Rede von
Detlef
Kleinert
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Das Wesentliche ist gesagt. Dem hier anwesenden sachlich interessierten Kreis ist der Sachverhalt bekannt. Es ist nicht sehr sinnvoll, daraus für die eine oder die andere Seite des Hauses Nutzen ziehen zu wollen. Wir haben es vielmehr mit einem Problem zu tun, das wir normalerweise dem Auswärtigen Amt überlassen: daß es hier diplomatische Schwierigkeiten zwi-
13994 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 177. Sitzung. — Bonn, Donnerstag, den 11. Oktober 1979
Kleinert
sehen verschiedenen Verfassungsorganen gibt. Solche Schwierigkeiten sollten wir, wenn sie sich ergeben, mit der gebotenen Offenheit austragen.
Wir haben bereits vor einigen Jahren im Zusammenhang mit der Bedeutung der Vormerkung im Grundbuch Veranlassung gehabt, eine gesetzliche Regelung zu treffen. Das war sehr bedauerlich.
Wir haben jetzt wieder einen Fall, der, wie wir alle wissen — deshalb unterhalten wir uns darüber —, politische Dimensionen angenommen hat. Eine etwas pfleglichere Betrachtung des Verhältnisses zwischen Verfassungsorganen stände nicht nur uns, die wir hier bemüht sind, sehr vornehm und betulich um die Angelegenheit herumzureden, gut an, sondern auch der anderen an diesem Fall beteiligten Seite.
Deshalb, Herr Erhard, muß ich Ihnen sagen: Es ist Ihr gutes Recht als Opposition, den Entwurf des Bundesjustizministers als unzulänglich oder unvollständig anzugreifen. Aber dieser Entwurf trägt doch nur der Situation des Bundesjustizministers Rechnung, soweit er nämlich auch damit zu tun hat, daß der Bundesgerichtshof jedenfalls eine ihm zugeordnete Justizbehörde ist, wie auch immer man das im einzelnen semantisch werten mag.
Deshalb finde ich es sehr richtig, daß wir hier vom Parlament aus uns etwas näher . und etwas kerniger mit der Sache befassen, die weite Bevölkerungskreise beunruhigt, als es der Herr Bundesjustizminister mit seinem Entwurf getan hat. Er hat in der Begründung ganz deutlich klargestellt, daß weitere Überlegungen durchaus geboten sein können.
Ich teile nicht die Ansicht von Herrn Schöfberger, daß etwa — —
— Entschuldigung, Herr Schmidt. Also diese Münchener — na ja, Gott!
Ich teile nicht die Ansicht von Herrn Schmidt,
daß wir hier bis zu irgendeinem späteren Termin damit warten können, die Dinge für die Zukunft zu regeln. Nur wenn der aktuelle Druck und die aktuelle Interessenlage der betroffenen Kreise uns veranlassen, uns mit der Sache zu befassen, ist der Zeitpunkt richtig, uns — wie übrigens im Fall der Vormerkung — für die Zukunft und dann gleich rundum mit der Sache zu befassen. Jetzt etwa nur das zu regeln, was in der Vergangenheit durch dieses Urteil, mit dem wir uns zu befassen haben, zweifelhaft geworden ist
— damit haben wir uns ja zu befassen —, würde ich für unklug halten, weil die Erfahrung lehrt, daß einige Zeit nach dem aktuellen Anlaß, Herr Schmidt, das Interesse nachläßt, die Motivation, wie man heute so schön sagt, nachläßt und wir deshalb wohl nicht zu den Ergebnissen kommen würden, die wir in der plastischen Anschauung des Vorkommnisses haben würden.
Darum bin ich ausdrücklich dankbar, daß die CDU/CSU-Fraktion hier einen Entwurf vorgelegt hat, der unseren weiteren Beratungen dienen kann, um auch zu überlegen, wie wir das, was hier in Zukunft zu geschehen hat, am besten regeln können, um von den beteiligten Kreisen den Druck der Unsicherheit zu nehmen.
Ich bin überhaupt nicht der Meinung, daß es der Sinn der Fortentwicklung des Rechts ist, eine jahrzehntelang gewachsene Rechtsprechung durch ein für alle Beteiligten völlig überraschendes Urteil zu ändern, nur um damit der Rechtsentwicklung zu dienen.
Es ist meiner Meinung nach für das Verhältnis zwischen den Gewalten nicht gut, wenn der Bundesgerichtshof in Fragen, die rechtlich vielleicht gar nicht so besondere Qualität haben — wer sich mit der Vorlage befaßt hat, wird diese Ansicht teilen können —, die aber eine große praktische Qualität haben, glaubt sich als Ersatzgesetzgeber profilieren zu müssen. Leider sind wir durch diese falsche Einschätzung der Aufgabe zum wiederholten Male in die Situation gekommen, daß wir hier nicht etwa eine Gesetzesflut auslösen, sondern das Notwendige tun müssen, um von vielen Menschen — mindestens vielen Zehntausend; über die Zahl mag man trefflich streiten — die Last zu nehmen, daß hier die für sie ganz lebensentscheidenden Verträge, die in der Mehrzahl der Fälle ihr gesamtes Vermögen betreffen, in Zweifel gezogen werden können.
In einer solchen Situation müssen wir hier handeln. Wir wollen handeln, aber nicht nur für die Vergangenheit, sondern auch für die Zukunft, um hier zu einer Klarstellung zu kommen. Wir bedauern, daß wir aus konkretem Anlaß zu solchen Klarstellungen gezwungen sind. Wir möchten bei dieser Gelegenheit allen Betroffenen sagen: Möge sich niemand — von wem auch immer, sei er auch noch so gemeinnützig — ins Bockshorn jagen lassen! Wir werden rechtzeitig dafür sorgen, daß aus dieser kleinen Meinungsverschiedenheit zwischen dem Bundesgerichtshof und diesem Haus für die Betroffenen keine entscheidende Fehlentwicklung ihres ganzen Lebens werden kann. Sie mögen sich wehren, und wenn sie sich wehren, werden wir rechtzeitig dabei sein und dafür sorgen, daß dieses Sich-Wehren auch von Erfolg gekrönt ist.