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ID0816706600

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    Plenarprotokoll 8/167 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 167. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 4. Juli 1979 Inhalt: Regelung für die Einreichung von Fragen für die Woche vom 10. September 1979 13317 A Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung zur Energiepolitik nach dem Europäischen Rat und dem Weltwirtschaftsgipfel in Verbindung mit Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Dollinger, Dr. Narjes, Pfeifer, Dr. Riesenhuber, Lenzer, Dr. Waigel, Dr. Laufs, Gerstein, Kolb, Dr. Czaja, Dr. Probst, Engelsberger, Dr. Hubrig, Pfeffermann, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Dr. Stavenhagen, Frau Dr. Walz, von Hassel, Benz, Dr. Jenninger und der Fraktion der CDU/CSU Sicherung der Energieversorgung und Zukunftsorientierung der deutschen Energiepolitik — Drucksache 8/2961 (neu) — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ausführungsgesetzes zu dem Übereinkommen vom 5. April 1973 zwischen dem Königreich Belgien, dem Königreich Dänemark, der Bundesrepublik Deutschland, Irland, der Italienischen Republik, dem Großherzogtum Luxemburg, dem Königreich der Niederlande, der Europäischen Atomgemeinschaft und der Internationalen Atomenergie-Organisation in Ausführung von Artikel III Abs. 1 und 4 des Vertrages vom 1. Juli 1968 über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (Verifikationsabkommen) (Ausführungsgesetz zum Verifikationsabkommen) — Drucksache 8/2779 — Schmidt, Bundeskanzler 13317 D, 13384 B, 13391 C Porzner SPD (Zur Geschäftsordnung gemäß § 34 GO) 13328 C Strauß, Ministerpräsident des Freistaates Bayern 13329 D Dr. Graf Lambsdorff, Bundesminister BMWi 13339 B Dr. Albrecht, Ministerpräsident des Landes Niedersachsen 13348 A, 13390 D Genscher, Bundesminister AA 13352 B Dr. Narjes CDU/CSU 13354 C Schmidt (Wattenscheid) SPD 13359 D Dr.-Ing. Laermann FDP 13364 C Dr. Hauff, Bundesminister BMFT 13370 B Dr. Biedenkopf CDU/CSU 13373 D Ueberhorst SPD 13378 B Zywietz FDP 13381 C Dr. Kohl CDU/CSU 13387 D Dr. Gruhl fraktionslos 13393 D Nächste Sitzung 13397 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 13399* A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 167. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Juli 1979 13317 167. Sitzung Bonn, den 4. Juli 1979 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 165. Sitzung, Seite 13231*: In die Liste der entschuldigten Abgeordneten ist der Name „Müller (Remscheid)" einzufügen. Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Althammer 4. 7. Dr. Arnold 4. 7. Bayha 4. 3. Dr. Becher (Pullach) 4. 7. Frau Benedix 4. 7. Blumenfeld 4. 7. Dr. Böhme (Freiburg) 4. 7. Brandt 4. 7. Büchner (Speyer)* 4. 7. Conradi 4. 7. Fellermaier* 4. 7. Frau Dr. Focke 4. 7. Haberl 4. 7. Hauser (Krefeld) 4. 7. Dr. Haussmann 4. 7. Graf Huyn 4. 3. Dr. Jahn (Braunschweig) 4. 7. Dr. h. c. Kiesinger 4. 7. Koblitz 4. 7. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Köster 4. 7. Lintner 4. 7. Dr. Dr. h. c. Maihofer 4. 7. Dr. Meinecke (Hamburg) 4. 7. Dr. Müller** 4. 7. Müller (Remscheid) 4. 7. Neumann (Bramsche) 4. 7. Oostergetelo 4. 7. Picard 4. 7. Pieroth 4. 7. Rappe (Hildesheim) 4. 7. Rosenthal 4. 7. Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein 4. 7. Scheffler** 4. 7. Frau Schlei 4. 7. Dr. Schmitt-Vockenhausen 4. 7. Frau Schuchardt 4. 7. Dr. Schwencke (Nienburg)** 4. 7. Spilker 4. 7. Dr. Starke (Franken) 4. 7. Volmer 4. 7. Dr. Waffenschmidt 4. 7. Walkhoff 4. 7. Frau Dr. Walz 4. 7. Würzbach 4. 7. Dr. Wulff 4. 7.
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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: ()
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    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auf der heutigen Tagesordnung steht ein Antrag der Opposition zur Sicherung der Energieversorgung. Die Fragen, die sich in diesem Zusammenhang gegenüber dem ambivalenten und schwankenden Verhalten der niedersächsischen Landesregierung stellen, sind allerdings bei diesem Antrag sorgfältig ausgespart worden.
    Ihre beiden heutigen Hauptredner, die beiden Herren Ministerpräsidenten aus Hannover und München, haben sich keinerlei Mühe gemacht, den Antrag der gemeinsamen Fraktion zu behandeln.

    (Wehner [SPD]: Sehr wahr!)

