Rede von
Manfred
Carstens
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Seit jeher versuchen Regierungen, sich in Wahljahren von ihrer vermeintlich besten Seite zu zeigen. Das war 1972 mit der sogenannten großen Rentenreform der Fall, die dann später mit Walter Arendt zum großen Rentendebakel wurde,
und im Jahre 1976 mit der sogenannten großen Steuerreform, die mittlerweile auch recht unansehnlich geworden ist. Doch für 1980 muß sich die Koalition mit leeren Versprechungen begnügen. Die Kassen sind leer, und die Schulden drücken schwer.
Der Bundeshaushalt 1980 wurde somit schon im Entwurf ein Haushalt ohne Konzeptionen und Zukunftsperspektiven.
Meine Damen und Herren, ich habe schon in der ersten Lesung für meine Fraktion zum Ausdruck gebracht, daß wir mit dem Haushaltsentwurf 1980 überhaupt nicht zufrieden seien, aber trotzdem das Beste daraus machen wollten. Wir sind mit der festen Absicht in die Beratungen des Haushalts 1980 gegangen, die Regierungsvorlage ohne Berücksichtigung steuerlicher Mehreinnahmen um runde 4 Milliarden DM zu verbessern, weil das nach unserer Meinung nicht nur notwendig, sondern auch möglich gewesen wäre, wie unsere Anträge ja gezeigt haben.
Wir tun das, weil wir wissen, daß eine Konsolidierung ohne Kürzungen nicht stattfindet. Wir halten die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte eben für so wichtig, daß sie für uns höchste Priorität hat. Ohne sie findet ein nachhaltiger Aufschwung nicht statt, und ohne sie gibt es auch keinen Abbau der Arbeitslosigkeit.
Herr Bundesfinanzminister, es ist ja wohl ein übler Scherz, bei einer Arbeitslosenquote von 3,3 % — jetzt sogar von 3,5 % — von Vollbeschäftigung zu sprechen, wie Sie das immer wieder tun. Helmut Schmidt sagte 1972, 3 % Arbeitslosigkeit würden für die Bundesrepublik unerträglich sein. In seiner Regierungszeit haben wir bis heute ohne Ausnahme immer höhere Arbeitslosenquoten gehabt. Wenn ich das richtig verstehe, hat der Kanzler wohl sagen wollen, daß eine derartige Politik für das deutsche Volk unerträglich sein muß. Da bin ich voll seiner Meinung.
Sie wissen sehr wohl, daß wir etwa 800 000 Arbeitslose haben. Ich weiß, daß andererseits eine Nachfrage nach Fachkräften besteht und daß es auch Regionen Deutschlands gibt, in denen eine Nachfrage nach Arbeitskräften besteht. Aber wir können doch an diesen 800 000 Arbeitslosen nicht einfach vorübergehen. Im Winter werden es sicherlich wieder 1 Million Arbeitslose sein. Das sind Familienväter, das sind Frauen, das sind Jugendliche. Und der Bundesfinanzminister tut so, als wenn ihn das nichts anginge. Er sagt: Wir haben eine Vollbeschäftigung.
Meine Damen und Herren, die erreichten Ausgabenkürzungen in Höhe von 820 Millionen DM bleiben weit hinter unseren Vorstellungen zurück — leider, muß ich hinzufügen.
In einigen Punkten bestand Kooperationsbereitschaft und Einvernehmen, so vor allem bei der Streichung übermäßiger Stellenanforderungen, bei denen der Finanzminister reichlich großzügig war. Herr Finanzminister, wir mußten im Ausschuß einvernehmlich von den von Ihnen vorgeschlagenen Stellenanforderungen 40 % streichen. Ich meine, daß das Bände spricht. Da sind Sie in Ihrem Haushaltsentwurf viel zu großzügig gewesen.
Wir haben uns weiter einvernehmlich geeinigt bei dem Zuschuß an die Bundesanstalt für Arbeit und bei Kürzungen bei bundeseigenen Unternehmen. Das möchte ich einmal gezielt ansprechen, weil das gestern schon der Kollege Hoppe von der FDP getan hat. Im übrigen hatte ich gestern den Eindruck, Herr Hoppe, daß Sie sich entweder im Debattentermin oder in Ihrem Manuskript versehen hatten.
