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ID0816904000

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 8/169 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 169. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 13. September 1979 Inhalt: Verzicht der Abg. Nordlohne, Dr. von Bismarck und Wohlrabe auf die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag . . . . . . . 13425 A Eintritt der Abg. Erpenbeck, Dr.-Ing. Oldenstädt und Bahner in den Deutschen Bundestag 13425 A Wahl des Abg. Weiskirch (Olpe) zum stellvertretenden Mitglied im Gemeinsamen Ausschuß 13425 B Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung . 13425 B Fortsetzung der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1980 (Haushaltsgesetz 1980) — Drucksache 8/3100 — in Verbindung mit Beratung des Finanzplans des Bundes 1979 bis 1983 — Drucksache 8/3101 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Zweiten Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 1979 (Zweites Nachtragshaushaltsgesetz 1979) — Drucksache 8/3099 — Dr. Häfele CDU/CSU 13427 B Westphal SPD 13436 C Hoppe FDP 13444 A Haase (Kassel) CDU/CSU 13447 D Löffler SPD 13452 C Gärtner FDP 13456 A Carstens (Emstek) CDU/CSU 13458 D Roth SPD 13461 C Dr. Kohl CDU/CSU 13464 D Schmidt, Bundeskanzler . . . . . . . 13478 C Rohde SPD 13483 B Mischnick FDP 13489 D Dr. Althammer CDU/CSU . . . . . . 13490 D Dr. Ehrenberg, Bundesminister BMA . . 13495 A Franke CDU/CSU 13499 B Glombig SPD . . . . . . . . . . 13502 D Cronenberg FDP 13505 C Frau Huber, Bundesminister BMJFG . . 13507 C Burger CDU/CSU 13510 C Kuhlwein SPD 13512 A II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 169. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. September 1979 Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch den Bundesminister der Finanzen Überplanmäßige Ausgabe bei Kap. 23 02 Tit. 896 05 — Leistung einer einmaligen finanziellen Sondermaßnahme im Rahmen der Konferenz für internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit - Drucksachen 8/2883, 8/3033 — . . . . 13516 B Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch den Bundesminister der Finanzen Überplanmäßige Ausgabe bei Kap. 60 04 Tit. 671 02 — Erstattung von Kredit- und Verwaltungskosten und Ausfällen an die Kreditanstalt für Wiederaufbau im Zusammenhang mit der Bildung eines Fonds für Direktinvestitionen und dem Erwerb von Auslandsforderungen auf Grund des deutsch-amerikanischen Devisenausgleichabkommens vom 8./19. August 1969 — Drucksachen 8/2935, 8/3034 — . . . . 13516 B Beratung des Antrags des Bundesministers für Wirtschaft Rechnungslegung über das Sondervermögen des Bundes „Ausgleichsfonds zur Sicherung des Steinkohleneinsatzes" — Wirtschaftsjahr 1978 —— Drucksache 8/3060 — 13516 C Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Auslieferungsvertrag vom 20. Juni 1978 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika — Drucksache 8/3107 — 13516 D Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 20. Juli 1977 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über die Ergänzung des Europäischen Ubereinkommens vom 20. April 1959 über die Rechtshilfe in Strafsachen und die Erleichterung seiner Anwendung — Drucksache 8/3138 — . . . . . . . 13516 D Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Tabaksteuergesetzes (TabStG 1980) — Drucksache 8/3114 — 13517 A Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung (AO 1977) — Drucksache 8/3142 — 13517 A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Gewerbeordnung — Drucksache 8/3077 — 13517 A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 6. November 1975 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Jamaika über den Luftverkehr — Drucksache 8/3058 — 13517 A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Ubereinkommen vom 3. September 1976 über die Internationale Seefunk Satelliten-Organisation (INMARSAT) — Drucksache 8/3057 — . . . . . . . 13517 B Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag einer Verordnung des Rates über eine Beteiligung der Gemeinschaft an Maßnahmen zur Umstrukturierung und Umstellung der Industrie Vorschlag eines Beschlusses des Rates über eine Beteiligung der Gemeinschaft an Umstrukturierungs- oder Umstellungsinvestitionen der Schiffbauindustrie Vorschlag eines Beschlusses des Rates über eine Beteiligung der Gemeinschaft an Umstrukturierungs- oder Umstellungsmaßnahmen der Textilindustrie, insbesondere der Kunstfaserindustrie — Drucksachen 8/2465, 8/2687, 8/3145 — 13517C Nächste Sitzung 13517 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordheten . . 13518*A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 169. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. September 1979 13425
