Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundesjustizminister hat in seiner Einbringungsrede darauf hingewiesen, wie wichtig die Schutzfunktion des Notars bei Grundstücksgeschäften ist. Ich gehe hier davon aus, daß niemand in diesem Hause — Sie nicht und wir nicht — an dieser Schutzfunktion grundsätzlich etwas ändern will.
— Da stimmen wir überein, daß dies ein sehr wichtiger Punkt ist, weil eben bei diesen Geschäften häufiger auch Betroffene beteiligt sind, die nicht in der Lage sind, die wirtschaftlichen und rechtlichen Implikationen, die damit verbunden sind, zu durchschauen. Ich gehe auch davon aus, daß wir uns einig sind, daß dies eine sehr sensible Materie ist.
Auf Grund der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sind insbesondere bei solchen Grundstücksgeschäften grobe Probleme aufgetreten, bei denen sich der Verkäufer verpflichtet hat, auf dem Grundstück ein Gebäude zu errichten. Wir alle wissen, daß viele Jahre zwischen dem Vertragsabschluß und der Eigentumseintragung liegen können. Genau dies sind die Fälle, die hier eine ganz besondere Rolle spielen. Es wäre eigentlich ein Wunder gewesen, wenn nicht einige versucht hätten und noch versuchen, aus dieser Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Honig zu saugen. Es gibt eine ganze Reihe von Fällen, in denen Bauunternehmen versucht haben, die inzwischen gestiegenen Baupreise nachträglich einzukassieren oder sogar noch weit darüber hinausgehende Forderungen zu realisieren oder sich beispielsweise auch aus der Verpflichtung herauszustehlen, aufgetretene Baumängel zu beseitigen. Wenn dies so kommen würde und wenn dies möglich wäre, würde auf alle diese Erwerber eine Belastung zukommen, die sie vorher nicht einkalkuliert haben, die ihre ganzen Berechnungen über den Haufen wirft und möglicherweise dazu führt, daß sie aus dem ganzen Geschäft aussteigen müssen.
Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 177. Sitzung. — Bonn, Donnerstag, den 11. Oktober 1979 13993
Schmidt
Aus diesem Grunde, Herr Kollege Erhard, sind wir der Meinung, daß es jetzt vor allen Dingen darauf ankommt, sehr schnell die Rechtsunsicherheit bezüglich der Vergangenheit zu beseitigen.
Ganz im Gegensatz zu Ihnen bin ich der Meinung, daß die Bundesregierung mit ihrem Entwurf ausschließt, daß aus solchen Fehlern der Vergangenheit, Fehlern jedenfalls, wie sie der Bundesgerichtshof gesehen haben will, die Nichtigkeit eines Vertrages abgeleitet werden kann. Wir meinen, daß es darauf ankommt, schnell zu handeln.
Nun komme ich zu Ihrem Entwurf. Im Grunde genommen sind wir ja einer Meinung, was den Umstand betrifft, daß wir die Mängel der Rechtsgeschäfte aus der Vergangenheit heilen wollen. Jetzt komme ich aber zum zweiten Punkt, nämlich der Frage: Sollen wir damit gleichzeitig eine Änderung des Beurkundungsgesetzes verbinden?
