Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Um den Bundesgrenzschutz sind schon zahlreiche Glaubenskriege geführt worden, leider mit teilweise fürchterlichen Ausuferungen, die allesamt nur zu Lasten dieser Einrichtung gingen und die jeweils nichts anderes als eine totale Verunsicherung der in ihr tätigen Beamten bewirkt haben. Manches spricht dafür, daß es immer noch Kreise gibt, die, aus welchen Gründen auch immer, diesen Glaubenskrieg fortsetzen möchten.
13974 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 177. Sitzung. — Bonn, Donnerstag, den 11. Oktober 1979
Pensky
Dafür spricht z. B. der hier zur Debatte stehende CDU/CSU-Antrag und die dazu von der Union eingeleitete Begleitmusik durch Presseerklärungen, öffentliche Reden, vorausgegangene Anfragen an die Bundesregierung mit unmißverständlicher Tendenz; dazu gehören auch Ihre gestrigen Äußerungen, Herr Kollege Jentsch, in der ZDF-Magazinsendung des Herrn Löwenthal, wo Sie sich sicher sehr wohlgefühlt haben.
Schon früher wurde dem Grenzschutz von seiten der CDU/CSU ein Selbstverständnis zugedacht, das ebenso töricht wie politisch gefährlich war und das natürlich auch auf die Beamten abfärben mußte. Denn wie anders ist es zu erklären — ich muß das noch einmal hier dartun —, daß beipsielsweise just zu dem Zeitpunkt, als der damalige Bundeskanzler Willy Brandt sich anschickte, seinen ersten Besuch in Erfurt zu machen, um den schwierigen Prozeß der Entspannungspolitik einzuleiten, ein hoher Beamter des Bundesgrenzschutzes vor an der Grenze zur DDR versammelten Journalisten und CDU-Politikern folgendes erklärte:
Die da drüben
— gemeint war die DDR —
verstehen nur eine Sprache. Dahinter muß immer die nackte Gewalt stehen. Wer glaubt, man könne mit denen im guten verhandeln, mit dem wird nur Schlitten gefahren.
Schließlich verteidigte damals in diesem Zusammenhang der Bundesgrenzschutzgeneral die Theorie vom sogenannten Polizeipuffer des Bundesgrenzschutzes im Verteidigungsfall. Er forderte eine Bewaffnung des Bundesgrenzschutzes mit schweren Waffen. Kein Wunder, meine Damen und Herren, denn die fatale Geisteshaltung, die mit diesen Äußerungen zum Ausdruck gebracht worden ist, entspricht genau dem, was die CDU und CSU jahrelang als die Maxime ihrer Politik des Säbelrasselns mit Vehemenz vertreten haben. Und was soll man, so frage ich, eigentlich von einem leitenden Beamten erwarten, dem ständig ein solches Denkmodell als adäquates Feindbild vermittelt worden ist?
Man könnte meinen, dies alles sei der Schnee von gestern und müsse schon deshalb längst der Vergangenheit angehören, weil der Deutsche Bundestag ja 1972 in großer Übereinstimmung aller Fraktionen bei wenigen Gegenstimmen der CDU/ CSU ein neues Bundesgrenzschutzgesetz verabschiedet habe, in dem klar und unmißverständlich dem Bundesgrenzschutz ausschließlich polizeiliche Aufgaben zugewiesen wurden, und zwar sowohl an der Grenze wie im Innern des Landes. Aber weit gefehlt. Wer die öffentlich geführten Diskussionen von seiten der CDU und der CSU beobachtet hat, stellt fest, daß es dort offenbar noch eine Reihe von Leuten gibt, die sich immer noch nicht von den überholten Denkmodellen gelöst haben. Was soll man den sonst von den ständig wiederholten Äußerungen von Unionspolitikern halten, beispielsweise von Herrn Jentsch, die davon reden, dem Bundesgrenzschutz drohe Abrüstung; der Bundesgrenzschutz müsse in der Lage sein, Grenzzwischenfällen zu begegnen, er müsse bei militärischen Angriffen von östlicher Seite als Polizeipuffer funktionieren? „Unanständig!", sage ich, solche Leute als Kanonenfutter für eine Aufgabe vorzusehen, für die sie nicht ausgebildet, nicht ausgerüstet sind, für die sie nach dem Gesetz auch nicht gedacht sind.