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 14. 9. Amrehn ** 14. 9. Dr. Bayerl 13. 9. Blumenfeld 14. 9. Dr. Corterier *** 13. 9. Dr. Dregger 13. 9. Dr. Enders * 14. 9. Fellermaier **** 14. 9. Frau Fischer ** 14. 9. Friedrich (Würzburg) **** 14. 9. Haberl 14. 9. Dr. Hennig ** 14. 9. Hoffie 13. 9. . Dr. Holtz ** 14. 9. Dr. Jaeger ** 14. 9. Jaunich 14. 9. *) für die Teilnahme an. Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates **) für die Teilnahme an der 66. Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union ***) für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung ****) für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. h. c . Kiesinger 14. 9. Dr. Klepsch **** 14. 9. Klinker 14. 9. Koblitz 14.9. Dr. Köhler (Wolfsburg)** 14. 9. Dr. Kraske ** 14. 9. Kraus ** 14. 9. Dr. Kreutzmann 14. 9. . Dr. Kunz (Weiden) ** 14. 9. Lemmrich * 14. 9. Lücker **** 14. 9. Männing ** 14. 9. Mattick ** 14. 9. Dr. Meinecke (Hamburg) ** 14. 9. Dr. Mende ** 14. 9. Dr. Möller 14. 9. Dr. Müller-Hermann **** 14. 9. Polkehn ** 14. 9. Reuschenbach ** 14. 9. Schetter 14. 9. Schmidt (Würgendorf) 14. 9. Dr. Schwencke (Nienburg) **** 14. 9. Seefeld **** 14. 9. Frau Simonis 14. 9. Frau Tübler 14. 9. Voigt (Frankfurt) ** 14. 9. Dr. Wulff ** 14. 9. Wurbs ** 14. 9.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Helmut Kohl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Sehen Sie, Herr Kollege Roth, das ist es ja eben, warum ich so verwundert war: Das, was Sie vorhin zum Schluß sagten, war ganz und gar frei von jenen klassenkämpferischen Untertönen, die Sie jetzt sofort nachtragen müssen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Ich kann nur sagen: Was wollen Sie eigentlich mehr als ein offenes Annehmen Ihres Angebots, vorbehaltslos — das habe ich doch deutlich gesagt — miteinander über alles zu reden? Warum bringen Sie jetzt diesen einen Punkt? Das ist doch sofort wieder die alte Erinnerung, die Kollege Häfele hier beschworen hat, aus dem letzten Landtagswahlkampf in Nordrhein-Westfalen, als wir vor einer ähnlich kritischen Situation standen. Auch damals machte die CDU/CSU-Fraktion von dieser Stelle aus das Angebot: Laßt uns im Blick auf den Staatshaushalt und die Entwicklung der Verschuldung darüber reden, ob dies alles so sein muß!
    Daraufhin haben Sie den diffamierenden Vorwurf erhoben, wir betrieben „soziale Demontage". Herr Roth, es klingt gut, was Sie hier sagen; aber der Pferdefuß wurde gleich nach der Mittagspause pflichtbewußt nachgereicht. Das ist es, was wir immer wieder bemängeln müssen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Um es noch einmal klar zu sagen: Wir sind angesichts des Zustands der öffentlichen Finanzen, angesichts der dringenden Notwendigkeit von Zukunftsinvestitionen bereit, über alles miteinander zu reden. Aber das geht nur, wenn man im Ausschuß oder anderswo auch „laut denken" kann; wenn man Fragen stellen kann, ohne sofort in die Diffamierungsecke abgedrängt zu werden: Wer nur daran denkt, diesen oder jenen Besitzstand kritisch
    zu beleuchten, das ist einer, der „soziale Demontage" betreibt.
    Das ist der Punkt, der es in diesem Hause unmöglich macht, eine gemeinsam verantwortete Finanzpolitik durchzuführen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Aber dennoch — gerade weil ich finde, daß alle Parteien dieses Hauses angesichts dessen, wie der Bürger die gegenwärtige Parteienlandschaft betrachtet, guten Grund haben, sich zu bemühen, möglichst viel Glaubwürdigkeit auch vor einer Wahl zu gewinnen — mache ich dieses Angebot noch einmal. — Herr Kollege Hoppe, Sie nicken mir freundlich zu; ich will diesen Zuspruch auch gerne an Sie zurückgeben. Wenn Sie so abstimmen, wie Sie hier immer reden, bin ich ganz und gar zufrieden mit der Entwicklung.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Am Reden hat es bei Ihnen nie gefehlt, an der Einsicht auch nicht; es war die Tat, die oft ausblieb. Wir erhoffen uns gerade in diesem Vorwahljahr, daß man vielleicht doch gemeinsam ein Stück politischer Vernunft über die Hürde bringen kann.
    Meine Damen und Herren, die Sprecher der Koalition haben sich redlich bemüht, im Vorfeld der Bundestagswahl jenes Schlachtengemälde weiter auszumalen, als schlössen sich Verbesserungen der Haushaltssituation und Steuererleichterungen total aus.
    Wer das Drehbuch liest, das Sie intern geschrieben haben, der kann doch jetzt schon klar erkennen, daß Sie vor der Wahl unter dem Zwang der Ereignisse genau in diese Richtung zumindest optische Signale aussenden. Ich kann mich immer nur wundern, auf wieviel Kurzfristigkeit des Erinnerungsvermögens Sie eigentlich reflektieren, wenn wir im Blick auf das Thema Steuersenkungen miteinander diskutieren. Wir haben doch all die Argumente in den vergangenen Jahren immer wieder gehört. Hansjörg Häfele sprach davon. Erst haben Sie mit einem großen Aufwand erklärt, das sei alles nicht möglich — und am Ende ist es dann doch möglich gewesen. Ich sage noch einmal: Das Drehbuch ist schon geschrieben.
    Ich will noch einmal mit wenigen Sätzen darauf eingehen. Vier kurze Argumente sind zu nennen.
    Erstens. Natürlich ist der nahende Wahltermin des Jahres 1980 jener Termin, zu dem im Schoße der Bundesregierung Steuergeschenkpakete vorbereitet werden. Ich kann die Warnung meines Kollegen hier nur wiederholen: Wer es gut meint mit der Steuerpolitik, wer es gut meint mit dem Ansehen des Staates bei seinen Bürgern, der sollte dann nicht unmittelbar im Wahlkampf mit heißer Nadel Gesetze nähen, die sachlich nicht standhalten, sondern der sollte sich jetzt in einer ruhigeren Situation, in der das noch möglich ist, auch in der parlamentarischen Arbeit darum bemühen, ein Stück Gemeinsamkeit zu finden. Das ist eine der Voraussetzungen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)




