Wir haben dieses Problem im Kreis der Regierungschefs des Bundes und der Länder besprochen. Wir haben eine gemeinsame Lösung nach harten Verhandlungen erarbeitet. Die bayerische Staatsregierung wird sich an die Gemeinschaftslösung des Bundes und der Länder halten.
Sie hat durch ihre Form der Lösung der Zwischenlagerprobleme die Voraussetzungen dafür geschaffen. Alles andere ist doch nur Polemik oder Irreführung der Offentlichkeit.
Es ist doch ein Widersinn, wenn man gleichzeitig für und gegen dieselbe Sache ist.
Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung" stellt mit Recht fest: „Die Energiepolitik der SPD muß auf Grund solcher Beschlüsse noch mehr aus dem Lot kommen.
Ich erspare es Ihnen aus Gründen der Nächstenliebe, die Haltung der bayerischen SPD zu dem Thema Zwischenlager hier darzustellen. Eine Schilderung des Kölner Karnevalszugs wäre im Vergleich damit noch eine nützliche Angelegenheit.
Ich muß diesen Oberblick mit der kurzen Behandlung eines Problems abschließen, das mit den bisherigen Maßnahmen nicht einmal teilgelöst ist, nämlich des Problems — neben der Versorgung mit Energie zu bezahlbaren Preisen und in ausreichender Menge — der Sicherstellung der Rohstoffversorgung unserer Wirtschaft ebenfalls zu bezahlbaren Preisen und in dem benötigten Umfang.
Weite Teile unserer Wirtschaft sind nur dann existenzfähig, wenn die Versorgung mit wichtigen Rohstoffen gesichert ist. Schlüsselrohstoffe wie Aluminium, Kupfer, Zink, Blei, Zinn und Nickel gehen in nahezu alle Industriezweige ein, die Wachstum, Export und Beschäftigungsstand tragen. Die Importabhängigkeit der Bundesrepublik ist nahezu total. Die Versorgungsrisiken haben sich angesichts der labilen politischen Lage in vielen Rohstofflieferländern stark vergrößert.
Es ist besorgniserregend, wie schleppend die längerfristige Planung für eine ausreichende Rohstoffversorgung der Wirtschaft von der Bundesregierung betrieben wird, und wie sorglos sie auf die Ereignisse der jüngsten Zeit reagiert. Die Verhandlungen über die Ausgestaltung der Rohstofflager bei sogenannten sensiblen Rohstoffen und ihre Finanzierung sind leider nicht von der Stelle gekommen. Für einen 30%igen Importausfall an wichtigen Rohstoffen haben die Rohstoffexperten erschreckende Rückwirkungen auf die Gesamtproduktion in unserem Land errechnet. Bei den zehn wichtigsten Rohstoffen gerieten j e Rohstoff mehrere Millionen Arbeitsplätze in Gefahr. Allein eine Verknappung der Jahreseinfuhren an Chrom um 30 % würde einen Rückgang der gesamten bundesdeutschen Produktion um mehr als 25 % auslösen.
In diesem Zusammenhang ist festzustellen — ich sage es nicht, um Probleme an die Wand zu malen, die wir in der Offentlichkeit nicht gern besprechen —: Der Zugriff der Sowjetunion auf die afrikanischen Rohstoffreserven, die Umklammerung und Einschließung des wichtigsten afrikanischen Rohstofflands Zaire mit Rohstoffreserven, die für Europa von lebenswichtiger Bedeutung sind, hätten die wirtschaftliche Abhängigkeit Westeuropas von Moskau zur Folge. Wir können, auch wenn wir Weltmacht weder sind noch jemals werden, die Augen nicht vor den Tatsachen verschließen, daß die Europäer hier eine gemeinsame Aufgabe haben, sie aber aller Voraussicht nach nur gemeinsam mit den Amerikanern lösen können. Erlauben Sie mir nur die Stichworte: Afghanistan, wo ein treuer Satellit durch einen 150%igen ersetzt worden ist. Südjemen, wo ein treuer Satellit durch einen noch treueren ersetzt wurde, Iran, von wo die Auflösung der internationalen Ordnung droht, für die USA eine Herausforderung von tragödienhafter Größe. Der sowjetische Botschafter hat die Resolution des Sicherheitsrates unterstützt, aber gleichzeitig das wachsende Verständnis der Sowjetunion für die revolutionären Vorgänge im Iran bekundet. In der Weltpresse ist von einer zunehmenden Hinneigung Khomeinis zur Sowjetunion die Rede.
