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    Plenarprotokoll 8/186 Bundestag Deutscher Stenographischer Bericht 186. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 15. November 1979 Inhalt: Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Adams und Sick 14611A Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Siebzehnten Strafrechtsänderungsgesetzes — Drucksache 8/3067 — Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses — Drucksache 8/3313 — in Verbindung mit Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Wehrstrafgesetzes — Drucksache 8/3067 — Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses — Drucksache 8/3313 — in Verbindung mit Zweite Beratung des von den Abgeordneten Dr. Klein (Göttingen), Erhard (Bad Schwalbach), Dr. Lenz (Bergstraße), Dr. Möller, Dr. Pinger, Dr. Stercken und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines ... Strafrechtsänderungsgesetzes — Drucksache 8/2282 — Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses — Drucksache 8/3313 — Dr. Klein (Göttingen) CDU/CSU . . . . 14611 C Coppik SPD 14613A Kleinert FDP 14614 C Dr. Vogel, Bundesminister BMJ . . . . 14615A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Schutz vor gefährlichen Stoffen (Chemikaliengesetz) — Drucksache 8/3319 — Frau Huber, Bundesminister BMJFG . . 14616 C Dr. Hammans CDU/CSU 14619 C Fiebig SPD 14621 A Spitzmüller FDP 14623A Dr. Riesenhuber CDU/CSU 14624 B Konrad SPD 14626 B Wolfgramm (Göttingen) FDP 14628B Dr. Gruhl, fraktionslos 14629 C Baum, Bundesminister BMI 14631 B II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 186. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. November 1979 Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Energiesicherungsgesetzes 1975 — Drucksache 8/3056 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft — Drucksache 8/3343 — Dr. Narjes CDU/CSU 14634 D Wolfram (Recklinghausen) SPD . . . 14635 D Zywietz FDP 14637 C Dr. Graf Lambsdorff, Bundesminister BMWi 14638 D Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht zum Ersten Eherechtsreformgesetz — Drucksache 8/3338 — in Verbindung mit Beratung der Ubersicht 12 des Rechtsausschusses über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht — Drucksache 8/3316 — Dr. Lenz (Bergstraße) CDU/CSU . . . 14640B Dürr SPD 14640 D Kleinert FDP 14641 C Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Zimmermann, Spranger, Gerlach (Obernau), Berger (Herne), Biechele, Hartmann, Dr. Bötsch, Regenspurger, Broll, Dr. Laufs, Dr. Jentsch (Wiesbaden), Dr. Langguth, Sick, Krey, Kiechele, Schwarz, Gerster (Mainz), Dr. Wittmann (München), Dr. Kunz (Weiden), Dr. Ritz, Röhner, Neuhaus, Dr. Jobst, Dr. Jenninger, Engelsberger, Dr. Schneider, Graf Huyn, Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein, Dr. Waigel, Gerstein und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Waffenrechts — Drucksache 8/3259 — Spranger CDU/CSU 14642 A Pensky SPD 14643 C Dr. Wendig FDP 14645 C von Schoeler, Parl. Staatssekretär BMI . 14646 D Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Achten Gesetzes zur Änderung des Häftlingshilfegesetzes — Drucksache 8/3292 — 14648 B Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Dr. Marx, Dr. Abelein, Jäger (Wangen), Baron von Wrangel, Böhm (Melsungen), Dr. Gradl, Graf Huyn, Straßmeir, Schmöle, Dr. Hennig und der Fraktion der CDU/CSU Wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte in der DDR — Anwendung des am 3. Januar 1976 in Kraft getretenen Menschenrechtspakts der Vereinten Nationen —— Drucksachen 8/2503, 8/3188 — in Verbindung mit Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Dr. Marx, Dr. Abelein, Jäger (Wangen), Baron von Wrangel, Böhm (Melsungen), Dr. Gradl, Graf