Herr Kollege Wörner, ich verstehe, Sie wollen nicht polemisieren. Ich will in meiner Antwort auch nicht polemisieren. Wir sind bei einem ganz wichtigen Thema. Das, was Sie als Kernfrage bezeichnen, ist eine hypothetische Frage. Sie fing an mit der Einleitung „wenn andere". Ich möchte dieser hypothetischen Frage gegenwärtig keinen Raum geben.
Ich habe zwei Gründe, dieser Art von Diskussion gegenwärtig keinen Raum zu geben. Zum einen stehe ich im vertrauensvollen Gespräch mit einer Reihe von Regierungschefs des Nordatlantischen Bündnisses, die sich in dieser Frage persönlich engagiert haben. Das fängt an mit Jimmy Carter und seinem Außenminister Cyrus Vance, es gilt für Margaret Thatcher und Peter Carrington, für den französischen Präsidenten und seinen Außenminister, es gilt für den italienischen Ministerpräsidenten, für den norwegischen, für den holländischen, Dries van Agt, und seinen Außenminister, van der Klaauw, es gilt für den dänischen Ministerpräsidenten. Das ist der eine Grund, weswegen ich mich hier gegenwärtig zurückhalten möchte. Denn man darf solche vertrauensvollen Gespräche nicht durch öffentliche Diskussionen fortsetzen wollen. Das wäre dann keine Fortsetzung, sondern eine Störung.
Der andere Grund ist, daß ich mich sehr darum bemühe — und ich denke, auch darin sind wir beide wahrscheinlich einig —, daß wir Deutschen in Sachen dieses Doppelbeschlusses — Abrüstungs- und Rüstungskontrollangebot, Begrenzungsangebot auf der einen Seite, Nachrüsten für den Fall, daß die Verhandlungen darüber nicht zu einem ausreichenden Erfolg führen, auf der anderen Seite — nicht so erscheinen, als seien wir in dieser Sache die Wortführer. Wir sollten auch durch unsere eigene öffentliche Selbstdarstellung nicht diesen Eindruck erwecken.
Es handelt sich um eine amerikanische Antwort auf einen sowjetischen Vorgang. Unsere amerikanischen Bündnispartner haben um unsere Zustimmung gebeten. Wir haben ein Jahr lang miteinander über viele Details gesprochen. Sie haben diese Zustimmung bekommen. Das wird in den allernächsten
15110 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 191. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 11. Dezember 1979
Bundeskanzler Schmidt
Tagen formalisiert. Dabei hat unser Schwergewicht ganz besonders auf den Details des Verhandlungsangebots an die sowjetische Seite. gelegen. Es ist doch klar, daß es keine Nation in Europa gibt, die stärker daran interessiert ist, daß das Gleichgewicht der Kräfte in Europa gewahrt werde, daß man auf der Basis des Gleichgewichts beiderseitig Rüstungen verringert, limitiert, auf niedrigere Ebene des Gleichgewichts herunterbringt, keine Nation in Europa, die dringlicher an Zusammenarbeit zwischen Ost und West auf der Basis solchen Gleichgewichts interessiert ist, als die eine geteilte deutsche Nation in der DDR, in der Bundesrepublik, in beiden Teilen Berlins.
Deswegen bitte ich Sie um Verständnis, daß jedenfalls die Bundesregierung kein Interesse daran haben kann und nach pflichtgemäßem Ermessen auch nicht zulassen darf, daß andere uns so hinstellen, als hätten wir ein Interesse daran, in einer solchen Sache innerhalb des westlichen Bündnisses Bündnispartner von verschiedenem Rang einzurichten. Es gibt schon verschiedene Ränge. Es gibt die Vormacht, die Vereinigten Staaten von Amerika, und es gibt außerdem zwei nukleare Mächte, Frankreich und England. Wir möchten nicht auf irgendeine Weise noch zusätzliche Rangabstufungen, die uns betreffen könnten, in das Bündnis einführen.