    Diese beiden bisherigen Aspiranten auf die Kanzlerkandidatur Ihrer Partei, die Herren Albrecht und Strauß, haben dagegen heute morgen von sich aus wortreiche und zum Teil polemische Vorträge gehalten, die Angriffe auf die Bundesregierung enthielten. Danach waren sie entschwunden. Ich habe deshalb um 14 Uhr, d. h. zu einem Zeitpunkt, als die CDU/CSU-Fraktion noch genau durch sieben Kollegen besetzt war, den Kollegen Jenninger, den Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion, darauf hingewiesen, daß ich die Absicht hätte, am Schluß dieser Debatte für die Bundesregierung die Schlußfolgerungen zu ziehen, und daß ich dabei nicht würde
    umhinkönnen, auf die Herren Albrecht und Strauß einzugehen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Daß daraufhin Herr Ministerpräsident Albrecht zurückgekehrt ist, ehrt ihn genauso, wie es die Fraktion der CDU/CSU ehrt, daß sie inzwischen wieder etwas stärker besetzt ist.

    (Dr. Kohl [CDU/CSU] : Wie war denn vorhin die SPD vertreten? — Pfeffermann [CDU/ CSU] : Dieser Oberlehrerstil, der immer von dem Herrn Bundeskanzler geprägt wird! — Weitere erregte Zurufe von der CDU/CSU)

    — Ich spreche in dem Stil, der mir gemäß ist, und Sie schreien in dem Stil, der Ihnen gemäß ist.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Erregte Zurufe von der CDU/CSU)

    — Sie schreien in dem Stil, der Ihnen gemäß ist.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sie belehren alle!)

    Als ich mich mit dem Herrn Kollegen Jenninger in Verbindung setzte, habe ich die Präsenz aller drei Bundestagsfraktionen durchgezählt. Da ergab sich — wenn Sie es denn hören wollen — eine Mehrheit von 50 : 7 — falls Ihnen das genügen sollte.

    (Pfeffermann [CDU/CSU] : Haben Sie sich heute morgen mal die Regierungsbank angesehen?)

    Ich verzichte gegenwärtig auf Richtigstellungen der in „Spiegel"-Manier von beiden Herren verfälschten Wortzitate, die man mir in den Mund gelegt hat, mit einer einzigen Ausnahme, und zwar der Ausnahme — —

    (Unruhe bei der CDU/CSU — Wehner [SPD] [zur CDU/CSU] : Können Sie nicht mal den Mund halten? Sie sind nicht auf der Universität!)

    — Ich jedenfalls, der ich heute morgen gesprochen habe, habe die ganze Debatte mit einer Ausnahme von 20 Minuten Mittagspause hier sorgfältig verfolgt.

    (Kolb [CDU/CSU] : Mit Zeitunglesen!)

    Es würde sich auch für die Herren Albrecht und Strauß gehört haben, die Debatte sorgfältig zu verfolgen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Jemand, der selber gesprochen hat, kann nicht gehen, ohne die Replik anzuhören.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    In einem Falle muß ich aber richtigstellen, was Herr Albrecht gesagt hat. Er hat mir ein angebliches Zitat unterstellt, was meine früher getanen öffentlichen Äußerung zu Brokdorf angeht. Herr Ministerpräsident, meine Äußerungen waren immer gleich und immer die folgenden — das hat eben schon Herr Ueberhorst in anderem Zusammenhang, aber nicht Ihnen gegenüber, gesagt —: Wenn dort in Brokdorf ein Kohlekraftwerk statt des bisher vorgesehen gewesenen Kernkraftwerks gebaut werden



    Bundeskanzler Schmidt
    sollte, so werde die Bundesregierung nichts dagegen einzuwenden haben, sondern dies respektieren.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Wie hätte ich denn eigentlich auch anders sprechen können auf der Basis des Energieprogramms und seiner Fortschreibung durch die Bundesregierung, die den Kohlekraftwerken die Priorität gibt?

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Dies mußte meine Einstellung sein, in voller Übereinstimmung mit dem von mir mit herbeigeführten, beschlossenen und einschließlich des heutigen Tages und der nächsten Monate und Jahre vertretenen Energieprogramm der Bundesregierung und seiner Grundlinien.
    Ich befinde mich auch mit allen anderen Teilen des Energieprogramms der Bundesregierung in allen meinen öffentlichen Äußerungen immer im Einklang, wie ja auch die ganze Bundesregierung daran festhält.
    Vielleicht darf ich aber dem Herrn Ministerpräsidenten Albrecht sagen, daß jemand, der wie er es getan hat — und ich respektiere das —, für sich in Anspruch nimmt, auf Ängste in Niedersachsen und auf die öffentliche Meinung dort Rücksicht zu nehmen und Rücksicht nehmen zu müssen und zu wollen, solche Rücksichtnahme auf Ängste anderer auch als legitimes, als wünschenswertes Verhalten anderer Politiker seinerseits respektieren muß.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Es hieße, mit zweierlei Maß zu messen, wenn das, was in Niedersachsen als staatsmännische Tugend dargelegt wird, woanders als Entscheidungsunfähigkeit denunziert würde.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Vogel [Ennepetal] [CDU/CSU] : Nicht so beleidigt sein!)