Wer, wie Herr Jentsch, meint, der Bundesgrenzschutz könne nur als Polizeitruppe seine gesetzlichen Aufgaben erfüllen, und wer, wie Herr Handlos — ich weiß nicht, er ist ja Verteidigungspolitiker, habe ich mir sagen lassen —, vor Bundesgrenzschutzbeamten in Deggendorf befürchtet, daß — ich zitiere — „die Grenzer zu Polizeibeamten gemacht würden" , und daran die Feststellung knüpft „Damit wäre dann die Sicherheit unserer Grenze nicht mehr gewährleistet", der, meine Damen und Herren, ignoriert nicht nur das 1972 in großer Übereinstimmung verabschiedete Bundesgrenzschutzgesetz und die damit verbundene Entschließung zur Weiterentwicklung des Bundesgrenzschutzes, sondern der stellt sich auch gegen das gemeinsame Sicherheitsprogramm, das die Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren des Bundes und der Länder im Jahre 1972 beschlossen und im Jahre 1974 fortgeschrieben hat.
Dieses gemeinsame Sicherheitsprogramm ist von. uns damals — wohl völlig zu Recht — als großer Fortschritt bezeichnet worden, weil es mit ihm erstmals in der Nachkriegsgeschichte Deutschlands überhaupt gelungen war, die Aufgaben und Zuständigkeitsbereiche der Sicherheitsbehörden — ausgehend von der geteilten politischen Verantwortung von Bund und Ländern für die innere Sicherheit — in einem Gesamtkonzept gegeneinander abzugrenzen und die Möglichkeit zur Kooperation zu finden. Diese politischen Entscheidungen waren gerade für den Bundesgrenzschutz deshalb von allergrößter Bedeutung, weil damit das jahrelange Gerangel um die Frage „Bundesgrenzschutz — ja oder nein?" ein für allemal ein Ende gefunden hatte.
Wichtig war aber auch, daß mit der Neuumschreibung des Aufgabenfeldes des Bundesgrenzschutzes sowohl im Grundgesetz als auch im BGS-Gesetz saubere Rechtsgrundlagen für die ausschließlich polizeiliche Funktion des Bundesgrenzschutzes geschaffen wurden. Wir Sozialdemokraten — das sage ich hier noch einmal in aller Deutlichkeit — stehen zu dieser Konzeption, weil sie dem Sicherheitsbedürfnis in unserem Lande voll gerecht wird.
Ich meine, es ist an der Zeit, daß auch die Opposition in diesem Hause endlich Farbe bekennen und erklären sollte, was sie denn von diesem gemeinsamen Sicherheitskonzept hält, das immerhin auch von den Innenministern ihrer eigenen Partei in den Ländern mitentwickelt worden ist.
Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 177. Sitzung. - Bonn, Donnerstag, den 11. Oktober 1979 13975
Pensky
Nun ist es natürlich kein Geheimnis, daß der
Bundesgrenzschutz zur Zeit noch mit enormen personellen Engpässen zu kämpfen hat. Daraus aber der Bundesregierung oder dem Bundesminister des Innern einen Vorwurf machen zu wollen, geht wohl an den Realitäten vorbei. Ihnen, meine Damen und Herren von der Opposition, war wie uns bei der Beratung des Personalstrukturgesetzes durchaus bewußt, daß der Verzicht auf Dienstpflichtige, auf Kurzdienende und die Umstellung auf das Lebenszeitprinzip mit den damit verbundenen verstärkten Schulungsmaßnahmen zu personellen Engpässen führen mußten. Wir haben dies damals — Herr Kollege Jentsch, Sie waren nicht dabei; Sie sollten es sich einmal sagen lassen — gemeinsam in Kauf genommen: im Interesse einer baldigen Verwirklichung der neuen Konzeption, aber auch — das füge ich hinzu — in der Erwartung, man möge mit der Heranziehung von Bundesgrenzschutzbeamten zu Einsätzen in der Umstellungsphase etwas zurückhaltender sein. Letzteres ist offenbar — auch das müssen wir sehen — auf Grund der anhaltend angespannten Sicherheitslage längere Zeit nicht erreichbar gewesen.
