Her Kollege Löffler, Sie können es dem Protokoll gern entnehmen. Ich habe das, was der Bundesfinanzminiser auf den Tisch legt, als „Sammelsurium" bezeichnet.
Herr Minister, glauben Sie denn nicht, daß wir Ihnen auch eine solche Liste auf den Tisch legen könnten, mit Ihren Forderungen von irgendwelchen Parteitagen oder Zusammenkünften? Geben Sie dieses Spiel doch auf; das ist wirklich unseriös.
Ich möchte, meine verehrten Damen und Herren, festhalten, daß die Regierung die Verantwortung für die Konsolidierung der Haushalte trägt, und dieser Verantwortung wird sie nicht gerecht.
Ich möchte an einiges erinnern. Nur mit Hilfe der Mehrwertsteuer und mit der Abführung der Postablieferung in Höhe von 1,5 Milliarden DM — ich möchte das als „Telefonsteuer" bezeichnen — konnte im Regierungsentwurf die Nettoneuverschuldung auf 28,2 Milliarden DM abgesenkt werden, um die verfassungsrechtlich gezogene Grenze des Art. 115 des Grundgesetzes überhaupt einhalten zu können,
und das auch wiederum nur mit Buchungstricks in Höhe von Milliarden von Mark. Das geht bis an die 5 Milliarden DM heran. Nun versucht man noch, über die höheren Schätzergebnisse der Steuern der. Konsolidierungskosmetik den Anschein einer echten Naturbräune zu geben. Aber mehr als eine Naturbräune ist es wohl nicht.
Als der Kanzler 1976 die Konsolidierung der Staatsfinanzen ankündigte — wie so vieles —, belief sich der Schuldenzuwachs auf 25,8 Milliarden DM. Dann erklärte der Kanzler, die zukünftige Neuverschuldung müsse deutlich niedriger liegen als bisher. Dieses Ziel ist nur einmal 1977 ganz knapp erreicht worden. In diesem Jahr liegt sie bei über 24 Milliarden DM, etwas niedriger als 1977. Aber das steht bis heute doch nur auf dem Papier. Wir sehen doch schon neue Ausgaben auf uns zukommen. Und die Regierung schreibt bei Neuausgaben unter „Dekkung" meistens: Erhöhung der Kredite.
Sie scheinen sämtliches Maß verloren zu haben. Die Sachverständigen sagen Ihnen: Der Konsolidierungsspielraum wurde in der Vergangenheit nicht konsequent genutzt. Aber vielleicht ist auch die Konsolidierung für den Kanzler nicht mehr als ein Modewort.
Wie stellt sich nun die Schuldenpolitik á la SPD/ FDP heute dar? Wir haben eine anhaltend hohe Arbeitslosigkeit. Die Preissteigerungsrate schnellt von 2,1 % auf 5,7 % hinauf.
Früher wurde es einmal bei 5 % ernst, wie man uns sagte. Jetzt verlautet aus dem Wirtschaftsministerium, der Höhepunkt sei schon überschritten. Wissen Sie nicht mehr, wie schwer es war, 1973 mit den Inflationsraten fertig zu werden, und was die Folgen gewesen sind, an denen wir heute noch zu tragen haben?
Die Bundesbank sagt: Inflation hausgemacht. Über die Rede, die Herr Emminger vor einigen Tagen vor deutschen Reedern gehalten hat, bringt das „Handelsblatt" am 10. Dezember 1979 zum Ausdruck: „Seine Rede auf der Jahrestagung des Verbandes deutscher Reeder indes löst Beklommenheit aus."
Die Zinsen steigen und kappen den Aufschwung bereits, bevor er überhaupt richtig angefangen hat. Die
Sachverständigen konstatieren schließlich, daß Sta-
Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1979 15181
Carstens
bilität und Beschäftigung gefährdet blieben und die strukturellen Defizite in Höhe von 20 bis 25 Milliarden DM fortbestünden. Da muß ich Sie doch fragen, Herr Minister: Was haben Sie eigentlich mit den dreißig Milliarden gemacht, von denen Sie behaupten, Sie hätten damit die Beschäftigung gesichert? Nichts haben Sie gesichert.
Sie werden weder mit der Inflation fertig — Sie haben sie nicht im Griff —, noch haben Sie die Arbeitslosigkeit beseitigt, noch haben Sie die Staatsfinanzen konsolidiert. Wo sind diese Gelder denn geblieben? Was haben Sie damit gemacht? Sie sind doch wirkungslos verpufft.
Man muß die Bundesregierung fragen, wie es im kommenden Jahr mit der Stabilitätspolitik weitergehen soll. Wo bleiben denn Ihre Diagnose und Ihre Therapie?
Die Schwierigkeiten und die Risiken an der Stabilitätsfront nehmen von außen wie von innen weiter zu. Darüber kann man nicht so leicht hinweggehen. Es ist ein ungeheuer ernstes Thema, mit dem wir es zu tun haben.
Aber was fragen wir nach stabilitätspolitischen Konzepten von morgen. Die Koalition stellt sich doch jetzt schon wieder auf Entlastungen und Mehrausgaben von übermorgen ein. Es ist offen gestanden eine merkwürdige parlamentarische Arbeitsteilung, der Regierung das Ausgeben, wenn nicht sogar das Verschwenden zu überlassen und der Opposition das Sparen.
Wo hat es denn das überhaupt jemals gegeben? Da macht eine Regierung im Laufe einer Legislaturperiode 130 Milliarden DM neue Schulden, schiebt strukturelle Defizite in Milliardenhöhe vor sich her, hält wichtige international gegebene Verpflichtungen nicht ein und stellt ungeachtet aller ungelösten Probleme steuerliche Entlastungen in Milliardenhöhe in Aussicht, ohne von Ausgabekürzungen nur zu reden
und ohne für den nötigen Gesamtzusammenhang zu sorgen. Meine Damen und Herren von der Koalition, Sie unterliegen einem fundamentalen Irrtum, wenn Sie glauben, heute den Wahlkuchen 1980 verteilen zu können, noch bevor Sie die Äcker bestellt haben. Ihnen fehlt es doch schon am Saatgut hierfür.