Rede:
ID0816706800

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 6
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. Herr: 1
    5. Ministerpräsident: 1
    6. Albrecht.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 8/167 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 167. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 4. Juli 1979 Inhalt: Regelung für die Einreichung von Fragen für die Woche vom 10. September 1979 13317 A Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung zur Energiepolitik nach dem Europäischen Rat und dem Weltwirtschaftsgipfel in Verbindung mit Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Dollinger, Dr. Narjes, Pfeifer, Dr. Riesenhuber, Lenzer, Dr. Waigel, Dr. Laufs, Gerstein, Kolb, Dr. Czaja, Dr. Probst, Engelsberger, Dr. Hubrig, Pfeffermann, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Dr. Stavenhagen, Frau Dr. Walz, von Hassel, Benz, Dr. Jenninger und der Fraktion der CDU/CSU Sicherung der Energieversorgung und Zukunftsorientierung der deutschen Energiepolitik — Drucksache 8/2961 (neu) — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ausführungsgesetzes zu dem Übereinkommen vom 5. April 1973 zwischen dem Königreich Belgien, dem Königreich Dänemark, der Bundesrepublik Deutschland, Irland, der Italienischen Republik, dem Großherzogtum Luxemburg, dem Königreich der Niederlande, der Europäischen Atomgemeinschaft und der Internationalen Atomenergie-Organisation in Ausführung von Artikel III Abs. 1 und 4 des Vertrages vom 1. Juli 1968 über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (Verifikationsabkommen) (Ausführungsgesetz zum Verifikationsabkommen) — Drucksache 8/2779 — Schmidt, Bundeskanzler 13317 D, 13384 B, 13391 C Porzner SPD (Zur Geschäftsordnung gemäß § 34 GO) 13328 C Strauß, Ministerpräsident des Freistaates Bayern 13329 D Dr. Graf Lambsdorff, Bundesminister BMWi 13339 B Dr. Albrecht, Ministerpräsident des Landes Niedersachsen 13348 A, 13390 D Genscher, Bundesminister AA 13352 B Dr. Narjes CDU/CSU 13354 C Schmidt (Wattenscheid) SPD 13359 D Dr.-Ing. Laermann FDP 13364 C Dr. Hauff, Bundesminister BMFT 13370 B Dr. Biedenkopf CDU/CSU 13373 D Ueberhorst SPD 13378 B Zywietz FDP 13381 C Dr. Kohl CDU/CSU 13387 D Dr. Gruhl fraktionslos 13393 D Nächste Sitzung 13397 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 13399* A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 167. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Juli 1979 13317 167. Sitzung Bonn, den 4. Juli 1979 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Berichtigung 165. Sitzung, Seite 13231*: In die Liste der entschuldigten Abgeordneten ist der Name „Müller (Remscheid)" einzufügen. Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Althammer 4. 7. Dr. Arnold 4. 7. Bayha 4. 3. Dr. Becher (Pullach) 4. 7. Frau Benedix 4. 7. Blumenfeld 4. 7. Dr. Böhme (Freiburg) 4. 7. Brandt 4. 7. Büchner (Speyer)* 4. 7. Conradi 4. 7. Fellermaier* 4. 7. Frau Dr. Focke 4. 7. Haberl 4. 7. Hauser (Krefeld) 4. 7. Dr. Haussmann 4. 7. Graf Huyn 4. 3. Dr. Jahn (Braunschweig) 4. 7. Dr. h. c. Kiesinger 4. 7. Koblitz 4. 7. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Köster 4. 7. Lintner 4. 7. Dr. Dr. h. c. Maihofer 4. 7. Dr. Meinecke (Hamburg) 4. 7. Dr. Müller** 4. 7. Müller (Remscheid) 4. 7. Neumann (Bramsche) 4. 7. Oostergetelo 4. 7. Picard 4. 7. Pieroth 4. 7. Rappe (Hildesheim) 4. 7. Rosenthal 4. 7. Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein 4. 7. Scheffler** 4. 7. Frau Schlei 4. 7. Dr. Schmitt-Vockenhausen 4. 7. Frau Schuchardt 4. 7. Dr. Schwencke (Nienburg)** 4. 7. Spilker 4. 7. Dr. Starke (Franken) 4. 7. Volmer 4. 7. Dr. Waffenschmidt 4. 7. Walkhoff 4. 7. Frau Dr. Walz 4. 7. Würzbach 4. 7. Dr. Wulff 4. 7.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Helmut Kohl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Art und Weise, auf die der Herr Bundeskanzler vorzugehen beliebt, wenn er in einer Sachfrage nicht überkommt, wenn er drängende Fragen nicht beantworten kann, erzwingt hier wenigstens eine kurze Antwort.
    Herr Bundeskanzler, eine Vorbemerkung zu Ihrer berechtigten Rüge — die auch unsere Rüge ist —, daß bei wichtigen und großen Debatten die Präsenz im Deutschen Bundestag viel zu wünschen übrigläßt. Ich kann mich dieser Äußerung nur anschließen. Nur finde ich, Herr Bundeskanzler, Sie sind eines jener Mitglieder des Hohen Hauses, die am wenigsten dazu berufen sind, eine Rüge zu erteilen. Denn ich muß Ihnen gestehen: Ich gehöre nun 20 Jahre deutschen Parlamenten an, und ich habe noch nie einen Regierungschef in irgendeinem Parlament gesehen, der dieses Parlament, der das Hohe Haus so ausdrücklich und demonstrativ mit Verachtung straft, wie Sie das fortdauernd zu tun pflegen.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

