Ich bitte um Entschuldigung, aber ich habe schon zwei Zwischenfragen von Herrn Kollegen Wörner beantwortet.
Lassen Sie mich hinzufügen, daß ich fest überzeugt bin, daß die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika — oder, wie man dort sagt: die Administration — an die Frage der Verhandlungen mit der Sowjetunion über die beiderseitige Begrenzung der eurostrategischen Waffen mit vollem Ernst herangeht. Ich darf Ihnen zitieren, was Cyrus Vance, der amerikanische Außenminister, der entgegen seiner Absicht nicht selber nach Berlin hat fliegen können, gestern dazu hat vortragen lassen: Er hat geschrieben:
Während dieses ganzen Prozesses
— es ist vom SALT-Prozeß die Rede — haben wir
— also die Amerikaner —
von Beratungen mit unseren europäischen Verbündeten profitiert. Wir haben streng darauf geachtet, daß die europäischen Sicherheitsinteressen und Optionen voll gewahrt bleiben. In der nächsten Phase, SALT III, werden diese Konsultationen noch intensiver sein. Die Rolle der Verbündeten bei der Festlegung unseres Vorgehens wird noch direkter sein, wenn die Verhandlungen sowohl Fragen der Mittelstreckenwaffen als auch strategischen Streitkräfte behandeln.
Ich selbst denke — bei all den Geräuschen, die wir in den letzten Wochen und Monaten aus verschiedenen Himmelsrichtungen gehört haben —, daß die 80er Jahre eine breitangelegte Aktivität auf dem Felde der, Rüstungsbegrenzung oder, wie es in der Schlußakte von Helsinki hieß, der Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa sehen werden. Das wird schon mit dem kommenden Jahr, 1980, beginnen. Sie werden es in den nächsten drei Tagen sehen, wenn die Beschlüsse der Verteidigungs- und der Außenminister in Brüssel gegen Ende der Woche veröffentlicht werden. Das bezieht sich auf den SALT-Prozeß, auf die beiderseitige Begrenzung der strategischen Rüstung in West und Ost. Es wird sich auf den MBFR-Prozeß beziehen, d. h. auf die beiderseitige, gleichgewichtige Verringerung der konventionellen Streitkräfte, über die nun seit mehr als sechs Jahren in Wien verhandelt wird.
Sie werden sehen: So wie die Sowjetunion angefangen hat, einen Teil dessen, was dort bisher — ohne Ergebnis — gegenseitig angeboten und gefordert wurde, zu verwirklichen, so wie die Sowjetunion mit der Verringerung ihrer Truppen in der DDR um bis zu 20 000 Mann und mit der Verringerung der Zahl der Panzer um 1000 angefangen hat, einen kleinen, aber einen wichtigen Teil, so wird auch der Westen bereit sein, einen Teil — wie ich denke: einen ziemlich wichtigen — auf westlicher Seite zu verwirklichen: nämlich die Verringerung nuklearer Sprengköpfe um 1000 Stück in Europa.
Gleichzeitig werden wir bei den Wiener Verhandlungen eine westliche Initiative für einen Zwischenvertrag, für ein vereinbartes MBFR-Zwischenergebnis zwischen Russen und Amerikanern vorlegen; das geht sehr wesentlich auf deutsche Initiative zurück. Gleichzeitig sind wir dabei, im Rahmen der Fortsetzung der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa im kommenden Herbst in Madrid vertrauensbildende Maßnahmen zwischen West und Ost vorzubereiten. Ich halte die Chance dafür nicht für klein. Gleichzeitig unterstützen wir — Herr Genscher hat es schon gesagt — die französische gesamteuropäische Abrüstungsinitiative.
Ich bin in all diesen Fragen durchaus zuversichtlich. Ich wiederhole hier, daß es in ganz Europa niemanden gibt, der ein dringlicheres Interesse an der Zusammenarbeit mit dem Osten sowohl auf diesem Felde hat als auch auf anderen Feldern, dem wirtschaftlichen, energiepolitischen, kulturellen, politischen Feld, als wir Deutsche, die wir in zwei Teile geteilt sind.