    Dr. Kohl
    Die Erfahrungen unserer Bürger mit der Steuerpolitik Ihrer Regierung, Herr Bundeskanzler, waren in all diesen Jahren immer die gleichen. Ihnen war es nie ein wirkliches Anliegen, die Bürger von der übermäßigen steuerlichen Belastung zu befreien. In Wahrheit haben Sie in diesen Jahren immer eine Politik betrieben, die den Bürgern immer mehr Geld abnahm, um sie durch staatliche Ausgabenprogramme beeinflussen, lenken und bevormunden zu können.
    Ich erinnere daran, daß Sie sich vor Jahresfrist mit der Autorität Ihres Amtes gegen Steuererleichterungen zur Wehr gesetzt haben. Als diese Erleichterungen dann endlich durch die Union, nicht zuletzt durch die Mehrheit im deutschen Bundesrat durchgesetzt worden waren, haben Sie sich draußen im Lande in allen Schaukästen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands als der Mann präsentieren lassen, der dem Bürger Erleichterungen gewähren will.
    Meine Damen und Herren, wir haben unsere Erfahrungen mit Ihrer Steuerpolitik. Ich sage es noch einmal: Wir sehen das Drehbuch im Blick auf die Bundestagswahl. Wir haben damals die Tarifreform trotzdem durchgesetzt. Heute, Herr Bundeskanzler, bezeichnen Sie die Steuerdiskussion als reichlich naiv. Das ist eine beliebte Terminologie. Wer nicht Ihrer Meinung ist, versteht nichts davon und ist naiv, obwohl auch Sie wissen müßten, daß Steuererleichterungen dazu beitragen können, wirtschaftliches Wachstum zu fördern, Arbeitsplätze zu sichern und neue Arbeitsplätze zu schaffen.
    Zweitens. Herr Bundeskanzler, Ihr Einwand,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wo ist er denn?)