    Herr Bundeskanzler, ich hätte dieses Thema heute nicht in die Debatte eingeführt, aber daß Sie den Mut haben, sich hier an dieses Pult zu stellen und so etwas nach all den Aufführungen auszusprechen, die viele von uns ertragen müssen, wenn wir Sie während großer Debatten auf der Regierungsbank beobachten, das ist schon ein ziemlicher Skandal.

    (Beifall bei der CDU/CSU)




    Dr. Kohl
    Herr Bundeskanzler, Millionen Fernsehzuschauer haben während eines wichtigen Augenblicks in der Geschichte unserer Republik, bei der Vereidigung des Bundespräsidenten vor wenigen Tagen, erleben können, wie Sie sich in einem solchen Augenblick verhalten, wie Sie Zeitung lesen, wie Sie scheinbar Akten bearbeiten. Herr Bundeskanzler, ein Mann, der so wenig Gespür für die Würde des Augenblicks hat, ist nicht berufen, anderen Noten zu erteilen.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

    Herr Bundeskanzler, Sie mögen es für bedeutend und für einen Beweis Ihrer 'inneren Souveränität halten, wenn Sie sich von Ihrem Platz aus dem jeweils ungeliebten Redner demonstrativ entgegengesetzt darstellen und zeigen.

    (Zuruf von der SPD: Zur Sache, Schätzchen!)

    Uns oder mich berührt dies überhaupt nicht.

    (Zuruf von der SPD: Na also!)

    Nur habe ich die herzliche Bitte: Sprechen Sie nie von „beispielgebenden Formen" Ihrer Politik! Sie sind dazu gänzlich unfähig. Das ist die Erfahrung, die wir hier gemacht haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Stahl [Kempen] [SPD] : Herr Kohl, über das, was Sie jetzt gesagt haben, lachen selbst die Hühner!)

    Zum zweiten: Herr Bundeskanzler, Sie haben eben darauf hingewiesen — heute früh haben Sie es anklingen lassen, und der Herr Kollege Genscher hat das auch getan —, daß in dieser wichtigen und zentralen Frage der Energiepolitik — und mein Freund Ernst Albrecht hat das ausdrücklich aufgegriffen und unterstrichen — —

    (Stahl [Kempen] [SPD] : Na, ob das so Ihr Freund ist?)