Was ist denn bei den bundeseigenen Unternehmen passiert? Sie fordern ständig von uns, Ihnen zu sagen, wo Sie kürzen können. Da war ein Ansatz von etwa 300 bis 400 Millionen DM für verschiedene bundeseigene Unternehmen vorgesehen. Wir von der Opposition haben gesagt: Hier ist eine Möglichkeit zu kürzen. Und dann haben wir Sie, Herr Minister, von der Bundesregierung beauftragt, uns einen Vorschlag zu machen. Wie ich zwischenzeitlich gehört habe, hat sich der Staatssekretär Haehser mit den Kollegen Löffler und Hoppe zusammengesetzt. Die haben sich geeinigt und dann vorgeschlagen,
Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1979 15179
Carstens
daß eben auch bei Salzgitter soundso viele Millionen gestrichen werden sollen.
Ich meine, daß wir das auch einvernehmlich mit getragen haben, Herr Kollege Hoppe. Was wollen Sie also mehr? Wir machen Ihnen Vorschläge, wir einigen uns, und hier im Plenum beschweren Sie sich.
Beifall bei der CDU/CSU)
Lassen Sie mich in aller Offenheit eines sagen. Natürlich wären unsere Sparvorstellungen nicht allein durch echte Ausgabekürzungen zu realisieren gewesen. Wir hätten auch Kürzungen bei rechnerischen Größen, bei Schätzansätzen, z. B. bei Geldleistungsgesetzen, vornehmen müssen. Schon aus zeitlichen Gründen war das gar nicht anders möglich.
Aber zweierlei wollten wir besonders deutlich machen. Erstens wollten wir der unseriösen Praxis der globalen Minderausgaben einen Riegel vorschieben. Es ist geheuchelte Sparsamkeit, bei den Haushaltsansätzen zunächst kräftig hinzulangen, um am Ende des Jahres die Erwirtschaftung der Minderausgabe als Sparerfolg zu buchen. Unsere Anträge hätten die Regierung gezwungen, eine echte Minderausgabe zu erwirtschaften, was zu tatsächlichen Einsparungen geführt hätte. Dann wollten wir zweitens vor allen Dingen die Mittel sicherstellen, die nötig sind, um unsere familienpolitische Forderung bezüglich des Familiengeldes schon für 1980 finanzieren zu können. Das war für uns ein ganz wesentlicher Punkt. Hierzu liegt Ihnen ein Antrag meiner Fraktion vor, den ich bei dieser Gelegenheit, Herr Präsident, gerne mit begründen möchte.
Wir haben uns ganz konkret auf diesen Antrag konzentriert. Das Familiengeld für alle Frauen im Jahre 1980 kostet 600 Millionen DM. Wir haben in acht Einzelvorschlägen genau angegeben, wie wir diese 600 Millionen DM erbringen wollen. Wir haben uns mit allen anderen ausgabewirksamen Anträgen zurückgehalten und hier für konkrete Dekkung gesorgt. Ich meine, daß das als eine solide Finanzpolitik der CDU/CSU bezeichnet werden kann.
Mit diesem seriös finanzierten Antrag wollen wir die durch Ihre Politik verursachte unverständliche Ungleichbehandlung von berufstätigen Müttern und in der Familie tätigen Müttern beseitigen.
Ich sage ganz frei heraus: Wir begrüßen sehr, daß berufstätige Mütter das Mutterschaftsgeld für die Erziehung ihrer Kinder bekommen. Das begrüßen wir sehr; ich betone das. Es ist aber durch nichts zu rechtfertigen, daß Mütter, die zu Hause arbeiten und vielfach Großes leisten, bei der Erziehung ihrer Kinder von Staats wegen bestraft werden.
Meine Damen und Herren, das muß schnellstens aufhören, und das wird aufhören, wenn Sie unserem Antrag zustimmen. Darum bitte ich Sie.
