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ID0819116800

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    Plenarprotokoll 8/191 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 191. Sitzung Bonn, Dienstag, den 11. Dezember 1979 Inhalt: Zusätzliche Überweisung eines Gesetzentwurfs an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO 15045A Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung . 15045 A Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1980 (Haushaltsgesetz 1980) — Drucksachen 8/3100, 8/3354 — Beschlußempfehlungen und Berichte des Haushaltsausschusses Einzelplan 04 Bundeskanzler und Bundeskanzleramt -- Drucksache 8/3374 — in Verbindung mit Einzelplan 05 Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts — Drucksache 8/3375 — in Verbindung mit Einzelplan 14 Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung — Drucksache 8/3384 — Schröder (Luneburg) CDU/CSU 15046A, 15047A Löffler SPD 15048A Dr. h. c. Strauß, Ministerpräsident des Freistaates Bayern 15049B, 15120C Wehner SPD 15064 B Genscher, Bundesminister AA 15071 B Dr. Barzel CDU/CSU 15077 A Matthöfer, Bundesminister BMF . . . 15086A Dr. Ehmke SPD 15087A Hoppe FDP 15097A Schmidt, Bundeskanzler . . . . 15103A, 15120B Dr. Kohl CDU/CSU 15111 D, 15128 D Mischnick FDP . 15129B Dr. Blüm CDU/CSU 15132 C Rohde SPD 15141A Cronenberg FDP 15147 C Dr. Marx CDU/CSU 15151A Dr. Corterier SPD 15154 C II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 191. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 11. Dezember 1979 Möllemann FDP 15156D Hauser (Bonn-Bad Godesberg) CDU/CSU 15159B Würtz SPD 15162B Zywietz FDP 15164D Haase (Kassel) CDU/CSU 15167A Dr. Apel, Bundesminister BMVg . . . 15169B Picard CDU/CSU 15170D Namentliche Abstimmung 15172A Einzelplan 35 Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte — Drucksache 8/3395 — 15174A Einzelplan 27 Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen — Drucksache 8/3390 — 15174 C Nächste Sitzung 15174 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . .15175* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 191. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 11. Dezember 1979 15045 191. Sitzung Bonn, den 11. Dezember 1979 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 190. Sitzung, Seite 15019* A, Zeile 10: Statt „Bundesrechtsrahmengesetz" ist „Beamtenrechtsrahmengesetz" zu lesen. Zwei Zeilen weiter muß es statt „Bundesbesoldungsgesetz" „Bundesbeamtengesetz heißen. Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete (r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen* 14. 12. Dr. Aigner* 14. 12. Alber* 14. 12. Dr. Bangemann* 14. 12. Blumenfeld* 14. 12. Brandt 11. 12. Egert 14. 12. Fellermaier* 14. 12. Frau Dr. Focke* 14. 12. Friedrich (Würzburg) * 14. 12. Dr. Früh* 14. 12. Dr. Fuchs* 14. 12. von Hassel* 14. 12. Katzer 14. 12. Dr. h. c. Kiesinger 12. 12. Dr. Klepsch* 14. 12. Lange* 14. 12. Lüker* 14. 12. Luster* 14. 12. Milz 14. 12. Dr. Müller-Hermann* 14. 12. Peiter 11. 12. Dr. Pfennig* 14. 12. Frau Schleicher* 14. 12. Dr. Schwarz-Schilling 13. 12. Dr. Schwencke (Nienburg) * 14. 12. Seefeld* 14. 12. Sieglerschmidt* 14. 12. Frau Tübler 14. 12. Frau Dr. Walz* 14. 12. Wawrzik* 14. 12. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments
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    Rede von Dieter-Julius Cronenberg


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Frau Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Blüm, auf den Teil Ihrer Ausführungen, die ich mal als „Blümsche Märchenstunde" bezeichnen möchte,

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    will ich im Detail nicht eingehen. Aber ich möchte Ihren Vergleich der Parteien mit Konzernen aufgreifen, verehrter Herr Kollege Blüm, wobei mir deucht, daß, wenn die SPD ein Konzern ist, Sie einem Unternehmen angehören, das möglicherweise ein Großkonzern mit einem Vorstandsvorsitzenden ist, der weder den Betriebsrat hört noch Arbeitsdirektoren kennt.