    — Ach Gott, lieber Herr Kollege, ich weiß wirklich nicht, ob wir jetzt die Probleme, die alle demokratischen Parteien haben, auch wir in der CDU/CSU, hier in dieser Weise behandeln sollten. Soll ich jetzt darstellen, was der Herr Wehner über den Herrn Brandt denkt und was Herr Brandt über Herrn Wehner denkt und was beide über Herrn Schmidt denken und was die meisten von Ihnen über Herrn Schmidt denken? Soll ich das Ihnen jetzt von dieser Tribüne aus vortragen?

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Meine Damen und Herren, wir haben uns um die Energiepolitik zu bemühen, und wenn wir über die Energiepolitik reden, ist es, meine ich, wirklich — —

    (Weitere Zurufe von der SPD)

    — Meine Damen und Herren, es stört mich überhaupt nicht, wenn Sie in dieser Form versuchen, die
    Debatte zu stören. Das zeigt doch nur, daß Sie nicht fähig sind, eine solche Debatte über Fragen der Kernenergie konsequent durchzustehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Schäfer [Tübingen] [SPD] : Dazu haben Sie bisher noch kein Wort gesagt! — Weitere Zurufe von der SPD)

    Herr Bundeskanzler, Sie wissen so gut wie ich, daß es in der Frage der Sicherung der Energiebasis unserer Bundesrepublik Deutschland, und zwar auf jedem Felde dieser Energiepolitik, auch und insonderheit im Bereich der Kernenergiepolitik, die unabdingbare Voraussetzung für das Gewinnen einer sicheren Zukunft ist, daß wir zu einem Stück Gemeinsamkeit kommen. Ich habe in meiner Rede zu Ihrer Regierungserklärung zur Lage der Nation am 17. Mai 1979 dieses Angebot hier ausdrücklich gemacht. Mein Kollege Narjes hat Sie heute erneut darauf angesprochen. Glauben Sie im Ernst, daß die Art und Weise, wie Sie hier CDU und CSU ansprechen,

    (Dr. Schäfer [Tübingen] [SPD]: Zur Energie!)

    wie Sie einzelne Regierungschefs deutscher Bundesländer ansprechen,

    (Lenzer [CDU/CSU] : Anpöbeln muß man sagen!)

    ein Klima der Gemeinsamkeit schaffen kann?
    Ernst Albrecht muß sich notgedrungen und aus der Amtsverantwortung des niedersächsischen Ministerpräsidenten mit der konkreten Situation befassen, die er in seinem Land vorfindet und die ihn hier zum Handeln beruft.

    (Zuruf von der SPD: Zur Energiepolitik!)

    Sie sagen in diesem Zusammenhang von der Haltung der niedersächsischen Landesregierung, sie sei ambivalent, schwankend, opportunistisch und finde schlaue Ausreden.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Unglaublich! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Herr Bundeskanzler, selbst wenn Sie so denken würden — Sie wissen, daß das rundherum blanker Unsinn und falsch ist —, frage ich mich, welche Vorstellung Sie eigentlich von der Würde Ihrer Gesprächspartner haben, wenn Sie in einer solchen Weise von genau jenem reden, dessen Hilfe und Unterstützung Sie brauchen, um das gemeinsame Ziel zu erreichen. Ich will es ganz nüchtern und ganz ruhig sagen: Das Geschäft des Amtes des Bundeskanzlers der Bundesrepublik Deutschland ist schwierig.

    (Lachen bei der SPD — Zuruf von der SPD: Das ist richtig, nur kommt Ihre Einsicht zu spät! — Weitere Zurufe von der SPD)

    — Welche Juso-Assoziationen müssen Sie in Ihren Köpfen haben, wenn eine solche Feststellung bei Ihnen zu einem solchen Ausbruch führt!

