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ID0819202600

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    Plenarprotokoll 8/192 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 192. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1979 Inhalt: Nachruf auf den ehemaligen Vizepräsidenten des Deutschen Bundestages, Professor Dr. Carlo Schmid 15177A Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung 15177 D Telegramm der deutschen Gruppe der Interparlamentarischen Union an den Schiitenführer Ayatollah Khomeini . . . 15221 D Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1980 (Haushaltsgesetz 1980) — Drucksachen 8/3100, 8/3354 — Beschlußempfehlungen und Berichte des Haushaltsausschusses Einzelplan 08 Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen — Drucksache 8/3378 — in Verbindung mit Einzelplan 32 Bundesschuld — Drucksache 8/3393 — in Verbindung mit Einzelplan 60 Allgemeine Finanzverwaltung — Drucksache 8/3397 — Carstens (Emstek) CDU/CSU 15178A Grobecker SPD 15185A Gärtner FDP 15188B Matthöfer, Bundesminister BMF . . . 15193 B Dr. Schäuble CDU/CSU 15205 D Westphal SPD 15208 C Frau Matthäus-Maier FDP 15212 B Einzelplan 09 Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft — Drucksache 8/3379 — Glos CDU/CSU 15215 B Frau Simonis SPD 15222 C Dr. Haussmann FDP 15228 B Dr. Biedenkopf CDU/CSU 15231 D Reuschenbach SPD 15238 B Dr. Graf Lambsdorff BMWi 15241 B Gerstein CDU/CSU 15250A Wolfram (Recklinghausen) SPD . . . 15253 B Wurbs FDP 15256A II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1979 Dr. Warnke CDU/CSU 15257 B Frau Dr. Martiny-Glotz SPD 15259A Einzelplan 20 Bundesrechnungshof — Drucksache 8/3387 — 15222 B Einzelplan 10 Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — Drucksache 8/3380 — Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU . . 15261 C Simpfendörfer SPD 15264A Zywietz FDP 15266 C Ertl, Bundesminister BML 15268 D Einzelplan 12 Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr — Drucksachen 8/3382, 8/3430 — in Verbindung mit Einzelplan 13 Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen — Drucksache 8/3383 — Schröder (Lüneburg) CDU/CSU . . . 15270C Müller (Nordenham) SPD . . . 15272D, 15283A Hoffie FDP 15274 C Dr. Schulte (Schwäbisch Gmünd) CDU/ CSU 15277A Curdt SPD 15278 D Merker FDP 15281 A Feinendegen CDU/CSU 15282 C Dr. Friedmann CDU/CSU 15283 B Gscheidle, Bundesminister BMV /BMP 15285 D Einzelplan 25 Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau — Drucksache 8/3389 — Hauser (Bonn-Bad Godesberg) CDU/CSU 15288 B Frau Traupe SPD 15290 B Gattermann FDP 15293 C Dr. Schneider CDU/CSU 15295 D Müntefering SPD 15298 B Dr. Haack, Bundesminister BMBau . . . 15300 B Einzelplan 07 Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz — Drucksache 8/3377 — Dr. Friedmann CDU/CSU 15302 C Dr. Emmerlich SPD 15304A Engelhard FDP 15305 B Dr. Vogel, Bundesminister BMJ . . . . 15306A Nächste Sitzung 15307 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 15309* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1979 15177 192. Sitzung Bonn, den 12. Dezember 1979 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete (r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen* 14. 12. Dr. Aigner* 14. 12. Alber* 14. 12. Dr. Apel 12. 12. Dr. Bangemann* 14. 12. Blumenfeld* 14. 12. Egert 14. 12. Fellermaier* 14. 12. Frau Dr. Focke* 14. 12. Friedrich (Würzburg) * 14. 12. Dr. Früh* 14. 12. Dr. Fuchs* 14. 12. Gallus 14. 12. von Hassel* 14. 12. Katzer 14. 12. Dr. h. c. Kiesinger 12. 12. Dr. Klepsch* 14. 12. Lange* 14. 12. Lücker* 14. 12. Luster* 14. 12. Milz 14. 12. _ Dr. Möller 12. 12. Dr. Müller-Hermann* 14. 12. Dr. Pfennig * 14. 12. Frau Schleicher* 14. 12. Dr. Schwarz-Schilling 13. 12. Dr. Schwencke (Nienburg) * 14. 12. Seefeld * 14. 12. Sieglerschmidt * 14. 12. Frau Tübler 14. 12. Frau Dr. Walz* 14. 12. Wawrzik * 14. 12. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments
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    Rede von Manfred Carstens


