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ID0816704500

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Metadaten
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    Vokabeln: 8
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    6. Bundesminister: 1
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    8. Hauff.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 8/167 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 167. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 4. Juli 1979 Inhalt: Regelung für die Einreichung von Fragen für die Woche vom 10. September 1979 13317 A Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung zur Energiepolitik nach dem Europäischen Rat und dem Weltwirtschaftsgipfel in Verbindung mit Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Dollinger, Dr. Narjes, Pfeifer, Dr. Riesenhuber, Lenzer, Dr. Waigel, Dr. Laufs, Gerstein, Kolb, Dr. Czaja, Dr. Probst, Engelsberger, Dr. Hubrig, Pfeffermann, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Dr. Stavenhagen, Frau Dr. Walz, von Hassel, Benz, Dr. Jenninger und der Fraktion der CDU/CSU Sicherung der Energieversorgung und Zukunftsorientierung der deutschen Energiepolitik — Drucksache 8/2961 (neu) — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ausführungsgesetzes zu dem Übereinkommen vom 5. April 1973 zwischen dem Königreich Belgien, dem Königreich Dänemark, der Bundesrepublik Deutschland, Irland, der Italienischen Republik, dem Großherzogtum Luxemburg, dem Königreich der Niederlande, der Europäischen Atomgemeinschaft und der Internationalen Atomenergie-Organisation in Ausführung von Artikel III Abs. 1 und 4 des Vertrages vom 1. Juli 1968 über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (Verifikationsabkommen) (Ausführungsgesetz zum Verifikationsabkommen) — Drucksache 8/2779 — Schmidt, Bundeskanzler 13317 D, 13384 B, 13391 C Porzner SPD (Zur Geschäftsordnung gemäß § 34 GO) 13328 C Strauß, Ministerpräsident des Freistaates Bayern 13329 D Dr. Graf Lambsdorff, Bundesminister BMWi 13339 B Dr. Albrecht, Ministerpräsident des Landes Niedersachsen 13348 A, 13390 D Genscher, Bundesminister AA 13352 B Dr. Narjes CDU/CSU 13354 C Schmidt (Wattenscheid) SPD 13359 D Dr.-Ing. Laermann FDP 13364 C Dr. Hauff, Bundesminister BMFT 13370 B Dr. Biedenkopf CDU/CSU 13373 D Ueberhorst SPD 13378 B Zywietz FDP 13381 C Dr. Kohl CDU/CSU 13387 D Dr. Gruhl fraktionslos 13393 D Nächste Sitzung 13397 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 13399* A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 167. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Juli 1979 13317 167. Sitzung Bonn, den 4. Juli 1979 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 165. Sitzung, Seite 13231*: In die Liste der entschuldigten Abgeordneten ist der Name „Müller (Remscheid)" einzufügen. Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Althammer 4. 7. Dr. Arnold 4. 7. Bayha 4. 3. Dr. Becher (Pullach) 4. 7. Frau Benedix 4. 7. Blumenfeld 4. 7. Dr. Böhme (Freiburg) 4. 7. Brandt 4. 7. Büchner (Speyer)* 4. 7. Conradi 4. 7. Fellermaier* 4. 7. Frau Dr. Focke 4. 7. Haberl 4. 7. Hauser (Krefeld) 4. 7. Dr. Haussmann 4. 7. Graf Huyn 4. 3. Dr. Jahn (Braunschweig) 4. 7. Dr. h. c. Kiesinger 4. 7. Koblitz 4. 7. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Köster 4. 7. Lintner 4. 7. Dr. Dr. h. c. Maihofer 4. 7. Dr. Meinecke (Hamburg) 4. 7. Dr. Müller** 4. 7. Müller (Remscheid) 4. 7. Neumann (Bramsche) 4. 7. Oostergetelo 4. 7. Picard 4. 7. Pieroth 4. 7. Rappe (Hildesheim) 4. 7. Rosenthal 4. 7. Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein 4. 7. Scheffler** 4. 7. Frau Schlei 4. 7. Dr. Schmitt-Vockenhausen 4. 7. Frau Schuchardt 4. 7. Dr. Schwencke (Nienburg)** 4. 7. Spilker 4. 7. Dr. Starke (Franken) 4. 7. Volmer 4. 7. Dr. Waffenschmidt 4. 7. Walkhoff 4. 7. Frau Dr. Walz 4. 7. Würzbach 4. 7. Dr. Wulff 4. 7.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Prof. Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Die Dokumentation zeigt aber auch die Unfähigkeit der Opposition, die Energiepolitik der Bundesregierung als ein geschlossenes, in sich schlüssiges Gesamtkonzept zu begreifen, das selbst die gegenwärtige Situation abdeckt.
    Ich stimme dem Herrn Bundeskanzler zu: Wir brauchen kein neues Energieprogramm. Was wir brauchen, sind mehr und raschere Umsetzungen des Programms.

