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ID0816705600

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    Plenarprotokoll 8/167 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 167. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 4. Juli 1979 Inhalt: Regelung für die Einreichung von Fragen für die Woche vom 10. September 1979 13317 A Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung zur Energiepolitik nach dem Europäischen Rat und dem Weltwirtschaftsgipfel in Verbindung mit Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Dollinger, Dr. Narjes, Pfeifer, Dr. Riesenhuber, Lenzer, Dr. Waigel, Dr. Laufs, Gerstein, Kolb, Dr. Czaja, Dr. Probst, Engelsberger, Dr. Hubrig, Pfeffermann, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Dr. Stavenhagen, Frau Dr. Walz, von Hassel, Benz, Dr. Jenninger und der Fraktion der CDU/CSU Sicherung der Energieversorgung und Zukunftsorientierung der deutschen Energiepolitik — Drucksache 8/2961 (neu) — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ausführungsgesetzes zu dem Übereinkommen vom 5. April 1973 zwischen dem Königreich Belgien, dem Königreich Dänemark, der Bundesrepublik Deutschland, Irland, der Italienischen Republik, dem Großherzogtum Luxemburg, dem Königreich der Niederlande, der Europäischen Atomgemeinschaft und der Internationalen Atomenergie-Organisation in Ausführung von Artikel III Abs. 1 und 4 des Vertrages vom 1. Juli 1968 über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (Verifikationsabkommen) (Ausführungsgesetz zum Verifikationsabkommen) — Drucksache 8/2779 — Schmidt, Bundeskanzler 13317 D, 13384 B, 13391 C Porzner SPD (Zur Geschäftsordnung gemäß § 34 GO) 13328 C Strauß, Ministerpräsident des Freistaates Bayern 13329 D Dr. Graf Lambsdorff, Bundesminister BMWi 13339 B Dr. Albrecht, Ministerpräsident des Landes Niedersachsen 13348 A, 13390 D Genscher, Bundesminister AA 13352 B Dr. Narjes CDU/CSU 13354 C Schmidt (Wattenscheid) SPD 13359 D Dr.-Ing. Laermann FDP 13364 C Dr. Hauff, Bundesminister BMFT 13370 B Dr. Biedenkopf CDU/CSU 13373 D Ueberhorst SPD 13378 B Zywietz FDP 13381 C Dr. Kohl CDU/CSU 13387 D Dr. Gruhl fraktionslos 13393 D Nächste Sitzung 13397 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 13399* A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 167. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Juli 1979 13317 167. Sitzung Bonn, den 4. Juli 1979 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 165. Sitzung, Seite 13231*: In die Liste der entschuldigten Abgeordneten ist der Name „Müller (Remscheid)" einzufügen. Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Althammer 4. 7. Dr. Arnold 4. 7. Bayha 4. 3. Dr. Becher (Pullach) 4. 7. Frau Benedix 4. 7. Blumenfeld 4. 7. Dr. Böhme (Freiburg) 4. 7. Brandt 4. 7. Büchner (Speyer)* 4. 7. Conradi 4. 7. Fellermaier* 4. 7. Frau Dr. Focke 4. 7. Haberl 4. 7. Hauser (Krefeld) 4. 7. Dr. Haussmann 4. 7. Graf Huyn 4. 3. Dr. Jahn (Braunschweig) 4. 7. Dr. h. c. Kiesinger 4. 7. Koblitz 4. 7. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Köster 4. 7. Lintner 4. 7. Dr. Dr. h. c. Maihofer 4. 7. Dr. Meinecke (Hamburg) 4. 7. Dr. Müller** 4. 7. Müller (Remscheid) 4. 7. Neumann (Bramsche) 4. 7. Oostergetelo 4. 7. Picard 4. 7. Pieroth 4. 7. Rappe (Hildesheim) 4. 7. Rosenthal 4. 7. Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein 4. 7. Scheffler** 4. 7. Frau Schlei 4. 7. Dr. Schmitt-Vockenhausen 4. 7. Frau Schuchardt 4. 7. Dr. Schwencke (Nienburg)** 4. 7. Spilker 4. 7. Dr. Starke (Franken) 4. 7. Volmer 4. 7. Dr. Waffenschmidt 4. 7. Walkhoff 4. 7. Frau Dr. Walz 4. 7. Würzbach 4. 7. Dr. Wulff 4. 7.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Reinhard Ueberhorst