Huyn, Straßmeir, Schmöle, Dr. Hennig und der Fraktion der CDU/CSU Selbstbestimmungsrecht des Deutschen Volkes sowie bürgerliche und politische Rechte in der DDR — Anwendung des am 23. März 1976 in Kraft getretenen Menschenrechtspakts der Vereinten Nationen —— Drucksachen 8/2504, 8/3188 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Abgeordneten Jäger (Wangen), Dr. Marx, Dr. Abelein, Baron von Wrangel, Böhm (Melsungen), Sauer (Salzgitter), Graf Huyn, Lintner, Straßmeir, Dr. Jaeger und der Fraktion der CDU/ CSU Verletzung des Vier-Mächte-Status durch Ost-Berlin — Drucksache 8/3204 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Abgeordneten Jäger (Wangen), Graf Huyn, Dr. Abelein, Baron von Wrangel, Böhm (Melsungen), Lintner, Sauer (Salzgitter), Schmöle, Dr. Gradl, Dr. Arnold, Dr. Marx, Straßmeir, Dr. Jaeger und der Fraktion der CDU/CSU Zustände in den Haftanstalten der DDR — Drucksache 8/3205 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU 3. Strafrechtsänderungsgesetz der DDR vom 1. August 1979 — Drucksache 8/3125 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Abelein, Dr. Marx, Jäger (Wangen), Dr. Dregger, Graf Huyn, Dr. Kunz (Weiden), Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 186. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. November 1979 III Schmöle, Lintner, Baron von Wrangel, Straßmeir, Böhm (Melsungen), Niegel, Würzbach, Dr. Hennig, Röhner und der Fraktion der CDU/CSU Verletzung der Menschenrechte an der innerdeutschen Grenze — Drucksache 8/3326 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Abelein, Dr. Marx, Dr. Dregger, Baron von Wrangel, Böhm (Melsungen), Dr. Hennig, Lintner, Graf Huyn, Schmöle, Straßmeir, Würzbach, Niegel, Dr. Kunz (Weiden), Röhner, Jäger (Wangen) und der Fraktion der CDU/CSU Verstärkung und Ausbau der Institutionen der Vereinten Nationen zum Schutz der Menschenrechte — Drucksache 8/3327 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Abelein, Dr. Marx, Jäger (Wangen), Dr. Dregger, Graf Huyn, Schmöle, Lintner, Baron von Wrangel, Straßmeir, Dr. Hennig, Würzbach, Niegel, Dr. Kunz (Weiden), Böhm (Melsungen), Röhner und der Fraktion der CDU/CSU Verwirklichung des Menschenrechts auf Freizügigkeit für die Deutschen in der DDR — Drucksache 8/3328 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Abelein, Dr. Marx, Jäger (Wangen), Dr. Dregger, Graf Huyn, Schmöle, Lintner, Dr. Hennig, Baron von Wrangel, Straßmeir, Würzbach, Niegel, Dr. Kunz (Weiden), Böhm (Melsungen), Röhner und der Fraktion der CDU/CSU Presse- und Informationsfreiheit in der DDR — Drucksache 8/3329 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für innerdeutsche Beziehungen zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Hennig, Baron von Wrangel, Graf Huyn, Böhm (Melsungen), Lintner, Graf Stauffenberg, Dr. Abelein, Jäger (Wangen) und der Fraktion der CDU/CSU Sicherheit der Transitreisenden — Drucksachen 8/2570, 8/3340 — Jäger (Wangen) CDU/CSU 14649 C Jahn (Marburg) SPD 14654 A Hoppe FDP 14659 C Franke, Bundesminister BMB . 14662 B, 14704 D Graf Huyn CDU/CSU 14667 D Schlaga SPD 14670 D Ludewig FDP 14674 C Dr. von Weizsäcker CDU/CSU 14677 D Frau Schlei SPD 14680 B Straßmeir CDU/CSU 14682 C Jung FDP 14685 A Böhm (Melsungen) CDU/CSU 14688 A Frau Dr. Balser SPD 14691 B Dr. Hennig CDU/CSU 14693 D Hofmann (Kronach) SPD 14696 D Lintner CDU/CSU 14698 B Schulze (Berlin) SPD 14700 D Baron von Wrangel CDU/CSU 14703 A Büchler (Hof) SPD 14706 C Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung einer Stiftung ,,Hilfswerk für behinderte Kinder" — Drucksache 8/3293 — Zander, Parl. Staatssekretär BMJFG . 