    (Dr. Blüm [CDU/CSU]: Und Sie sind ein Filialbetrieb!)

    Unter diesem Vergleich fühle ich mich als Vertreter eines selbständigen mittelständischen Unternehmens und hoffe, daß ich mit der gebührenden Seriösität auf einen Teil Ihrer Vorstellungen eingehen kann, wobei ich, mindestens was die Renten anbelangt, das Dialogangebot des Kollegen Rohde dankbar aufnehme.
    Bevor ich dies tue, möchte ich aber zwei Feststellungen treffen, die einfach um der Korrektheit willen notwendig sind.
    Erstens. Herr Kollege Höpfinger, Ihre Zwischenfrage in der Sache Mutterschaftsgeld — über diese Fragen wird sich der Kollege Eimer am Donnerstag noch im Detail äußern — läßt vermuten, wir hätten, wie Sie sagen, die Absicht gehabt, die Frauen sozusagen in zwei Gruppen einzuteilen. Ich möchte nochmals wie schon in der damaligen Debatte und wie auch Frau Ingrid Matthäus das sehr deutlich getan hat, hier klarmachen: Uns ging es um die Kinder, uns ging es darum, daß die berufstätigen Mütter bei ihren Kindern sein können. Wir waren der Meinung, das zur Verfügung gestellte Geld, 900 Millionen DM, wäre am besten eingesetzt worden, wenn die Mütter 750 DM bekommen hätten, statt allen, auch den nicht berufstätigen Müttern in gut verdienenden Familien, 300 DM zu geben und die Mütter dadurch zu zwingen weiterzuarbeiten. Denn die arbeiten, wie ich damals schon ausgeführt habe, nicht zum Vergnügen, sondern um ihren Familien einen angemessenen Lebensstandard zu vermitteln.
    15148 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 191. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 11. Dezember 1979
    Cronenberg
    Herr Kollege Blüm, auch Ihnen möchte ich — mit Ihrer Erlaubnis — eine kleine Nachhilfestunde erteilen. Der Preisindex, den Sie hier genannt haben, ist schlicht und ergreifend falsch.

    (Dr. Blüm [CDU/CSU]: Welcher?)

    — Der Vergleich mit den Rentnern. 4,5 % betrug die Rentensteigerung netto. Im Vergleichszeitraum lagen die Preissteigerungen knapp unter 4 %. Das ist weniger und nicht mehr. Lassen Sie sich dies bitte einmal, notfalls vom Arbeitsministerium, vorrechnen! Glauben Sie es mir. Um der intellektuellen Redlichkeit willen bitte ich, dies zu akzeptieren.

    (Zuruf von der SPD: Er will nicht!)

    — Er will nicht? Das ist möglich. Aber das wollen wir nicht unterstellen. Nein, wir wollen ihm keine Boshaftigkeit unterstellen.

    (Dr. Blüm [CDU/CSU]: Wie großzügig!)