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Meine Damen und Herren, wir stehen also nicht mehr auf dem Fundament, welches Sie 1970 übernehmen konnten, sondern Sie stehen im Morast Ihrer verfehlten Schuldenpolitik der letzten fünf Jahre. Diese bisherige Finanz- und Haushaltspolitik muß zum Stillstand kommen, muß wieder verantwortungsbewußt werden, klar, seriös und solide, wie sie es bis 1969 gewesen ist. Es gibt jetzt keine Zeit mehr zu verlieren. Wir müssen handeln. Das erkennen Sie allein schon, wenn Sie in Ihren eigenen Finanzplan sehen. Dazu möchte ich etwas sagen.
    Im Finanzplan steht für 1983 — es ist beängstigend — eine Bruttokreditaufnahme von 56,5 Milliarden DM. Meine Damen und Herren, das war vor nicht allzu langer Zeit noch ein ganzer Bundeshaushalt. Von diesen 56,5 Milliarden DM verbleibt dem Bund nicht eine einzige Mark für allgemeine Staatszwecke. Im Gegenteil, er muß noch drauflegen, um Tilgung und Zinsen zahlen zu können. Das ist keine
    Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1979 15183
    Carstens (Emstek)

    düstere Prophetie, sondern ist amtlicher Finanzplan.
    Welche enorme Dynamik hinter dieser Schuldenpolitik steht, mag folgendes verdeutlichen. — Ich will auf die Zinsen in diesem Zusammenhang gar nicht eingehen. Das ist verheerend; das haben wir aber schon einige Male hier vorgetragen. Ich möchte den längerfristigen Trend bei der Tilgung ansprechen. 1972 reichten noch 3 Milliarden DM aus, um die in einem Jahr fälligen Bundesschulden zu tilgen. 1982 wird die Tilgungslast in einem Jahr schon 36,8 Milliarden DM hoch sein. Das ist mehr als zwölfmal soviel wie noch vor zehn Jahren. Die Ursache dieser Entwicklung sind die enorme Verschuldung des Bundes und — das kommt hinzu — die rasante Verkürzung der Laufzeiten für die Staatskredite.
    Ein weiteres Beispiel: Eine Momentaufnahme des Statistischen Bundesamtes für das Jahr 1978 zeigt, daß der Staat von insgesamt 604 Milliarden DM 88,8 % für den Staatsverbrauch und für Transferausgaben aufwendet, aber nur 7,6 % für Bruttoinvestitionen. Die Zukunftssicherung hat nur noch diesen Stellenwert, 7,6 %! Bald wird für die Vergangenheitsbewältigung mehr Geld ausgegeben werden müssen als für die Zukunftssicherung.
    Der Etat wird als Schicksalsbuch der Nation bezeichnet. Wenn ich mir die strukturellen Veränderungen der letzten zehn Jahre ansehe, stellt sich folgendes heraus. Die Zinsaufwendungen sind in diesen zehn Jahren um 544 % angestiegen und die Bruttoinvestitionen um 148,2 % Das Schicksalsbuch zeigt somit, daß die Lasten der Vergangenheitsbewältigung, die Lasten aus Ihrer Schuldenpolitik viermal so schnell gestiegen sind wie die Leistungen, die wir für die Zukunft erbringen.

    (Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Die leben doch auf Kosten der Zukunft!)

    Es ist ja gar nicht mehr auszudenken, wohin das weiter ausufert.
    Das alles ist in ganz entscheidendem Maße auf das zurückzuführen, was Sie Stabilitätssicherung nennen. Sie wollen die Wirtschaft über die Schulden modernisieren. Sie wollen die Stabilität sichern. Nichts wird damit gemacht. So sieht es auch mit dem Rückgang der investiven Ausgaben aus. Sie konnten durch ihn das ZIP, das Zukunftsinvestitionsprogramm, nur vorübergehend anhalten, aber nicht im Trend umkehren. Das ist doch der Sachverhalt.
    Die sinkende Leistungskraft des Staates wird auch an folgenden Zahlen deutlich. 1970 konnten Staatsverbrauch und Transferzahlungen voll aus den Steuereinnahmen gedeckt werden. Es bestand sogar eine Überdeckung von 4,7 %. Heute besteht eine Unterdeckung von 5,3 %. Das ist eine Differenz von 10 %. Dies ist genau das strukturelle Defizit von 20 bis 25 Milliarden DM, von dem die Sachverständigen sprechen. Dies eben zeigt, wie sehr der Staat bereits über seine Verhältnisse lebt: Er verteilt mehr um, als er hat. Er täuscht dem Bürger vor, mehr leisten zu können, als er zu leisten imstande ist. In der Struktur der öffentlichen Finanzwirtschaft liegen die Ursachen für viele ungelöste Probleme in unserem Lande.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich möchte nun etwas zu den Steuern sagen, worauf Sie in der Koalition ja sicherlich schon lange warten.

