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ID0818614600

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    Plenarprotokoll 8/186 Bundestag Deutscher Stenographischer Bericht 186. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 15. November 1979 Inhalt: Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Adams und Sick 14611A Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Siebzehnten Strafrechtsänderungsgesetzes — Drucksache 8/3067 — Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses — Drucksache 8/3313 — in Verbindung mit Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Wehrstrafgesetzes — Drucksache 8/3067 — Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses — Drucksache 8/3313 — in Verbindung mit Zweite Beratung des von den Abgeordneten Dr. Klein (Göttingen), Erhard (Bad Schwalbach), Dr. Lenz (Bergstraße), Dr. Möller, Dr. Pinger, Dr. Stercken und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines ... Strafrechtsänderungsgesetzes — Drucksache 8/2282 — Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses — Drucksache 8/3313 — Dr. Klein (Göttingen) CDU/CSU . . . . 14611 C Coppik SPD 14613A Kleinert FDP 14614 C Dr. Vogel, Bundesminister BMJ . . . . 14615A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Schutz vor gefährlichen Stoffen (Chemikaliengesetz) — Drucksache 8/3319 — Frau Huber, Bundesminister BMJFG . . 14616 C Dr. Hammans CDU/CSU 14619 C Fiebig SPD 14621 A Spitzmüller FDP 14623A Dr. Riesenhuber CDU/CSU 14624 B Konrad SPD 14626 B Wolfgramm (Göttingen) FDP 14628B Dr. Gruhl, fraktionslos 14629 C Baum, Bundesminister BMI 14631 B II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 186. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. November 1979 Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Energiesicherungsgesetzes 1975 — Drucksache 8/3056 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft — Drucksache 8/3343 — Dr. Narjes CDU/CSU 14634 D Wolfram (Recklinghausen) SPD . . . 14635 D Zywietz FDP 14637 C Dr. Graf Lambsdorff, Bundesminister BMWi 14638 D Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht zum Ersten Eherechtsreformgesetz — Drucksache 8/3338 — in Verbindung mit Beratung der Ubersicht 12 des Rechtsausschusses über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht — Drucksache 8/3316 — Dr. Lenz (Bergstraße) CDU/CSU . . . 14640B Dürr SPD 14640 D Kleinert FDP 14641 C Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Zimmermann, Spranger, Gerlach (Obernau), Berger (Herne), Biechele, Hartmann, Dr. Bötsch, Regenspurger, Broll, Dr. Laufs, Dr. Jentsch (Wiesbaden), Dr. Langguth, Sick, Krey, Kiechele, Schwarz, Gerster (Mainz), Dr. Wittmann (München), Dr. Kunz (Weiden), Dr. Ritz, Röhner, Neuhaus, Dr. Jobst, Dr. Jenninger, Engelsberger, Dr. Schneider, Graf Huyn, Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein, Dr. Waigel, Gerstein und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Waffenrechts — Drucksache 8/3259 — Spranger CDU/CSU 14642 A Pensky SPD 14643 C Dr. Wendig FDP 14645 C von Schoeler, Parl. Staatssekretär BMI . 14646 D Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Achten Gesetzes zur Änderung des Häftlingshilfegesetzes — Drucksache 8/3292 — 14648 B Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Dr. Marx, Dr. Abelein, Jäger (Wangen), Baron von Wrangel, Böhm (Melsungen), Dr. Gradl, Graf Huyn, Straßmeir, Schmöle, Dr. Hennig und der Fraktion der CDU/CSU Wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte in der DDR — Anwendung des am 3. Januar 1976 in Kraft getretenen Menschenrechtspakts der Vereinten Nationen —— Drucksachen 8/2503, 8/3188 — in Verbindung mit Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Dr. Marx, Dr. Abelein, Jäger (Wangen), Baron von Wrangel, Böhm (Melsungen), Dr. Gradl, Graf Huyn, Straßmeir, Schmöle, Dr. Hennig und der Fraktion der CDU/CSU Selbstbestimmungsrecht des Deutschen Volkes sowie bürgerliche und politische Rechte in der DDR — Anwendung des am 23. März 1976 in Kraft getretenen Menschenrechtspakts der Vereinten Nationen —— Drucksachen 8/2504, 8/3188 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Abgeordneten Jäger (Wangen), Dr. Marx, Dr. Abelein, Baron von Wrangel, Böhm (Melsungen), Sauer (Salzgitter), Graf Huyn, Lintner, Straßmeir, Dr. Jaeger und der Fraktion der CDU/ CSU Verletzung des Vier-Mächte-Status durch Ost-Berlin — Drucksache 8/3204 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Abgeordneten Jäger (Wangen), Graf Huyn, Dr. Abelein, Baron von Wrangel, Böhm (Melsungen), Lintner, Sauer (Salzgitter), Schmöle, Dr. Gradl, Dr. Arnold, Dr. Marx, Straßmeir, Dr. Jaeger und der Fraktion der CDU/CSU Zustände in den Haftanstalten der DDR — Drucksache 8/3205 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU 3. Strafrechtsänderungsgesetz der DDR vom 1. August 1979 — Drucksache 8/3125 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Abelein, Dr. Marx, Jäger (Wangen), Dr. Dregger, Graf Huyn, Dr. Kunz (Weiden), Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 186. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. November 1979 III Schmöle, Lintner, Baron von Wrangel, Straßmeir, Böhm (Melsungen), Niegel, Würzbach, Dr. Hennig, Röhner und der Fraktion der CDU/CSU Verletzung der Menschenrechte an der innerdeutschen Grenze — Drucksache 8/3326 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Abelein, Dr. Marx, Dr. Dregger, Baron von Wrangel, Böhm (Melsungen), Dr. Hennig, Lintner, Graf Huyn, Schmöle, Straßmeir, Würzbach, Niegel, Dr. Kunz (Weiden), Röhner, Jäger (Wangen) und der Fraktion der CDU/CSU Verstärkung und Ausbau der Institutionen der Vereinten Nationen zum Schutz der Menschenrechte — Drucksache 8/3327 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Abelein, Dr. Marx, Jäger (Wangen), Dr. Dregger, Graf Huyn, Schmöle, Lintner, Baron von Wrangel, Straßmeir, Dr. Hennig, Würzbach, Niegel, Dr. Kunz (Weiden), Böhm (Melsungen), Röhner und der Fraktion der CDU/CSU Verwirklichung des Menschenrechts auf Freizügigkeit für die Deutschen in der DDR — Drucksache 8/3328 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Abelein, Dr. Marx, Jäger (Wangen), Dr. Dregger, Graf Huyn, Schmöle, Lintner, Dr. Hennig, Baron von Wrangel, Straßmeir, Würzbach, Niegel, Dr. Kunz (Weiden), Böhm (Melsungen), Röhner und der Fraktion der CDU/CSU Presse- und Informationsfreiheit in der DDR — Drucksache 8/3329 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für innerdeutsche Beziehungen zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Hennig, Baron von Wrangel, Graf Huyn, Böhm (Melsungen), Lintner, Graf Stauffenberg, Dr. Abelein, Jäger (Wangen) und der Fraktion der CDU/CSU Sicherheit der Transitreisenden — Drucksachen 8/2570, 8/3340 — Jäger (Wangen) CDU/CSU 14649 C Jahn (Marburg) SPD 14654 A Hoppe FDP 14659 C Franke, Bundesminister BMB . 14662 B, 14704 D Graf Huyn CDU/CSU 14667 D Schlaga SPD 14670 D Ludewig FDP 14674 C Dr. von Weizsäcker CDU/CSU 14677 D Frau Schlei SPD 14680 B Straßmeir CDU/CSU 14682 C Jung FDP 14685 A Böhm (Melsungen) CDU/CSU 14688 A Frau Dr. Balser SPD 14691 B Dr. Hennig CDU/CSU 14693 D Hofmann (Kronach) SPD 14696 D Lintner CDU/CSU 14698 B Schulze (Berlin) SPD 14700 D Baron von Wrangel CDU/CSU 14703 A Büchler (Hof) SPD 14706 C Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung einer Stiftung ,,Hilfswerk für behinderte Kinder" — Drucksache 8/3293 — Zander, Parl. Staatssekretär BMJFG . 14708 A Burger CDU/CSU 14709 A Kuhlwein SPD 14709 C Eimer (Fürth) FDP 14710 D Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung der Wirtschaftspläne des ERP-Sondervermögens für das Jahr 1980 (ERP-Wirtschaftsplangesetz 1980) — Drucksache 8/3306 — 14711 C Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes — Drucksache 8/3274 — Rühe CDU/CSU 14711 D Weisskirchen (Wiesloch) SPD 14713 C Dr. Dr. h. c. Maihofer FDP 14715 A Dr. Schmude, Bundesminister BMBW . 14715 B Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Gewerbeordnung — Drucksache 8/3077 — IV Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 186. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. November 1979 Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 8/3346 — 14717 D Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Tabaksteuergesetzes (TabStG 1980) — Drucksache 8/3114 — Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses — Drucksache 8/3349 — 14718 A Erste Beratung des von den Abgeordneten Engelsberger, Dr. Kreile, Dr. Warnke, Dr. Narjes, Dr. Waigel, Röhner, Dr. Jobst, Dr. Kunz (Weiden), Pohlmann, Dr. Voss, Niegel, Regenspurger, Kiechle, Haberl, Frau Fischer, Dr. Jenninger und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Investitionszulagengesetzes — Drucksache 8/3298 — 14718 C Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Kaffee-und Teesteuergesetzes — Drucksache 8/3297 — 14718 C Nächste Sitzung 14718 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 14719* A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 186. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. November 1979 14611 186. Sitzung Bonn, den 15. November 1979 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 175. Sitzung, Seite IV, linke Spalte: Unter Anlage 9 ist statt „Susset (SPD)” zu lesen: „Susset (CDU/ CSU)” Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen* 16. 11. Dr. Aigner* 16. 11. Alber* 16. 11. Dr. Bangemann* 16. 11. Biechele 16. 11. Blumenfeld* 16. 11. Brandt* 16. 11. Dr. Ehrenberg 15. 11. Ey 16. 11. Fellermaier* 16. 11. Frau Dr. Focke* 16. 11. Friedrich (Würzburg) * 16. 11. Dr. Früh* 16. 11. Dr. Fuchs* 16. 11. Haberl 16. 11. Hansen 16. 11. von Hassel* 16. 11. Immer (Altenkirchen) 16. 11. Katzer 16. 11. Dr. Klepsch* 16. 11. Dr. Köhler (Duisburg) * 16. 11. Kroll-Schlüter 15. 11. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Lagershausen 16. 11. Lange* 16. 11. Lücker* 16. 11. Luster* 16. 11. Müller (Mülheim) 16. 11. Dr. Müller-Hermann * 16. 11. Offergeld 16. 11. Pfeifer 15. 11. Dr. Pfennig* 16. 11. Porzner 16. 11. Rosenthal 16. 11. Frau Schleicher* 16. 11. Schröder (Luneburg) 15. 11. Dr. Schwencke (Nienburg) * 16. 11. Seefeld* 16. 11. Sieglerschmidt* 16. 11. Stöckl 16. 11. Dr. Todenhöfer 16. 11. Frau Tübler 16. 11. Frau Dr. Walz* 16. 11. Wawrzik* 16. 11. Werner 16. 11. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments
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    Rede von Wilfried Böhm