    Der Herr Ministerpräsident hat sodann auf Meinungsverschiedenheiten innerhalb der beiden Bonner Regierungsparteien und -fraktionen hingewiesen. Dies ist ein zutreffender Hinweis gewesen. Ich weiß nicht, ob damit ein politischer oder moralischer Vorwurf impliziert gewesen soll. Jedenfalls muß man, Herr Ministerpräsident, aufpassen, daß man sich nicht — Herr Genscher hat Ihnen das, nach meinem Gefühl zu Recht, entgegengehalten — in die Lage bringt, wo einem zugerufen werden muß, es handle sich um eine Politik nach dem Motto „Haltet den Dieb!". Ist denn etwa die CDU/CSU mit der Grundhaltung der niedersächsischen Landesregierung, die ich als opportunistisch bezeichnen muß, einverstanden?

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Zurufe von der CDU/CSU: Unerhört!)

    Hat nicht etwa der Minister der Landesregierung von Niedersachsen, Herr Professor Pestel,

    (Dr. Kohl [CDU/CSU] : Unwahr!)

    wiederholt öffentlich ganz anders gesprochen als Herr Albrecht heute hier?

    (Dr. Kohl [CDU/CSU] : Das ist unwahr!)

    — Lieber Herr Abgeordneter Kohl, darauf wird Herr Ministerpräsident Albrecht ja antworten können; das können Sie von Mainz her nicht so gut beurteilen. Das kann er aus Hannover selbst beantworten.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Kohl [CDU/CSU] : Das ist wirklich unwahr, was Sie sagen! Unwahr! — Zuruf von der CDU/CSU: Er hat doch Pestel widersprochen! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Das ist doch primitiv!)

    Hat nicht der Herr Ministerpräsident Albrecht in Sachen Gorleben sich ganz anders, als Herr Strauß und als andere aus Ihrer Fraktion es für richtig halten, entschieden? Soll das auch unwahr sein?

    (Dr. Kohl [CDU/CSU] : Genauso unwahr! Genauso!)

    Und hatte etwa Herr Albrecht die Zustimmung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, als er empfohlen hat, das integrierte Entsorgungskonzept aufzugeben? Zuerst hat er gesagt, man solle darauf verzichten, später hat er gesagt, es solle nicht weiterverfolgt werden. Und hatte er Ihre Zustimmung, als er zweitens — wörtlich so im niedersächsischen Landtag — die Wiederaufarbeitungsentscheidung auf eine spätere Generation zu verschieben vorgeschlagen hat? Hatte nicht seine eigene Landesregierung gemeinsam mit der Bundesregierung die heute noch geltenden Entsorgungsgrundsätze beschlossen? Das war ja wohl zu Zeitpunkten, wo andererseits aus derselben Landeshauptstadt noch exotische Pläne öffentlich gewälzt wurden, ob man nicht den Atommüll nach Grönland, nach Labrador oder sonst wohin bringen könnte?
    Ich werfe niemandem vor, daß er im Laufe seiner eigenen Befassung mit diesem Stoff viel hinzugelernt hat — jedenfalls habe ich eine ganze Menge hinzugelernt —, aber ich finde auch nichts dagegen einzuwenden, Herr Ministerpräsident, wenn es in den politischen Parteien — wie es in Ihrer Partei geschieht und Ihre Person betrifft — zu den einzelnen Fragen Meinungsverschiedenheiten gibt, wie ich sie für Ihre Landesregierung — eine Einparteienregierung — in Erinnerung gerufen habe. Ich meine nur, wenn man sich selbst in einer solchen Lage befindet, darf man nicht so tun, als ob andere moralisch zu disqualifizieren wären.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Der Ministerpräsident von Niedersachsen hat heute eine Änderung des Atomgesetzes verlangt, um seine Landespolitik der Kurswechsel, der Wendigkeit, der schlauen Ausreden — so möchte ich beinahe sagen —

    (Zuruf von der CDU/CSU: Jetzt hört es aber auf!)




    Bundeskanzler Schmidt
    und der Finten gesetzgeberisch abzudecken. Er hat sich zu der Aussage verstiegen, wir seien zu feige, eine solche Gesetzesänderung einzubringen. Der vom Grundgesetz vorgesehene Weg, Herr Ministerpräsident, ist, daß Sie im Bundesrat einen Initiativgesetzentwurf einbringen und versuchen, dort eine Mehrheit zu erlangen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Da ich mich im Augenblick mit der sicher eindrucksvollen und in vielen Punkten zustimmungswürdigen Darlegung des niedersächsischen Ministerpräsidenten beschäftige, will ich doch die Frage stellen,

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    warum Sie bei Ihrer Darstellung der Lage, Herr Ministerpräsident, nicht die Ergebnisse Ihres Besuches bei der französischen Staatsregierung dargelegt haben. Sie haben sich darüber ja im Fernsehen geäußert. Ich erfuhr auf diese Weise von diesem Besuch.
    Ich habe mich natürlich bei der französischen Regierung erkundigt, wie Ihre Unterhaltung über das Entsorgungsthema mit der französischen Regierung verlaufen ist.

    (Vogel [Ennepetal] [CDU/CSU] : Ist das Ihr Stil? — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    — Es ist ja wohl etwas Normales, daß die deutsche Bundesregierung, wenn eine uns verbündete und befreundete Nachbarregierung einem deutschen Landesregierungschef etwas sagt, sich danach erkundigt; denn vielleicht ist es für uns wertvoll.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Zurufe von der CDU/CSU)

    Herr Albrecht hat keine Veranlassung genommen, die Bundesregierung über die Ergebnisse seines Gesprächs zu unterrichten. Wir haben uns selbst unterrichtet. Wir haben festgestellt, Herr Ministerpräsident,

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    daß die französische Regierung Ihnen gesagt hat, Ihre Entsorgungspolitik gefährde die industrielle Zukunft Deutschlands und damit der ganzen Europäischen Gemeinschaft.

