Rede von
Dr.
Franz Josef
Strauß
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Bei mir ist es kein Irrtum, aber bei Ihnen gilt, was ein großer Dichter geschrieben hat: Zuweilen schläft auch Homer.
Denn Sie haben anscheinend geschlafen, als der Kollege Matthöfer seinerzeit diese Vorwürfe hier in meiner Abwesenheit — was ich ihm nicht übelnehmen kann und auch nicht übelnehme — erhoben hat, und deshalb nutze ich im Rahmen einer Haushaltsrede die Diskussion über ein Thema, für das ich jederzeit meinen Kopf hingehalten habe und weiter hinhalten werde, dazu, offenkundige Unwahrheiten, die noch mit der Behauptung, man kenne den Text und die Zahlen ganz genau, hier verbreitet worden sind, richtigzustellen, und das ist doch mein gutes Recht, Herr Kollege Wehner.
Denn ein Bundesminister, obendrein ein Finanzminister, der Darlehen und Bürgschaft nicht voneinander unterscheiden kann, ist doch selbst für Ihre großzügigen Verhältnisse etwas starker Tobak.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt in diesen zehn Jahren eine Reihe von Versäumnissen in der Innenpolitik. Ich darf sie nur stichwortartig erwähnen, zunächst die Familienpolitik und, damit zusammenhängend, die ganze Bevölkerungsentwicklung. Ich bin nicht der Meinung, daß Familienpolitik automatisch Bevölkerungspolitik ist, aber ich halte auch gar nichts davon, wenn der Bundeskanzler es sogar begrüßt, daß die Zahl der Menschen bei uns abnimmt, wenn Mitglieder der Bundesregierung sagen, es sei nicht die Aufgabe der Regierung, die Geburtenrate zu prämiieren, und ähnliche Äußerungen mehr machen.
Sie wissen doch ganz genau, daß mit der Entwicklung unserer Bevölkerungszahl das Stehen oder Fallen, das Überleben oder Zusammenbrechen unseres sozialen Sicherheitssystems und unserer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit automatisch verbunden sind.
Ich habe doch immer vor dem Aberglauben gewarnt, man könnte das Netz der sozialen Sicherung verselbständigen, aus dem gesamten Funktionszusammenhang herausnehmen und so tun, als ob es aufrechterhalten werden könnte, gleichgültig, wie unsere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und zugleich unsere finanzielle Ertragskraft sich entwickeln.
Der Herr Bundeskanzler gebrauchte in seiner Rede auf dem Parteitag Ausdrücke, die Ihnen, Herr Schmidt, sicherlich einer aufgesetzt hat, denn Ihnen traue ich sie gar nicht zu. Sie sagten: CDU und CSU wollen in die voremanzipatorische Epoche der Frau zurückkehren. Da kann ich nur sagen: Krampf, laß nach!
Lassen Sie doch diese geschwollene Ausdrucksweise!
Außerdem möchte ich einmal in aller Deutlichkeit sagen, daß die Tätigkeit als Hausfrau und die. Tätigkeit als Familienmutter auch für eine emanzipierte Frau selbstverständlich möglich sind. Das möchte ich in aller Deutlichkeit sagen!
15060 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 191. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 11. Dezember 1979
Ministerpräsident Dr. h. c. Strauß
Ich habe auf Grund meiner reichhaltigen menschlichen Begegnungen — —
— Ja, Sie sollten das bei jemandem, der im Gegensatz zu Ihnen die Beziehung zum Wähler nie verloren hat, nicht mit Gelächter quittieren! Ich weiß noch, wie es unten aussieht.
Ob ich mit Dienstwagen fahre oder nicht, das ändert nichts an meinem Verhältnis zur Bevölkerung, gerade zu den ärmeren Schichten unserer Bevölkerung.
Bei Ihnen scheint das umgekehrt zu sein.
Ich habe bei dieser Fülle von vielfältigen Begegnungen — auch im Zusammenhang mit der Tätigkeit meiner Frau im Caritas-Verband und in Multiple-Sklerose-Hilfsorganisation — viele tragische Schicksale kennengelernt. Ich habe volles Verständnis für die Notwendigkeiten, Nöte und Bedürfnisse der Alleinstehenden, denen man die Last erleichtern, denen man zu Hilfe kommen muß, aber nicht damit, daß man glaubt, durch Betonung der Emanzipation als Idealziel die Auflösung der Familie und damit die Herabsetzung des Berufs der Hausfrau und Familienmutter erreichen zu können.