    Beachtenswert ist aber in Ihren widersprüchlichen Feststellungen, daß Sie auf die Finanzierbarkeit dieses ganzen Systems unserer sozialen Leistungen nur am Rande eingegangen sind. Die Frage nach der Finanzierbarkeit unseres so viel gelobten sozialen Netzes stellen, heißt aber, den Zusammenhang zwischen Wirtschafts- und Sozialpolitik aufstellen. Gestatten Sie mir, hier ein Zitat des Grafen Lambsdorff zu bringen, der, wie ich meine, in hervorragender Weise diese Interdependenz aufgezeigt hat.
    Eigentlich sollte es eine Banalität sein, — so hat er gesagt —
    daß zwischen Wirtschaftlichem und Sozialem Interdependenzen bestehen. Daß es nicht ganz so banal ist, zeigt die tägliche Wirklichkeit. Trotz dieser Erkenntnis haben wir uns immer wieder gerade in den letzten Jahren mit Forderungen ohne Rücksicht auf wirtschaftlich Machbares auseinandersetzen müssen.
    Bestes Beispiel: Sie heute.
    Manche scheinen zu glauben, daß in der Sozialpolitik im Himmel gefüttert und auf Erden gemolken werden kann und daß jedenfalls Wirtschaftsunternehmen beliebig belastbar sind. Es gibt aber umgekehrt auch Wirtschaftler, die glauben, daß soziale Sicherung eigentlich ein Luxus sei, den man bei wachsendem Wohlstand immer weiter abbauen könne. Die Erkenntnis, daß nur in einer florierenden Wirtschaft auch eine gute Sozialpolitik betrieben werden kann, daß nur in einer florierenden Wirtschaft alle jene Leistungen finanziert werden können, die wir heute für notwendig und sinnvoll halten, diese Erkenntnis hat sich trotz ihrer Evidenz noch nicht überall durchgesetzt.
    Wie Sie aus diesem Zitat des Grafen Lambsdorff sehen, ist, Herr Kollege Blüm, der Zusammenhang von Wirtschafts- und Sozialpolitik

    (Dr. Blüm [CDU/CSU]: Den habe ich nicht bestritten!)

    für uns selbstverständliche Voraussetzung für unsere Überlegungen und Entscheidungen. Ihre übliche Behauptung „Laßt uns das einmal machen, dann
    läuft der Karren, und wir können die wachsenden Ausgaben etwa auf dem Sektor Gesundheit ebenso bezahlen wie die bruttolohnbezogene Rentenanpassung" ist schlicht falsch.
    Professor Biedenkopf hat in der ersten Lesung dieses Haushalts einige, wie ich meine, interessante Ausführungen über die Möglichkeit und den Sinn von Wachstum gemacht, Ausführungen, die ich in Ihr Gedächtnis zurückholen möchte.
    Von dem in den letzten Jahren erreichten Wachstum
    — so hat Professor Biedenkopf ausgeführt —
    ist ein erheblicher Teil — ich glaube, 2 bis 2,5 % -- natürliches Wachstum, der Rest ist künstlich durch Staatsverschuldung, also auf Kosten der nächsten Generationen, angeregt worden, erzeugt worden.
    Er hat also die Frage gestellt, wie wir es in Zukunft mit dem Wachstum halten wollen und welches Wachstum wir erreichen können. Die Antworten und Konsequenzen, die sich aus dieser Fragestellung ergeben, hat er nicht aufgezeigt. Wenn man sich in diesem Zusammenhang klar macht, daß wir — unbestritten — Rationalisierung und Modernisierung unserer Industrie brauchen, um die Wettbewerbsfähigkeit unserer exportorientierten Wirtschaft zu erhalten und somit die notwendigen Arbeitsplätze zu sichern, dann muß man die Frage stellen dürfen: Welche Wachstumsrate brauchen wir denn eigentlich, um die Beschäftigung für unsere Arbeitswilligen und Arbeitsfähigen langfristig herzustellen? 4 oder 4,5 % Wachstum, so sagen uns die Wissenschaftler, seien für die Beschäftigung auf dem jetzigen Niveau erforderlich.
    Sie, Herr Kollege Blüm, haben an anderer Stelle eine andere Antwort auf diese Wachstumsfrage gegeben: Arbeitszeitverkürzung, Sabbat-Jahr, so war es in der „Wirtschaftswoche" zu lesen. Die Finanzierung unserer Sozialetats, Herr Kollege Blüm, und anderer Verpflichtungen, z. B. der Entwicklungshilfe, ist aber nach meiner Überzeugung nicht mit weniger Arbeit, mit weniger Beschäftigten, mit weniger Arbeitszeit und damit mit weniger Sozialbeiträgen zu erreichen. Stabile Sozialbeiträge sind bei wachsenden Ausgaben und Leistungen für unsere Sozialversicherungsträger nicht zu erhalten. Dies ist unmöglich, das ist die Quadratur des Kreises; dies ist nicht seriös. Dies ist eine politische Forderung, die nicht gerechtfertigt ist und die nicht einmal christdemokratische Sozialausschuß-Optimisten erfüllen können.
    Lassen Sie mich in dem Zusammenhang auf eine Bemerkung des Ministerpräsidenten Strauß eingehen, die er heute morgen hier gemacht hat. Er hat erklärt, daß die Sozialbeiträge, die Leistungen für die Sozialversicherungen, der Staatsquote zuzurechnen seien. Ich halte dies für schlicht und ergreifend falsch. Beiträge zur Sozialversicherung dürfen der Staatsquote nicht zugerechnet werden. Für sie erhält man Ansprüche, die nach unserer Vorstellung Eigentumswert haben, wie das z. B. auch bei den Renten der Fall ist. Deswegen ist es intellektuell un-
    Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 191. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 11. Dezember 1979 15149
    Cronenberg
    redlich, unzulässig, dies der Staatsquote zuzurechnen.