    daß diese Steuerdiskussion zur Unzeit geführt wird, ist einfach nicht stichhaltig. Sie selbst waren es, der auf die dunklen Wolken am Konjunkturhimmel des Jahres 1980 hingewiesen hat. Sie selbst haben die Ölpreiserhöhung und eine mögliche Rezession in den USA als Stichworte öffentlich angesprochen. Es ist doch nur vernünftig, wenn wir angesichts solcher Entwicklungen die Frage nach Steuererleichterungen hinzufügen.
    Drittens. Im Grunde geht es zunächst gar nicht um die konjunkturpolitische Einfassung der Steuerdiskussion, sondern um die Frage der Steuergerechtigkeit, um jene Milliarden, die der Staat auf unzulässige Weise auf Grund der Inflationsentwicklung kassiert.
    Herr Bundeskanzler, Sie haben gesagt, eine Steuererleichterung sei mit einer Politik der Haushaltsverbesserung unvereinbar. Das ist einfach unrichtig. Zur Alltagserfahrung des Bürgers der Bundesrepublik Deutschland gehört doch vor allem dies: Obwohl die Bürger unter Ihrer Regierung steuerlich unzumutbar belastet wurden, hat die Bundesregierung trotz ständig steigender Einnahmen einen nie zuvor gekannten Schuldenberg aufgehäuft.
    Wenn dies richtig ist, dann sollten Sie, Herr Bundeskanzler, im Fernsehen nicht plaudernd erwähnen, bei Steuersenkungen müsse man wiederum mehr Kredite aufnehmen; denn dann erkennt man die Absicht, daß Sie in Wahrheit Ihr eigenes Versprechen vom Schuldenabbau nicht ernst nehmen. Sie lehnen Steuererleichterungen für den Bürger ab, weil die ungerechtfertigten höheren Steuereinnahmen Ihnen die für das Wahljahr 1980 notwendigen Mittel verschaffen. Das ist die Wahrheit, die wir wieder beklagen müssen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    In Wahrheit denken Sie gar nicht daran, hier einen entscheidenden Schritt zu tun.
    Wir werden uns im Laufe der weiteren Beratung noch einmal mit dem mangelnden Respekt gegenüber einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts in bezug auf öffentliche Propagandaaufwendungen zu befassen haben. Ich gebe zu: Sie haben gelernt, Sie machen das alles jetzt wesentlich geschickter. Aber in Wahrheit hat sich am Verhalten der Regierung überhaupt nichts geändert.
    Ich will noch einen Gedanken aus der Debatte des heutigen Morgens aufgreifen. Es ist darauf hinzuweisen, daß weite Teile der Sozialdemokratischen Partei natürlich auch heute noch — oder gerade heute wieder — in der Steuerpolitik ganz andere Instrumente zur Steuerung der Gesellschaft sehen. Heute früh ist Senator Scherf aus Bremen zitiert worden, ein Mann, bei dessen sonstigen öffentlichen Äußerungen es sich eigentlich nicht lohnt, ihn überhaupt zu erwähnen. Aber er ist Wortführer einer bestimmten Richtung in Ihrer Partei, Herr Bundeskanzler. Herr Scherf sagte Mitte dieses Jahres wörtlich:
    Wir machen z. B. in der Steuerpolitik — das
    ist mein engeres Gebiet — seit Jahr und Tag
    genau das Gegenteil von dem, was die Partei beschlossen hat, und zwar im Orientierungsrahmen und in dem vorangegangenen Langzeitprogramm. Wir wollen den öffentlichen Korridor erweitern.
    Herr Bundeskanzler, es gibt kein Wenn und Aber — was auch immer die FDP in diesem Zusammenhang öffentlich sagen mag —: Dies ist der erklärte Wille weiter Teile der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands und der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Denn für diese Kreise ist die Steuerpolitik Vehikel einer gesellschaftspolitischen Veränderung, die niemals unsere Zustimmng finden wird.
    Ich darf zu einem zweiten Themenbereich der aktuellen Diskussion in dieser Generalaussprache kommen: Energiepolitik. Die Frage einer ausreichenden Energieversorgung ist für die Zukunft der Bundesrepublik Deutschland eine der größten Herausforderungen, die auf gar keinen Fall durch Zufallsmehrheiten auf irgendeinem Parteitag entschieden werden, eine Herausforderung an alle demokratischen Parteien in der Bundesrepublik Deutschland. Ich finde, wir wären gut beraten, wenn wir die Fähigkeit wiedergewinnen würden, in einigen wichtigen Bereichen der deutschen Politik mehr Gemeinsamkeit zu entwickeln. Es gibt genug Fel-