    (Dr. Schäfer [Tübingen] [SPD] : Hört! Hört!)

    Das muß so nicht Ihre oder meine Meinung sein, das muß man nicht unbedingt akzeptieren.

    (Frau Dr. Wex [CDU/CSU] : Aber das muß mal gesagt werden!)

    Nur, wenn es so war und wenn Sie genauso wie der Ministerpräsident aus dem Freistaat Bayern hier antreten und große Panoramen über die Gesamtlage entrollen, muß ich fragen: Warum verschweigen Sie denn, daß Sie sich nicht nur in Ihrer eigenen Partei, sondern sogar innerhalb der EG inzwischen mit Ihrer Entsorgungspolitik in die Isolierung begeben haben?
    Meinungsverschiedenheiten in politischen Parteien sind in meinen Augen etwas Normales, auch in Regierungen, auch in Landesregierungen, auch in der CDU/CSU. Dafür braucht man sich zunächst nicht zu schämen. Es ist auch normal, daß Oppositionsfraktionen, ob in Landtagen oder im Bundestag, bei ihrer Kritik an der jeweiligen Regierung oder Regierungskoalition, die ihnen gegenübersitzt, auch mal ein bißchen zu weit gehen oder im Ausmaß über das Ziel hinausschießen. Auch das scheint mir ganz normal zu sein.

    (Kolb [CDU/CSU] : Nur Sie tun das nicht?)

    Aber daß die Regierung eines Bundeslandes ihren klaren gesetzlichen Pflichten ausweicht, ist neu, Herr Ministerpräsident. Und daß eine Landesregierung sodann sich dessen auch noch öffentlich berühmt, durch ihre Nichtentscheidung habe sie einer anderen Regierung, wie es wörtlich hieß, den Schwarzen Peter zugespielt, ist zwar ganz neu. Aber zugleich ist es ganz und gar zu schlau und zu leichtgewichtig, um meinen Respekt zu gewinnen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Ihr Ministerpräsidentenkollege Herr Strauß hat uns ein großes allgemeines Lagebild entwickelt; manches davon war wirklich zustimmungswürdig.
    Nun ist er ja ohne Frage einer der wortreichsten und zugleich kompromißlosesten Verfechter der Kernenergie in unserem Land. Er hat auf diesem Feld vor 20 Jahren als Bundesminister für die friedliche Nutzung der Atomenergie debütiert. Er könnte sich heute als bayerischer Ministerpräsident Verdi enste auch um das weniger geliebte hintere Ende der von ihm geliebten Kernenergienutzung erwerben, wenn er sich um die Entsorgung bekümmern würde.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Der Brennstoffkreislauf — das muß ich dem bayerischen Ministerpräsidenten sagen — läßt sich nicht durch Bekenntnisse schließen, auch nicht durch markige Bekenntnisse,

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    sondern nur durch eigenes Handeln, auch wenn — so, wie die Dinge heute liegen — dieses Handeln nicht überall populär ist und wenn dazu Entschlußkraft und Entscheidungskraft gehören.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Ich habe den Herrn Ministerpräsidenten in meiner Regierungserklärung heute früh um 9 Uhr vor die Frage gestellt, ob denn nicht auch der Freistaat Bayern, der eine Kernkraftkapazität von rund 5 000 MW im Betrieb oder im Bau hat, es nötig habe, selbst bei einem noch kooperativeren Verhalten der niedersächsischen Landesregierung, was Gorleben angeht, für seine Kernkraftwerke ein Zwischenlager zu errichten. Sein Amtsvorgänger, Herr Ministerpräsident Goppel, hatte der Bundesregierung in dieser Richtung eine ernsthafte Prüfungszusage gegeben. Ich habe vor mehreren Monaten den Amtsnachfol-



    Bundeskanzler Schmidt
    ger, Herrn Ministerpräsident Strauß, darauf hingewiesen. Ich habe heute morgen die Frage erneut gestellt. Sie haben alle gehört, daß Herr Strauß mit keinem Wort auf diese Frage einging. Graf Lambsdorff hat die Frage zu Beginn seiner Rede wiederholt. Wir sind auch heute nachmittag um 16.25 Uhr ohne Antwort durch den bayerischen Ministerpräsidenten. Und dies ist es eigentlich, was ich als doppeldeutig und zweizüngig empfinde, wenn ich gleichzeitig hier immer wieder Appelle an die Einmütigkeit hören muß.

    (Beifall bei der SPD und bei der FDP) Herr Strauß hat dann Spott


    (Zuruf von der CDU/CSU: Mit Recht!)

    über das Treffen von sieben Staats- und Regierungschefs der größten westlich orientierten, demokratisch orientierten Industrieländer der Welt ausgegossen. Wenn er den Spott nur über mich ausgegossen hätte, müßte ich dies ertragen. Ich kann auch ertragen, daß er über meine sechs Kollegen den Spott mit ausgießt. Ich habe nur nicht gehört, weder vor dem Treffen in Tokio noch heute, also nachher, was Ministerpräsident Strauß statt dessen hätte wünschen wollen, das in Tokio hätte beschlossen werden sollen. Davon habe ich kein einziges Wort gehört.