    (Beifall bei der FDP)

    Dies wäre der erste Schritt zu einer von uns nicht gewünschten Staatsversicherung, Staatsrente.
    Wer wie ich beklagt, daß dem einzelnen Arbeitnehmer vom erarbeiteten Brutto netto zu wenig übrigbleibt — auch Sie taten dies hier heute, Herr Blüm —, muß auf die Belastungen durch die Sozialbeiträge hinweisen. Soziale Gerechtigkeit müssen wir auch für diejenigen erhalten, die die Beiträge zahlen und erwirtschaften, nämlich für die aktiv Tätigen. Zu hohe Belastungen durch Beiträge zur Kranken-, Arbeitslosen- und Rentenversicherung schränken das frei verfügbare Einkommen der Aktiven ein, beschränken die individuelle Freiheit. Es muß in diesem Zusammenhang erlaubt sein, daran zu erinnern, daß die letzten massiven Einschränkungen der Freiheit durch Beitragserhöhungen in der Rentenversicherung von einer Regierung beschlossen worden sind, in der Franz Josef Strauß, der jetzige Kanzlerkandidat der Union, Finanzminister war. Die Rentenversicherungsbeiträge wurden zu jener Zeit von 14 auf 18 % erhöht,
    Nicht zuletzt das Bemühen um Beitragsstabilität war Grundlage unserer Überlegungen hinsichtlich einer langfristigen Konsolidierung unseres Rentensystems, die in den 32 Thesen der Liberalen zur Alterssicherung in Bremen niedergelegt worden sind. Wer über die Vorschläge der FDP zur Rentenpolitik so diskutiert, wie Sie das gelegentlich tun, muß sich vorhalten lassen, daß dies unseriös ist.
    Vordergründig verspricht es natürlich Erfolg, vor der Wahl uneingeschränkt bruttolohnbezogene Rentenerhöhungen zu versprechen und erst nach der Wahl über die Finanzierung nachzudenken. Wir Freien Demokraten geben der Renten- und Beitragsehrlichkeit den Vorzug. Wir sagen vor dieser Wahl klipp und klar: Wegen des verlangsamten Wirtschaftswachstums und wegen unserer Bevölkerungsentwicklung ist nach unserer Auffassung eine Bruttoanpassungsautomatik nicht mehr durchzuhalten.

    (Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein [CDU/CSU]: Wie will das die sozialliberale Koalition machen?)

    Wir sind für die gleichberechtigte Teilhabe von Rentnern und Arbeitnehmern am allgemeinen Einkommenszuwachs. Das ist sachgemäß, das ist vernünftig, und das ist ehrlich.
    Wir brauchen auch keine Rentenbesteuerung mit schwer lösbaren Steuer- und Finanzverfassungsproblemen. Eine steuerrechtliche Korrektur der Bruttoanpassung würde die Abhängigkeit der Rentenversicherung vom Staatshaushalt vergrößern. Das kann nach unserer Auffassung nicht im Interesse der Rentner liegen. Wir möchten eine durch Beiträge finanzierte Rentenversicherung und keine Staatsrenten. Wir werden uns nachhaltig hierfür einsetzen.