Die labile Lage in den anderen erdölerzeugenden Ländern der arabischen Welt und um sie herum hält an und wird eher noch stärker. Siehe die Vorgänge in Saudi-Arabien, der langjährige Sicherheitspakt zwischen der Sowjetunion und Südjemen, vor wenigen Tagen geschlossen, dort, wo sich mindestens 6 000 Russen, Kubaner und DDR-Deutsche als militärische und polizeiliche Hilfskräfte befinden, mit Stoßrichtung gegen Kuweit, Katar, Oman, Bahrein, Vereinigte Emirate, Saudi-Arabien; der feste sowjetische Zugriff auf Äthiopien mit 12 000 Russen, Kubanern und DDR-Deutschen mit Addis Abeba als Hauptquartier für ganz Afrika; der Zugriff auf Sambia mit 6 000 Kubanern und 200 DDR-Deutschen, auf Mozambique mit 2 000 Kubanern und DDR-Deutschen, Angola mit mindestens 25 000 Kubanern und Lieferung modernster sowjetischer Waffen in gro-
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Ministerpräsident Dr. h. c. Strauß
ßer Menge, dazu Waffenlieferungen und Waffendepots in anderen afrikanischen Ländern.
Das Ganze ist eine große strategische Offensive. Gründe: Mitte der 80er Jahre wird die Sowjetunion ein erdölimportierendes Land werden und aufhören, ein erdölexportierendes Land zu sein. Damit kommt ein Druck auf die Europäer und deren Südflanke sowohl militärstrategisch wie auch rohstoffpolitisch und energiepolitisch in immer größerem Maße zustande. Die Kontrolle der Erdöltransportwege um Afrika herum, auch durch die neuen Stützpunkte in Vietnam, die die Reichweite der sowjetischen Pazifikflotte um 4 500 km erhöht haben, nämlich durch Verlegung in diesem Umfange nach dem Süden. Die Nähe zum Indischen Ozean, zum Horn von Afrika. Gewinnung von Einfluß und Abhängigkeit in Westafrika zur Kontrolle des Südatlantik. Isolierung der USA in Verbindung mit dem anderen Krisenherd Lateinamerika, Abhängigkeit der Europäer bei Erdöl und Rohstoffen aus Afrika.
Ich warne — aus eigener Kenntnis der Dinge und vieler führender Persönlichkeiten — vor der wachsenden Einschüchterung der zu den westlichen Demokratien neigenden schwarzen Präsidenten, und das in Verbindung mit der Zerschlagung des Widerstandes, der Widerstandsbewegungen gegen den kommunistischen Zwangsstaat. Was heute in Angola sich vollzieht, wo 40 % des rohstoffreichen Landes sich in den Häden der UNITAD, einer Widerstandsbewegung, befinden, die von Dr. Jonathan Sawimbi geleitet wird, ist doch eine große Tragödie, ein echtes Drama und ist für den Westen ein Armutszeugnis ohnegleichen: seine Freunde im Stich zu lassen und seine Feinde zu honorieren und zu unterstützen.
Ich warne davor, bei den schwarzen Staatsmännern die Überzeugung geradezu systematisch zu züchten, daß Hinneigung zum Westen, Zusammenarbeit mit. Amerika und Europa den sicheren Untergang bedeute, daß Zusammenarbeit mit Moskau Überleben, Sieg und Macht bedeute. Das Ganze wird einen epidemischen Effekt haben. Wir Europäer werden in den 80er Jahren aufhören, über diese Vorgänge zu lachen, wenn wir dann an die Trauerspiele der 70er Jahre denken, wo diese unheilvolle Entwicklung eingeleitet worden ist.
Da sollen wir mit einem Kanzler in die 80er Jahre gehen, der von diesen Dingen entweder nichts versteht oder gar nichts verstehen will, weil er darüber nichts auszusagen wagt und nichts aussagen kann, weil die Ideologievorurteile seiner Partei und seine eigene Unkenntnis der Probleme ihn daran hindern, mit anderen europäischen Freunden und mit Amerika diese Probleme so rechtzeitig aufzugreifen, daß ihr verhängnisvolles Endergebnis uns erspart bleibt.
Warum klären Sie denn das Volk nicht über die Vorgänge in der Welt und ihren Wetterecken auf?
Warum sagen Sie nicht öffentlich, was Sie gelegentlich denken? Welche Ratschläge haben Sie denn Präsident Carter in Guadeloupe oder bei Ihren Telefongesprächen in der jüngsten Zeit gegeben?
Warum haben Sie den chinesischen Ministerpräsidenten unterhalb der Schwelle der internationalen Höflichkeit behandelt?