Wir begrüßen es deshalb, daß es dem Innenminister in Vereinbarung mit den Bundesländern dennoch gelungen ist, auswärtige Einsätze von Grenzschutzbeamten etwas zurückzudrehen. Wir wünschen, daß daran noch etwas mehr zurückgedreht werden könnte. Ich möchte auch von dieser Stelle aus ein mahnendes Wort an die Länder richten, im Interesse einer nicht zu vertretenden dauerhaften
Überforderung noch eine Weile äußerste Zurückhaltung bei der Anforderung von Beamten des Bundesgrenzschutzes zu üben.
Wenn ich auch soeben die Gemeinsamkeit von Bund und Ländern in Zusammenhang mit der Erarbeitung des Sicherheitskonzepts besonders gewürdigt habe, so komme ich nicht umhin, ein Wort der Kritik zu sagen, das sich jedoch ausschließlich gegen den Freistaat Bayern richten muß.
— Jawohl, wir wissen alle, daß das BGS-Personalstrukturgesetz nur funktionieren kann, wenn die Länder bereit sind, ihren Personalbedarf für die Polizei zum Teil durch Übernahme von Bundesgrenzschutzbeamten zu decken. Wir Sozialdemokraten sind befremdet darüber, daß, obwohl gemäß Absprache in der Innenministerkonferenz alle Bundesländer eine entsprechende Übernahmeerklärung unterzeichnet haben, sich allein Bayern bis heute noch dagegen sperrt. Vielleicht können Sie das Ihrem großen Vorsitzenden mal sagen,
meine Damen und Herren von der CSU. Ich frage, wie sich das eigentlich mit den starken Worten des CSU-Vorsitzenden vereinbart, der in den letzten Tagen und Wochen besonders lauthals von der „Verantwortung für ganz Deutschland" spricht.
Ich stelle folgendes fest. Erstens: Die Bundesregierung hat ihre Pflicht getan, indem sie konsequent den Bundesgrenzschutz so fortentwickelt hat, wie es der gesetzlichen Konzeption unter Berücksichtigung des gemeinsamen Sicherheitsprogramms von Bund und Ländern entspricht. Das bezieht sich insbesondere auch auf das Ausbildungsprogramm, das ebenfalls einvernehmlich von einer Bund-Länder-
Kommission festgelegt ist.
Zweitens: Die Beamten des Bundesgrenzschutzes haben vollauf ihre Pflicht erfüllt, indem sie gerade in der schwierigen Umstellungsphase einen ganz erheblichen Beitrag zur Gewährleistung der inneren Sicherheit erbracht haben, wozu wir ihnen Dank und Anerkennung sagen.
Drittens: Die Opposition wird aufgefordert, ebenfalls etwas pflichtbewußter zu sein, indem sie sich endlich zu dem gemeinsam beschlossenen Sicherheitskonzept bekennt und künftig darauf verzichtet, dieses Konzept immer wieder in Frage zu stellen oder ihm einen völlig falschen Inhalt zu geben.
Zum Schluß bleibt noch anzumerken: die Sicherung und Befriedung unserer östlichen Staatsgrenze ist nicht nur durch Sicherheitsorgane zu gewährleisten, sondern auch durch die Fortsetzung der Verhandlungen in der Grenzkommission, deren Ergebnisse bisher schon zu einer erheblichen Verminderung von Konfliktfällen an der Grenze zur DDR beigetragen haben. Zu dieser Politik der Bundesregierung gibt es keine Alternative.