Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Entschließungsantrag der Opposition, der. hier zur Debatte steht und der zur weiteren Beratung an den innerdeutschen Ausschuß überwiesen werden soll, endet in seiner Formulierung mit der Bezugnahme auf Jablonski. Diese Drucksache liegt vor. Die Anworten sind in ihrer Formulierung natürlich entsprechend zubereitet, damit wir uns eng daran halten, um versuchen zu können, eine sachliche Basis für die Behandlung des sehr ernsten Themas zu finden, dessen Lösung ja nicht nur in unserem Ermessen liegt ganz gleich, wer wir sind —, sondern immer verlangt, daß wir auch mit jenen klarkommen, die daran beteiligt sind und die sogar einen sehr großen Anteil daran haben, daß sich die Dinge sinnvoll entwickeln können.
Dieser Entschließungsantrag, meine Damen und Herren, 'veranlaßt mich, noch einmal folgendes in Ihr Gedächtnis zurückzurufen. Das kann gar nicht oft genug getan werden, damit wir die Dinge so sehen, wie sie wirklich sind. Hier geht es nicht um Peinlichkeiten für diesen oder für jenen, hier geht es auch nicht darum, daß alles widerspruchslos hingenommen wird. Im Gegenteil, wir haben gemeinsam Instrumentarien entwickelt, die auch in Anspruch genommen werden. Wir haben offizielle Adressen: Es gibt die Transit-Kommission, in der jeder einzelne Fall, der nach unserem Empfinden eine ungerechtfertigte Festnahme bedeutet, ange-
13986 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 177. Sitzung. — Bonn, Donnerstag, den 11. Oktober 1979
Bundesminister Franke
sprochen und zur Klärung gebracht wird, soweit das im Rahmen dieses Abkommens geklärt werden kann.
Hier sind schon Zahlen genannt worden. Nach Inkrafttreten dieses Abkommens haben 110 Millionen Reisende in beiden Richtungen — von hier nach Berlin und von Berlin nach hier — von der Möglichkeit des Transits Gebrauch gemacht. In den Jahren des Abkommens wurden 938 Personen verhaftet; davon wurden 763 schnellstens wieder entlassen. Die Zahl hat sich bis heute noch um einiges erhöht. Jeder einzelne Fall wird überprüft. Wie Sie aus diesen Zahlen ersehen, sind per 31. August 175 in unserem Sinne ungeklärte Fälle übriggeblieben. Davon sind in diesen Tagen bereits wieder einige Personen nach West-Berlin gekommen, und zwar jene, die sich auf der Autobahn nicht nach den Gesetzen der DDR bewegt haben, weil sie Alkohol genossen hatten oder weil sie die Geschwindigkeitsbegrenzungen überschritten hatten. Sie sind eingesperrt und in diesen Tagen wieder entlassen worden. Heute nachmittag — das kann ich bei dieser Gelegenheit mit hinzufügen — sind Herr Bahro und Herr Hübner aus dem Gewahrsam der DDR zunächst nach Ost-Berlin entlassen worden. Wie das weitergehen wird, werden wir sehen. Jeder einzelne von Ihnen weiß aus unserer Praxis, daß wir uns um jeden einzelnen Fall intensiv und mit aller Ernsthaftigkeit bemühen und schon sehr viele Schicksale zur Zufriedenheit haben lösen können. Da hinein gehört das Ganze.
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie um die gebotene Sachlichkeit bei der Behandlung solcher Themen. Ich sage Ihnen noch einmal: Die Reisen nach Berlin und von Berlin in die Bundesrepublik sind so sicher, wie man es sich nur wünschen kann.
Daß aber gewisse Dinge bei einer solch großen Zahl immer als „Ausfranser" zu werten sind, wird gerade demonstrativ durch den Fall Jablonski bewiesen. Lassen Sie mich das hier in aller Deutlichkeit sagen: Ein Mann, der von dort drüben wegen Mordes verfolgt wird und sich wieder in die Nähe des Machtbereiches jener begibt, die diese Forderung nach wie vor aufrechterhalten haben, dem ist nicht zu raten. Entweder kann er nicht lesen oder er wollte sich da irgendeiner Situation aussetzen, die unvertretbar ist und die ein Werk gefährdet, das noch längst nicht vollkommen ist.
Ich bitte Sie sehr darum: Machen Sie sich nicht unnötig zu Befürwortern von Leuten, die wirklich nur unser aller Bedauern finden sollten, aber nicht so dargestellt werden sollten, als hätten sie sich in besonderer Weise für Recht und Freiheit eingesetzt. Es ist peinlich, wenn man mit den Leuten darüber sprechen muß. Der Mann ist auch hier bei uns wegen Mordes verurteilt, und Mord bleibt Mord. Es gibt keine Motivation, die dem jungen Mann damals hätte Veranlassung geben können, wegzugehen, außer daß er meinte, hier könne er besser leben als drüben. Er hatte keine politische Motivation, die ihn zu einer solchen Tat veranlaßt hätte, um überhaupt die DDR verlassen zu können.
Dieses binden Sie hier in diesen Antrag mit. ein. Das ist doch eine gewisse Peinlichkeit.
— Nein, das ist kein Nebengleis. Das ist für Sie ja der Aufhänger gewesen. Das paßt Ihnen natürlich nicht. Aber ich bleibe doch dabei. Nehmen Sie doch bitte zur Kenntnis, daß kein Reisender mehr kontrolliert wird, wie dies früher der Fall war, es sei denn, es gibt Verdachtsmomente — und diese hat sich die DDR vorbehalten; da war nicht zu widersprechen - bei Mißbrauch der Transitwege. Die Transitautobahn führt durch das Gebiet der DDR, ob uns das paßt oder nicht. Die DDR hat ihre eigenen Gesetze. Wenn sie Leute, die nach 1971 geflohen sind, nach wie vor als ihre Bürger betrachtet, können wir ihr das nicht verwehren. Wir können den Leuten nur sagen: Benutzt die Wege, die auch andere Leute benutzen, die bequemer reisen wollen als mit dem Auto, aber nicht gefährdet sind. Ich meine jene, die die Flugzeuge benutzen. Auch rufen wir dazu auf: Bitte sehr, wendet euch in jedem Fall, wenn ihr selber nicht klar seht, wie die Lage ist, entweder an den Senator in Berlin oder an uns; dann bekommt ihr die richtige Auskunft.