    Dr. Kohl
    der, auf denen die Auseinandersetzung und die unterschiedliche Meinung so selbstverständlich sind, daß ein Bemühen zu mehr Gemeinsamkeit auf diesem Felde mehr oder minder sinnlos ist.
    Ich kann — auch angesichts einer vergleichbaren Situation und Diskussion in anderen europäischen Ländern — nicht verstehen, daß wir in der energiepolitischen Situation in eine derart ideologische Schlachtordnung geraten sind. Es ist Ihre Schuld, daß es zu dieser Entwicklung gekommen ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Roth [SPD] : Bringen Sie als Parteivorsitzender der CDU doch einmal Albrecht und Späth zusammen!)

    — Verehrter Herr Kollege„Sie können mich mit jedem in der Union zusammenbringen. In dieser Frage gibt es bei uns Gott sei Dank eine einheitliche Meinung. Wir haben klare Parteitagsbeschlüsse, während Sie sich um klare Beschlüsse in wenigen Wochen mühsam herummogeln.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, bisher war zwischen den Fraktionen des Hauses unbestritten, daß unsere Abhängigkeit vom Öl nur durch sparsamen Umgang mit Energie und durch Entwicklung alternativer Energiequellen zu verringern ist — und daß auf den friedlichen Einsatz der Kernenergie selbst bei forciertem Energiesparen und verstärkter Nutzung nichtnuklearer Energieträger nicht verzichtet werden kann.
    Es ist offenkundig, daß trotz aller Gegenpropaganda die riesige Mehrheit unserer Mitbürger dieser Grundlinie zustimmt. Die Bundesregierung, vertreten durch den Bundeskanzler und den Bundeswirtschaftsminister, hat sich auch immer wieder in dieser Weise geäußert. Sie teilen doch mit uns die Befürchtung, daß sich das Problem der ausreichenden Energieversorgung in den nächsten Jahren weltweit verschärfen wird. Sie selbst, Herr Bundeskanzler, haben die Apokalypse eines drohenden Weltkrieges im Verteilungskampf um das Ö1 an die Wand gemalt, und Sie selbst haben erklärt, die Welt brauche zumindest für die nächsten 20 bis 30 Jahre Kernenergie; sonst würden Hungerkatastrophen und Arbeitslosigkeit in unbeschreiblichem Ausmaß über die Erde hereinbrechen.
    Aber mir scheint, selbst dieses düstere Schlachtengemälde hat Ihnen in Ihrer eigenen Partei, ja in Ihrer eigenen Regierung nicht geholfen. Heute stehen wir vor der Situation, daß die Sozialdemokraten in Niedersachsen die nach dem Atomgesetz erforderliche Wiederaufbereitungsanlage ablehnen, daß die SPD in Baden-Württemberg eine Bau- und Genehmigungspause für Kernkraftwerke fordert, um eine Energiepolitik zu entwickeln, die den Verzicht auf Kernenergie möglich macht, und daß der Vorstand der SPD Schleswig-Holsteins mit Mehrheit ein Aktionsprogramm „Energiewende" verabschiedet, nach dem neue Kernkraftwerke nicht mehr errichtet werden sollen — und die in Betrieb befindlichen Kraftwerke in den Bereich der Stillegungen einbezogen werden müssen. Ich will die Liste nicht verlängern; ich müßte noch Nordrhein-Westfalen, und vieles andere erwähnen. Auch im SPD-Vorstand ist klar und deutlich geworden, daß die Dinge hier weit auseinandertreiben.
    Und welche Unterstützung können Sie, Herr Bundeskanzler, eigentlich von Ihrem Koalitionspartner FDP erwarten, der kürzlich auf seinem Bundesparteitag in Bremen einen Formelkompromiß gefunden hat, von dem ich jetzt aber mit großem Erstaunen lese, daß dieselbe FDP in Bremen, in diesem Falle der Landesverband Bremen der FDP, nach dem Parteitag ein faktisches Nein zur Kernkraft in sein Wahlprogramm für Bremen geschrieben hat?
    Meine Damen und Herren, der Vorsitzende der Jusos hat in diesen Tagen öffentlich erklärt: Helmut Schmidt wird begreifen müssen, daß er sein Atomprogramm mit der Mehrheit der SPD nicht mehr durchsetzen kann. — Ich habe nicht zu rechten, ob dies zutrifft, ob es Wahrheit wird oder nicht.