    (Beifall bei der CDU/CSU)




    Dr. Kohl
    Aber gerade weil es so ist, weil wir Respekt vor dem Amt haben und weil wir, ob Regierung oder Opposition, auch die Pflicht haben, um unseres ganzen Landes willen die Dinge so gut zu befördern, wie wir es können, ist das ein Sprachgebrauch und eine Umgangsformel, die ganz und gar unerträglich sind. Sie wissen doch genau — Sie haben das in meinem Beisein im Kernenergierat laut und deutlich anerkannt —,

    (Zuruf von der SPD: Zur Sache!)

    daß sich diese niedersächsische Landesregierung und der niedersächsische Ministerpräsident Ernst Albrecht mehr als alle anderen um die Probleme bemühen, die uns heute hier bewegen, wie Entsorgungsfragen und Zwischenlager. Herr Bundeskanzler, warum haben Sie soeben nicht auch einmal eingeräumt, lobend erwähnt und deutlich gemacht, daß es Respekt verdient,

    (Stahl [Kempen] [SPD] : Das hat er doch gesagt!)

    daß diese niedersächsische Landesregierung in ihrem Beschluß u. a, auch ein Zwischenlager angeboten hat, das weit über die Bedürfnisse Niedersachsens hinausgeht? Sie wissen, daß in diesem Beschluß ein wichtiges Stück politischer Klugheit enthalten ist, was in einer Zeit, die nicht zuletzt durch Ihre eigenen politischen Freunde in diesem Zusammenhang so aufgeregt geworden ist, einen Weg nach vorn weist.
    Herr Bundeskanzler, sie reden von Opportunismus. Ich muß Ihnen ganz offen sagen: Wenn ich mich an die Haltung Ihrer Partei und an Ihre eigene Haltung, etwa im Zusammenhang mit Schleswig-Holstein, erinnere, dann kann ich mir keinen blankeren Opportunismus vorstellen, als Sie ihn praktiziert haben.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU — Stahl [Kempen] [SPD] : Starke Worte helfen da auch nicht weiter!)