Warum geben Sie auf Briefe keine ausreichende Antwort, wie auf meinen Brief vom 11. Oktober 1979? Mit der Frage, die in diesem Brief gestellt ist, Herr Bundeskanzler, möchte ich Sie hier in den letzten Sätzen meiner Ausführungen konfrontieren. Ich habe in diesem Hohen Hause im Januar 1973 als erster Abgeordneter der Fraktion der CDU/CSU mit ihrer vollen Ermächtigung das Wort „pacta sunt servanda" als die Haltung der Union gegenüber rechtmäßig zustande gekommenen, wenn auch von ihr nicht begrüßten, in der Formulierung weitgehend von ihr abgelehnten Verträgen verkündet. Ich habe dies bei meinem Besuch in Budapest im Gespräch mit Herrn Kadar wiederholt. Ich habe das nachher auch in der Offentlichkeit in einer Fernsehsendung getan. Daraufhin hat mir die sowjetische Nachrichtenagentur Nowosti vorgehalten, daß mein Bekenntnis „pacta sunt servanda nicht glaubwürdig sei, weil ich die Schlußfolgerung, daß mit diesen Verträgen die Anerkennung der Teilung Deutschlands in zwei Nationen automatisch verbunden sei, abgelehnt hätte. Wer ja sage zu diesen Verträgen, der müsse auch ja sagen zur Anerkennung der Zweiteilung Deutschlands nicht nur in zwei Staaten, sondern in zwei Nationen.
Ich vertrete die Auffassung, daß nicht die vertragschließenden Partner das deutsche Verfassungsrecht verändern können, sondern daß die Verträge nur innerhalb der Grenzen des geltenden Verfassungsrechts ausgelegt werden können.
Es gibt doch nicht den geringsten Zweifel daran, daß nach unserem Grundgesetz — dargelegt in den beiden Urteilen von 1973 und 1975 — jede Erklärung, mit den Verträgen sei auch die Anerkennung der Zweiteilung Deutschlands in zwei Nationen verbunden, einen glatten Verfassungsbruch darstellen würde. Ich habe deshalb sowohl in der Offentlichkeit wie im Gespräch mit sowjetischen und anderen Partnern aus diesem Bereich klargelegt, daß sich „pacta sunt servanda” auf die Erfüllung dieser Verträge bezieht, daß aber daraus nicht weitergehende Schlußfolgerungen für die ewige Teilung Deutschlands oder für die Anerkennung der Teilung Deutschlands in zwei Nationen gezogen werden dürfen.
Ich habe gegenüber Herrn Jury Schukow oder vor wenigen Tagen Kodriaschow und anderen erklärt, daß der Herr Bundeskanzler hier genauso denkt wie wir und daß jeder Versuch, etwa hier die Deutschen in schlechte Deutsche und gute Deutsche, Entspannungsdeutsche und Gegenentspannungsdeutsche, friedliebende Deutsche und nichtfriedliebende
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Deutsche einzuteilen, zum Scheitern verurteilt sei. Aber ich erwarte von Ihnen, daß Sie mir auf diesen Brief antworten, Herr Bundeskanzler, in dem ich Ihnen vor sechs Wochen die Frage gestellt habe: Sind Sie der Meinung, daß das Bekenntnis „pacta sunt servanda" auch die Anerkennung der Teilung unseres Volkes in zwei Nationen einschließe, oder sind Sie mit mir der gegenteiligen Meinung? Warum antworten Sie denn nicht in der Offentlichkeit? Warum geben Sie mir denn keine Antwort darauf? Sagen Sie es doch einmal, damit dieser ewige Auslegungsschwindel ein Ende nimmt, mit dem man den einen gegen den anderen ausspielen kann.
Und was haben Sie denn in Budapest gesagt, als Sie davon sprachen — ich bin ja hier nur auf Zeitungsmeldungen angewiesen —, die Preußen seien keine Deutschen gewesen, sondern ein Volk, die Boruzzen, die eher litauisch gesprochen hätten? Was hat denn das für einen Sinn? Natürlich gehört Preußen zu Deutschland, gehört Preußen zur deutschen Geschichte. Das darf ich als Bayer sagen, als einer, der sich immer zum Zusammenhalt der deutschen Nation bekannt hat.
Warum sagen Sie denn, Sie hören das Wort Wiedervereinigung nicht gerne? Das ist doch aus dem Munde eines Kanzlers eine Belastung. Wir alle wollen den Zusammenschluß der Deutschen in einer freiheitlichen gesamtstaatlichen Ordnung, wie immer man ihn bezeichnet. Hier muß eben langatmige geschichtliche Strategie auf unserer Seite gegenüber hartnäckigem zähem Machtwillen auf der anderen Seite stehen. Wenn wir nicht mehr den Tag erleben, dann dürfen wir nichts, aber nichts verspielen, damit unsere Kinder oder unsere Enkel diesen Tag erleben. Das ist doch deutsche Politik und ist auch langfristige deutsche Politik.
Auf diese Fragen, Herr Bundeskanzler, können nur Sie die Antwort geben. Geben Sie eine Antwort in der Klarheit der Sprache, wie es der Ernst der Sache verlangt!