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich meine, Herr Biedenkopf, man kann es vielleicht einmal im Raum stehen lassen, wie ernst Ihre Hoffnungen in bezug auf die SPD gemeint sind. Ich will sie ernst nehmen, und ich will Ihnen auch beipflichten, daß wir gut daran tun, irgendwann in einem Stadium in dieser Debatte auf die Frage zu kommen: Welchen parlamentarischen Beitrag will dieses Parlament in der aktuellen deutschen Kernenergiediskussion leisten, welche Aspekte müssen da einbezogen werden, und was wollen wir als Fraktion, jeder für sich und jeder auf seine Art, dazu beitragen?
    Sie haben in diese Debatte einen anonymen Studenten eingeführt, der mit einem Aufkleber „Atomkraft — nein danke" an dem Auto herumfährt und der auf Ihr Befragen hin erklärt hat, er sei nicht bereit, auf das Auto zu verzichten.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das tun sehr viele!)

    Ich unterstelle einmal, daß dieser konkrete Fall vorgefallen ist; Sie werfen gerade ein, daß es weitere Fälle gibt. Aber Pharisäer gibt es überall. Auch in der Marktwirtschaft haben wir große Theoretiker der Marktwirtschaft, die dennoch Maßnahmen vertreten, die überhaupt nicht marktwirtschaftlich sind.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich will auch nicht in Abrede stellen, daß es im Kreise der Kernenergiekritiker Leute gibt, die das, was Sie mit internationaler Auswirkung usw. angedeutet haben, nicht durchdacht haben.

    (Dr. Kohl [CDU/CSU] : Das ist nicht das Problem des Pharisäers, sondern die Leute sind nicht aufgeklärt! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    — Herr Kohl, wenn Sie das in einem selbstkritischen Ton sagen, will auch ich gern einräumen, daß wir unsere Bürger nicht genug aufgeklärt haben, wie Sie sagen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Oder falsch aufgeklärt! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)

    Ich weiß aber nicht, ob Sie mir auch folgen, wenn ich sage: Die breite Masse unserer Bürger ist weit klüger und einsichtiger, als es in dem Beispiel deutlich wird, das Herr Biedenkopf hier eingeführt hat.

    (Beifall bei der SPD — Rawe [CDU/CSU] : Deswegen hat sie in Schleswig-Holstein euren Kandidaten nicht gewählt!)

    Die breite Masse unserer Bürger weiß, daß wir in einem Zeitalter leben, in dem auch individuelle Verhaltensänderungen zum Bestandteil einer Politik gemacht werden müssen, und deshalb hatte Minister Hauff vollkommen recht, als er hier aufzeigte, daß die Politik für diese gesellschaftlichen Lernprozesse auch Hinweise darauf geben muß, was passieren kann. Es kann nicht so sein, daß sich eine kreative Verwaltung, die die Vorschläge macht, und die Orientierung an einem freiheitlichen Prinzip gegenseitig ausschließen.
    Herr Biedenkopf, in diesem Sinne meine ich auch, daß Sie mit Ihrer Anregung recht haben, wir sollten uns fragen, wie wir Konsens erzeugen können. Wir können uns allerdings daran erinnern, daß Sie bei der letzten Energiedebatte größerer Art hier am 14. Dezember 1978 die Zentralvokabel in den Raum stellten: „anweisen!", die Landesregierung Nordrhein-Westfalen sollte angewiesen werden.

    (Dr. Biedenkopf [CDU/CSU] : Das hat die Landesregierung angefordert! Die hat ausdrücklich um diese Anweisung gebeten!)

    — Die Landesregierung hat erklärt, sie warte das ab, was der Bundestag sagt, und der Bundestag hat etwas gesagt, und die Landesregierung hat gehandelt.