    (Zuruf von der SPD: Wir warten darauf, daß Sie aufhören!)

    Die Haushaltskonsolidierung glaubhaft mit dem Versprechen steuerlicher Entlastungsmaßnahmen zu verbinden ist Aufgabe der jeweiligen Regierung. Ich habe das eben schon deutlich gemacht, und zwar auch überzeugend, wie ich meine. Ich weiß, daß Ihnen das nicht paßt und daß Sie dieses Thema immer wieder erregt. Natürlich muß es Ihnen wehtun, den Arbeitnehmern nur innerhalb einés Jahres über 15 Milliarden DM mehr — so im nächsten Jahr — an Lohnsteuer abkassieren zu wollen. Sie haben hoffentlich den Kontakt zur Basis noch nicht ganz verloren, um. die Stimmung dort erkennen zu können. Sie haben unsere entsprechenden Anträge bis heute abgelehnt. Durch die inflationsbedingten heimlichen Steuererhöhungen, durch die Progression wird den Arbeitnehmer immer mehr Geld aus der Tasche gezogen. Die Progression wird sich noch verschlimmern. In vollem Ausmaß wird das erst z. B. bei dem Weihnachtsgeld, welches ausgezahlt wird, wirksam werden. Wenn die Tariferhöhungen in den ersten Monaten des Jahres 1980 hinzukommen, wird diese Summe sehr stark ansteigen, und zwar in einem Ausmaß, wie die Arbeitnehmer das heute noch gar nicht absehen können.
    Wenn Sie mit uns bereit wären — das ist ein offenes Angebot, das mit unserem Arbeitskreisvorsitzenden abgestimmt wurde —, mit uns noch heute eine Sonderkommission zu gründen, um im Etat 1980 zusätzliche Gelder einzusparen und Kürzungen vorzunehmen, wären wir noch heute bereit, mit Ihnen über Maßnahmen für das Jahr 1980 zu verhandeln. Es geht um das Thema der Vermeidung von inflationsbedingten Steuermehreinnahmen. Wir könnten z. B. auch den Weihnachtsfreibetrag erhöhen. Er kann noch bis März 1980 in die Tabellen eingerechnet werden. Ich kann Ihnen nur sagen: Die Verantwortung liegt bei Ihnen, wenn Sie hierzu nicht bereit sind. Sie werden die Folgen im nächsten Jahr noch zu spüren bekommen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es liegt also an der Progression, daß an der Steuerfront ständige Unruhe herrscht. Im Klartext heißt das: Die Lohnsteuer nimmt ab 1980 doppelt so stark zu wie die Löhne und Gehälter. Wenn die Löhne um 6 % steigen, steigt die Lohnsteuer um über 12 %. Man muß diesen Zusammenhang genau erkennen, um unsere steuerpolitischen Forderungen zu verstehen. Hätte die Bundesregierung, wie wir das schon vor Jahren gefordert haben, einen ausgewogenen Steuertarif geschaffen, hätten wir uns diese endlosen Steuerdebatten von Beginn an ersparen können. Wir wollen mit dem Steuerpaket von Franz Josef Strauß, welches er in Kürze vorstellen wird, eine Verbesserung erreichen.
    15184 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1979
    Carstens (Emstek)

    Sie waren mit Ihren steuerpolitischen Vorstellungen doch immer durcheinandergeraten. 1971 wollten Sie die Belastbarkeit der Wirtschaft testen. 1973 haben Sie noch unser Inflationsentlastungsgesetz abgelehnt. Dann haben Sie sogar die Investitionen besteuert, und bei dem sogenannten Jahrhundertwerk haben Sie es zugelassen, daß die Progression so stark zugreift, daß vor allen Dingen die Arbeitnehmer geschröpft werden.
    Hier liegt ein weiteres Grundübel Ihrer Politik. Sie werden auf Grund der Entwicklung immer wieder gezwungen, die Steuern kurzfristig zu senken, sind aber nie bereit, dafür auch Ausgaben zu kürzen. Sie sind nie bereit, das in Zusammenhang zu bringen. Nur einmal, beim Haushaltsstrukturgesetz, haben Sie gespart, ansonsten nicht. Der Umverteilung gab Ihre Politik stets die höchste Priorität. Hier ist Gründliches geschehen. Ausgaben und Einnahmen des Staates weisen Strukturen auf, die zu der Erfüllung zentraler staatlicher Aufgaben mit den Zielen der Vollbeschäftigung, der Stabilität und des Wachstums in eklatantem Widerspruch stehen. Lassen Sie mich hierzu abschließend sagen: Diese Widersprüche bedürfen der Korrektur, zu der aber diese Koalition die innere Kraft und Geschlossenheit nicht mehr hat. Schon allein aus diesem Grund muß sie im nächsten Jahr abgelöst werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, ich komme nun zur Gesamtbewertung des Haushalts. Der Bundeshaushalt 1980 ist das Ergebnis einer zehnjährigen verfehlten Wirtschafts- und Finanzpolitik.