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Jung, bitte, nehmen Sie zur Kenntnis — wir haben es oft genug gesagt —, daß die Union Verträge auch dann respektiert, wenn wir sie aus guten Gründen bei ihrem Zustandekommen abgelehnt haben.
    Lassen Sie mich im Blick auf die Ostverträge noch eines hinzufügen: Mittlerweile sind wir es, die die Ostverträge in der Auslegung durch das Bundesverfassungsgericht dagegen verteidigen müssen, daß Sie und Ihre Freunde bei der Interpretation dieser Verträge nicht mehr die deutsche, sondern die sowjetische oder die polnische Lesart übernommen haben. Ich erinnere Sie nur an die Manipulationsversuche im Rahmen des Umsatzsteuergesetzes.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Meine Damen und Herren, wenn am Anfang der jetzt zu Ende gehenden 70er Jahre bei einer deutschlandpolitschen Auseinandersetzung von den Vertretern der CDU/CSU gesagt worden wäre, ein Jahrzehnt später stünden im Deutschen Bundestag Anträge von CDU und CSU zur Debatte mit dem Ziel, erstens die Bundesregierung zu veranlassen, mit der DDR über den Abbau von damals noch gar nicht gekannten mörderischen Todesautomaten an der innerdeutschen Grenze, die Aufhebung des Schießbefehls und die Beseitigung der Minenfelder an der innerdeutschen Grenze zu verhandeln — wie es heute mit unserem Antrag auf Drucksache 8/3326 geschieht — und zweitens mit der DDR über bescheidene Stufenpläne zur Ermöglichung eines Besuchsverkehrs und der Freizügigkeit in West-OstRichtung in Deutschland zu beginnen — so will es die Drucksache 8/3328 —, dann wäre damals derjenige, der dies vorausgesagt hätte, als böser Kalter Krieger und als Schwarzmaler verschrien worden, dem jedes Vertrauen in die neue Ära deutsch-deutschen Miteinanders fehle.

    (Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: So ist es!)

    Damals tönte in der Euphorie der sogenannten neuen Ostpolitik Willy Brandt, er befände sich mit seiner Koalition auf dem Wege dahin, wo nicht mehr geschossen werde. Egon Bahr sagte kurz vor der Bundestagswahl des Jahres 1972, daß der Schießbefehl hinfällig werde, wenn der Grundvertrag erst unterschrieben worden sei.

    (Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: Das muß mal wieder gesagt werden!)

    Schließlich tönte es aus den Reihen der SPD, man
    habe handfeste Informationen dafür, daß die DDR
    den unmenschlichen Schießbefehl nach der Ratifizierung der Verträge nicht mehr praktizieren werde.

    (Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: Wo ist der Egon?)

    Heute wissen es alle Einsichtigen, die Getäuschten und die Enttäuschten, daß die DDR nicht um einer Vertragspolitik willen, die das Ziel hat, die Lebensverhältnisse im geteilten Deutschland zu erleichtern, zu Zugeständnissen bei menschlichen Erleichterungen bereit ist, sondern einzig und allein hin und wieder auf Grund ihrer wirtschaftlichen Situation gezwungen ist, solche menschlichen Erleichterungen gegen D-Mark zu verkaufen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Anders brächte sie ihre sozialistischen Volkswirtschaftspläne überhaupt nicht mehr über die Runde.
    Bei der auf Abgrenzung bedachten DDR fehlt damit die Grundvoraussetzung zu der Art von Deutschlandpolitik, die Sie bei der Inangriffnahme dieser Deutschlandpolitik, die Sie vor zehn Jahren begonnen haben, vorausgesetzt hatten.

    (Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    Unter der Tarnbezeichnung „Entspannungspolitik" betreibt die DDR systematisch Geldschneiderei und den Griff ins Portemonaie der westdeutschen Steuerzahler.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die jüngsten Vereinbarungen über die Pauschalierung der Straßenbenutzungsgebühren, von Staatssekretär Gaus hochtrabend als das wohl bedeutendste Abkommen mit der DDR seit dem Grundlagenvertrag bezeichnet, haben einmal mehr deutlich gemacht, daß die Bundesregierung vor den Forderungen der DDR kapituliert und ihr Nachgeben obendrein als Erfolg hochzujubeln versucht.

    (Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: So ist es!)