    Ich weiß, daß Sie das trifft, weil Sie sich genau am richtigen Punkt ertappt fühlen, weil Sie vor Wahlen bewährtermaßen immer ganz anders als nach der Wahl reden. Wir haben das vor der Bundestagswahl erlebt, und ohne diese Behauptungen vor der Wahl säßen Sie überhaupt nicht mehr auf Ihrem Stuhl. Das wissen Sie so gut wie ich.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Deswegen, meine Damen und Herren, kann ich Ihnen nur dringend raten: Lassen Sie solche Formulierungen sein! Die niedersächsische Landesregierung hat in ihrem Beschluß auch der Bundesregierung ein Angebot gemacht. Sie, Herr Bundeskanzler, sind diesem Angebot bisher mit der Formulierung begegnet, dort seien klare gesetzliche Pflichten gebrochen worden. Nun, Herr Bundeskanzler, es ist Ihre Aufgabe als Kanzler der Bundesrepublik Deutschland, politische Verhältnisse mit herbeizuführen, die eine nüchterne und ruhige Betrachtung dieser schwierigen Frage der Kernenergie überhaupt erst möglich machen.
    Vorhin hat einer der Kollegen, die vor mir gesprochen habe, gemeint, es gebe Parteien — er meinte damit die CDU/CSU —, die in Sachen Kernenergie deswegen kein Problem hätten, weil über diese Fragen dort überhaupt nicht diskutiert werde. Meine Damen und Herren, das ist ein eigenartiges Demokratieverständnis. Wir haben diese Fragen durch viele Jahre hindurch diskutiert. Wir haben Fachkongresse darüber abgehalten. Wir haben eine mehr als zweijährige Diskussion in allen Gliederungen der Partei und der CDU gehabt, um unser Grundsatzprogramm im vergangenen Herbst in Ludwigshafen zu verabschieden. Dabei hat auch die Frage der Energiebasis und der Kernenergie eine wichtige Rolle gespielt. Ich finde, es ist ein eigentümliches Verfahren, eine Partei dann, wenn sie zu klaren Beschlüssen gekommen ist, mangelnder demokratischer Gesinnung zu bezichtigen, nur weil sie zu Beschlüssen gekommen ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Auch wir in der CDU und in der CSU tun uns gelegentlich schwer mit Beschlüssen. Dann kreiden Sie uns das an und sagen: Sie reden mit vielen Zungen. Jetzt haben Sie ein klassisches Beispiel dafür, daß wir als einzige deutsche Partei — CDU wie CSU gemeinsam — fähig sind, unsere Politik ohne Wenn und Aber vorzutragen. Und das paßt Ihnen dann auch nicht.
    Meine Damen und Herren, was soll's eigentlich? Die Lage ist doch so, daß Sie auf Grund Ihrer ideologischen Verwirrungen unfähig sind, hier eine wirklich zukunftsbezogene Politik zu machen. Ihr Problem in diesem Zusammenhang, Herr Bundeskanzler, ist doch nicht, daß Sie in diesem Hause keine Mehrheit haben; die haben Sie natürlich. Nur dürfen Sie sie nicht in Anspruch nehmen, weil Sie sonst die Kanzlermehrheit verlieren. Das ist doch der eigentliche Punkt, der so bedrückend ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    In der Sachfrage Sicherung der Energiebasis der Bundesrepublik gäbe es bei einer Abstimmung, die nicht von sonstigen Gründen beeinflußt wird, in diesem Hause glatt eine Mehrheit, die weit über 400 Stimmen liegen würde. Aber Sie dürfen diese Mehrheit gar nicht beanspruchen, weil Sie unter dem Zwang jener Ideologen in Ihrer Fraktion und Ihrer Partei stehen, die etwas ganz anderes wollen. Das ist doch der Punkt!
    Da ist bereits wieder das Thema Bundestagswahl 1980 anvisiert. Ich habe nach der Europawahl die vielen Äußerungen des Kollegen Brandt zum Thema „Grüne Listen" mit großem Interesse gehört. Herr Bundeskanzler, das, was Sie heute dazu gesagt haben, ist ja nur der Hintergrundton zu dieser gleichen Offensive. Sie wissen zwar, daß es aus ganz klaren, sachlich überzeugenden Gründen überhaupt



    Dr. Kohl
    keine Alternative zur Kernenergie gibt und geben kann, aber Sie wollen es so laut nicht sagen und sich um das Thema in der Offentlichkeit herummogeln, weil Sie im nächsten Herbst auch noch die Stimmen jener, die vielleicht „Grüne Listen" wählen wollen, einholen wollen. Das ist das eigentliche Problem Ihrer Politik! Deswegen reden Sie im Lande — mit „Sie" meine ich jetzt vor allem die SPD — ganz anders als hier im Deutschen Bundestag. Wenn ich mir die Sitzungen des Energierates oder auch die Sitzungen hier im Bundestag vergegenwärtige, Herr Bundeskanzler, dann komme ich zu dem Schluß: Viele unserer Debatten könnten auf ein Zehntel der Redezeiten beschränkt werden.

    (Wehner [SPD] : Sie kommen mir vor wie ein Schneller Brüter! — Weitere Zurufe von der SPD)