    (Beifall bei der FDP)

    Wir flüchten auch nicht verschämt und versteckt wie die CDU/CSU zu dem Kunstgriff, Abzüge von den Bruttorenten als sogenannten Krankenkassenbeitrag der Rentner zu deklarieren, einen Krankenkassenbeitrag, von dem die Krankenversicherungen im übrigen keinen Pfennig erhalten, wie ich soeben durch meine Zwischenfrage schon deutlich machte.
    Nun weist die CDU, angeführt von ihrem Generalsekretär, aber auch von Ihnen, Herr Kollege Höpfinger, auf die Sozialkomponente beim sogenannten Krankenkassenbeitrag der Union hin. Danach soll für die Rentner mit niedriger Rente eine Freigrenze bei diesem Krankenkassenbeitrag eingeführt werden. Die Freigrenze bedeutet aber im praktischen Ergebnis: Rentner mit geringeren Beitragsleistungen erhalten einen höheren Rentenanpassungssatz.
    Ich habe Verständnis dafür, daß man dies politisch will. Man muß aber dann ehrlich sagen, Herr Kollege Blüm — und das haben Sie eben vermissen lassen —, daß dies im Ergebnis Rentennivellierung ist. Wir Freien Demokraten wollen keine Rentennivellierung. Nach unserer Auffassung richtet sich der Rentenanspruch in unserem bestehenden Rentensystem, dem Umlagesystem, auf Zahlung eines bestimmten Anteils vom jeweiligen Beitragsaufkommen. Dieser Anteil soll ausschließlich durch die Höhe und die Dauer der Beitragsleistung, aber nicht durch irgendwelche Sozialkomponenten bestimmt werden. So haben wir es in unseren Thesen zur Alterssicherung beschlossen. Wir wollen offen und ehrlich und fair mit Ihnen allen auf beiden Seiten des Hauses diskutieren.
    Wir halten es aber für zutiefst unredlich, wie die Union das Leistungsprinzip in der Rentenversicherung zu beschwören und tatsächlich mit konkreten Vorstellungen nichts anderes als Rentennivellierung zu betreiben. Ich darf in diesem Zusammenhang den Kollegen Franke von der CDU/CSU-Fraktion zitieren, der am 29. November folgendes erklärte:
    Es wird deutlich, daß die SPD eine Nivellierung der Renten über stärkere Anpassung der niedrigeren Renten und Besteuerung der hohen Renten anstrebt. Die Leistungsbezogenheit der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung würde damit aufgegeben.
    So Kollege Franke. Soweit, gut.
    Aber hier drängt sich doch der Schluß auf: Wenn die SPD höhere Renten anders behandeln will, ist das Nivellierung und ist aus Ihrer Sicht abzulehnen. Wenn die Unionsparteien mit anderen Methoden, aber im Ergebnis das gleiche tun, ist dies keine Nivellierung, sondern das wird hübsch als Sozialkomponente verkauft.

    (Beifall bei der FDP)

