Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist ja häufig so, daß wir hier eine komplizierte Sprache verwenden, die draußen nur schwer ankommt, weil sie etwas eigenartig ist. Bisher hatte ich allerdings immer den Eindruck, daß das System der Haushaltsberatungen und seine Aufteilung in eine erste, zweite und dritte Lesung etwas damit zu tun hat, daß man durch Lesen zwischen der ersten und der zweiten Lesung etwas lernen kann. Herr Kollege Carstens, das ist mir bei Ihnen nicht so aufgefallen. Mir ist allenfalls noch aufgefallen, daß Sie auf dem Weg von Ihrem Sitzplatz bis zum Rednerpult das Komma bei den Inflationsraten einfach verloren haben. Wer hier von zweistelligen Inflationsraten spricht, der kann dies doch wohl unmöglich auf die Bundesrepublik Deutschland beziehen.
Wenn Sie dem Finanzminister vorwerfen, er hätte, was die Frage der Oppositionsanträge angeht, ein Sammelsurium zusammengestellt, dann kann ich nur sagen: Auch hier gilt das Verursacherprinzip; das heißt, wer auf die Art und Weise vorgeht, braucht sich über die Antwort nicht zu wundern.
— Wir können uns ja darüber unterhalten während dieser Debatte. Ich sehe ja auch den nächsten Wahlkampf unter dem Gesichtspunkt der Ehrlichkeit auf beiden Seiten. Das heißt, dieses werden wir sehen — —
— Herr Friedmann, Sie werden auch zu dem Antrag, den Sie hier eingebracht haben, noch eine passende Antwort bekommen; das wissen Sie.
Ich möchte noch einen kurzen Rückblick auf die Debatte von gestern abend bzw. auf das, was Haushaltsdiskussion zum Bundeskanzleretat genannt worden ist, halten. Es ist in vielen Fällen — dabei muß ich leider auch den bayerischen Ministerpräsidenten mit einschließen — am Thema, d. h. am Haushalt, vorbeigeredet worden. Herr Strauß hat gestern morgen in seinem ersten Debattenbeitrag eher die Rolle des Historikers gespielt; er hat den Beitrag zur Lösung der anstehenden Probleme durch einen Rückblick ersetzt.
Er hat in seinem zweiten Debattenbeitrag am Abend etwas freier formuliert — ohne den fast berühmten „Zettelkasten" —, und er ließ mindestens ahnen, daß er weiß, welche Probleme in den 80er Jahren zur Debatte stehen. Nur erscheinen mir die Lösungsvorschläge, die er auch gestern abend hier vorgetragen hat, zum Teil absurd zu sein. Lassen Sie mich das auch sagen: Sie waren auch sehr pharisäerhaft dargestellt.
Wenn Herr Strauß, z. B. wie gestern abend, sagt, daß jemand als geistiger oder politischer Krüppel bezeichnet werden müsse, der Konflikte nennt, die in dieser Welt und in dieser Gesellschaft vorhanden sind, dann, meine ich, klingt das ausgerechnet aus dem Munde eines Mannes, der so viel Konfliktpotential in seiner Person vereinigt, mehr als unmöglich. Wir sollten immerhin auch das wissen: Man kann in dieser Gesellschaft nicht aufteilen und auseinanderdividieren, wie das Herr Strauß gestern abend gemacht hat. Dies schadet dieser Gesellschaft mehr, als daß es ihr nutzt. Das nutzt niemandem. Dort, wo Integration, Verständnis, Toleranz und Liberalität gefordert sind, hat der bayerische Minister-
Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1979 15189
Gärtner
präsident gestern abend knallhart auf Konfrontation gesetzt.
Es hat ihm offenbar auch Schwierigkeiten gemacht, über den vorliegenden Haushalt zu reden. Als er noch hier im Bundestag saß, orientierte er sich sehr viel stärker an der finanzpolitischen Wirklichkeit. Wenn ich mir diese Bemerkung erlauben darf: Er hat gestern davon gesprochen, daß die Abitur-Leistungen in Bayern so besonders gut zu bewerten sind.
Das muß offenbar nicht immer und zu allen Zeiten gegolten haben.