Rede von
Claus
Grobecker
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Kollege Wehner, ich habe in diesem Punkt mein Bewußtsein erweitern müssen. Ich habe zur Kenntnis genommen, daß in einem anderen Raum über die tatsächlichen Vorhaben geredet wird, während Herr Carstens hier — ich will nicht das Wort benutzen, das sonst für Literaten verwendet wird — seine Rede hält.
Nach meiner Auffassung verringert sich das Problem in den Darstellungen der Opposition so, als seien die Verschuldung und die Kreditaufnahme Folgen einer Art Verschwendungssucht des Finanzministers. Das Problem ist schwieriger, und es kann nicht so dargestellt werden, wie Sie das gemacht haben, als ginge der Finanzminister — das macht sich nach außen vielleicht gut — mit Aktentaschen voller D-Mark irgendwo in die Schweiz, oder so ähnlich. Das können Sie hier nicht ernsthaft in die Debatte einführen.
Ich bin der Überzeugung, daß wir, wenn Sie tatsächlich und ernsthaft — Sie kennen die Einzelheiten aus der Ausschußberatung — Vorschläge machen, in vielen Dingen auch in Übereinstimmung zu Eingriffen, die schmerzhaft sind, kommen können. So haben wir es auch im Ausschuß gehalten. Aber was ist gegenwärtig Sache? Die Kreditpolitik des Bundes — nicht nur des Bundes, aber leider im wesentlichen des Bundes — muß doch wohl vor dem Hintergrund des schwersten Konjunktureinbruchs seit Bestehen der Bundesrepublik gesehen werden, der in den Jahren 1974/75 war.
15186 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1979
Grobecker
Das können Sie wirklich nicht der Regierung anlasten. Ich meine, es muß noch soviel Einigkeit bestehen, daß Sie das, was mit dem Ölpreisschock es gibt einen Streit über die Begriffe: Ölverknappungsschock, Öpreisschock; ich sage: Ölpreisschock —1973/74 eingetreten ist, nicht der Bundesregierung anlasten können.
Wenn wir uns also darin einig sind, daß das der schwerste Konjunktureinbruch war, solange es die Bundesrepublik überhaupt gibt, kann man darüber nachdenken, wie man diesen Einbruch bekämpfen muß. Die Bundesregierung hat und mußte nach unserer Auffassung mit den Mitteln der Finanzpolitik, also der Kreditaufnahme, diesen Konjunkturverlauf stützen, ihn auffangen und umzudrehen versuchen. Die Kreditpolitik ist also in diesen fünf Jahren Teil der Konjunkturpolitik gewesen. Wer wollte das bestreiten?
Man kann nicht so gut mit Zahlen jonglieren, weil das häufig verdrängt wird; aber zwei, drei Zahlen müssen in diesem Zusammenhang genannt werden. Sie haben diese Programme etwas belächelt, mit denen seit 1975 versucht worden ist, die Konjunktur wieder in Gang zu bringen. Wir haben seit 1975 für 35 Milliarden DM Sonderprogramme, Arbeitsmarktprogramme, Investitionsprogramme, gemacht. Wir haben für 50 Milliarden DM Konsumanstöße durch Entlastungsprogramme im Bereich der Steuern herbeigeführt. Das waren 85 Milliarden DM. Wir haben aufgerundet fast 100 Milliarden in die Wirtschaft gesteckt, um die Konjunktur anzukurbeln. Dabei muß bedacht werden, daß der Bund für diese Operationen die schwerste, die bedeutendste Last trug, weil sich die Länder nicht in diesem Umfang beteiligt haben. In der Spitze dieser Kreditaufnahme im Jahre 1978 hat der Bund 14 % seines Haushaltes mit Krediten finanziert, während die Länder nur 6 % ihres Haushaltes finanziert haben.
Nun behandeln wir hier nicht die Haushalte der Länder, sondern wir reden über den Bund. Deshalb müssen wir uns die Ergebnisse dieser Politik ansehen. Ich versuche, das so gut und so sachlich wie möglich zu tun, anders als Sie, Herr Carstens, das soeben gemacht haben. Ich hätte noch Verständnis für Ihre Polemik, wenn diese schwierige Politik der Nettokreditaufnahme und der Konjunktursteuerung zu keinem Ergebnis geführt hätte. Aber es ist eine Tatsache, daß wir mit dieser Politik und mit der Verschuldung des Bundes Millionen Deutsche vor der Arbeitslosigkeit bewahrt haben.
Das ist klar, und das müssen Sie zugeben. Wir haben inzwischen — das ist das Ergebnis — den negativen Konjunkturverlauf abfangen können und in einen Konjunkturanstieg umgewandelt, und wir stellen jetzt folgendes fest. Erstens. Die Arbeitslosigkeit geht zurück. Das ist das Wichtigste. Zweitens. Es gibt eine rege Investitionstätigkeit. Als Folge dieser beiden Dinge gibt es drittens mehr Steuereinnahmen. Auf Grund dieser Steuereinnahmen haben wir in den Jahren 1979 und 1980 die Nettokreditaufnahme gesenkt. Wir haben die Steuermehreinnahmen verwandt, um weniger Kredite aufzunehmen. Das ist eine Frage der Priorität, Herr Carstens.
Wenn wir jetzt die Steuermehreinnahmen sofort, unmittelbar zurückgeben, dann müssen wir die Kreditaufnahme erhöhen. Wenn Sie aber wollen, daß wir die Kreditaufnahme zurücknehmen — das wollen wir auch; wir wollen, wie Sie das nennen, konsolidieren —, dann müssen wir die Mehreinnahmen zunächst dafür verwenden, die Kreditaufnahme herunterzunehmen.
Meine Damen und Herren, wir unterscheiden uns in diesem Punkt darin, daß die konservative Opposition der Auffassung ist, daß der Staatshaushalt ausschließlich für die unmittelbaren Bedürfnisse des Staates da ist, während wir, die sozialliberale Koalition, was diesen Punkt angeht, sagen, daß uns dieser Preis, die Verschuldung durch Kreditaufnahme, nicht zu hoch ist, weil wir so die Arbeitslosigkeit bekämpfen können, und damit haben wir Erfolg gehabt. Daran geht kein Weg vorbei.
Wir haben eine wirtschaftliche Entwicklung erreicht, die uns in die Lage versetzt, jetzt zu konsolidieren, und uns leider auch — das mögen wir gar nicht so gern — dazu drängt, eine Art Konjunkturlokomotive auch für andere Länder zu werden.