleranz in diesem
Bereich vergißt, wird mit dazu beigetragen, daß das
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Verweigerungspotential in dieser Gesellschaft zunehmen wird.
— Wenn Sie das Wort „Verweigerungspotential" nicht verstehen können, will ich es Ihnen gern übersetzen. Dieses Potential besteht in den Leuten, die, offenbar zu Recht, glauben, daß traditionelle Parteien nicht in der Lage sind, wenigstens zuzuhören.
Ich meine das, was gestern hier vorgeführt worden ist: Man braucht zu einer bestimmten Technologie nur ja zu sagen, und die Probleme sind gelöst. Wer so etwas meint, wer zu Herrn Bundeskanzler Schmidt sagt: das wird ein Pyrrhus-Sieg, wird, wenn er an die Regierung kommt, Schiffbruch erleiden. Damit das nicht geschieht, werden wir alles daransetzen, daß er dieses Amt nicht bekommen wird.
— Herr Kollege Friedmann, da braucht mir von Ihnen keiner etwas vorzuwerfen. Ich habe in diesem Hause vor einem Jahr — von daher ist das vielleicht ein seltsames Zusammentreffen — zu diesem Thema mein Erlebnis gehabt. Ich hoffe, das war für viele ein Erlebnis. So etwas darf — und das ist auch in Ihrem Sinne — nicht mehr vorkommen.