Rede von
Herbert
Wehner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Sie können das in einer als Frage gestellten Korreferatsbehauptung so ausdrücken. Ich erinnere jetzt nur daran, daß Bundeskanzler Helmut Schmidt in seiner Regierungserklärung 1976 genau diesen Vorgang in Erinnerung brachte, wenn auch nicht unter Nennung der Sitzung, in der es geschah, sondern indem er erklärt hat, was an Hand des Gutachtens des Sozialbeirates zu sehen war und wie man sich dabei dann getäuscht hat.
Das .hat er offen gesagt.
— Ich danke. Es reicht mit dieser einen Frage. Sie werden ja noch Gelegenheit haben, sich bei anderen Möglichkeiten zu rächen.
— Na, Sie werden doch nicht erwarten, daß die Art, die manche von Ihnen der politischen Debatte und Auseinandersetzung meinen unterschieben oder aufdrücken zu können, bei uns etwa Anklang finden wird.
Sie haben das Recht, uns mit Ihrer Meinung zu konfrontieren,
aber es wird Ihnen nicht gelingen,
uns aus dem Stand zu heben, verehrte Herren Leichtgewichtler!
Der Herr Ministerpräsident hat bemerkenswerte Ausführungen zur Nettokreditaufnahme, zum Schuldendienst gemacht. Ich bin dabei, als er das so gesagt hat, an das erinnert worden, was ich vorhin aus dieser bedeutenden Rede vom November 1974 zitiert habe. Das lautete ganz nüchtern, wirklich in jedem Sinne nüchtern:
Wir müssen sie so weit treiben, daß sie ein Haushaltssicherungsgesetz vorlegen müssen oder den Staatsbankrott erklären müssen.
Nun haben wir bisher — ich meine die Regierung — kein Haushaltssicherungsgesetz vorzulegen brauchen und haben auch nicht den Staatsbankrott erklärt. Sie tun etwas Falsches. Das ist so, wie wenn man zur Unzeit jeweils diese berühmten Zeichen . vor ein Gasthaus steckt, als ob da gerade eine Weinzeit oder eine Mostzeit sei, während die längst vorüber oder noch lange nicht gekommen ist; jedenfalls ist Ihre noch lange nicht gekommen.
Es kommt immer wieder auf dasselbe hinaus.
Dann hat es mich, Herr Ministerpräsident, sehr interessiert, daß Sie so eine lange Matthöfer-Einlage gemacht haben. Ich dachte: Nun, das macht er, weil er an dem Tag, an dem Matthöfers Haushaltsplan zur Debatte steht, nicht hier sein kann, was ja dann menschlich verständlich wäre. Oder warum sonst dieses sehr deftige Entrefilet zwischen Schuldendienst und Familienpolitik,
wie es Ihr geschriebener Text darlegt?
Sie sind dann noch einmal auf das sogenannte Rententhema gekommen. Das ist wie beim Stottern oder beim Schluckauf: Es kommt immer wieder — ich kann mir das gut vorstellen —,
genauso wie jetzt mit der „Rentenbesteuerung", mit dieser Erfindung, die Sie uns sozusagen gern unters Hemd kleben möchten.
— Ja, seien Sie doch nicht so prüde und erkundigen Sie sich bei Ihren bayerischen Nachbarn, Sie Baden-Württemberger, ob das schon ein Grund ist, zu sagen: Wo sind wir denn eigentlich?
Das ist unter Erwachsenen doch wohl nicht unvermeidbar, meine Damen und Herren. — Nein, hier sind eben wegen dieser langen Matthöfer-Passage eine ganze Reihe von Dingen plötzlich dem Zwang unterworfen worden, verkürzt wiedergegeben und nur noch wieder genannt zu werden. Ich bin gespannt, ob von Ihren Anhängern im Bundestag gefordert wird, einen Untersuchungsausschuß einzusetzen. Sie selber können das ja nicht, weil Sie nicht
Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 191. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 11. Dezember 1979 15071
Wehner
mehr im Bundestag sind; sonst würden Sie das mit anderen sicher überlegen. Aber Sie haben da ja Herrn Althammer und andere, die unter Umständen sagen würden: Untersuchungsausschuß; wie ist das mit dem Matthöfer? Das kann ja ganz interessant werden.
Das hilft uns aber nicht weg von dem, worüber ernsthaft gesprochen und gestritten — ernsthaft prüfend aufeinander eingehend und zugehend — werden muß. Wenn ich solche Listen von Überschriften hier vortragen würde, wie Sie sie in Ihrem Redemanuskript an einer Stelle haben, die vorzulesen Sie aber dann doch unterlassen haben — Sie haben doch irgendwo „Geschmäckle" —, dann würde sich herausstellen, daß wir ganz gut wetteifern könnten, wenn wir uns z. B. berufen auf: Lohnfortzahlungsgesetz, Betriebsverfassungsgesetz, Arbeitssicherheitsgesetz, Bundespersonalvertretungsgesetz, Heimarbeitsänderungsgesetz, Gesetz über das Konkursausfallgeld, Betriebsrentengesetz, Arbeitsstättenverordnung, Arbeitsstoffverordnung, Jugendarbeitsschutzgesetz, Mitbestimmungsgesetz,
Gerätesicherheitsgesetz, Mutterschaftsurlaubsgesetz, Gesetz zur Beschleunigung und Bereinigung des arbeitsgerichtlichen Verfahrens, Umweltchemikaliengesetz.
So gibt es noch manches, worum wir wetteifern könnten.
Es wäre ja keine Schande. Man würde allmählich merken: Die politischen Kräfte in der Bundesrepublik Deutschland wetteifern und streiten miteinander. Aber irgendwo, an manchen Stellen ergänzen sie einander auch.
Damit beschließe ich meine Betrachtungen zu dieser eigentümlichen Rede, Herr Ministerpräsident und verehrte Damen und Herren des Bundestages.