    (Beifall bei der SPD und bei der FDP)

    Herr Ministerpräsident Strauß, Herr Ministerpräsident Albrecht, Herr Kollege Narjes und Herr Kollege Biedenkopf, alle vier müssen sich nicht vergewaltigt fühlen, wenn ich feststelle, daß keiner von ihnen — und ich habe sorgfältig zugehört — heute einen einzigen zusätzlichen konkreten Vorschlag zu meiner Ihnen vorgetragenen Regierungserklärung gemacht hat.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Sie haben uns auch in keinem Punkte aufgefordert, von den konkreten Punkten der Regierungserklärung etwas abzustreichen, weil Sie es für falsch gehalten hätten.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Setzen Sie das erst einmal um!)

    Ich gebe insoweit dem Herrn Kollegen Zywietz von der FDP, der unmittelbar vor mir sprach, vollständig recht.
    Vielleicht darf ich Ihnen am Schluß etwas aus der heute erschienenen Londoner Financial Times zitieren. Auf Seite 2 gibt es einen Aufsatz mit der Überschrift: „Strauß moves in to fill vacuum" ;

    (Heiterkeit bei der SPD)

    auf deutsch: „Herr Strauß füllt den Hohlraum aus".

    (Wehner [SPD] : Hohlraum oder Kohlraum? — Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der FDP)

    — Ich hatte eigentlich gehofft, Herr Kollege Wehner, daß sich diese Assoziation einstellen würde, auch ohne daß ich es ausspräche.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU: Er muß es natürlich wiederholen!)

    Es handelt sich um den Hohlraum in der Führung der Unionsparteien. Es handelt sich auch um das Vakuum einer gemeinsamen energiepolitischen Gesamtvorstellung oder eines Programmes der CDU/ CSU. Allerdings hat die von Herrn Strauß herausgegebene Zeitung „Bayern-Kurier" vor drei Tagen geschrieben: „Strauß ist ein Programm", also in dem Sinne, mehr brauche man nicht. Allein, ich denke, dies kann doch wohl nicht ganz im Sinne des Herausgebers jener Zeitung gewesen sein. Denn sonst wäre ja die von ihm viele Male, öffentlich hörbar und lesbar, verlangte „Klärung von Sachfragen" zwischen CDU und CSU — er hat sie häufig genug verlangt, er hat sie aber bisher nicht erreicht — nicht notwendig, wenn Strauß allein als Programm ausreichte. Ich denke, Herr Ministerpräsident Strauß muß auf die Ängste der Menschen achten, die auch in der Sache Bescheid wissen wollen und die sich sicher wissen wollen, ehe sie seiner Person eine Blanko-Vollmacht geben.

    (Anhaltender Beifall bei der SPD und der FDP)



Rede von Liselotte Funcke
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Kohl.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Helmut Kohl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Art und Weise, auf die der Herr Bundeskanzler vorzugehen beliebt, wenn er in einer Sachfrage nicht überkommt, wenn er drängende Fragen nicht beantworten kann, erzwingt hier wenigstens eine kurze Antwort.
    Herr Bundeskanzler, eine Vorbemerkung zu Ihrer berechtigten Rüge — die auch unsere Rüge ist —, daß bei wichtigen und großen Debatten die Präsenz im Deutschen Bundestag viel zu wünschen übrigläßt. Ich kann mich dieser Äußerung nur anschließen. Nur finde ich, Herr Bundeskanzler, Sie sind eines jener Mitglieder des Hohen Hauses, die am wenigsten dazu berufen sind, eine Rüge zu erteilen. Denn ich muß Ihnen gestehen: Ich gehöre nun 20 Jahre deutschen Parlamenten an, und ich habe noch nie einen Regierungschef in irgendeinem Parlament gesehen, der dieses Parlament, der das Hohe Haus so ausdrücklich und demonstrativ mit Verachtung straft, wie Sie das fortdauernd zu tun pflegen.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

    Herr Bundeskanzler, ich hätte dieses Thema heute nicht in die Debatte eingeführt, aber daß Sie den Mut haben, sich hier an dieses Pult zu stellen und so etwas nach all den Aufführungen auszusprechen, die viele von uns ertragen müssen, wenn wir Sie während großer Debatten auf der Regierungsbank beobachten, das ist schon ein ziemlicher Skandal.

    (Beifall bei der CDU/CSU)




    Dr. Kohl
    Herr Bundeskanzler, Millionen Fernsehzuschauer haben während eines wichtigen Augenblicks in der Geschichte unserer Republik, bei der Vereidigung des Bundespräsidenten vor wenigen Tagen, erleben können, wie Sie sich in einem solchen Augenblick verhalten, wie Sie Zeitung lesen, wie Sie scheinbar Akten bearbeiten. Herr Bundeskanzler, ein Mann, der so wenig Gespür für die Würde des Augenblicks hat, ist nicht berufen, anderen Noten zu erteilen.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

    Herr Bundeskanzler, Sie mögen es für bedeutend und für einen Beweis Ihrer 'inneren Souveränität halten, wenn Sie sich von Ihrem Platz aus dem jeweils ungeliebten Redner demonstrativ entgegengesetzt darstellen und zeigen.