    (Zuruf des Abg. Dr. Kohl [CDU/CSU])




    Ueberhorst
    Heute haben verschiedene Ihrer Sprecher, weniger Herr Biedenkopf, aber viele andere Kollegen, insbesondere Herr Strauß, erklärt — auch in Ihrem Antrag, auf den Sie selten zurückgekommen sind, heißt es so —: Da ist eine sich zuspitzende Diskussion. Sie beklagen die sich zuspitzende Diskussion, und es wird gesagt, „an der Front" müßte mehr durchgesetzt werden. Außerdem wird in diesen Tagen ein Memorandum vorgelegt, das Sie glücklicherweise in dieser Debatte auch nicht so stark benutzt haben, in dem es immer wieder heißt: Hier gibt es in den Parteien Widersprüche, unterschiedliche Meinungen usw. Ich will Ihnen dazu eindeutig sagen: Darin unterscheiden wir uns. Die SPD-Fraktion braucht ihre Partei mit all diesen unterschiedlichen Diskussionsprozessen überhaupt nicht zu verstecken.

    (Beifall bei der SPD)

    Als der Bundeskanzler vorhin seine Regierungserklärung abgab, haben Sie zu Recht protestiert, als er erklärte, die Kirchen, die Verbände und alle Parteien hätten eine sehr intensive, strittige Kernenergiediskussion. Sie haben hier in der Tat zu Recht protestiert, weil Sie für sich nicht beanspruchen können, zu diesen Parteien zu gehören, die wie unsere Bevölkerung in dieser Frage ringen und in denen es in der Tat auch viele Mitglieder gibt, die die Hoffnung haben, daß wir nach einer Übergangszeit einmal ohne Kernenergie leben können, und die in diesen Parteien dafür arbeiten.
    Für uns Sozialdemokraten ist dies und die Tatsache, daß wir das aus der Parteidiskussion hier ins Parlament bringen, ein wichtiger Bestandteil unserer Art und Weise, Politik gesellschaftlich zu verankern und diese Politik nicht losgelöst — Sie können ja sogar einen Kanzlerkandidaten ohne Einbeziehung der Parteien wählen — von den Parteien und der Bevölkerung zu machen.

    (Beifall bei der SPD)

    Es ist schon bedauert worden, daß Herr Strauß hier zwar eine Debatte mit eröffnen kann, aber dann verschwindet. Weil er sich zu Schleswig-Holstein geäußert hat, muß ich als Schleswig-Holsteiner noch darauf antworten. Wir Schleswig-Holsteiner mögen es nicht, wenn die Herren, die uns angegriffen haben, weggehen. Da heißt es, in Kiel habe die SPD ein Landtagswahlprogramm vorgelegt. Der Bundeskanzler hat in der Tat erklärt, daß er es respektieren werde, wenn eine gewählte schleswigholsteinische Landesregierung erkläre, weitere Kernkraftwerke würden nicht gebaut. Wir haben hier häufig über Föderalismus geredet, und ich frage Sie: Was ist denn eigentlich mit Ihren föderalistischen Prinzipien los? Wenn man in den Ländern entscheiden will, ob, wann und wie viele Kraftwerke und welche Art von Kraftwerken man baut, so kann z. B. Nordrhein-Westfalen entscheiden, welche Kraftwerkspolitik es betreiben will. Für den Fall, daß wir in Schleswig-Holstein gewonnen hätten — leider haben wir es nicht —,

    (Lampersbach [CDU/CSU]: Gott sei Dank!)

    hätten wir auch entschieden, welche Kraftwerkspolitik wir betrieben hätten.

    (Dr. Kohl [CDU/CSU] : Herr Kollege, wenn Sie gewonnen hätten, könnten Sie hier doch gar nicht zur Kernkraft reden!)

    Aber ich darf Ihnen sagen, die Mehrheit der Schleswig-Holsteiner hat nicht für Brokdorf gestimmt. Die Mehrheit der Schleswig-Holsteiner — das hat Herr Stoltenberg auch erkannt — wollte Brokdorf nicht. Herr Stoltenberg ist nach der Wahl auch sehr viel nachdenklicher geworden. Es wäre gut, wenn auch Herr Strauß das registrieren würde.