14708 A Burger CDU/CSU 14709 A Kuhlwein SPD 14709 C Eimer (Fürth) FDP 14710 D Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung der Wirtschaftspläne des ERP-Sondervermögens für das Jahr 1980 (ERP-Wirtschaftsplangesetz 1980) — Drucksache 8/3306 — 14711 C Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes — Drucksache 8/3274 — Rühe CDU/CSU 14711 D Weisskirchen (Wiesloch) SPD 14713 C Dr. Dr. h. c. Maihofer FDP 14715 A Dr. Schmude, Bundesminister BMBW . 14715 B Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Gewerbeordnung — Drucksache 8/3077 — IV Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 186. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. November 1979 Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 8/3346 — 14717 D Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Tabaksteuergesetzes (TabStG 1980) — Drucksache 8/3114 — Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses — Drucksache 8/3349 — 14718 A Erste Beratung des von den Abgeordneten Engelsberger, Dr. Kreile, Dr. Warnke, Dr. Narjes, Dr. Waigel, Röhner, Dr. Jobst, Dr. Kunz (Weiden), Pohlmann, Dr. Voss, Niegel, Regenspurger, Kiechle, Haberl, Frau Fischer, Dr. Jenninger und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Investitionszulagengesetzes — Drucksache 8/3298 — 14718 C Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Kaffee-und Teesteuergesetzes — Drucksache 8/3297 — 14718 C Nächste Sitzung 14718 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 14719* A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 186. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. November 1979 14611 186. Sitzung Bonn, den 15. November 1979 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 175. Sitzung, Seite IV, linke Spalte: Unter Anlage 9 ist statt „Susset (SPD)” zu lesen: „Susset (CDU/ CSU)” Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen* 16. 11. Dr. Aigner* 16. 11. Alber* 16. 11. Dr. Bangemann* 16. 11. Biechele 16. 11. Blumenfeld* 16. 11. Brandt* 16. 11. Dr. Ehrenberg 15. 11. Ey 16. 11. Fellermaier* 16. 11. Frau Dr. Focke* 16. 11. Friedrich (Würzburg) * 16. 11. Dr. Früh* 16. 11. Dr. Fuchs* 16. 11. Haberl 16. 11. Hansen 16. 11. von Hassel* 16. 11. Immer (Altenkirchen) 16. 11. Katzer 16. 11. Dr. Klepsch* 16. 11. Dr. Köhler (Duisburg) * 16. 11. Kroll-Schlüter 15. 11. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Lagershausen 16. 11. Lange* 16. 11. Lücker* 16. 11. Luster* 16. 11. Müller (Mülheim) 16. 11. Dr. Müller-Hermann * 16. 11. Offergeld 16. 11. Pfeifer 15. 11. Dr. Pfennig* 16. 11. Porzner 16. 11. Rosenthal 16. 11. Frau Schleicher* 16. 11. Schröder (Luneburg) 15. 11. Dr. Schwencke (Nienburg) * 16. 11. Seefeld* 16. 11. Sieglerschmidt* 16. 11. Stöckl 16. 11. Dr. Todenhöfer 16. 11. Frau Tübler 16. 11. Frau Dr. Walz* 16. 11. Wawrzik* 16. 11. Werner 16. 11. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments
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    Rede von Karl Hofmann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf kurz auf das eingehen, was Herr Dr. Hennig eben zu der Grenze gesagt hat. Ich kann nicht ganz glauben, daß die innerdeutsche Grenze eine Grenze wie zwischen zwei Bundesländern sei. Ich empfehle dem Verfassungsgericht, das das geschrieben hat, geradezu, sich einmal die Grenze zwischen Bayern und Baden-Württemberg und die Grenze zwischen Bayern und der DDR anzusehen. Das stimmt auch überhaupt nicht mit dem überein, was der Kollege Böhm äußerst anschaulich geschildert hat: wie nämlich das Sterben an dieser innerdeutschen Grenze vor sich geht. Er hat das sehr anschaulich, sehr plausibel gemacht.
    Er hat nur eines vergessen — das kam in seinen Ausführungen zumindest nicht deutlich genug zum Ausdruck —: An dieser Grenze wird nicht erst gestorben, seitdem wir in Bonn eine sozialliberale Re-