    (Beifall bei der FDP)

    Die Entwicklungen am Ölmarkt hinsichtlich Preis und Verfügbarkeit machen es überdeutlich.
    Wegen der Begrenztheit der Ressourcen, aus politischen Gründen und wegen der Grenzen der Belastbarkeit der Biosphäre muß der Energieverbrauch eingeschränkt werden. In erster Linie kommt es dabei darauf an, weniger Öl einzusetzen, den Primärenergiebedarf herabzusetzen.
    Nun frage ich die Kollegen von der Opposition, die Zustände beklagt und Situationen beschrieben haben: Wo sind da die Konsequenzen geblieben? Herr Kollege Narjes, auch Sie haben keine konkreten alternativen Vorschläge gemacht. Sie haben davon gesprochen, daß der Mengenregulator die Zusatzproduktion sei und einige OPEC-Länder noch dazu bereit seien. Frage: Ist dies überhaupt noch möglich? Wir müssen doch feststellen, daß die Förderung an die Grenze der Kapazität gekommen ist, daß die Kosten für die Förderung steigen werden und daß in Zukunft nachdrücklich auf Sekundär- und Tertiärförderung, nicht nur in unserem Lande, sondern auch in diesen Ländern, abgehoben werden muß, mit all den Konsequenzen für die Kosten, die sich daraus ergeben. Ich meine, hier auch für die FDP sprechen zu dürfen, wenn ich sage daß wir vernünftigerweise in unserer Energiepolitik — schon in der zweiten Fortschreibung des Programms, auch in den Erläuterungen und in den neuen Beschlüssen der Bundesregierung — Priorität auf die rationelle Energieverwendung gelegt haben. Hier liegen nun einmal bedeutende Möglichkeiten und auch Notwendigkeiten zur rationellen Energieverwendung, in erster Linie also zur Öleinsparung.
    Voraussetzung ist ein vernünftiger Umgang mit Energie in allen Sektoren: in der Industrie, im privaten Bereich und im Verkehr. In erster Linie und zur kurzfristigen Wirkung sind wohl die Verbraucher angesprochen. Hier ist das vernünftige Handeln der Verbraucher geboten. Ich bin davon überzeugt, daß der Bürger bereit ist, dieses Gebot, diese Notwendigkeit zu erkennen, gegebenenfalls auch Einschränkungen hinzunehmen, wenn ihm die Gründe einsichtig sind, wenn sie ihm plausibel gemacht werden. Und das sollte die Aufgabe des Parlaments sein. Wir sollten nicht in parteipolitische Querelen, Auseinandersetzungen und Grundsatzdiskussionen verfallen, sondern wir sollten einmal von hier aus das Wort an den Bürger richten und ihn auf die Notwendigkeit hinweisen.

    (Beifall bei der FDP)

    Wenn wir den Wohlstand, ja mehr noch, wenn wir unsere Unabhängigkeit und Freiheit erhalten wollen, müssen wir, muß der Bürger in unserem Lande weniger verbrauchen, bewußter mit den begrenzten



    Dr.-Ing. Laermann
    Ressourcen, besonders den begrenzten Energieressourcen, umgehen.
    Die verfügbaren Rohstoffe und Energiequellen nehmen ab — dies ist klar —, ihre Erschließung wird immer teurer und schwieriger, die Zahl derjenigen Nationen und Menschen, die daran teilhaben, wächst auch bei langsamer wirtschaftlicher Entwicklung der Länder der Dritten Welt rapide. Mit zunehmender Verknappung und steigenden Preisen geraten die Zahlungsbilanzen der Schwellenländer völlig durcheinander, die heute schon fast die Hälfte ihrer Exporterlöse für Energieimporte aufwenden müssen. Jede Tonne Öl, die wir hier in den Industrieländern einsparen, ist somit ein gewichtiger Beitrag zur Erhaltung unserer Unabhängigheit einerseits und ein ebenso wichtiger Beitrag zur Entwicklungshilfe andererseits.