    (Kolb [CDU/CSU] : Dann schalten Sie doch den Hamburgern den Strom ab! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    — Meine Herren, wir führen hier jetzt die- Gipfeldebatte. Aber ich bin gern bereit, einmal länger über Regionalpolitik in Schleswig-Holstein und über den Bau von Kraftwerken — Kohlekraftwerken, Kernkraftwerken — in Schleswig-Holstein zu sprechen. Aber nehmen Sie bitte diesen Punkt zur Kenntnis! Wenn Herr Strauß noch hier wäre, hätte man darüber noch ausführlicher streiten können. Nur, ich finde, es ist schlechter Stil, hier etwas einzuführen und dann bei der Erörterung nicht mehr anwesend zu sein.

    (Beifall bei der SPD)

    Meine Herren, zu diesen Fragen, die in unserer Partei gestellt werden, die wir auch hier im Parlament, Herr Biedenkopf, gestellt und einvernehmlich in einem Beschluß verdichtet haben, mit dem wir die sogenannte Enquete-Kommission Zukünftige Kernenergiepolitik eingesetzt haben, bekennen wir uns. Die Bundesregierung begrüßt diese parlamentarische Kommission. Die Fraktionen von FDP und SPD begrüßen sie ebenfalls. Sie arbeiten in dieser Kommission zwar mit — ich darf als Vorsitzender sagen, daß wir einen guten Einstieg in die Arbeit gehabt und einstimmig ein Arbeitsprogramm verabschiedet haben —, bringen das aber hier leider nicht in die Debatte ein. Wenn wirklich ein Konsens herbeigeführt werden soll, genügt es nicht, sich mit vorgefaßten Meinungen zu übertreffen und einseitige Überzeugungsprozesse mit Konsensfindungsprozessen zu verwechseln.

    (Beifall bei der SPD)

    Dafür muß man offener, wesentlich offener sein, so offen, wie wir es waren, als wir uns beispielsweise gefragt haben, ob die Nutzung der Kernenergie notwendig ist oder ob auf sie verzichtet werden könne, als wir uns gefragt haben, welche Kriterien und Maßstäbe für die Akzeptanz der Kernenergie und anderer Energieträger als wesentlich zu erachten sind und wie sie parlamentarisch umgesetzt werden können.

    (Lenzer [CDU/CSU] : Sagen Sie doch einmal genau, ob Sie dafür oder dagegen sind! — Lachen und Zurufe von der SPD)

    — Herr Lenzer, ich habe mir angesichts all der Zwischenrufe fest vorgenommen, auf diesen Zwischenruf einmal zu antworten; denn er ist ja häufig zu



    Ueberhorst
    hören. Wofür ich hier bin und streite, ist folgendes. Erstens. Es gibt eine Fülle — ich habe Ihnen soeben drei vorgelesen — berechtigter Fragen, die man zur Kernenergienutzung und zur Perspektive kritisch und engagiert stellen kann. Zweitens. Ich bin dafür, daß das hier ins Parlament gebracht und nicht immer nur draußen diskutiert wird.

    (l eifall bei der SPD und der FDP)

    Ich bin auch dafür, daß wir uns als Volksvertretung hier dazu bekennen, daß wir nicht neben diesem Volk, sondern als Teil desselben existieren, so daß sich die Meinungen hier auch wiederfinden können.

    (Erneuter Beifall bei der SPD und der FDP)

    Drittens. Ich bin dafür, daß diese Fragen wirklich konsensorientiert behandelt werden, daß hier jeder ohne Gesichtsverlust mitarbeiten kann. Denn sonst werden wir nie einen Konsens zustande bringen, sondern bestenfalls Mehrheiten bilden. Das aber ist, wie auch Herr Biedenkopf hier betont hat, angesichts der Notwendigkeit, eine breite Übereinstimmung zu erzielen, zu wenig.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Kolb [CDU/CSU] : Fragen muß man beantworten, Herr Kollege, und nicht nur stellen! — Lampersbach [CDU/CSU] : Sind Sie nun dafür oder dagegen? — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Ich komme jetzt zu dem Teil, der von Herrn Albrecht als zentraler Punkt in dieser Debatte eingeführt worden und der auch in der Tat sehr wichtig ist. Vielleicht behalten wir diese Fragestellung im Auge — Konsensfindung, Verhältnis der Partei zum Bürger, des Menschen zur Politik, der Politik zur Technik —, wenn wir uns jetzt der aktuellen Entsorgungspolitik und der Gorleben-Politik zuwenden.