    Und dies halte ich nun einmal für unredlich.
    Herr Kollege Höpfinger, ich befürchte, mit dem Krankenkassenbeitrag der Rentner sind Sie den Minnesängern und Troubadouren — um einen Ausdruck Ihres Parteivorsitzenden Strauß aufzugreifen-
    15150 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 191. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 11. Dezember 1979
    Cronenberg
    der CDU auf den Leim gekrochen. Bei der Partnerrente haben Sie zwar richtig erkannt, daß der CDU- Vorschlag von 1975 utopisch ist. Sie sollten sich aber auch bei der Rentenanpassung gelegentlich Orientierungshilfen bei uns holen. Das würde mindestens Ihre politische Glaubwürdigkeit ein wenig erhöhen.
    In den 60er Jahren waren Sie nicht in der Lage, die von den Gesellschaftspolitikern betriebene Expansion der Sozialausgaben mit den wirtschaftlichen Realitäten in Einklang zu bringen. Eine Folge dieses Fiaskos ist, daß Sie eine Koalition mit den Sozialdemokraten eingegangen sind. Dabei haben Sie die Versicherungspflichtgrenze in der Renten- und Arbeitslosenversicherung aufgehoben und alle Arbeitnehmer in die Versicherungspflicht einbezogen, den Rentenversicherungsbeitrag von 14 auf 18 % erhöht, die arbeitsrechtliche Lohnfortzahlung eingeführt und dadurch die Klein- und Mittelbetriebe ganz besonders belastet und das Sachleistungssystem der Krankenversicherung mit seiner Nivellierung weiter verfestigt.
    Ich werfe den Sozialdemokraten von hier aus nicht vor, daß sie sozialdemokratische Politik machen. Nur haben Sie, die Unionsparteien, diese Politik mitgemacht, ermöglicht, und zwar in einer Koalitionsregierung, in der der Kanzler von der Union gestellt wurde, der Arbeitsminister und der Finanzminister der Union angehört haben. Sie wissen, daß nun jener Finanzminister Ihr neuer Kanzlerkandidat ist. Diese verfehlte Weichenstellung in der Gesellschaftspolitik ist möglicherweise nicht widerrufbar. Mit diesen Fehlentscheidungen haben Sie aber, welche Ironie des Schicksals, Hindernisse aus dem Weg geräumt, die einer Zusammenarbeit von Freien Demokraten und Sozialdemokraten in der Gesellschaftspolitik bis dahin entgegenstanden, weil Sie eben lieber Strategiekommissionen bilden, als wirklich langfristig strategisch zu handeln.
    Dies alles hat dazu geführt, daß Sie nun seit 1969 in der Opposition sitzen. Man sollte meinen, daß das Ursache gewesen wäre, ein wenig dazuzulernen. Dies war aber, wenn man die Ausführungen des Kollegen Blüm hier heute gehört hat, überhaupt nicht der Fall, jedenfalls nicht auf dem Gebiet, das er hier angesprochen hat, nämlich dem der Gesellschaftspolitik. Sie haben sich darauf beschränkt, die Gesetzesvorlagen der Koalition als unzureichend zu kritisieren und durch kostentreibende Änderungsanträge zu überbieten. Beispielhaft möchte ich hier nur folgendes erwähnen: Ihre unredliche Kampagne in der Rentenpolitik, von der Sie eben wiederum ein Musterbeispiel geliefert haben, Ihre Forderung zum Bildungsurlaub, Ihre Forderung zur Zwangsdynamisierung der betrieblichen Altersversorgung, Ihre Forderung zur Erhöhung von Arbeitslosengeld, Sozialhilfe und Kindergeld.