    — Herr Kollege Wehner, daß Sie das höchst ungern hören, ist ganz klar, weil Sie auch in dieser Frage zunächst die Taktik und nicht das Ziel für die nationale Politik der Bundesrepublik Deutschland sehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Herr Bundeskanzler, wir geben Ihnen schon den Rat, das was der niedersächsische Ministerpräsident im Blick auf seine Regierungserklärung vor dem Niedersächsischen Landtag heute wiederholt hat, sehr ernst .zu nehmen. Ich gebe Ihnen auch von mir aus wirklich den Rat, doch den Versuch zu machen, statt den zu beschimpfen, der in dieser Frage anders denkt, weil er auch eine ganz andere Verantwortung vor Ort hat, ihn in ein vernünftiges Gespräch, in eine vernünftige Politik einzubeziehen. Herr Bundeskanzler, daß Herr Albrecht im Kreise LüchowDannenberg die Bedingungen vorfindet, von denen er gesprochen hat, verdankt er nicht zuletzt jenen politischen Kreisen, denen Sie Ihre Existenz als Kanzler der Bundesrepublik Deutschland verdanken.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Weil das so ist, ist es doch ganz und gar berechtigt und — weil Sie Bezug auf das Moralische genommen haben — moralisch einwandfrei, wenn einer, der vor Ort Verantwortung trägt, seine Motive ehrlich vorträgt. . Die Landesregierung Niedersachsen und der niedersächsische Ministerpräsident haben keine sicherheitsmäßigen Überlegungen vorgeschoben, die von einem Großteil der Bevölkerung, den allermeisten von uns, in ihrer Bedeutung gar nicht richtig hätten gewürdigt werden können. Er hat die Wahrheit gesagt, er hat das politische Umfeld genannt.
    Herr Bundeskanzler, Sie haben kein Wort dazu gesagt, was Sie angesichts der Gesamtentwicklung getan hätten, die wir im Zusammenhang mit dem Thema Umweltschutz und der Diskussion in der Bevölkerung zu verzeichnen haben. Wir haben Ihnen immer wieder gesagt: Lassen Sie uns in den nächsten Jahren gemeinsam die Voraussetzungen schaffen, damit das, was auch nach unserer Überzeugung im Blick auf die Entsorgung an dieser Stelle in Niedersachsen notwendig ist — wenn alle technischen Gutachten in diese Richtung laufen —, baldmöglichst realisiert werden kann. Aber — weil Sie vom Schwarzen-Peter-Spiel sprachen —: es genügt eben nicht, daß Sie hier so reden und Ihre Freunde oder auch Sie draußen ganz anders. Dazu gehört, daß wir wirklich gemeinsam versuchen, das Thema Energiepolitik aus dem parteipolitischen Streit herauszubringen.
    Wenn alles richtig ist, was wir hören und lesen, wenn auch richtig ist, was Sie jetzt auf dem Gipfel besprochen und uns berichtet haben bzw. was wir aus anderen Quellen wissen, dann, glaube ich, wird dieser Deutsche Bundestag schon in der nächsten oder in der übernächsten Legislaturperiode, also in den 80er Jahren, nicht daran gemessen werden, wie lange, wie gut oder wie strittig unsere Reden heute oder an anderen Tagen waren, sondern ob wir die Zeichen der Zeit erkannt haben und in Fragen der Energiepolitik gemeinsam einen mutigen Schritt nach vorne zu tun bereit waren. Ich mache Ihnen, Herr Bundeskanzler, für die CDU/CSU-Fraktion, für meine Freunde in den beiden Schwesterparteien noch einmal dieses Angebot. Ich kann Ihnen nur raten: Nehmen Sie die Hand an. Mit Beschimpfungen läßt sich keine Politik machen. Damit kann man einen Wahlkampf überstehen, aber in die Geschichte werden Sie mit einer solchen. Politik nicht eingehen.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)



Rede von Liselotte Funcke
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat Herr Ministerpräsident Albrecht.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will nur ganz kurz einige Behauptungen richtigstellen, die Sie, Herr Bundeskanzler, gemacht haben. Sie haben gesagt, daß Sie über meinen Besuch beim französischen Premierminister nicht informiert worden seien. Ich darf dazu feststellen: Erstens. Der Besuch ist mit dem deutschen Auswärtigen Amt vorbereitet worden, wie sich das gehört.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU — Kolb [CDU/CSU] : Da fehlt die Querverbindung! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Zweitens. Der deutsche Gesandte in Paris hat mich zu dem französischen Premierminister begleitet und einen ausführlichen Bericht geschrieben.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU — Kolb [CDU/CSU] : Man muß lesen können!)