    (Pfeffermann [CDU/CSU] : Sind Sie denn nun dafür oder dagegen? — Kolb [CDU/ CSU] : Wir kennen nur Ihre Frage, nicht Ihre Antwort!)

    — Herr Pfeffermann, vielleicht hören Sie zu.

    (Pfeffermann [CDU/CSU] : Sagen Sie, wo Sie stehen! — Lampersbach [CDU/CSU] : Deine Rede sei ja, ja — nein, nein!)

    Historisch ist es so — das sollte man sich bewußtmachen, das ist eine ernsthafte Feststellung —, daß wir in eine Situation „hineingewachsen" sind, in der weltweit Kernkraftwerke genutzt werden, ohne daß das Entsorgungsproblem bisher in einem Land der Welt so gelöst ist, daß eine Endlagerung des Atommülls realisiert ist. Das empfinden draußen viele Menschen, insbesonders junge Menschen -
    und ich hoffe, wir alle — als eine historische Hypothek. Es war daher gut, daß wir in der 7. Legislaturperiode des Bundestages — in vielen Diskussionsbeiträgen ist das unterstrichen worden — das sogenannte Entsorgungsjunktim entwickelt, daß wir uns bewußtgemacht haben, daß wir die Nutzung der Kernenergie u. a. an eine sichere Entsorgung binden müssen.
    Der Herr Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung im Dezember 1976 erklärt, daß die Errichtung neuer Kernkraftwerke nur noch dann genehmigt werde, wenn ihre Entsorgung hinreichend sichergestellt sei; bei schon im Bau oder in Betrieb befindlichen Anlagen müsse die gesicherte Entsorgung in angemessener Frist nachgewiesen werden. Der Bundestag hat — mit der Mehrheit von SPD und FDP — zuletzt am 14. Dezember 1978 unterstrichen, daß eine Neugenehmigung von Kernkraftwerken von dem Nachweis einer sicheren Entsorgung abhängig zu machen sei. Der Bundesinnenminister hat das in all seinen entsorgungspolitischen Stellungnahmen ebenfalls unterstrichen. Er hat auch darauf hingewiesen, daß das Parlament zu Recht eine parlamentarische Überprüfung der ausländischen Entsorgungsverträge erwarten dürfe, und erklärt, er werde im Zusammenhang mit der Entsorgungsvorsorge keine Absprachen mehr honorieren, die sich auf Cogema-Verträge stützen, solange das Parlament nicht Einblick in diese wichtigen Verträge bekommen hat.
    Es sollte eigentlich für uns alle nachvollziehbar sein — Konsens! — so wie es die Bürger empfinden, daß hierin ein politisches Prinzip steckt, eine Rationalität, die uns abverlangt, daß wir an diesem Prinzip der gesicherten Entsorgung als Voraussetzung zum Bau neuer Kernkraftwerke sehr sorgfältig festhalten.

    (Beifall bei der SPD)

    Es gibt keinen Grund, von diesem Entsorgungsjunktim abzuweichen.
    Jetzt möchte ich mich Herrn Albrecht widmen, wobei das angesichts der Komplexität der Erklärungen und Darstellungen, glaube ich, auch nur differenziert geschehen kann. Ich meine, Herr Albrecht hat viele gute Ansätze in die Entsorgungspolitik hineingebracht. Herr Albrecht hat gesagt, wir müßten, wenn wir über eine solche Technologie entscheiden wollten, Pro und Contra, insbesondere auch Kritiker hören und abwägen. Er hat ferner gesagt, hier dürfe nichts überhastet werden, es müsse alles mit Sorgfalt entschieden werden. Er hat darauf hingewiesen, daß die Bevölkerung in der Region Lüchow-Dannenberg ständig informiert werden und an dem Entscheidungsprozeß teilnehmen können müsse. Er hat schließlich auch noch einmal das notwendige hohe Ausmaß an Gemeinsamkeit bei der Entscheidung dieser Fragen betont.
    Nun war ich angesichts dieser Maßstäbe, die Sie aufgestellt haben, Herr Albrecht — ich glaube, es sind die wichtigsten —, sehr gespannt auf das, was Sie vortragen würden. Sie haben erklärt, das sei eine moralische Entscheidung. Ich glaube in der Tat, daß Sie mit diesem Anspruchsniveau richtig liegen. Aber Sie treffen uns nicht, wenn Sie sagen, Ihnen werde fehlender Mut vorgeworfen, Sie würden kneifen. Ich stelle mir vielmehr die Frage, ob Sie sich eigentlich richtig in die Menschen hineindenken, ob Sie die richtigen Konsequenzen aus den Gesichtspunkten ziehen, die Sie angeführt und die Sie dazu bewogen haben, Ihre Entscheidung zu treffen. Wir müssen doch alle miteinander sehen: Nicht nur in der Region Lüchow-Dannenberg, sondern bundesweit — das hat Herr Laermann schon angespro-