    (Zuruf von der SPD: Zur Sache, Schätzchen!)

    Uns oder mich berührt dies überhaupt nicht.

    (Zuruf von der SPD: Na also!)

    Nur habe ich die herzliche Bitte: Sprechen Sie nie von „beispielgebenden Formen" Ihrer Politik! Sie sind dazu gänzlich unfähig. Das ist die Erfahrung, die wir hier gemacht haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Stahl [Kempen] [SPD] : Herr Kohl, über das, was Sie jetzt gesagt haben, lachen selbst die Hühner!)

    Zum zweiten: Herr Bundeskanzler, Sie haben eben darauf hingewiesen — heute früh haben Sie es anklingen lassen, und der Herr Kollege Genscher hat das auch getan —, daß in dieser wichtigen und zentralen Frage der Energiepolitik — und mein Freund Ernst Albrecht hat das ausdrücklich aufgegriffen und unterstrichen — —

    (Stahl [Kempen] [SPD] : Na, ob das so Ihr Freund ist?)

    — Ach Gott, lieber Herr Kollege, ich weiß wirklich nicht, ob wir jetzt die Probleme, die alle demokratischen Parteien haben, auch wir in der CDU/CSU, hier in dieser Weise behandeln sollten. Soll ich jetzt darstellen, was der Herr Wehner über den Herrn Brandt denkt und was Herr Brandt über Herrn Wehner denkt und was beide über Herrn Schmidt denken und was die meisten von Ihnen über Herrn Schmidt denken? Soll ich das Ihnen jetzt von dieser Tribüne aus vortragen?

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Meine Damen und Herren, wir haben uns um die Energiepolitik zu bemühen, und wenn wir über die Energiepolitik reden, ist es, meine ich, wirklich — —

    (Weitere Zurufe von der SPD)

    — Meine Damen und Herren, es stört mich überhaupt nicht, wenn Sie in dieser Form versuchen, die
    Debatte zu stören. Das zeigt doch nur, daß Sie nicht fähig sind, eine solche Debatte über Fragen der Kernenergie konsequent durchzustehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Schäfer [Tübingen] [SPD] : Dazu haben Sie bisher noch kein Wort gesagt! — Weitere Zurufe von der SPD)

    Herr Bundeskanzler, Sie wissen so gut wie ich, daß es in der Frage der Sicherung der Energiebasis unserer Bundesrepublik Deutschland, und zwar auf jedem Felde dieser Energiepolitik, auch und insonderheit im Bereich der Kernenergiepolitik, die unabdingbare Voraussetzung für das Gewinnen einer sicheren Zukunft ist, daß wir zu einem Stück Gemeinsamkeit kommen. Ich habe in meiner Rede zu Ihrer Regierungserklärung zur Lage der Nation am 17. Mai 1979 dieses Angebot hier ausdrücklich gemacht. Mein Kollege Narjes hat Sie heute erneut darauf angesprochen. Glauben Sie im Ernst, daß die Art und Weise, wie Sie hier CDU und CSU ansprechen,

    (Dr. Schäfer [Tübingen] [SPD]: Zur Energie!)

    wie Sie einzelne Regierungschefs deutscher Bundesländer ansprechen,

    (Lenzer [CDU/CSU] : Anpöbeln muß man sagen!)

    ein Klima der Gemeinsamkeit schaffen kann?
    Ernst Albrecht muß sich notgedrungen und aus der Amtsverantwortung des niedersächsischen Ministerpräsidenten mit der konkreten Situation befassen, die er in seinem Land vorfindet und die ihn hier zum Handeln beruft.

    (Zuruf von der SPD: Zur Energiepolitik!)

    Sie sagen in diesem Zusammenhang von der Haltung der niedersächsischen Landesregierung, sie sei ambivalent, schwankend, opportunistisch und finde schlaue Ausreden.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Unglaublich! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Herr Bundeskanzler, selbst wenn Sie so denken würden — Sie wissen, daß das rundherum blanker Unsinn und falsch ist —, frage ich mich, welche Vorstellung Sie eigentlich von der Würde Ihrer Gesprächspartner haben, wenn Sie in einer solchen Weise von genau jenem reden, dessen Hilfe und Unterstützung Sie brauchen, um das gemeinsame Ziel zu erreichen. Ich will es ganz nüchtern und ganz ruhig sagen: Das Geschäft des Amtes des Bundeskanzlers der Bundesrepublik Deutschland ist schwierig.

    (Lachen bei der SPD — Zuruf von der SPD: Das ist richtig, nur kommt Ihre Einsicht zu spät! — Weitere Zurufe von der SPD)

    — Welche Juso-Assoziationen müssen Sie in Ihren Köpfen haben, wenn eine solche Feststellung bei Ihnen zu einem solchen Ausbruch führt!