Außerdem wäre es bei einer echten globalen Minderausgabe möglich gewesen, zumindest einen Teil der besonders im nächsten Jahr greifenden heimlichen Steuererhöhung zu verhindern.
— Ich komme gleich noch darauf zurück. Sie wissen, daß ich nicht effektive Steuersenkungen für das Jahr 1980 ansprechen will, sondern die Verhinderung heimlicher Steuererhöhungen für das Jahr 1980. Das scheint mir ein ganz wesentlicher Punkt zu sein. Deswegen komme ich gleich noch auf ihn zurück.
Wie schon gesagt, meine Damen und Herren: Wir bedauern, daß die SPD /FDP-Vertreter im Haushaltsausschuß weitergehende Kürzungen nicht mitgemacht haben, obwohl es schon 1979 einige gute Ansätze zur Kooperation gegeben hat. In der Rückschau auf frühere Beratungen will mir allerdings scheinen, daß dieser Kooperationsgeist eher der Tugend leerer Kassen entspringt als dem Geist der Sparsamkeit.
Ich meine, daß darunter auch die rechtzeitige Verabschiedung des Haushalts zu buchen ist. Das wäre in früheren Jahren wahrscheinlich gar nicht möglich gewesen. Aber trotz allem: erwähnenswert ist es schon, daß der Bundeshaushalt erstmals vor Beginn des Haushaltsjahres verabschiedet wurde.
Wir haben uns alle darum bemüht, die Koalition und die Opposition.
— Herr Kollege Grobecker, sehr richtig, von Verhindern kann überhaupt nicht die Rede sein. Wir haben alle mitgemacht, ganz besonders hat der Vorsitzende, mein Kollege Windelen, dazu beigetragen.
Aber leider sind mit der zügigen Beratung nicht auch die Probleme ausgeräumt worden. Zentrales Problem des Bundeshaushalts ist und bleibt die Konsolidierung der Staatsfinanzen.
Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, obwohl Sie zu konsolidieren vorgeben, tun Sie es nicht. Sie tun nur so, als ob Sie konsolidierten, aber in Wirklichkeit tun Sie es eben nicht. Das werde ich Ihnen auch beweisen.
Dabei hat sich die CDU/CSU als Opposition wiederholt bereit erklärt, verantwortlich mitzuhandeln, wenn nur die Regierung ihre Führungspflicht übernimmt. Wir haben unseren Worten auch Taten folgen lassen. Das können Sie doch nicht bestreiten.
15180 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1979
Carstens
Ich nenne dafür auch Beispiele. Wie war es denn mit dem Sparteil des Haushaltsstrukturgesetzes?
Wie war es denn mit den Nachtragshaushalten der letzten beiden Jahre? Da haben wir doch gemeinsam über das hinaus eingespart, was die Regierung vorgeschlagen hat. Das ist doch mit unseren Stimmen geschehen. Beim letzten Nachtragshaushalt haben wir doch über Ihr Maß hinaus 700 Millionen DM zusätzlich zur Kürzung beantragt.
Wir haben doch auch im Haushalt 1980 die Kürzungen zum größten Teil mitgetragen.
Dazu möchte ich Ihnen von der Koalition sagen: Das ist mehr, als Sie in der Zeit Ihrer Opposition je zu leisten bereit gewesen wären.
Ich brauche doch nur an das Wort von Herbert Wehner „Für wen halten Sie uns denn?" zu erinnern, den Rest dieses Ausspruchs kennen Sie, den brauche ich gar nicht mehr vorzutragen. Da kam das mit der Wäsche der anderen Leute.
Noch ein Wort zu Ihnen, Herr Minister Matthöfer, und zu Ihrem Dauerbrenner, zu den sogenannten Zig-Milliarden-Listen über angebliche ungedeckte Forderungen der Opposition. Das ist doch ein unseriöses Sammelsurium aus vielen Diskussionsvorschlägen oder Wünschen einzelner, die einmal diskutiert oder laut gedacht wurden.
Herr Minister, setzen Sie sich gefälligst mit dem auseinander, was auf den Tisch dieses Hauses kommt!