— Herr Kollege Bötsch, dazu möchte ich Ihnen nur, folgendes sagen: Wir sind überhaupt nicht dagegen
— das haben Sie auch aus den Äußerungen des Bundesjustizministers entnehmen können; die Regierung ist also offensichtlich der gleichen Meinung —, anläßlich dieser Geschichte darüber zu beraten, ob möglicherweise die Vorschriften des Beurkundungsgesetzes zu ändern sind. Nur meinen wir, daß es hierbei zwei Punkte zu unterscheiden gilt, nämlich einmal die Verpflichtung, jene Mängel zu heilen, die sehr große Unsicherheit hervorgerufen haben — das ist das dringlichste —, und auf der anderen Seite zu überlegen, was man für die Zukunft tun kann. Gerade Sie, Herr Kollege Erhard, haben ja in der Vergangenheit immer davor gewarnt — ich kenne Ihre diesbezüglichen Ausführungen im Rechtsausschuß —, mit heißer Nadel und sehr schnell anläßlich eines ganz bestimmten _Tatbestandes Gesetze zu ändern. Wir sollten uns überlegen, ob es ein geeigneter Aufhänger ist, jetzt einige im übrigen sehr umstrittene Entscheidungen des Bundesgerichtshofes zum Anlaß zu nehmen, das Beurkundungsgesetz sehr schnell zu ändern. Ich glaube, so eilbedürftig ist dies auch wieder nicht. Ich betone hier, daß die SPD-Fraktion, genau wie Sie und andere, der Meinung ist, daß es für Parteien unzumutbar ist, stundenlange Vorlesungen über irgendwelche Urkunden anhören zu müssen, dann aber nicht mehr in der Lage zu sein, das eigentlich Wesentliche bei einem solchen Grundstücksgeschäft, nämlich die Belehrungen des Notars, richtig in sich aufzunehmen.
Wenn man an diese Dinge herangeht, dann muß man sich auch Zeit lassen. Wir sollten uns davor hüten, bei jedem beliebigen Anlaß unbedingt sofort in aller Eile das zu tun, was gar nicht in Eile geschehen muß, hinterher aber gehalten zu sein, weil ein solches Gesetz nicht vernünftig anwendbar ist, es wieder zu novellieren. Ich glaube, mit einem solchen Verfahren tut sich der Gesetzgeber keinen Gefallen.
Zur Position der Richter sollten wir noch folgendes festhalten: Sie haben sicherlich auch mitbekommen, daß sich eine ganze Reihe von Richtern dagegen ausgesprochen hat, daß wir als Parlament mit einem Gesetz Folgen, die durch ein Urteil entstanden sind, korrigieren. Dies wird als Urteilsschelte empfunden. Dies ist aber weder die Absicht der Bundesregierung noch unsere Absicht, wenngleich ich doch eines hinzufügen möchte: Es wäre auch für den Bundesgerichtshof absehbar gewesen, welche Folgen sein Urteil hat. Er hätte sicherlich auch eine Möglichkeit gefunden, nicht die ganzen Folgen lawinenartig auf uns zustürzen zu lassen. Dies ist aber nicht der Ort, um sich mit der dritten Staatsgewalt darüber auseinanderzusetzen. Unsere Aufgabe ist es jetzt, die Folgen dieser Entscheidung zu beseitigen.
Ich möchte noch hinzufügen: Angesichts der Anforderungen, die gerade bestimmte Richter bei der Auslegung von Treu und Glauben stellen, ist es äußerst unsicher, wie viele von den vom Herrn Bundesminister zitierten 100 000 oder 110 000 Fällen zugunsten derjenigen ausgehen, die sich auf Treu und Glauben berufen.
Wenn man so hohe Anforderungen stellt und praktisch nur solche Umstände anerkennt, wo eine ganz besondere Härte vorliegt, wo man sagen muß, dies ist nicht zuzumuten, würden wir, wenn wir den Vorschlägen der Richter folgen würden, jeden einzelnen Betroffenen dem Prozeßrisiko aussetzen und uns der Möglichkeit begeben, Rechtssicherheit zu schaffen.
Ich bin der Meinung: Wir müssen 'Rechtssicherheit schaffen. Es wäre gut, Herr Kollege Erhard, wenn wir Übereinstimmung erzielen könnten, daß es in erster Linie darauf ankommt, jetzt Rechtssicherheit für die Vergangenheit zu schaffen. Dann sollten wir gemeinsam überlegen, wie wir am besten mit den Problemen, die anläßlich dieser Urteile aufgetreten sind, fertig werden können und ob es nicht noch ein paar andere Dinge gibt, die wir dabei miterledigen könnten.
Wir sollten auf jeden Fall eines nicht tun: uns jetzt zu übereilten Maßnahmen hinreißen lassen und sie später korrigieren. Wenn wir hier gemeinsam vernünftig arbeiten, werden wir auch ein vernünftiges Ergebnis erzielen.