    Ueberhorst
    chen — haben die Bürger doch zum Teil Fragen und Bedenken, die wir hier ohne jede Schwierigkeit aufnehmen und diskutieren könnten. Wenn man z. B. sagt, ein Salzstock solle angebohrt werden und solle erkundet werden, dann müssen wir vorher wissen, nach welchen Kriterien dies erfolgt, damit man hinterher im Zusammenhang mit den Ergebnissen darüber auch vernünftig diskutieren kann.
    Wenn man sagt, bei der Einschaltung von Wissenschaftlern, die diese Prozesse untersuchen und diese ökologisch-regionalwirtschaftlichen oder andere Gutachten machen sollen, sollten keine Prüfer beauftragt werden, die ihrerseits im Verdacht stehen, mit der Kernenergie verflochten zu sein, so ist das ebenfalls ein rationaler Gesichtspunkt von Bürgern. Wenn die Bürger sagen „Es kann dort nichts gebaut werden, bevor die Geeignetheit des Standorts, d. h. auch des Salzstocks, nachgewiesen ist", weil wir ja ein integriertes Konzept wollen, so ist das ein rationaler Gesichtspunkt.


Rede von Liselotte Funcke
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Kollege, ich bitte Sie, zum Schluß zu kommen.

(Lenzer [CDU/CSU] : Unterstützen Sie Ihren Bundeskanzler, ja oder nein?)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Reinhard Ueberhorst


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Ich sehe, daß ich zum Schluß kommen muß. Dann muß ich dies leider abrunden, weil wir in dieser Debatte heute morgen schon sehr viel Zeit genutzt haben.

    (Kolb [CDU/CSU] : Oder nicht!)

    Herr Albrecht — nehmen Sie es mir bitte nicht übel, ich hoffe, daß wir eine andere Gelegenheit haben, das zu diskutieren -, wenn ich dies verdichte aus der Fülle der Bedenken und Fragen, die Sie ernst genommen haben, dann meine ich, daß Sie einen fundamentalen Fehler gemacht haben, der zu zwei falschen Resultaten führt. Sie kommen von einer Moral, dann gehen Sie den langen Weg der parteipolitischen Pluspunktesammler und kommen mit Ausfällen gegen die SPD und die FDP. Sie kommen zu einem Ergebnis, das — und das macht mir Sorgen — entsorgungspolitisch opportunistisch erscheint.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich habe bei Ihnen nicht heraushören können, daß Sie es mit dem Entsorgungsjunktim weiterhin ernst meinen.

    (Pfeffermann [CDU/CSU]: Wie hätten Sie es denn gern? Wo stehen Sie denn in dieser Frage?)

    Ich habe deshalb auch nicht heraushören können, ob Sie vielleicht einen Zubau von Kernkraftwerken zulassen wollen, ohne daß die Entsorgung realisiert wird.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, ich nehme an, daß mit diesem kurzen Beitrag ein bißchen deutlich geworden ist, daß wir hier nicht nur Konsenskataloge aufstellen müssen. Wir müssen uns auch darüber klarwerden, wie wir miteinander umgehen. In der Tatsache, daß man in einer Sekunde 20 Zwischenrufe gleichzeitig beantworten soll, wird auch deutlich, wie Sie den Konsens finden wollen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Lenzer [CDU/CSU] : Nur Sprüche, keine Kenntnis! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU: Verworren, Herr, war deiner Rede Sinn! — Er redet pro Entsorgung und contra Kernenergie !)