    Der Kollege Straßmeir hat die unglaubliche Art und Weise, in der dieses Ergebnis zustande gekommen ist, hier eindeutig geschildert. Da die DDR, wie wir wissen, nicht an einem Besucherstrom aus dem Westen, sondern allein an dem Geld interessiert ist, kann sie jetzt, nachdem ihr für 10 Jahre die jährliche Summe von 50 Millionen DM garantiert worden ist, mit systematischen Schikanen bei der Ein- und der Ausreise den zu Reisen in den grenznahen Bereich der DDR berechtigten Bürgern der Bundesrepublik Deutschland diese Reisen derartig vermiesen, daß sie diese Reisen lieber unterlassen.
    Herr Bundesminister Franke, sie haben soeben, als Kollege Straßmeir Sie auf diesen Punkt ansprach, mit dem Kopf geschüttelt. Ich habe den Eindruck, daß Ihnen dieser Fallstrick bei dem neuen Abkommen überhaupt erst jetzt bewußt geworden ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die Straßenbenutzungsgebühren jedenfalls werden so oder so kassiert. Egal, wie viele Fahrzeuge tatsächlich die innerdeutsche Grenze passieren — Hauptsache, die Kasse der DDR stimmt!



    Böhm (Melsungen)

    Wir wissen, daß schon bisher weniger als 7 % der zu Reisen in den grenznahen Bereich der DDR Berechtigten auch tatsächlich in die DDR gefahren sind. Wenn nun auch die reisewilligen Bürger der Bundesrepublik Deutschland ihre Straßenbenutzungsgebühren nicht mehr persönlich beim DDR-Grenzposten entrichten müssen, sondern die Bundesregierung das pauschal auf Kosten des Steuerzahlers übernimmt, bleiben doch immer noch die Ausgaben für den Zwangsumtausch und die Visa-gebühren, die über die möglichen Schikanen hinaus eine zusätzliche finanzielle Schranke bei der Fahrt in die DDR darstellen.
    Diese Politik und ihre Ergebnisse als „Fortschritte bei der Entspannung" und als „Beitrag zur Normalisierung" zu bezeichnen, ist sachlich falsch, denn es ist eben nicht „normal", Straßenbenutzungsgebühren zu zahlen — individuell oder pauschal —, Zwangsumtausch zu leisten und Visagebühren zu entrichten, wenn man von Deutschland nach Deutschland reisen will.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Frau Dr. Timm [SPD]: Lieber gar nicht!)

    Angesichts dieser Verhandlungsergebnisse muß man fragen, ob sie durch Dilettantismus bei der Verhandlungsführung der Bundesregierung verursacht sind oder ob hinter ihnen nicht doch die Konzeption sichtbar wird, der DDR so viel D-Mark wie nur irgend möglich zuzuschanzen. Damit sind wir beim Kern der deutschlandpolitischen Überlegungen dieser Bundesregierung, deren Konzept auf der Vorstellung vom „Wandel durch Annäherung" und auf der Überlegung basiert, durch wirtschaftliche Leistungen an die DDR und an den Ostblock insgesamt diesen Wandel dort zu bewirken und auf diesem Wege zur Entspannung zu kommen.
    In diese Grundkonzeption gehört dann in der Tat eine Nachgiebigkeit gegenüber der DDR selbst dann, wenn diese geschlossene Verträge aushöhlt und bricht. Denn das, was Sie Entspannung nennen, soll und darf auf keinen Fall gefährdet werden.
    In aller Eindeutigkeit hat der 1975 aus der DDR ausgewiesene „Spiegel"-Korrespondent Mettke nach der Bundestagswahl 1976 im sozialdemokratischen Parteiorgan „Vorwärts" diese Konzeption dargestellt, als er verlangte, die DDR durch Politik bewohnbarer zu machen, und schrieb — ich zitiere aus dem „Vorwärts" —.
    Dazu gehört es, zwischen und vor Wahlen ohne Rücksicht auf Union und Erler-Gesellschaft vernehmlich zu sagen, daß man eine starke DDR will, keine schwache, und eine selbstbewußte SED-Führung, keine ängstliche. Dazu gehört für Sozialdemokraten, daß der Verteufelung von Kommunisten, zumal im eigenen Lande, Einhalt geboten wird. Dazu gehört, der DDR notfalls auch ohne politische Gegenleistung Verbesserungen ihrer ökonomischen Infrastruktur zu finanzieren und vielleicht eines Tages eine Autobahn womöglich auch dann zu subventionieren, wenn sie, ohne West-Berlin zu berühren, „nur" von Magdeburg nach Leipzig führt.
    Die DDR wird das dankbar zur Kenntnis nehmen. Nur, eines wird sie nicht tun: wenn sie weiß, daß hier so gedacht wird, sich wandeln, damit uns die Annäherung möglich wird.

    (Zuruf des Abg. Mattick [SPD])

    Um des Wandels durch Annäherung willen aber schonen SPD und FDP die DDR trotz zahlreicher unfreundlicher Akte. Darum denken sie immer wieder darüber nach, welche weitergehenden Leistungen für die DDR wohl interessant sein könnten. Staatssekretär Gaus dachte dabei, wie wir alle wissen, schon bis zur DDR-eigenen Staatsbürgerschaft.
    Die Konzeption des Wandels durch Annäherung ist zwar — das gestehe ich Ihnen zu — in sich schlüssig. Aber sie ist falsch. Sie geht von einer Fehleinschätzung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des sozialistischen Systems und seiner Ideologiebezogenheit aus. Die der DDR entgegengebrachten wirtschaftlichen Leistungen fördern dort nämlich nicht die innere Reform des Systems, sondern stützen die sozialistischen Wirtschaftsstrukturen und ermöglichen, wenn auch mit Ach und Krach, die Durchführung der sozialistischen Volkswirtschaftspläne.