    (Beifall bei der SPD)

    Kurzfristig können Öl und Ölderivate durch entsprechendes Verbraucherverhalten eingespart bzw. substituiert werden, über das Maß dessen hinaus, was bisher schon durch Förderungsmaßnahmen des Staates zur Reduzierung des Ölbedarfs geführt hat. Hier haben wir doch eine beachtliche Bilanz aufzuweisen, Herr Kollege Narjes. Es ist doch nicht so, daß fünf Jahre verbummelt worden seien. Hier ist doch etwas geschehen. Die Zahlen belegen es, und Sie kennen diese Zahlen genau, so daß ich sie nicht wieder darzulegen brauche.
    Auch im Bereich des Individualverkehrs sollte es ohne staatliche Gebote, wie z. B. ein Tempolimit, zu vernünftigem, den Kraftstoffverbrauch beachtlich herunterdrückendem Fahrverhalten kommen. Ich bin überzeugt, daß die Appelle und Vorschläge — wie z. B. die des ADAC — nachdrücklich aufgenommen werden.
    Auch im industriellen Bereich sind rasche kurzfristige Einsparungen noch möglich, gewiß nicht im nichtenergetischen Bereich, also dort, wo beispielsweise die chemische Industrie Öl und Gas als Rohstoff benutzt und verwenden muß, aber z. B. dort, wo ohne Schwierigkeiten Öl — beispielsweise durch Braunkohlestaub, wie z. B. in der Zementindustrie oder in anderen Bereichen — ersetzt werden kann.
    Der Anteil des Öles an der Stromerzeugung beträgt bei uns nur noch 9 %. Dabei handelt es sich vorwiegend um schweres Heizöl. Die Kraftwirtschaft hat zugesagt, daß sie hier noch weiter reduzieren will. Aber im Gegensatz zu anderen Ländern — etw a Frankreich mit 23 % Anteil des Öles an der Stromerzeugung oder gar Japan mit mehr als 60 % —haben wir hier kein großes Einsparungspotential mehr zu verzeichnen.
    Wesentlich ist aber, mittelfristig Öl und die Derivate stärker zu substituieren. Seit Jahren — mit verstärkter Tendenz in den letzten Jahren — hat die Bundesregierung mit Unterstützung des Parlamentes die Forschungsförderungsmittel im nichtnuklearen Bereich für Sonnenenergie und für Kohletechnologien erhöht, sind Förderprogramme zur Einsparung von Energie im Produktionsbereich angelaufen und in starkem Maße genutzt worden.
    Und da behauptet der Ministerpräsident Albrecht in seinen Ausführungen vorhin, die Bundesregierung sei mit der Umsetzung der Mittel in der Forschungs- und Entwicklungsförderung im Verzug. Ich frage mich allerdings, warum denn die Opposition, wenn sie eine solche Position vertritt, in den letzten Jahren beispielsweise in den Haushaltsberatungen nicht viel stärker gedrückt und versucht hat, hier Umsetzungen hervorzubringen und durchzuführen. Sie hat ihre Kritik im wesentlichen auf den Offentlichkeitsfonds des Ministers

    (Lenzer [CDU/CSU]: Die Regierung hat ja gar kein vernünftiges Programm vorlegen können!)

    und andere marginale Größenordnungen in diesem Haushalt beschränkt.
    Ich erwarte — das habe ich schon zum wiederholten Mal gesagt —, daß auf Grund solcher Behauptungen, die hier seitens der Opposition vorgebracht werden, nun entsprechendes Handeln und entsprechende Konsequenzen in der gemeinsamen politischen Arbeit folgen. Sonst wird sie leicht unglaubwürdig. Das muß man einmal ganz deutlich sagen.

    (Lenzer [CDU/CSU] : Ihr habt gar nicht gewußt, wofür ihr das Geld ausgeben sollt! — Pfeffermann [CDU/CSU] : Wie soll man da denn neue Gelder beantragen!)

    — Herr Pfeffermann, Sie sollten sich erst mal informieren. Es ging um Umsetzungen.

    (Beifall bei der FDP)

    Es geht bei der Energieeinsparung, bei der Substitution des 'Öls darum, im privaten und öffentlichen Bereich vorwiegend den Wärmebedarf zu reduzieren, Wärme durch entsprechende Rückführung in der Haustechnologie zurückzugewinnen, alternative Energiequellen wie Sonnenenergie, Wind-, Gezeiten- oder Meeresenergie und Biomasse zu nutzen, Wärmepumpen, mono- oder bivalent, auch gas- oder dieselbetrieben, Blockheizkraftwerke in der Einzelhausanlage einzusetzen. Fernheizung und Fernwärme, vor allem in der Kraft-Wärme-Kopplung, weiter auszubauen, ist ein wichtiges Ziel. Über das Zukunftsinvestitionsprogramm hinaus sollte diese Entwicklung weiter gefördert werden. Damit kann, eventuell wiederum in Verbindung mit Wärmepumpen im Rücklauf, selbst unter Hinnahme eines geringen Abfalls in der elektrischen Leistung die thermische Leistung von Kraftwerken in der Nähe von Fernwärmeversorgungsgebieten besser genutzt, die Umweltbelastung aus den Kraftwerken beachtlich reduziert und die Umweltbelastung aus den meist schlecht gesteuerten Einzelheizungen und Feuerungen im Versorgungsgebiet nahezu völlig abgebaut werden. Dies schafft Freiräume für weitere Kraftwerksbauten oder andere emittierende Industrieanlagen.
    Zweitens sollen die von der Bundesregierung geförderten Entwicklungen im Verkehrsbereich forciert in den Markt eingeführt werden: Motoren, die für eine Methanol-Beimischung bis zu 15 % ausgelegt sind, Pkw und Nutzfahrzeuge mit erheblich geringerem Kraftstoffverbrauch als bisher, Einsatz von Elektrofahrzeugen im Stadtverkehr und, wenn's sein muß, Herr Kollege Narjes, selbstverständlich