    Hofmann (Kronach)

    gierung haben. Es wurde schon viele, viele Jahre davor gestorben.

    (Bundesminister Franke: Seitdem wird kaum noch gestorben! — Zuruf von der CDU/CSU)

    — Das ist nun der schlimmste Zwischenruf, den Sie machen konnten. Sie können mir nicht einreden, daß mit der Schlußakte von Helsinki und mit dem Grundlagenvertrag an der Grenze schlechter gestorben würde als ohne.

    (Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: Seitdem ist es wesentlich schlimmer! — Pfeffermann [CDU/CSU]: Es wird weiter gestorben! Das ist der Erfolg!)

    — Nein. Töten ist töten, ob Sie das mit oder ohne Vertrag tun. Das ändert am Töten oder Sterben überhaupt nichts. Es ist bedauerlich, daß man einer sich christlich nennenden Partei so etwas sagen muß.

    (Pfeffermann [CDU/CSU]: An der Grenze wird weiter gestorben! Das ist die wirkliche Besserung!)

    — Es ist ein ganz makabres Spiel, das Sie treiben.

    (Pfeffermann [CDU/CSU]: Das ist kein Spiel, das ist bitterer Ernst!)

    Sie zwingen mich geradezu, Zahlen zu nennen, die zeigen, wie es tatsächlich ausgesehen hat. Es schaudert mich, das zu tun. Aber ich muß das nun machen, nachdem Sie diesen Zwischenruf gemacht haben.

    (Straßmeir [CDU/CSU]: Sie sind wohlvorbereitet! — Pfeffermann [CDU/CSU]: Das ist der unvorbereitete Schauder!)

    — Ich weiß, das ist Ihnen unangenehm.

    (Pfeffermann [CDU/CSU]: Nein, aber machen Sie nur ruhig so weiter!)

    — Wissen Sie, ich kenne Sie sehr gut. Und wenn Sie den ersten Abschnitt auf der ersten Seite Ihres Antrages lesen, so werden Sie feststellen, daß dort bereits Zahlen genannt sind. Darauf bin ich freilich vorbereitet.
    Von 1961 bis 1969 starben an den Grenzen insgesamt — nicht nur innerdeutsche Grenze, auch Berlin, Mauer — 147 Menschen, deren Opfer wir beklagen; in einem gleichen Zeitraum, von 1970 bis zum 31. Juli 1979, 30 Menschen insgesamt.

    (Böhm [Melsungen] [CDU/CSU]: Weil sich die Leute nicht mehr an die Grenze heranwagen, weil die Grenze so „perfekt" ist, und es sich deshalb gar nicht mehr lohnt, die Flucht zu versuchen! Was Sie da sagen, ist blanker Zynismus!)

    Können wir uns nicht wenigstens darauf einigen, daß wir sagen: Jeder Tote an der innerdeutschen Grenze ist ein Toter zuviel? Können wir uns darauf nicht einigen?

    (Schmöle [CDU/CSU]: Die Grenze ist zuviell)

    — Selbstverständlich. Vorhin ist Ihnen auch sehr deutlich gesagt worden, wer diese Grenze verursacht hat. Das wollen Sie nie zur Ken ntnis nehmen.
    Aber lassen Sie mich zu den beiden Forderungen Ihres Antrages kommen. Ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren:
    Die Bundesregierung wird daher aufgefordert, alsbald in Gespräche mit der DDR-Regierung einzutreten ...
    Das ist schon ein gewaltiger Fortschritt für Sie. Vor 15 Jahren wäre so etwas nicht möglich gewesen. Da hieß es noch: Mit denen sprechen wir nicht!
    Die Gespräche mit der DDR sollen geführt werden „mit dem Ziel, sie dazu zu bewegen, alle unmittelbar gegen das menschliche Leben gerichteten Maßnahmen an der innerdeutschen Grenze einzustellen".
    Dieser Antrag, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition, geht ins Leere. Die Bundesregierung tut bereits, was hier gefordert wird. Was fehlt, ist die notwendige Bereitschaft der Antragsteller, endlich zur Kenntnis zu nehmen, was bereits und noch ständig geschieht.
    Die zweite Aufforderung lautet:
    Die Bundesregierung wird aufgefordert, über Entwicklung und Fortgang dieser Gespräche jährlich im Rahmen des Berichts zur Lage der Nation im gespaltenen Deutschland zu berichten.
    Das ist nicht hilfreich. Das erschwert diese Gespräche und Bemühungen. Bei solchen Forderungen geht es wohl weniger um Menschen, dafür mehr um Schlagzeilen.
    Ich halte auch gar nichts davon, daß eine gelungene Flucht bombastisch vermarktet wird. Noch schlimmer ist es, wenn die Stellen an der Grenze angegeben werden, wo die Flucht glückte, und das Wie der Flucht in Einzelheiten geschildert wird.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    Wenn unsere Medien die Fluchtwege breittreten, wird dabei kaum an Menschen gedacht.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    Hat man je überlegt, daß man auch damit Menschen gefährden kann? Ich denke dabei nicht an diejenigen, die sich schon fest zur Flucht entschlossen haben. Ich denke dabei auch an die Soldaten der Nationalen Volksarmee im Grenzdienst, die die Flucht nicht gesehen oder nicht zur Kenntnis genommen haben.
    Wem hilft denn solch ein Bericht? Hüten wir uns doch davor, am Schicksal des anderen, am Nächsten hochzuklettern, um daran vielleicht noch deutschlandpolitisches Profil zu gewinnen.

    (Pfeffermann [CDU/CSU]: Wem unterstellen Sie das denn?)