    (Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: Sehr wahr! — Lachen des Abg. Mattick [SPD])

    So wird die wirtschaftliche Überlegenheit der Bundesrepublik, die diese dank ihres marktwirtschaftlichen Systems hat, unter deutschlandpolitischen Gesichtspunkten nicht zur Geltung gebracht.
    Genau das Gegenteil der Konzeption der Bundesregierung wäre richtig, nämlich durch die Verweigerung überzogener wirtschaftlicher und finanzieller Leistungen an ein sichtbar bankrottes sozialistisches System die Notwendigkeit der Reformen dort zu bewirken. Diese Reformen können nur so beschaffen sein, daß sie marktwirtschaftliche, d. h. erfolgreiche, Elemente einführen. Diese wiederum sind zwangsläufig Entwicklungen hin zu den politischen Voraussetzungen für eine tatsächliche Entspannungspolitik, die diesen Namen verdient.

    (Zuruf von der SPD: Träumer!)

    Aber solange man vom demokratischen Sozialismus träumt, den es im innerdeutschen Bereich zu verwirklichen gilt, werden Sie für diese Vorstellungen kein Verständnis haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Geradezu absurd ist das in diesem Zusammenhang immer wieder vorgebrachte Argument der Bundesregierung — und das kam natürlich auch heute —, man könne der DDR nicht vorschreiben, wie sie ihre Ordnung im Inneren gestalte.

    (Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: Sehr wahr!)

    Vertragspolitik bedeutet doch gerade, den jeweiligen Vertragspartner, gleichgültig, wer es ist, zu Maßnahmen oder zu einer Politik zu veranlassen, die er ohne die Verträge, also ohne das Einwirken von außen, in seinem Inneren aus welchen Grund auch immer nicht ergreifen würde.

    (Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: So ist es!)




    Böhm (Melsungen)

    Die vom Westen abgepreßten Zahlungen gehen schließlich auch in die innere Gestaltung der DDR ein, wenn auch allein und ausschließlich zur Stabilisierung des kommunistischen politisch-ökonomischen Systems. Das tun sie so lange, wie ihnen nicht Gegenleistungen gegenüberstehen, die tatsächliche Reformen in der DDR bewirken könnten, wie sie unsere heute hier vorgelegten Anträge im Ansatz aufzeigen.
    Fest steht: 30 Jahre nach ihrer Gründung hält sich die DDR nur durch die Zahlungen aus dem Westen ökonomisch mit Müh und Not über Wasser. Die politische und wirtschaftliche Situation ist so, daß auch zehn Jahre nach Beginn der sogenannten neuen Ostpolitik die DDR nicht von sich aus willens ist, auch nur bescheidene Schritte in Richtung auf Freizügigkeit für ihre Bürger zu gehen. Darum flüchten diese Bürger im Ballon, als Taucher, in selbstkonstruierten Unterseebooten, mit Segelflugzeugen, mit Tricks und Täuschungen, mit Umwegen über die ganze Welt oder setzen sich der Gefahr aus, von den mörderischen Dumdumgeschossen der SM-70-Todesautomaten an der innerdeutschen Grenze zerfetzt zu werden.

    (Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: Das ist die Wahrheit, von der die Herren nichts wissen wollen!)

    Kilometer um Kilometer an der innerdeutschen Grenze hat die DDR im letzten Jahrzehnt mit jenen unmenschlichen Todesautomaten bestückt, deren entsetzliche Wirkung den international geächteten Dumdumgeschossen entspricht.
    Über den Tod des 27jährigen Flüchtlings Hans Friedrich Franck, der beim Übersteigen des Metallgitterzauns eine der dort angebrachten Selbstschulanlagen auslöste, ist im ärztlichen Bericht zu lesen, daß Franck trotz intensivster Bemühungen seitens der Ärzte sowie aller an seiner Rettung beteiligten Personen nicht am Leben erhalten werden konnte. Die unregelmäßig geformten, scharfkantigen und gezackten Metallsplitter des Sprengkörpers, die in ihrer Wirkung einem Dumdumgeschoß gleichkämen, wenn nicht dieses überträfen, hätten den Verletzten so zerfetzt, daß dies selbst sein junger Organismus nicht verkraften konnte, und der junge Mensch starb.
    Unübertroffen, meine Damen und Herren, der Zynismus, mit dem der Verteidigungsminister der DDR, Armeegeneral Hoffmann, die Opfer der Todesautomaten, des Schießbefehls und der Minenfelder mit den Verkehrstoten in der Bundesrepublik und der DDR vergleicht und darüber hinaus feststellt — ich zitiere —:
    Wer sich in klarer Kenntnis der Lebensgefährlichkeit seines Tuns an unseren Grenzsicherungsanlagen vergreift, riskiert nun eben einmal Kopf und Kragen.
    Hoffmann erklärte in diesem Zusammenhang weiter — ich zitiere ihn —:
    Wer von einem Zehn-Meter-Turm springt, obwohl er weiß, daß im Becken kein Wasser ist, der soll, falls er überlebt, nicht nachträglich noch den Bademeister dafür verantwortlich machen, der ihn gewarnt hat und vor Schaden bewahren wollte.

    (Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: Das ist die Sprache des Unmenschen! — Pfeffermann [CDU/CSU]: Das ist die Sprache des Dialogs!)