    (Beifall bei der CDU/CSU)




    Dr. Kohl
    Aber gerade weil es so ist, weil wir Respekt vor dem Amt haben und weil wir, ob Regierung oder Opposition, auch die Pflicht haben, um unseres ganzen Landes willen die Dinge so gut zu befördern, wie wir es können, ist das ein Sprachgebrauch und eine Umgangsformel, die ganz und gar unerträglich sind. Sie wissen doch genau — Sie haben das in meinem Beisein im Kernenergierat laut und deutlich anerkannt —,

    (Zuruf von der SPD: Zur Sache!)

    daß sich diese niedersächsische Landesregierung und der niedersächsische Ministerpräsident Ernst Albrecht mehr als alle anderen um die Probleme bemühen, die uns heute hier bewegen, wie Entsorgungsfragen und Zwischenlager. Herr Bundeskanzler, warum haben Sie soeben nicht auch einmal eingeräumt, lobend erwähnt und deutlich gemacht, daß es Respekt verdient,

    (Stahl [Kempen] [SPD] : Das hat er doch gesagt!)

    daß diese niedersächsische Landesregierung in ihrem Beschluß u. a, auch ein Zwischenlager angeboten hat, das weit über die Bedürfnisse Niedersachsens hinausgeht? Sie wissen, daß in diesem Beschluß ein wichtiges Stück politischer Klugheit enthalten ist, was in einer Zeit, die nicht zuletzt durch Ihre eigenen politischen Freunde in diesem Zusammenhang so aufgeregt geworden ist, einen Weg nach vorn weist.
    Herr Bundeskanzler, sie reden von Opportunismus. Ich muß Ihnen ganz offen sagen: Wenn ich mich an die Haltung Ihrer Partei und an Ihre eigene Haltung, etwa im Zusammenhang mit Schleswig-Holstein, erinnere, dann kann ich mir keinen blankeren Opportunismus vorstellen, als Sie ihn praktiziert haben.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU — Stahl [Kempen] [SPD] : Starke Worte helfen da auch nicht weiter!)

    Ich weiß, daß Sie das trifft, weil Sie sich genau am richtigen Punkt ertappt fühlen, weil Sie vor Wahlen bewährtermaßen immer ganz anders als nach der Wahl reden. Wir haben das vor der Bundestagswahl erlebt, und ohne diese Behauptungen vor der Wahl säßen Sie überhaupt nicht mehr auf Ihrem Stuhl. Das wissen Sie so gut wie ich.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Deswegen, meine Damen und Herren, kann ich Ihnen nur dringend raten: Lassen Sie solche Formulierungen sein! Die niedersächsische Landesregierung hat in ihrem Beschluß auch der Bundesregierung ein Angebot gemacht. Sie, Herr Bundeskanzler, sind diesem Angebot bisher mit der Formulierung begegnet, dort seien klare gesetzliche Pflichten gebrochen worden. Nun, Herr Bundeskanzler, es ist Ihre Aufgabe als Kanzler der Bundesrepublik Deutschland, politische Verhältnisse mit herbeizuführen, die eine nüchterne und ruhige Betrachtung dieser schwierigen Frage der Kernenergie überhaupt erst möglich machen.
    Vorhin hat einer der Kollegen, die vor mir gesprochen habe, gemeint, es gebe Parteien — er meinte damit die CDU/CSU —, die in Sachen Kernenergie deswegen kein Problem hätten, weil über diese Fragen dort überhaupt nicht diskutiert werde. Meine Damen und Herren, das ist ein eigenartiges Demokratieverständnis. Wir haben diese Fragen durch viele Jahre hindurch diskutiert. Wir haben Fachkongresse darüber abgehalten. Wir haben eine mehr als zweijährige Diskussion in allen Gliederungen der Partei und der CDU gehabt, um unser Grundsatzprogramm im vergangenen Herbst in Ludwigshafen zu verabschieden. Dabei hat auch die Frage der Energiebasis und der Kernenergie eine wichtige Rolle gespielt. Ich finde, es ist ein eigentümliches Verfahren, eine Partei dann, wenn sie zu klaren Beschlüssen gekommen ist, mangelnder demokratischer Gesinnung zu bezichtigen, nur weil sie zu Beschlüssen gekommen ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Auch wir in der CDU und in der CSU tun uns gelegentlich schwer mit Beschlüssen. Dann kreiden Sie uns das an und sagen: Sie reden mit vielen Zungen. Jetzt haben Sie ein klassisches Beispiel dafür, daß wir als einzige deutsche Partei — CDU wie CSU gemeinsam — fähig sind, unsere Politik ohne Wenn und Aber vorzutragen. Und das paßt Ihnen dann auch nicht.
    Meine Damen und Herren, was soll's eigentlich? Die Lage ist doch so, daß Sie auf Grund Ihrer ideologischen Verwirrungen unfähig sind, hier eine wirklich zukunftsbezogene Politik zu machen. Ihr Problem in diesem Zusammenhang, Herr Bundeskanzler, ist doch nicht, daß Sie in diesem Hause keine Mehrheit haben; die haben Sie natürlich. Nur dürfen Sie sie nicht in Anspruch nehmen, weil Sie sonst die Kanzlermehrheit verlieren. Das ist doch der eigentliche Punkt, der so bedrückend ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    In der Sachfrage Sicherung der Energiebasis der Bundesrepublik gäbe es bei einer Abstimmung, die nicht von sonstigen Gründen beeinflußt wird, in diesem Hause glatt eine Mehrheit, die weit über 400 Stimmen liegen würde. Aber Sie dürfen diese Mehrheit gar nicht beanspruchen, weil Sie unter dem Zwang jener Ideologen in Ihrer Fraktion und Ihrer Partei stehen, die etwas ganz anderes wollen. Das ist doch der Punkt!
    Da ist bereits wieder das Thema Bundestagswahl 1980 anvisiert. Ich habe nach der Europawahl die vielen Äußerungen des Kollegen Brandt zum Thema „Grüne Listen" mit großem Interesse gehört. Herr Bundeskanzler, das, was Sie heute dazu gesagt haben, ist ja nur der Hintergrundton zu dieser gleichen Offensive. Sie wissen zwar, daß es aus ganz klaren, sachlich überzeugenden Gründen überhaupt