    Die deutsche Bundesregierung ist also vollständig informiert.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU — Zurufe von der CDU/CSU)

    Was daran interessant ist, ist doch ganz etwas anderes, nämlich das die Kluft zwischen Bundeskanzleramt und Auswärtigem Amt offenbar so groß geworden ist, daß das, was an das Auswärtige Amt geht, nicht mehr an das Bundeskanzleramt geht.

    (Heiterkeit und lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)




    Ministerpräsident Dr. Albrecht (Niedersachsen)

    Im übrigen ist es .nur halb richtig, wenn der Herr Bundeskanzler sagt, die französische Regierung habe ihrer Sorge Ausdruck gegeben, daß die Gorleben-Entscheidung die energiepolitische Zukunft in Deutschland gefährde. Richtig ist — wie das Gespräch gezeigt hat —, daß in der Tat die Sorge besteht, daß die Entsorgungskopplung in Deutschland zu einer Stillegung von Kernkraftwerken, zumindest zu einem Stopp für den Bau von neuen Kernkraftwerken führen würde und daß das eine höhere Beanspruchung der ohnehin zu knappen Erdölvorkommen durch die Bundesrepublik zur Folge haben könnte. Deshalb hat der französische Premierminister zu Recht daran erinnert, daß auch Frankreich, obwohl es in Sachen Kernenergie mit Deutschland im Wettbewerb stehe, ein Interesse daran habe, daß die Kernenergie in Deutschland weiter entwickelt werden könne. Ich habe dem französischen Premierminister darlegen können, daß selbstverständlich mit einer von uns vorgeschlagenen Ausweitung der Entsorgungsdefinition dieses Problem gelöst werden könne.
    Herr Bundeskanzler, Sie werden auch nirgendwo den Nachweis liefern können, daß ich mich jemals gerühmt hätte, einer anderen Regierung den Schwarzen Peter zugespielt zu haben. Ich wäre Ihnen wirklich sehr verbunden, wenn Sie mir Ihre Quelle nennen würden. Die Wahrheit ist, daß ich wiederholt in der Offentlichkeit gesagt habe, daß ich überhaupt ,nichts davon halte, in einer so wichtigen Frage, die unser aller gemeinsames Interesse berührt, ein Spiel des Schwarzen Peters vorzunehmen.
    Schließlich zum Kern Ihrer Ausführungen: Sie haben mir in der Substanz gesagt, daß die politischen Gründe, die ich für unsere Entscheidung in Anspruch nehme, auch anderen zugebilligt werden müßten, daß mit gleichen Maßstäben gemessen werden müßte. Dies ist richtig, und dies will ich sicherlich auch tun. Das, was ich angesprochen habe, ist etwas ganz anderes — Herr Kohl hat es wiederholt —, nämlich daß nach den Diskussionen in den großen Parteien diese Parteien in der Lage sein müssen, durch Abstimmung zu Entscheidungen und zur Willensbildung zu kommen.

    (Zuruf des Abg. Dr. Ehmke [SPD])

    Hier ist der Punkt, wo zur Zeit die Sozialdemokratische Partei nicht in der Lage ist, das Notwendige zu tun. Ich will nicht sagen, daß Sie nicht in der Lage wären, vielleicht auf dem Parteitag im Dezember diese Entscheidung nachzuholen. Aber auch das, Herr Ehmke, ist ja eigentlich ein tolles Stück: daß wir noch so viele Monate warten müssen, bis die Sozialdemokratische Partei sich bequemt, bei sich eine Entscheidung herbeizuführen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Ehmke [SPD] : Wir warten doch auf Sie!)

    Schließlich, meine Damen und Herren, möchte ich mich herzlich bedanken für den Hinweis des verehrten Herrn Bundeskanzlers, daß wir ein Initiativgesetz zur Änderung der Entsorgungsdefinition im Bundesrat einbringen möchten. Wir werden dieser
    Aufforderung Folge leisten. Wir sind sehr gespannt, wie sich dann hier in diesem Hohen Hause die SPD-Fraktion dazu einlassen wird.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)