    Mit solchen Mitteln würde auch nicht die deutschlandpolitische Einfallslosigkeit der CDU in ihrer 20jährigen Regierungszeit übertüncht. Was also brächte solch ein Bericht? Nichts.
    Sie haben 20 Jahre lang eine Deutschlandpolitik betrieben, in der es um alles oder nichts ging. Wir



    Hofmann (Kronach)

    alle wissen: Wer diese Forderung stellt, bleibt beim Nichts.
    Sie sind heute nicht bereit, zu sehen, was erreicht wurde. Wer alles schwarz sieht, sieht eben nichts mehr. Sie sehen nicht, daß wir das Sperrgebiet innerhalb der DDR zur Grenze hin vor dem Grundlagenvertrag mit einer Breite von fünf Kilometern hatten; jetzt sind es 500 Meter Breite. Die Deutschen innerhalb der DDR können sich nun in diesem Bereich mit ihren Verwandten und Bekannten treffen und sie besuchen. Das sind mehr Rechte, die sie erhalten haben.
    Von den neun Straßenübergängen wurden vier erst seit dem Grundlagenvertrag geöffnet. Damit haben wir diese Grenze etwas durchlässiger gemacht.
    Seit Juli 1973 haben wir 2,3 Millionen Besuche im Rahmen des grenznahen Reiseverkehrs zu verzeichnen. Das Gespräch, diese bindende Klammer, kann aufgenommen und fortgeführt werden. Dieses Auseinanderleben, das Entfremden der Menschen der beiden Teile Deutschlands wird damit verhindert. Genau den Preis wollten wir nicht zahlen, daß sich diese beiden Teile weiter auseinanderleben, bis die letzten Bindungen gefallen sind.

    (Beifall bei der SPD)

    Jeder Besuch im grenznahen Verkehr bringt mehr menschliche Begegnung, ist mehr wert als all Ihre papierene Antragsflut hier im Deutschen Bundestag.
    Wir werden uns daher von Ihren Anträgen nicht beirren lassen und weiterhin eine Deutschlandpolitik betreiben, die Schritt für Schritt den Menschen unseres Landes zugute kommt.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: Wir haben nichts anderes erwartet! Das ist der Hochmut der Macht!)



Rede von Georg Leber
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren, das Wort hat nun der Abgeordnete Lintner.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Eduard Lintner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die konkreteste Aussage auf seiten der Regierungskoalition während dieser langen Debatte stammt eigentlich aus dem Zwischenruf vom Fraktionsvorsitzenden Wehner, der schlicht und einfach die Grundlagen des Grundgesetzes und die darauf beruhenden Aussagen des Bundesverfassungsgerichts als „Senf" bezeichnet hat.

    (Zuruf von der SPD)

    Ich will an diesem Ausdruck nicht herumspielen. Ich meine aber doch, daß damit eigentlich die Katze aus dem Sack gelassen worden ist. Genauso kommt es auch in der Antwort der Bundesregierung auf die Anfragen und Anträge der Opposition zum Ausdruck.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Diese Antwort und die übrigen Bemerkungen sind sehr bemerkenswert. Sie zeigen, daß die Bundesregierung gar nicht mehr darüber spricht, welche
    Politik sie treibt. Sie läßt sich nur noch darüber aus, was sie nicht zu tun wagt.

    (Graf Stauffenberg [CDU/CSU]: So ist es!)

    Zwar legt die Bundesregierung dann immer in kernigen Sätzen dar, welche Fülle von theoretischen und praktischen Ansatzpunkten und Rechtspositionen es für eine aktive Deutschlandpolitik gibt, aber hinterher stellt sie immer wieder kleinlaut und stereotyp fest: „Die Bundesregierung hat aber zu prüfen, inwieweit durch eine Wahrnehmung der ihr gegebenen rechtlichen Möglichkeiten die Aussichten für einen Erfolg verschlechtert würden.” Und daneben kommt dann gleich wieder die Bemerkung: ,Art. 2 des Grundlagenvertrages unterstreiche das Recht der Bundesrepublik Deutschland und der DDR, sich mit der Wahrung der Menschenrechte in dem jeweils anderen Staat zu befassen".
    Meine Damen und Herren, mit solchen Feststellungen wollen Sie doch wohl eine Entschlossenheit vortäuschen, die in Ihrer Politik überhaupt nicht existiert. Nehmen Sie sich doch bitte diese richtigen Einsichten zu Herzen, nehmen Sie aber dann diese Ihre Rechte auch wahr, denn eigentlich weiß jeder Bürger draußen im Lande, daß Rechte, die nicht gepflegt werden, in Vergessenheit geraten und schließlich untergehen.