    Als unser Kollege Schröder (Lüneburg) die Bundesregierung fragte, in welcher Form sie die DDR an ihre Pflichten zu erinnern gedenke, die sich aus der Unterschrift der DDR unter die Deklaration der Haager Konvention ergäben, die Dumdumgeschosse eindeutig verbiete, erklärte die Bundesregierung — ich zitiere —:
    Die Haager Erklärung vom 29. Juli 1899 betreffend das Verbot von Geschossen, die sich leicht im menschlichen Körper ausdehnen oder plattdrücken, ist, wie es dort ausdrücklich heißt, für die vertragschließenden Mächte nur bindend im Falle eines Krieges zwischen zwei oder mehreren von ihnen. Im übrigen
    — so die Bundesregierung —
    richten sich die Schußapparate SM 70 gerade gegen Bewohner der DDR selbst.

    (Dr. Abelein [CDU/CSU]: Das ist unglaublich! — Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: Gipfel des Zynismus! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Ich bitte das Hohe Haus, dies hier zur Kenntnis zu nehmen, und erspare mir jeden weiteren Kommentar.
    Wir haben vorhin vom Kollegen Jahn gehört, daß er uns vorwirft, wir würden die DDR beschimpfen. Es ist doch die DDR, die innerhalb Deutschlands schimpfliche Zustände geschaffen hat, die so sind, daß ihre Beschreibung von Ihnen so ausgelegt wird, als würden wir die DDR beschimpfen. Es ist schlimm, wenn Sie diese Tatsachenschilderung hier als Beschimpfung der DDR darstellen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die menschenrechtswidrigen Zustände an der innerdeutschen Grenze müssen endlich wieder in das Bewußtsein der Weltöffentlichkeit gebracht werden. Die Entwicklungen im Reiseverkehr in die DDR, die für teures Geld erkauft worden sind und erkauft werden, dürfen nicht länger Alibi für das Verschweigen der Wirklichkeit an der innerdeutschen Demarkationslinie sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die Bundesregierung hat sich bei ihren Verhandlungen mit der DDR unter einen unheilvollen Erfolgszwang gesetzt. Wer aber unter Erfolgszwang steht, ist für Verhandlungen mit kommunistischen Regimen ungeeignet. Ehrlicher wäre ès, auch die Mißerfolge bei und nach Verhandlungen mit der DDR deutlich darzustellen, statt der Diskussion innerhalb der Bundesrepublik dadurch zu entfliehen, daß die angebliche Alternativlosigkeit der Politik der Bundesregierung behauptet und anmaßend verkündet wird, die Alternative zu dieser Art von sogenannter Friedenspolitik sei die kriegerische Auseinandersetzung.



    Böhm (Melsungen)

    Um zu Wahrheit, Klarheit und Ehrlichkeit in der Deutschlandpolitik zurückzukehren — und darum appelliere ich an Sie —, verlangen wir in unseren beiden Anträgen regelmäßige Berichte der Bundesregierung über ihre Erfolge und Mißerfolge bei den Bemühungen um Freizügigkeit in Deutschland und mehr Menschlichkeit an der innerdeutschen Grenze. In der Weltöffentlichkeit und in der deutschen Offentlichkeit würde die realistische Einschätzung der deutschlandpolitischen Möglichkeiten wachsen und ein Schritt weg von den Illusionen getan.
    Über die Zukunft Deutschlands — das wissen wir alle — wird weltweit nachgedacht. Die deutsche Frage und die Wiedervereinigung bleiben auf der Tagesordnung, ob es Herbert Wehner und Willy Brandt wollen oder nicht. Unsere europäischen Nachbarvölker, die ein natürliches Verhältnis zu sich selbst und für ihre Nation haben, glauben es uns im übrigen ohnehin nicht und würden es uns auch nicht glauben, daß wir die Wiedervereinigung aufgegeben hätten. Die Politik Adenauers hat deutlich gemacht, daß uns Freiheit vor Einheit geht, und das nicht zuletzt deswegen,

    (Wehner [SPD]: Was Sie davon verstehen, möchte ich mal in Ihrem Gehirn analysiert sehen!)

    weil wir dadurch den Landsleuten in Mitteldeutschland die Option auf Freiheit, Selbstbestimmungsrecht, Menschenrechte und schließlich auf Wiedervereinigung offenhalten wollen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Ein geteiltes Land darf seinen Nachbarn nicht bequem sein, und wenn es das ist, stimmt etwas nicht in diesem Volk. Entweder hat es sich dann selbst aufgegeben, oder es ist dabei, sich aufzugeben, oder es täuscht seine Nachbarn, oder es wird falsch regiert.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf des Abg. Cronenberg [FDP])

    Deutschlandpolitik ist — so gesehen — mehr als Menschenrechtspolitik, so wichtig dies auch ist. Wir Deutschen haben sicherlich die Pflicht, für die Menschenrechte in Südamerika, in Afrika und überall in der Welt einzutreten, aber in allererster Linie doch wohl für das Menschenrecht unserer Mitbürger in Leipzig, in Erfurt und in Magdeburg. Denn wer — wenn nicht wir — ist dazu berufen, für unsere Landsleute einzutreten, weil wir eines Volkes sind und weil wir ein gemeinsames Vaterland haben?