Damit diese Zusammenarbeit möglich wird, muß unser eigenes Bündnis intakt bleiben, müssen wir uns auf das Bündnis verlassen können, müssen sich unsere Bündnispartner auf die Berechenbarkeit unseres deutschen Handelns verlassen können. Niemand muß Sorge haben, daß wir unsere Pflichten nicht erfüllten. Niemand muß Sorge haben, daß wir mehr wollen, als wir sollen.
Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 191. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 11. Dezember 1979 15111
Bundeskanzler Schmidt
In diesem Zusammenhang hat es mich mit einer gewissen Befriedigung erfüllt, daß der amerikanische Außenminister im Zusammenhang mit dem sozialdemokratischen Parteitag gestern gesagt hat, daß die feste Haltung der deutschen Bundesregierung in dieser Frage und die in Berlin angenommene Entschließung „weitsichtige Beiträge sind, die die Einheit und Entschlossenheit der Allianz bei ihrem Treffen diese Woche in Brüssel stärken werden".
Ich gebe zu, Herr Ministerpräsident, ich habe mich am Schluß weit von Ihrer Rede entfernt. Aber es war eben in Ihrer Rede nicht viel an Politik für die Gegenwart und die Zukunft drin. Es war eine Zettelkastenauseinandersetzung mit vielen Zitaten aus der Vergangenheit. Um 9.30 Uhr, um 9.45 Uhr, um 10 Uhr, um Viertel nach zehn Uhr habe ich mich immer wieder gefragt: Wann kommt es denn nun?
Um 10.25 Uhr haben Sie von Ihren „reichhaltigen menschlichen Begegnungen, gerade mit den ärmeren Schichten der Bevölkerung" gesprochen. Das war lobenswert.
Ich will das ausdrücklich anerkennen.
Am Schluß, Herr Kollege Strauß: Dies war eine im Ton und in der Polemik offensive, in der Substanz völlig defensive Darbietung, die wir gehört haben.
Ich will keine Ratschläge geben, aber doch sagen:
Wenn die öffentliche Meinung unseres Landes von Ihnen den Eindruck gewinnen soll — und das ist doch Ihre legitime Absicht —, daß die Regierung in Ihren Händen gut aufgehoben sei, dann müssen Sie sich mit der Frage auseinandersetzen, wie das denn in Zukunft gehen soll, ob „pacta sunt servanda" ausreicht, wenn jemand gegen alle lebenswichtigen Verträge gestimmt hat, auf denen unsere heutige Außen- und Sicherheitspolitik aufgebaut ist.
Bitte, keine Zwischenfrage!
— Ich rede ja nicht mit Herrn Mertes. Er hat auch nicht polemisiert. Ich rede mit jemandem, der hier nun weiß Gott deftig polemisiert hat. Da werdet Ihr ja wohl aushalten, daß der eine Antwort bekommt!
Ich glaube, Sie müssen sich auch
mit der Frage auseinandersetzen, wie es denn Ihre Zuhörer vereinbaren sollen, daß Sie auf der einen Seite den italiensichen Staatspräsidenten, den Sozialisten Pertini, an die Stelle eines ehemaligen Konzentrationslagers begleiten, wo dessen Bruder umgekommen ist, um anschließend andere Sozialisten wegen ihrer angeblichen Gemeinsamkeiten mit den Nazis zu diffamieren.
Ich gebe zu, meine Herren Zwischenrufer und Herr Kollege Mertes: Das waren zwei polemische Bemerkungen an die Adresse des bayerischen Ministerpräsidenten.
Ich habe hier sechs weitere. Ich erspare sie mir, weil ich erwarte, nicht nur daß er polemisch antwortet — das haben wir von ihm schon eine Stunde 26 Minuten gehört —, sondern daß er zur Sache spricht: was er meint, in Deutschland anders machen zu sollen.