    (Wehner [SPD] : Aber Sie machen sich Sorgen um die SPD, nicht?)

    — Nein, Herr Kollege Wehner,

    (Dr. Marx [CDU/CSU] : Nein, um dieses Land! — Wehner [SPD] : Sie Altruist!)

    ich könnte es mir jetzt sehr einfach machen

    (Wehner [SPD]: Machen Sie es!)

    und könnte jetzt so zynisch replizieren, wie Sie gefragt haben. Aber ich bin der Meinung, daß es bei der Frage der Kernkraft nicht um irgendeine parteipolitische Frage geht, und ich gehe eigentlich davon aus, daß wir gemeinsam dasselbe staatspolitische Bewußtsein haben

    (Wehner [SPD] : Wem erzählen Sie denn das? Und warum rühren Sie denn darin herum?)

    und daß der Bundeskanzler recht hat, wenn er sagt, daß dies eine Schicksalsfrage sei.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Aber ich muß Ihnen sagen, Herr Kollege Wehner:

    (Wehner [SPD] : Lassen Sie doch Ihre Finger davon!)

    In diesem Fragenbereich ist das Thema nicht mit lautstarken Tönen zu behandeln,

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    auch nicht in der Weise, wie Sie es tun, indem Sie von vornherein den Andersdenkenden herabsetzen wollen, sondern hier geht es wirklich darum, in einer schwierigen Situation sehr dicke Bretter zu bohren, bis wir in der Bundesrepublik Deutschland eine breite Mehrheit der Vernunft haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Wehner [SPD] : Und Sie garantieren ein Zwischenlager in Bayern, nicht?)

    — Herr Wehner, meine parlamentarische Erfahrung mit Ihnen mache ich zugegebenermaßen erst
    sehr kurze Zeit. Aber mein Eindruck ist: immer



    Dr. Kohl
    dann, wenn Sie ein schlechtes Gewissen haben, werden Sie besonders laut.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Herr Bundeskanzler, es war aber doch atemberaubend, zu beobachten, daß Ihre eigenen Kabinettsmitglieder in diesem Zusammenhang ein eigenartige Hin und Herr gezeigt haben. Auf dem Landesparteitag der SPD Baden-Württembergs stimmte der dortige Landesverband gegen Ihr energiepolitisches Konzept. Ein Mitglied Ihres Kabinetts stimmte dem Antrag auf Kernenergieverzicht zu. Ein anderes enthielt sich der Stimme. Was soll eigentlich der Bürger draußen in Baden-Württemberg von einer Regierung halten, die in Bonn tatkräftig verlangt, daß endlich die Sicherung der Energiepolitik vorangetrieben wird? Ich rede jetzt gar nicht von der Partei, sondern Ihre eigenen Kabinettsmitglieder verhalten sich in der Abstimmung so.
    Es war auch atemberaubend, in der Ferienpause zu beobachten, was der für Ihre Energiepolitik zuständige Minister im Blick auf Geschwindigkeitsbegrenzung, Fahrverbot und andere Vorstellungen der deutschen Öffentlichkeit mitteilte. Es ist das alte Lied: Die Gängelung des Bürgers ist das einzige, was Sozialisten angesichts drohender Mangelsituationen anzubieten haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Wehner [SPD] : Sie Dilettant!)