Die SPD wirft mir wahrheitswidrig vor, daß von Bayern die Spannung in der deutschen Bildungspolitik, die Spaltung der Kultusministerkonferenz und damit auch die Belastung der zukünftigen Bildungspolitik ausgegangen sei. Sie sollten spätestens nach der großartigen Rede meines Kollegen Hans Maier, des bayerischen Kultusministers, in diesem Hause diese Lüge nicht mehr verbreiten und, wenn Sie Anstand hätten, diese Unwahrheit zurücknehmen.
Der Freistaat Bayern und die bayerische Regierung mit mir an der Spitze stehen hier auf einer gemeinsamen Linien der Kultusminister aller unionsregierten Länder.
Ich darf Ihnen weiter sagen, daß ich überhaupt keine Voreingenommenheit für oder gegen irgendein Schulsystem habe,
weder dafür noch dagegen. Ich bin rein sachbezogen.
Die gegliederte Schule ist schülerfreundlicher, elterngerechter und leistungsgünstiger als jedes andere Schulsystem, insbesondere als die integrierte Gesamtschule in Flächenstaaten.
In Niedersachsen mußte ja die Regierung ein Erbe
übernehmen, mit dem sie zurechtkommen muß. Wir
alle haben die Aufgabe, einen Weg zu finden, daß
die Kinder nicht die Opfer sozialistischer Bildungspolitik und sozialistischer Alleingänge werden.
In der gegliederten Schule ist es leichter möglich, echte Begabungen zu entdecken, nachhaltig zu fördern, zu pflegen und zur vollen Entwicklung und Entfaltung zu bringen.
Herr Bundeskanzler, Sie weisen darauf hin, daß sich die Zahl der Abiturienten vermehrt habe. Mit der Zahl der Abiturzeugnisse können Sie doch nicht die Begabungen vermehren.
Das ist doch der Wahn gewesen, daß der Mensch beim Akademiker beginne, daß die gehobene Berufsausbildung nur mit dem Abitur beginnen könne. Es geht darum, mit Abitur und Universitätsdiplomen die wirklichen Begabungen in unserem Lande, die nicht allzu zahlreiche Schicht der Begabten und Geeigneten, nachhaltig zu fördern.
Ich sage Ihnen auch ganz genau warum: Wir sind ein Land mit wenig Energiequellen, ein Land so gut wie ohne Rohstoffe. Wir leben vom Rohstoff Geist. Wir wären doch nie an diese Stelle in der Industriegesellschaft in der Welt vorgerückt, wenn bei uns nicht in den großen Pionierjahrzehnten der deutschen Vergangenheit und Gegenwart große Wissenschaftler, Techniker und Pioniere der Unternehmerschaft, gestützt auf eine fleißige, leistungsfähige Arbeitnehmerschaft, das zustande gebracht hätten, was man im Ausland leider „das deutsche Wunder" nannte. Dem verdanken wir unseren Lebensstandard, nicht dem Geschwätz und nicht den sozialkritischen Modellentwerfern für eine utopische Heilsgesellschaft des nächsten Jahrhunderts.
Zurück zur Familienpolitik. Zu ihr gehört nicht nur, die Reform des Familienlastenausgleichs vorzunehmen, dazu gehört nicht nur, die wohnungsmäßige Unterversorgung gerade der kinderreichen Familien zu beseitigen. Dazu gehört auch die Beseitigung der ideologischen Blindheit in der Steuerpolitik. In der Steuerpolitik dürfen Sie doch nicht davon ausgehen, daß das erarbeitete Einkommen von vornherein dem Staat gehört und daß der Staat gewisse Abstriche macht, die der einzelne dann als Verfügungseinkommen für sich in Anspruch nehmen kann.
Diese Ideologie steckt doch hinter der Ablehnung der Kinderfreibeträge. Ich habe kein Verständnis — und auch die Offentlichkeit hat es nicht — für eine Regierung, die von Abbau der Bürokratie spricht, von der Unlesbarkeit, wie gesagt, der Rechnungen der öffentlichen Dienstleistungsbetriebe, die aber dann bei einem relativ kleinen Kinderbetreuungsbetrag einen Individualnachweis verlangt, doch damit nur die Ausstellung von Gefälligkeitszertifikaten fördert und damit auch noch gegen den
Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 191. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 11. Dezember 1979 15061
Ministerpräsident Dr. h. c. Strauß
Grundsatz handelt: „Und führe uns nicht in Versuchung". Damit beweist sie, daß ihr ideologische Voreingenommenheit wesentlicher ist als die Lösung der Probleme in der Sache.
Hier müssen sie einmal ein Zeichen setzen.