    (Beifall bei der CDU/CSU)



Rede von Georg Leber
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Ich erteile der Abgeordneten Frau Balser das Wort.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Frolinde Balser


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich stimme mit meinem Vorredner in einem Punkt jedenfalls überein, nämlich daß mehr Menschlichkeit an der Grenze, die mitten durch das alte Deutschland führt, herrschen sollte. Das aber, Herr Kollege Böhm, ist von seiten meiner Fraktionsfreunde ja schon vorher eindeutig ausgeführt worden, und das zumindest sollte in diesem Hause überhaupt nicht strittig sein.
    Mit Ihren anderen Überlegungen haben Sie, glaube ich, mindestens die Menschen im anderen Teil unseres Landes, in der DDR, nicht gerade in Rechnung gestellt, wenn Sie nämlich von einer Verweigerungspolitik ausgehen,

    (Frau Dr. Timm [SPD]: So ist es!)

    wenn Sie sozusagen die gesamte innerdeutsche Zusammenarbeit auf dem Sektor der Wirtschaft einfrieren lassen wollen

    (Böhm [Melsungen] [CDU/CSU]: Gegenüber Zahlen!)

    — genau das haben Sie gesagt — und meinen, damit könne man das Regime drüben zum Zusammenbruch bringen. Das ist — jedenfalls nach meiner Meinung — eine absolute Illusion

    (Zustimmung bei der FDP — Böhm [Melsungen] [CDU/CSU]: Nicht zum Zusammenbruch, sondern zur selbstgewollten Reform!)

    und es geht auf Kosten der Menschen, die dort leben.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Dr. Abelein [CDU/CSU]: Das hat doch kein Mensch behauptet!)

    Ich weise auch strikt zurück, was Sie eingangs gesagt haben, daß bei der Interpretation der Verträge nicht mehr die deutsche, sondern die sowjetische Lesart vorherrsche. Dies ist nun wirklich so unsinnig,

    (Frau Dr. Timm [SPD]: So ist es!)

    daß es kaum lohnt, sich hiermit auseinanderzusetzen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Böhm [Melsungen] [CDU/CSU]: Beim Umsatzsteuergesetz haben Sie es doch versucht! — Pfeffermann [CDU/CSU]: Waren Sie in der letzten Woche nicht im Bundestag?)

    Sie haben von der „Tarnbezeichnung der Entspannungspolitik" gesprochen, die nach allgemeiner Übereinkunft in den letzten Jahren den Frieden in unserem Land mitten in Europa und in Europa insgesamt gefestigt hat. Wie kann man so etwas als „Tarnbezeichnung" ansehen? Ich glaube, Sie sind weit weg von dem, was sich politisch hier bei uns und darüber hinaus abspielt, und sehen vor allem nicht, wie die Politik, die die sozialliberale Koalition betreibt, in der Welt eigentlich beurteilt wird.

    (Sehr richtig! bei der FDP)

    Aber lassen Sie mich zu etwas anderem übergehen. Ich habe mich bei dieser Debatte, die für mich ohnehin etwas neu ist, sehr darüber gewundert

    (Zurufe von der CDU/CSU: Wir auch!)

    — Sie auch —, daß z. B. der Kollege Straßmeir weitgehend aufgerechnet hat, was es denn nun alles kostet, wenn man zu Transitverbesserungen, zur Möglichkeit des Reisens in die DDR überhaupt, kommt. Anscheinend sind Ihnen die Gelder, die hier aufge-



    Frau Dr. Balser
    wendet werden, um Verbesserungen zu erzielen, so furchtbar wichtig, daß man hier überall den Rechenstift anlegen muß. Das ist sehr bedauerlich.

    (Pfeffermann [CDU/CSU]: Das heißt doch, die Frage schlicht und einfach auf den Kopf zu stellen!)

    — Nun ja, so kann man es auch sehen.

    (Dr. Langguth [CDU/CSU]: Strenge Rechnung, gute Freunde!)

    Ich habe ohnehin den Eindruck — wenn Sie mir erlauben, das noch zu sagen —, daß einige der Kollegen an einem Realitätswahrnehmungsschwund leiden.

    (Zustimmung bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

    Als Beispiel — damit endlich nach einer so langen Debatte vielleicht auch einmal wieder gelacht werden kann — führe ich nur an, daß der sehr verehrte Kollege Graf Huyn hier immer nur „meine Herren" gesagt hat, während eine Präsidentin hinter ihm saß und auch sonst noch einige Damen im Saal waren.

    (Dr. Langguth [CDU/CSU]: Sehr witzig!)