    — Herr Kollege Wehner, ich kann nur sagen, daß ich —

    (Wehner [SPD]: Das hat der alte Herr besser gewußt!)

    — Herr Kollege Wehner, ich kann nur sagen: Angesichts der Tatsache, daß dies eine Live-Übertragung ist, sollten Sie fortfahren, in dieser Art Parlamentarismus zu üben.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Wehner [SPD]: Sie kriegen eine Freikarte! — Weitere Zurufe von der SPD)

    Herr Bundeskanzler, weder Sie noch Ihre Regierung noch Ihre Partei sind zu eindeutigen und notwendigen Beschlüssen fähig.

    (Fortgesetzte Zurufe von der SPD)

    Deswegen besteht seit Jahr und Tag praktisch der Baustopp für Kernkraftwerke, wie ihn die linken in der SPD und auch in der FDP immer wieder gefordert haben. Deshalb bleiben jetzt Aufträge aus. Herr Wehner, deshalb sind über 150 000 Arbeitsplätze in diesem wichtigen Bereich unserer Industrie gefährdet. Wenn Sie das alles nicht interessiert, dann laden Sie doch als Vorsitzender der SPD-Fraktion, die draußen behauptet, die Interessen der deutschen Arbeitnehmer zu vertreten, einmal die Betriebsräte dieser Industriebereiche zu sich ein.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Vor uns steht eine Energiekrise, die — da stimmen wir Ihnen zu, Herr Bundeskanzler — für das Land lebensbedrohend werden kann. Ein Minister Ihrer Regierung, Herr Bundeskanzler, hat davon gesprochen — wenn ich mich richtig erinnere, meinte er Ihre Heimatstadt —, daß bereits in den kommenden Wintermonaten in Teilbereichen der Bundesrepublik die Lichter zeitweilig erlöschen könnten.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Die Sozialisten!)

    Manche der Kraftwerksgegner von heute werden dann diejenigen sein, die die Hände in Unschuld waschen und auf die vermeintliche Unfähigkeit der Versorgungsunternehmen oder gar der marktwirtschaftlichen Ordnung schimpfen werden. Wir dürfen es diesen Kreisen nicht so leicht machen. Ich glaube, die Regierung hat die Pflicht, in offener Auseinandersetzung mit den Kernkraftgegnern zu überzeugen. Wenn ich sage „offene Auseinandersetzung mit Kernkraftgegnern", meine ich nicht jene ideologisch verstockten Kreise, die aus ganz anderen Gründen, etwa um den demokratischen Staat zu zerstören, sich dieses Themas bemächtigt haben, sondern ich meine viele junge Leute in allen Bereichen unserer Gesellschaft und manchen Nachdenklichen, der jetzt — nach den Erfahrungen von 30 Jahren Wiederaufbau unserer Republik — auch bezüglich der Ökologie Fragen stellt, die nachdenkenswert sind. Wir in der CDU/CSU sind für dieses Gespräch. Aber das Ja zu einer gesunden Umwelt kann nicht das Ja zu der Notwendigkeit von Kernkraft ausschließen. Beides muß im Sinne einer vernünftigen Politik möglich sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU)



Rede von Liselotte Funcke
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Kollege, gestatten Sie eine Frage des Herrn Abgeordneten Kühbacher?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Klaus-Dieter Kühbacher


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Kollege Kohl, wenn Sie so dafür plädieren, den Dialog mit der jungen Generation gerade in dieser Frage zu pflegen, wie beantworten Sie sich dann die Frage, daß dieser Dialog in Ihrer Partei offensichtlich überhaupt nicht notwendig ist?