    Dr. Kohl
    keine Alternative zur Kernenergie gibt und geben kann, aber Sie wollen es so laut nicht sagen und sich um das Thema in der Offentlichkeit herummogeln, weil Sie im nächsten Herbst auch noch die Stimmen jener, die vielleicht „Grüne Listen" wählen wollen, einholen wollen. Das ist das eigentliche Problem Ihrer Politik! Deswegen reden Sie im Lande — mit „Sie" meine ich jetzt vor allem die SPD — ganz anders als hier im Deutschen Bundestag. Wenn ich mir die Sitzungen des Energierates oder auch die Sitzungen hier im Bundestag vergegenwärtige, Herr Bundeskanzler, dann komme ich zu dem Schluß: Viele unserer Debatten könnten auf ein Zehntel der Redezeiten beschränkt werden.

    (Wehner [SPD] : Sie kommen mir vor wie ein Schneller Brüter! — Weitere Zurufe von der SPD)

    — Herr Kollege Wehner, daß Sie das höchst ungern hören, ist ganz klar, weil Sie auch in dieser Frage zunächst die Taktik und nicht das Ziel für die nationale Politik der Bundesrepublik Deutschland sehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Herr Bundeskanzler, wir geben Ihnen schon den Rat, das was der niedersächsische Ministerpräsident im Blick auf seine Regierungserklärung vor dem Niedersächsischen Landtag heute wiederholt hat, sehr ernst .zu nehmen. Ich gebe Ihnen auch von mir aus wirklich den Rat, doch den Versuch zu machen, statt den zu beschimpfen, der in dieser Frage anders denkt, weil er auch eine ganz andere Verantwortung vor Ort hat, ihn in ein vernünftiges Gespräch, in eine vernünftige Politik einzubeziehen. Herr Bundeskanzler, daß Herr Albrecht im Kreise LüchowDannenberg die Bedingungen vorfindet, von denen er gesprochen hat, verdankt er nicht zuletzt jenen politischen Kreisen, denen Sie Ihre Existenz als Kanzler der Bundesrepublik Deutschland verdanken.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Weil das so ist, ist es doch ganz und gar berechtigt und — weil Sie Bezug auf das Moralische genommen haben — moralisch einwandfrei, wenn einer, der vor Ort Verantwortung trägt, seine Motive ehrlich vorträgt. . Die Landesregierung Niedersachsen und der niedersächsische Ministerpräsident haben keine sicherheitsmäßigen Überlegungen vorgeschoben, die von einem Großteil der Bevölkerung, den allermeisten von uns, in ihrer Bedeutung gar nicht richtig hätten gewürdigt werden können. Er hat die Wahrheit gesagt, er hat das politische Umfeld genannt.
    Herr Bundeskanzler, Sie haben kein Wort dazu gesagt, was Sie angesichts der Gesamtentwicklung getan hätten, die wir im Zusammenhang mit dem Thema Umweltschutz und der Diskussion in der Bevölkerung zu verzeichnen haben. Wir haben Ihnen immer wieder gesagt: Lassen Sie uns in den nächsten Jahren gemeinsam die Voraussetzungen schaffen, damit das, was auch nach unserer Überzeugung im Blick auf die Entsorgung an dieser Stelle in Niedersachsen notwendig ist — wenn alle technischen Gutachten in diese Richtung laufen —, baldmöglichst realisiert werden kann. Aber — weil Sie vom Schwarzen-Peter-Spiel sprachen —: es genügt eben nicht, daß Sie hier so reden und Ihre Freunde oder auch Sie draußen ganz anders. Dazu gehört, daß wir wirklich gemeinsam versuchen, das Thema Energiepolitik aus dem parteipolitischen Streit herauszubringen.
    Wenn alles richtig ist, was wir hören und lesen, wenn auch richtig ist, was Sie jetzt auf dem Gipfel besprochen und uns berichtet haben bzw. was wir aus anderen Quellen wissen, dann, glaube ich, wird dieser Deutsche Bundestag schon in der nächsten oder in der übernächsten Legislaturperiode, also in den 80er Jahren, nicht daran gemessen werden, wie lange, wie gut oder wie strittig unsere Reden heute oder an anderen Tagen waren, sondern ob wir die Zeichen der Zeit erkannt haben und in Fragen der Energiepolitik gemeinsam einen mutigen Schritt nach vorne zu tun bereit waren. Ich mache Ihnen, Herr Bundeskanzler, für die CDU/CSU-Fraktion, für meine Freunde in den beiden Schwesterparteien noch einmal dieses Angebot. Ich kann Ihnen nur raten: Nehmen Sie die Hand an. Mit Beschimpfungen läßt sich keine Politik machen. Damit kann man einen Wahlkampf überstehen, aber in die Geschichte werden Sie mit einer solchen. Politik nicht eingehen.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)