    (Löffler [SPD]: Sag an!)

    Der Haushalt kann nichts mehr versprechen, will aber um so mehr vertuschen und verschweigen. Echte Fortschritte in der Konsolidierung werden nicht erreicht, sondern nur vorgetäuscht. Nur durch die Steuermehreinnahmen und das Hinausschieben steuerlicher Entlastungsmaßnahmen soll vorübergehend der Nachweis einer Scheinkonsolidierung erbracht werden.
    Wie ist die wirkliche Lage? Wir haben eine Arbeitslosigkeit von 3 ½ %. Im Winter werden es wieder über eine Million Arbeitslose sein. Wir haben eine Inflationsrate von knapp unter 6 %, wiederum hausgemacht.

    (Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Mit steigender Tendenz!)

    Wir haben einen aufgetürmten Schuldenberg von über 200 Milliarden DM, hierdurch stark gestiegene Zinsen, die den Aufschwung schon kappen, bevor er richtig da ist, Finanzierungsdefizite in den öffentlichen Haushalten von 50 Milliarden DM im kommenden Jahr, eine sich weiterhin verschlechternde Struktur der öffentlichen Haushalte und neuerdings sogar eine nach 15 Jahren erstmals defizitäre Leistungsbilanz. Meine Damen und Herren, das sind die nicht zu übersehenden schädlichen Auswirkungen einer sorglosen Umverteilungs- und Gefälligkeitspolitik.
    Erst diese Gesamtschau macht deutlich, wohin die Entwicklung treibt. Die anhaltenden Defizite sind angesichts der Inflation und angesichts der Arbeitslosigkeit ein Beweis dafür, daß die Finanzpolitik jede Handlungsfähigkeit verloren hat und in ihrer tiefen Verstrickung den gesamtwirtschaftlichen Erfordernissen zuwiderläuft. Ein Staat kann eben nicht über Jahre hinweg über seine Verhältnisse leben. Das haben wir immer wieder gesagt. Jetzt bewahrheitet sich das. Sie haben über Ihre Verhältnisse gelebt. Diese Haushalts- und Finanzpolitik muß grundlegend verändert, ja, verbessert werden. Da kann man nicht als Opposition durch kleine Strukturverbesserungen eine wesentliche Verbesserung erreichen. Sie muß durch eine andere Politik grundlegend verändert werden.
    Die Bundesregierung verharmlost die gesamtwirtschaftliche Entwicklung und täuscht einen anhaltenden Aufschwung vor. Die Bundesregierung hat massive Aktionen gestartet, um wenigstens im Wahljahr ein halbwegs passables konjunkturelles Ergebnis vorzeigen zu können. Inwieweit diese Kraftakte ausreichen, muß abgewartet werden. Ober den Wahltag hinaus reichen sie sicherlich nicht. Die Möglichkeiten sind im übrigen erschöpft. Seriös betrachtet, sind sie längst erschöpft, schon seit einigen Jahren. Aber wir kennen diese Regierung zur Genüge. Wie sieht es aus mit zweistelligen Inflationsraten? Der Geldmarkt könnte noch aufgebläht werden. Es wäre schlimm, jawohl, es wäre schlimm. In der Koalition haben sich aber immer wieder die dazugehörigen Finanzkünstler gefunden: fünf Minister in diesen zehn Jahren allein auf dem Posten des Finanzministers. Schiller und Alex Möller haben die Konsequenzen gezogen. Sie haben vom Tellerrand des Wahltermins gesprochen und von den Tassen im Schrank. Schiller und Möller stehen vor der Geschichte zwar nicht glänzend, aber doch immer noch passabel dar.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Nur, wie drückte es der Finanzminister Matthöfer unlängst in einem Interview aus? Er sagte: Wir sind mit dem Anspruch angetreten und würden die Lebensberechtigung als Partei verlieren, wenn wir nicht das, was wir als vernünftig erkennen, auch gegen Widerstand und unter zeitweiliger Inkaufnahme von Unpopularität durchsetzen würden.