    So ähnlich ist das eben mit der Einschätzung dessen, was im anderen Teil Deutschlands vor sich geht. Dort wird gar nichts zusammenbrechen, wenn wir hier wirtschaftliche Verbindungen einstellen, sondern die Dinge werden sich im Gegenteil verhärten. Genau das sollte nun vermieden werden. Ich meine, es ist richtig, davon auszugehen, was der Herr Minister Franke hier gesagt hat, daß die Methode des Interessenausgleichs die ist, die man anwenden muß, und nicht die Methode des absoluten Abschneidens, die Sie im Grunde empfehlen, obgleich es sich um innerdeutsche Politik handelt. Nur so werden wir meines Erachtens — und so ist die Meinung meiner politischen Freunde — hier weiterkommen. Dies ist dann wohl die Art und Weise, in der wir versuchen müssen, uns mit den Anträgen, die Sie uns zahlreich vorgelegt haben, auseinanderzusetzen.
    Für mich waren die Anträge, auf die ich mich hier eigentlich konzentrieren wollte, nämlich die, die sich mit der Presse- und Meinungsfreiheit in der DDR befassen, in allererster Linie eine Faktenaufzählung statt eines Verfahrensvorschlags. Sie haben aufgezählt, welche Fakten allseits bekannt sind. Sie haben aufgezählt, was die Bundesregierung tun sollte, dies alles steht aber — das mag eine zeitliche Überschneidung gewesen sein — sehr ausführlich begründet und im einzelnen dargetan unter Bezugnahme auf genau dieselben Quellen, die auch Sie anführen, in der ausführlichen Antwort der Bundesregierung. Von daher meine ich, es wird die Hauptaufgabe in den Auseinandersetzungen in den Ausschüssen sein, die Antwort der Bundesregierung im einzelnen abzuklopfen; denn Sie, meine sehr verehrten Herren Kollegen, haben — wenigstens für mich nicht ersichtlich — nirgends einen Punkt beigetragen, an dem man die innerdeutsche Politik nun gemeinsam weiter entwickeln könnte, sondern Sie haben die Bundesregierung angegriffen, die ihrerseits
    hierzu aber sehr viel vorgeschlagen und ohnehin in den letzten Jahren betrieben hat.
    Dazu gehört z. B. folgender Punkt. Sie fordern Pressefreiheit und Informationsfreiheit, natürlich. Jedermann weiß, daß es dies in der Deutschen Demokratischen Republik nicht gibt. Die Bundesregierung sagt, um diese Dinge zu ändern, muß man in international abgestimmten Verhandlungen weiterkommen. Wenn Sie diese vielen Unterlagen, die Sie vielleicht gar nicht so genau zur Kenntnis genommen haben — ich habe mich darum bemüht —, genauer gelesen hätten, dann hätten Sie wahrscheinlich bemerkt, daß die DDR bei dem Staatenbericht, den sie bereits 1977 vorgelegt hat, genau zu diesem Punkt sehr wenig sagt. Sie ist hier eines schlechten Gewissens, so möchte ich es einmal ausdrücken. Aber es ist doch auch zu sehen, daß die nicht vorhandene Pressefreiheit in der DDR eine partielle Sache ist. Wir wissen alle miteinander, daß sich die Leute da drüben Abend für Abend für Abend die westdeutsche Tagesschau ansehen und von daher, was das Fernsehen anlangt, durchaus informiert sind und möglicherweise auch verfolgen, was hier geschieht.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Da kriegen sie ein tolles Bild!)

    Jedenfalls sind sie nach meiner Kenntnis über vieles besser informiert als umgekehrt — leider, muß ich sagen — die Bürger der Bundesrepublik Deutschland über das, was sich in der DDR eigentlich abspielt.

    (Dr. Abelein [CDU/CSU]: Das liegt an der Informationspolitik der Bundesregierung!)

    Es wäre wichtig für die Weiterführung der Politik in unserem Lande, daß die Bürger in unserem Lande die Möglichkeiten, die geschaffen worden sind, nämlich die Reisen in die DDR, mehr ausnutzen, als es bislang noch geschieht, obgleich die Zahlen ja sehr bemerkenswert sind. Die Folgerung aus dieser Situation ist ja u. a. auch folgende: Der Bundesrepublik, der Politik der Koalition ist immerhin gelungen — was vorher nicht gelungen war —, Journalisten in die DDR zu kriegen. Wir wissen, daß 19 Journalisten in der DDR zugelassen sind

    (Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: Die dürfen nicht berichten!)

    und daß sechs aus der DDR hier bei uns sind. Das ist ein unausgewogenes Verhältnis, aber das ist eine Sache von drüben. Die Journalisten, die dort sind und Bericht erstatten, haben auch eine andere Funktion, als nur dort anwesend zu sein oder irgendwie das Regime da drüben zu verändern. Diese Funktion genau haben sie nicht. Sie haben die Funktion der objektiven Berichterstattung, wie das gutem Journalismus entspricht.

    (Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: Das dürfen die ja gar nicht! Die dürfen doch nicht berichten, sonst werden sie ausgewiesen!)




    Frau Dr. Balser
    Als Journalist hat jeder seine Funktion, und das ist die einer objektiven Berichterstattung, wenigstens nach meinem Verständnis.

    (Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: Die hat er schon, aber er darf es nicht! Wenn er es macht, dann fliegt er raus!)

    Eine objektive Berichterstattung findet ja weitgehend statt. Sie finden ja auch hier bei uns die Sendungen. Sie hat dazu noch folgende Funktionen, erstens einmal, daß bei uns die Analyse über das, was in der DDR vonstatten geht, leichter wird, und zweitens, daß auch mehr Verständnis für die Situation, die drüben besteht, geweckt werden kann.

    (Pfeffermann [CDU/CSU]: Sie sollten mal darüber nachdenken, wessen Anwalt Sie im Moment sind!)

    Ich glaube, daß es an diesem Verständnis weitgehend mangelt und daß man im Laufe der Zeit etwas mehr Verständnis für die Menschen, die dort drüben leben müssen — die haben sich das genausowenig ausgesucht wie wir —, aufbringen müßte.
    Natürlich ist zu bedauern, daß die Presse- und Informationsrechte in der DDR keineswegs vollständig wahrgenommen werden können. Es wird eine weitere Aufgabe sein, hier einiges zu entwickeln.