    (Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: So ist es!)

    Meine Damen und Herren, es ist im übrigen gar keine alleinige Erkenntnis der Opposition, daß die Bundesregierung zur Wahrung dieser Rechte zuwenig tut. Kein geringerer als das prominente Berliner FDP-Mitglied, der ehemalige Justizsenator in Berlin, Hermann Oxfort, hat erst in diesen Tagen ausgerufen:
    Wer Entspannung damit verbindet, daß er zum Leisetreter wird, muß mit unserem entschiedenen Widerstand rechnen.
    Da hat er wohl jene in der FDP und in der SPD gemeint, die diese Zusammenhinge überhaupt noch sehen.
    Daß er damit nicht uns gemeint haben kann, meine Damen und Herren, ergibt sich auch aus der weiteren Pressemeldung, die da lautet:
    Scharfe Kritik übte der Redner — also Oxfort —
    in diesem Zusammenhang am SPD-Fraktionsvorsitzenden Wehner und dessen Bemerkung, er könne das Wort „Wiedervereinigung" schon nicht mehr hören.

    (Zuruf von der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, an alledem muß deshalb etwas sein; sonst würden sich die Warnungen und die Mahnungen prominentester Vertreter aus Ihren eigenen Reihen in letzter Zeit nicht derart häufen.
    Selbst Carlo Schmid hat erst diese Woche erklärt:
    Vor dem Ersten Weltkrieg verhüllten die Franzosen die Straßburger Statue in Paris mit einem
    Trauerflor. Mit welcher Gelassenheit nehmen



    Lintner
    wir es hin, daß ein beträchtlicher Teil von deutschem Boden nicht mehr deutsch ist!
    Auch hier hat er sicher nicht uns gemeint. Das war wohl an die eigene Adresse gerichtet.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Wehner [SPD]: Sie sollten sich mit solchen Unterstellungen schämen! Sie zeugen nur davon, wie wenig Sie von den Menschen verstehen! — Lachen bei der CDU/CSU)

    — Herr Kollege Wehner, ich glaube richtig zitiert zu haben.

    (Wehner [SPD]: Sie können zitieren, was Sie wollen!)

    Jedenfalls war es so wörtlich angeführt.
    Wir befinden uns daher in einer sehr prominenten Gesellschaft aus Ihren eigenen Reihen, wenn wir Ihr Vorgehen in der Deutschlandpolitik kritisieren.

    (Dr. Schäfer [Tübingen] [SPD]: Das ist ein Schulaufsatz, was Sie vorlesen!)

    Das alles zeigt auch, daß die Ost- und Deutschlandpolitik die Bundesrepublik eben nicht wieder „an die Realitäten heranführt", wie das Ihr stellvertretender Fraktionsvorsitzender Ehmke im Februar 1979 gemeint hat. Das Merkmal dieser Politik ist vielmehr, daß Sie die Realitäten — im wahrsten Sinne des Wortes — links liegen lassen. Ihre Politik ist starr und reaktionslos geworden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, die Realitäten sind mehr als alarmierend. Da ist etwa die schonungslose Hetze der DDR überall in der Welt gegen uns. Da ist die konsequente Erziehung zum Haß auf die Bundesrepublik innerhalb der DDR. Da sind die erbarmungslose Einkerkerung politisch andersdenkender Landsleute und die offene Mißachtung elementarster Menschenrechte. Besonders betroffen war ich davon, daß einer Ihrer Redner diese Sachverhalte mit dem Ausdruck geschildert hat, in den Zuchthäusern der DDR seien „keine rosigen Zustände". Ich glaube, das sagt über den Stellenwert, den Sie diesen Dingen zumessen, mehr aus als vieles andere.

    (Beifall und Zurufe bei der CDU/CSU)