    1975, auf dem Höhepunkt der Rezession, propagierte die CDU die neue soziale Frage mit Milliardenkosten, die Einführung von Erziehungsgeld und Partnerrente. Die CSU, als selbsternannte Vorkämpferin gegen den Sozialismus, steht dem in überhaupt nichts nach. Ich nenne in diesem Zusammenhang den Änderungsantrag der CSU zum Kostendämpfungsgesetz, mit dem die Versicherungspflichtgrenze der Krankenversicherung zu Lasten des gegliederten Systems und der Wahlfreiheit der Bürger heraufgesetzt werden sollte. Ich nenne in diesem Zusammenhang den unglaublichen Gesetzesvorschlag, den die CSU im Bundesrat eingebracht hat, nämlich den Entwiirf zur Änderung des Maschinenschutzgesetzes, durch den über 300000 Einzelhandelsbetriebe in diesem Lande der staatlichen Uberwachung unterzogen werden sollten. Wenn ich dieses Musterbeispiel an Bürokratisierung draußen in Versammlungen darlege, dann glaubt mir niemand, daß dies ein Vorschlag der bayerischen Landesregierung gewesen ist. Ich kann nur wiederholen: Es ist in der Tat so und nicht anders gewesen.
    Ober Ihre verfehlte Rentenpolitik habe ich schon gesprochen. Beide, CDU und CSU, haben bis heute nicht den Mut, von ihrer Rentenpolitik der Illusionen Abschied zu nehmen. Sie sind nach wie vor nichts anderes als bruttolohnbezogene Anpassungsfetischisten.
    Mein guter Rat an Sie, Herr Kollege Blüm: Pilgern Sie doch einmal nach Frankfurt zu Professor von Nell-Breuning; nicht um dort zu beichten, sondern vielleicht um dort Exerzitien abzuleisten, um sich dort einmal von Professor von Nell-Breuning sagen zu lassen, was er zu diesem Fragenkomplex denkt. Ich darf an die Frage erinnern, damit ich keinen Fehler begehe, die Professor von Nell-Breuning am 22. September 1979 im WDR beantwortet hat. Die Frage lautete: In welcher Richtung würden Sie die Weichen stellen, was die Renten angeht? Darauf Professor von Nell-Breuning: „Ich würde ganz eindeutig dafür eintreten, daß das Geschwätz von bruttolohnbezogenen Renten endlich mal aufhört. Mal ganz ehrlich und klar gesagt, mit bruttolohnbezogener Rente kann man nur das System ruinieren, aber nicht dem Rentenbezieher helfen." Herr Professor von Nell-Breuning wird ja wohl als Kronzeuge für eine sinnvolle Politik erlaubt sein. Ich empfehle Ihnen diesen Nachhilfeunterricht sehr gerne.
    Ihre angeblichen politischen Alternativen zu den Konsolidierungsmaßnahmen des 21. Rentenanpassungsgesetzes hätten bereits in diesem Jahr eine Erhöhung der Rentenversicherungsbeiträge erfordert, was mit zusätzlichen Risiken für Arbeitsplätze, Stabilität und damit für das notwendige Wachstum verbunden gewesen wäre. Die Sachverständigenanhörung zum 21. Rentenanpassungsgesetz hat das eindrucksvoll bestätigt. Sie sollten in dieser Frage wirklich nicht nachkarten; es kann sich nicht zu Ihrem Vorteil auswirken.
    Wir Freien Demokraten haben zusammen mit der SPD-Fraktion gegen den Widerstand der Union eine Sozialpolitik durchgesetzt, die den wirtschaftlichen Notwendigkeiten Rechnung trägt. Wir reden nicht von der Einheit von Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik, wir praktizieren sie. Die Union ist offensichtlich nicht dazu in der Lage und wohl auch nicht gewillt, solches zu tun, jedenfalls nicht, Herr Kollege Blüm, nach dem Anschauungsunterricht, den Sie uns heute hier in diesem Hause geboten haben; er lief unter dem Motto: Das Richtige, was Sie gesagt
    Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 191. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 11. Dezember 1979 15151
    Cronenberg
    haben, schnell widerrufen, das Neue, was Sie gesagt haben, war falsch.