    (Zustimmung des Abg. Grobecker [SPD])

    Herr Minister Matthöfer, nichts setzen Sie durch! Was die Koalition unter Vernunft versteht, wissen wir zur Genüge; sie versteht darunter die Erhaltung der Macht um jeden Preis.

    (Zustimmung des Abg. Haase [Kassel] [CDU/CSU])

    Wir aber verstehen — und damit lassen Sie mich schließen —

    (Wehner [SPD]: Das wäre gut, ja!)

    unter Vernunft, daß man zunächst einmal etwas schaffen muß, um etwas verteilen zu können,

    (Haase [Kassel] [CDU/CSU]: So ist es!)

    und daß das Erwirtschaftete nur einmal verteilt werden kann. Wir wissen auch, daß unser Volk schaffen
    will und schaffen kann. Die Bürger wollen aber
    Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1979 15185
    Carstens (Emstek)

    nicht, daß man sie fortwährend und immer wieder und in steigendem Maße um den Lohn ihrer Arbeit bringt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das, meine Damen und Herren, sind unsere Vorstellungen, damit wollen wir eine Wendung zum Positiven erreichen.
    Aus all den Gründen, die ich hier vorgetragen habe, lehnen wir den Einzelplan 08 des Finanzministers, aber auch den gesamten Bundeshaushalt 1980 ab.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Wehner [SPD]: Es war gewaltig!)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Grobecker.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Claus Grobecker


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich begrüße, daß wir zum Haushalt 1980 zurückgekehrt sind. Der Einstieg des Kollegen Carstens heute morgen war immerhin schon etwas näher an der Sache dran als das, was wir alle zusammen gestern morgen erleben mußten.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Vom Kanzler!)

    — Die Reihenfolge war ja klar. Der Herr Schröder mußte kläffen, und der Herr Strauß mußte verwischen.

    (Sauer [Salzgitter] [CDU/CSU]: Jetzt kommt der Superpolemiker! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Und der Kanzler vernebelt!)

    — Also, hören Sie einmal zu: Wenn Sie sagen, ich sei ein Prolet, dann bin ich stolz darauf, ein Prolet zu sein. Darauf können Sie sich verlassen.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Aus Ihrem Munde finde ich das schon ganz in Ordnung.
    Herr Carstens, wenn wir über den Haushalt 1980 reden und vernünftig darüber streiten — bei Ihnen war das mit dem Streiten ja ein bißchen schwierig, ein bißchen dünn, aber ich will Ihnen nicht zu nahe treten —, gebe ich Ihnen in einem Punkte recht: Das zentrale Thema des Haushalts 1980, das zentrale Thema der Finanzpolitik überhaupt ist — gar kein Zweifel — die Kreditaufnahme. Die Frage ist nur, wie man dieses Thema behandelt und ob man es mit einem ernsthaften Beitrag auch der Opposition versieht, aus dem möglicherweise diejenigen, die hier die Mehrheit haben, nämlich die Koalition, Schlußfolgerungen ziehen können. Ich war nicht ganz sicher, ob das, was Sie heute morgen verlesen haben, die Rede vom letzten oder vom vorletzten Jahr war, aber so ähnlich jedenfalls reden Sie jedes Jahr, ohne auch nur einen einzigen wirklich vernünftigen, aufgreifbaren Vorschlag zu machen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Carstens [Emstek] [CDU/CSU]: Ihre Politik hat sich nicht verbessert!)

    Herr Carstens, wenn es richtig ist, daß dieses Plenum des Deutschen Bundestages der Ort ist, an dem man streitet, an dem man um den richtigen Weg ringt, müßten wir — wir von der Koalition tun das allerdings schon gar nicht mehr, wir Sozialdemokraten ohnehin nicht mehr — von Ihnen einen angemessenen, einen seriösen Beitrag erwarten. Und selbst wenn wir ihn nicht mehr erwarten, könnte es doch sein, daß Ihre Wähler, die Wähler der CDU/ CSU, von Ihnen einen solchen Beitrag erwarten, mit dem man etwas anfangen kann, damit man weiß, wo es nun nach Ihrer Auffassung längs geht. Das haben wir heute morgen vermißt. Das war die Rede vom vorigen Jahr.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)