    Dabei muß ich es darüber hinaus als beschämend bezeichnen, daß von der Bundesregierung bisher noch kein einziges offizielles Wort der Mahnung an die DDR etwa deswegen gerichtet worden ist, weil trotz der großen Ankündigung der Amnestie in der DDR — angeblich sollten ja 25 000 Häftlinge die Freiheit erhalten — bisher nur zwei Häftlinge — und das waren prominente — in die Freiheit entlassen worden sind.
    Meine Damen und Herren, Realität ist eben auch
    — selbst dann, wenn Sie, Herr Kollege Hofmann, das nur halb akzeptieren wollen — die Tatsache, daß die innerdeutsche Grenze über die Jahre mitleidloser und perfekter geworden ist. Die Zahlen der Todesfälle dort sind nur deshalb zurückgegangen, weil natürlich niemand mehr das Himmelfahrtskommando einer Überwindung dieser Grenze auf sich nehmen
    will. Aber von alledem wird von Ihnen eigentlich nur noch bei solchen Debatten geredet, und dann nur halbherzig.
    Ziel Ihrer Politik sollte es — so Ehmke — sein, eine „Entkrampfung der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und der DDR" einzuleiten. Aber vor lauter Floskeln und unkritischer Selbstbeweihräucherung merken Sie schon gar nicht mehr, daß Sie Verkrampfungen ja erst geschaffen haben. So ist z. B. die Tatsache, daß Sie ein Pochen auf Gegenseitigkeit in den innerdeutschen Verhandlungen als der Entspannung nicht förderlich hinstellen, eine solche unnötige Verkrampfung.

    (Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: Ein Zeichen der großen Schwäche!)

    Deshalb stößt man ja auch praktisch überall, wohin man sieht, auf ungerechtfertigte Überleistungen der Bundesregierung an die DDR.
    Die Bilanz erschreckender ungeschützter Großzügigkeit müßte doch eigentlich nicht nur uns, sondern auch Sie selbst nachdenklich machen.

    (Dr. Diederich [Berlin] [SPD]: Werden Sie doch einmal konkret!)

    — Ich bin gerade dabei, Herr Kollege.

    (Dr. Diederich [Berlin] [SPD]: Kommen Sie doch bitte zur Sache!)

    — Ja, in meinem Manuskript steht jetzt: Erlauben Sie mir deshalb, einen kleinen Ausschnitt aus dieser Bilanz vorzutragen.
    In den Verkehrsvereinbarungen von 1978 haben Sie der Pauschalierung der Transitgebühren zugestimmt. Für die Dauer von 10 Jahren wird die DDR von der Bundesrepublik jährlich 500 Millionen DM erhalten, und das sind nach den allen bekannten Zahlen rund 100 Millionen DM jährlich zuviel. Deshalb wächst sich die t Überzahlung in diesen 10 Jahren immerhin zu einem Geschenk von 1 Milliarde DM an die DDR aus. Es handelt sich dabei um eine grundlose Leistung. Sie haben nämlich zugleich — was vielleicht der i-Punkt des Ganzen ist — die damals noch vorhandene Kontrollmöglichkeit durch den Verzicht auf die sogenannte Korrekturklausel abgeschafft.
    Oder nehmen wir die „Zahlung für Pfusch", wie ein Nachrichtendienst die Vorgänge um die Reparatur der Interzonenautobahn Helmstedt-Berlin nannte. 260 Millionen DM haben Sie der DDR dafür gezahlt, daß der vorhandene über 40 Jahre alte kaputte Beton einfach mit Asphalt übergossen wurde. Meine Damen und Herren, die DDR hatte sich zum „Ausbau nach westlichem Standard" verpflichtet! In Bonn aber liegen — ich zitiere wörtlich aus diesem Dienst
    — „Berichte" — so soll dazu das innerdeutsche Ministerium erklärt haben — „über echte Mängel bei der Reparatur bisher noch gar nicht vor". — Bei dieser Haltung ist ja wohl davon auszugehen, daß derartige Berichte auch nie an dieses Ohr gelangen werden.
    Ohne jede Qualiltätsspezifizierung haben Sie für den Ausbau der Station Herleshausen-Wartha und für andere Maßnahmen der DDR 500 Millionen DM versprochen. Ich fühle mich gar nicht als Prophet,



    Lintner
    wenn ich vorhersage, daß es hier ähnlich zugehen wird, daß Sie hier ähnlich zuviel gezahlt haben, wie es sich bei den anderen Maßnahmen heute schon herausgestellt hat.
    Oder nehmen wir die neuesten Vereinbarungen, Herr Kollege Schulze.

    (Wehner [SPD]: Der deutsche Spießer ist ein Darm, gefüllt mit Furcht und Hoffnung, daß Gott erbarm! Sie sind ein Beweisstück dafür!)

    — Ich bedanke mich dafür! Ich glaube, aus Ihrem Munde kann ich das fast als Kompliment auffassen.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    Aber an sich zeigt das nur, daß Ihnen allmählich die Sachargumente ausgehen, wenn Sie zu solchen Reimen greifen müssen.

    (Dr. Diederich [Berlin] [SPD]: Wann haben Sie das letzte Mal die Transitwege benutzt?)

    Aber lassen Sie mich in der konkreten Aufzählung fortfahren.