    (Beifall bei der FDP und der SPD Dr. Blüm [CDU/CSU]: Wo habe ich denn was widerrufen?)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Marx.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Werner Marx


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Am Vorabend der Entscheidung in Brüssel hat eine Reihe Kollegen der Regierungskoalition — z. B. Sie, Herr Kollege Mischnick — wiederholt Fragen an uns gerichtet, wie wir eigentlich zu dem Thema der Nachrüstung in der NATO stünden und wie wir die Vorschläge zu Abrüstungsverhandlungen oder einer Abrüstungskonferenz aufnähmen.

    (Graf Huyn [CDU/CSU]: Das weiß er doch genau!)

    Ich möchte in aller Kürze darauf antworten, obwohl ich mich, Herr Kollege Mischnick, ein wenig darüber wundere. Denn im Gegensatz zu anderen Fraktionen in diesem Hause können Sie bei uns doch davon ausgehen, daß wir vom ersten Tage an hinsichtlich der Verteidigungsfähigkeit, hinsichtlich der Bereitstellung eigener Truppen und Waffen, hinsichtlich unserer eigenen Bündnispolitik ohne Schwanken eine klare Linie durchgehalten haben. Gehen Sie bitte davon aus, daß diese Linie auch heute unsere Überlegungen leitet. Wir haben — der Herr Kollege Barzel hat es zu Beginn seiner Rede getan — der Regierung für die morgigen Verhandlungen, die, wenn wir in andere NATO-Länder sehen, ja einigermaßen diffizil sein werden, Erfolg gewünscht, nicht daß allein die Regierung einen Erfolg hat, sondern einen Erfolg für uns alle, für das gemeinsame Bündnis, daß wir nämlich in der Lage sein werden, die notwendigen Nachrüstungen in Europa auch tatsächlich durchzuführen.
    Meine Damen und Herren, es war und ist die Politik der Union, darauf hinzuwirken, daß das militärische Gleichgewicht in Europa gehalten oder, wenn sich, wie es gegenwärtig der Fall ist, dieses Gleichgewicht zum Nachteil des Westens verändert hat, wiederhergestellt wird. Deshalb werden wir natürlich jetzt auch, wenn wir aufgefordert sind, versuchen, in aller Kürze die Frage zu beantworten: Warum ist eigentlich Nachrüstung notwendig?
    Der Bundesverteidigungsminister hat ja bei einer bestimmten Gelegenheit erklärt — wir kennen das alle —, wir hätten hinsichtlich der Fähigkeit, Waffen, die jetzt produziert werden sollen, nach Europa zu bringen, eine gewisse Lücke, eine Hungerstrecke zu überwinden. ;,Hungerstrecke" ist mein Ausdruck. Lassen Sie mich bitte, Herr Verteidigungsminister, doch auch die Frage stellen — und ich wäre dankbar, daß Sie sie beantworten, wenn Sie nachher sprechen —: Was ist eigentlich diese Lücke? Wer trägt die Verantwortung dafür, daß es diese Lücke in der westlichen Verteidigungsbereitschaft gibt? Wer hat untätig seit 1973 zugesehen, daß z. B. neue Raketenwaffen, Raketen ohne Beispiel, von großer Fähigkeit, die das Gleichgewicht in Europa bedeutend verändert haben, eingeführt werden? Wer hat eigentlich auf Anträge, auf Bemerkungen meiner Fraktion, auf Forderungen, doch darauf zu achten, und dieses sehr zerbrechliche Gleichgewicht nicht kaputtgehen zu lassen, immer wieder geantwortet, dies sei eben typisch CDU/CSU, die immer nur darauf bedacht sei, bei uns selbst weiter und weiter zu rüsten? Wer hat uns immer wieder vorgeworfen, wir seien eigentlich isoliert, in keinem anderen NATO-Land denke man daran, Nachrüstungen vorzunehmen?
    Jetzt hören wir seit etwa einem Jahr von vielen Stellen der NATO, aus den NATO-Staaten selbst, sorgenvolle Stimmen, die auf das wachsende Übergewicht des Ostens hinweisen und die mahnen, man sollte endlich aus vielen Träumen und Hoffnungen — falschen Hoffnungen, wie ich sage — erwachen und dafür sorgen, daß der Westen das Notwendige zu seiner eigenen Verteidigung tut.
    Ich muß hier, meine Damen und Herren, für die Union sagen, daß die Verantwortung für die Lücke, die festgestellt wird, der Bundesregierung zuzumessen ist. Sie hat, obwohl sie die Dinge ja noch besser kennen muß als die Opposition, bisher in all den Jahren nicht für die Erfüllung der zusätzlichen notwendigen militärischen Aufgaben gesorgt, sondern. sie verharrte unter der Überschrift „Stört uns die Entspannungspolitik nicht!" in der Fiktion, daß beide Seiten unter Entspannung das gleiche verstünden.

    (Zuruf des Abg. Löffler [SPD])

    — Herr Löffler, damit das klar ist: Wir müssen uns darüber sicher noch weiter unterhalten. Wenn wir, der Westen, von Entspannung gesprochen haben, dann haben wir tatsächlich immer eine Minderung der Spannungsursachen gemeint und gewollt. Aber Sie können nicht abstreiten, daß wir, die Union, zur gleichen Zeit darauf hingewiesen haben, daß die Sowjetunion die Formulierung „Entspannung" immer ganz anders versteht, nämlich als eine neue Möglichkeit, einen weiten Schritt in Richtung auf die Erreichung ihrer eigenen Ziele zu machen.