    (Dr. Diederich [Berlin] [SPD]: Dann sagen Sie einmal, wann Sie das letzte Mal die Transitwege benutzt haben!)

    — Sie wollten doch die konkrete Aufzählungl

    (Zuruf von der CDU/CSU: Aber er wollte sie doch nicht so ehrlich!)

    Nehmen wir also die neuesten Vereinbarungen über die Straßenbenutzungsgebühren, die hier heute schon einige Male angesprochen worden sind. Bei realistischen Rechnungen kommt man auf eine berechtigte Zahlung von insgesamt 30 Millionen DM im Jahr. Sie aber haben 50 Millionen jährlich gleich für die Dauer von zehn Jahren versprochen.

    (Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: Sozialismus! Dabei — und das empfinde ich als das Empörende, Unsinnige und Unlogische — haben Sie sich noch nicht einmal die Möglichkeit einräumen lassen, die Zahlungen zumindest dann einstellen zu dürfen, wenn etwa die DDR durch schikanöse Abfertigung beim Grenzübertritt die von Ihnen erwünschten positiven Steigerungseffekte im Grenzverkehr unterläuft. — Ja nun, das ist eine Theorie, über die Sie sich mit den anderen erst mal einigen müssen. Im übrigen waren diese Straßenbenutzungsgebühren etwa im kleinen Grenzverkehr nie das eigentliche Hindernis für eine Steigerung, sondern der von der DDR geforderte Zwangsumtausch und eben jene zeitraubende, demütigende und schikanöse Prozedur beim Grenzübertritt. Der Kollege Olaf von Wrangel hat Ihnen ja vor kurzem vorgeschlagen, Sie sollten in solchen Vereinbarungen eine Sicherungsklausel vorsehen, die es Ihnen ermöglicht, bei der Gegenseite zumindest durchzusetzen, daß Ihre — und das unterstelle ich Ihnen durchaus — löblichen Absichten eben nicht durch bürokratische und administrative Maßnahmen durchkreuzt werden können. Im übrigen entspräche bei derartigen langfristigen Vereinbarungen und Zusagen eine Sicherungsklausel auch ganz dem vernünftigen Verhalten von Bürgern etwa im privaten Bereich. Ein zusätzlicher Hinweis: Selbst der Kollege Hoppe von der FDP hat im Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen auf dieses Problem gegenüber der Bundesregierung kritisch hingewiesen. Angesichts dieser Tendenz zur langfristigen großzügigen Festlegung hoher DM-Beträge, ohne daß ihnen substantielle Leistungen der DDR gegenüberstehen, sollten Sie eigentlich diese Zahlungen unter der Rubrik „Entwicklungshilfe für die DDR" im Etat des Bundesministeriums für innerdeutsche Beziehungen ausweisen. (Pfeffermann [CDU/CSU]: Sozialistischer Dialograbatt!)


    (Zuruf von der FDP: Wegfall der Geschäftsgrundlage!)


    (Zuruf des Abg. Wehner [SPD])

    „Brücken der Verständigung" würden durch den Grundlagenvertrag und all die anderen Vereinbarungen geschlagen werden. So hat jedenfalls der Kollege Kurt Mattick im Februar 1973 im Deutschen Bundestag seiner Hoffnung Ausdruck verliehen.

    (Zuruf des Abg. Dr. Hennig [CDU/CSU])

    Dafür sind auch wir. Aber das Fundament dieser Brücken muß verläßlich sein. Vor allem müssen zwei Fahrbahnen — eine in jeder Richtung — vorhanden sein. Es gibt wenig Verläßlicheres als verbriefte Rechte, sei es in völkerrechtlich gültigen multilateralen Verträgen, sei es in Vereinbarungen zwischen der Bundesregierung und der DDRSie aber denaturieren diese rechtlichen Positionen zum bloßen verbalen Akt ohne jegliche Durchschlagskraft. Auf den Fahrbahnen dieser Brücke häufen Sie zudem noch Geldberge auf, die alsbald den Durchgang blockieren könnten, zumindest dann, wenn Sie beispielsweise wegen der drückenden Steuerlasten auf dem Rücken des Bundesbürgers auf diesem Gebiet langsamer treten müssen und die von Ihnen angebotene Schraube ohne Ende der DDR wieder entwinden wollen.
    Ich bin sicher, daß die Bevölkerung für diese Politik der großzügigen Geldgeschenke kein Verständnis hat. Wir wissen uns daher mit dieser Bevölkerung in unserem Land einig, wenn wir diese Freigebigkeit als unverantwortlich und auch als kurzatmig ablehnen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)