    Dr.-Ing. Laermann
    auch der Turbo-Diesel. Das ist doch im Grund genommen nur eine Kostenfrage. Der Käufer, der Verbraucher ist auch hier aufgerufen, sich den sparsamen Umgang mit Energie etwas kosten zu lassen.
    Die technisch und versorgungstechnisch relativ kurzfristige Umrüstung von Bussen im öffentlichen Personennahverkehr auf Flüssiggas würde erheblich Öl einsparen. Elektrobusse, Hybridbusse sind bereits in der Erprobung. Dies alles bedeutet Substitution von Öl im öffentlichen Personennahverkehr. Verbesserungen des Angebots im öffentlichen Personennahverkehr und die Fortentwicklung von Verkehrsverbünden zur Entlastung des Individualverkehrs sind darüber hinaus eine weitere Möglichkeit zur Reduzierung des Benzin- und Kraftstoffbedarfs im Verkehr.
    Schließlich: Wir sollten schnellstmöglich die Umstellung der Kraftfahrzeugbesteuerung vom bisherigen System auf die Mineralölsteuer vornehmen.

    (Beifall bei der FDP)

    Neben der Preisentwicklung wird diese Umstellung der Kraftfahrzeugsteuer ein verbrauchsbewußtes Fahrverhalten hervorbringen.
    Das sind Überlegungen und Forderungen, die auch die FDP seit Jahren immer wieder ausgesprochen hat und die in völliger Übereinstimmung mit den energiepolitischen Zielen der Bundesregierung stehen. Da gelingt es keiner Opposition, uns in diesem Bereich auseinanderzudividieren.
    Wir wollen das alles nicht durch Gebote und Verbote, gesetzlichen Zwang oder administrative Maßnahmen durchsetzen, sondern wir sind der Meinung, daß die Bürger, die Verbraucher, aufgeklärt und motiviert werden sollen, selbstverständlich gestützt durch Anreize und Empfehlungen.
    Zweifellos wird dies auch zu haushaltspolitischen Auswirkungen führen, und zwar in dem Maß, in dem das Tempo der Entwicklung forciert werden soll. Unter Umständen kann man auf die eine oder andere gesetzliche Regelung nicht verzichten. Der Staat, die öffentliche Hand, das heißt Bund, Länder und Gemeinden, haben die Rahmenbedingungen in einer gesamtwirtschaftliche Verantwortung zu schaffen. Das kann und das muß aber auch heißen: Der rationellen Energienutzung und der Nutzung alternativer Energiequellen entgegenstehende und behindernde Gesetze und Rechtsvorschriften, wie z. B. die Landesbauordnungen oder die Bundestarifordnung Elektrizität, müssen geändert werden.
    Ganz wichtig aber ist — dies möchte ich mit Nachdruck betonen —, daß die öffentliche Hand beispielhaft im Energiesparen, im vernünftigen Umgang mit der wertvollen Energie, bei der Nutzung neuer und alternativer Technologien vorangeht.

    (Beifall bei der FDP)

    Warum werden z. B. nicht Verwaltungs- und öffentliche Gebäude, wie Schulen, Schwimmbäder und Sporthallen, unter Beachtung der Notwendigkeit zur Energieeinsparung geplant und gebaut?

    (Beifall bei der FDP)

    Warum setzt z. B. die Post nicht über das Berlin-Programm hinaus Elektrotransporter im Zustelldienst ein?
    Mir scheint — und hier stütze ich mich wiederum auf eine Forderung des Bremer Parteitags der FDP — es eine wichtige Aufgabe zu sein, von Berufsschulen, Fachhochschulen und Hochschulen in den entsprechenden Berufen und in den Studiengängen für Architekten und Ingenieure viel stärker, als es schon bisher erfreulicherweise geschieht, die Notwendigkeiten, Möglichkeiten und planerischen Konsequenzen zur rationellen Energieverwendung und zur Nutzung alternativer Energiequellen zu vermitteln.
    Außerdem sollten — ich wiederhole, was der Herr Bundeswirtschaftsminister heute morgen schon erwähnte und was ich in früheren Energiedebatten forderte — Fernsehspots „Energie" ähnlich wie „Der 7. Sinn" eingeführt werden. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sollten dabei auch die Kostenfrage im Sinne ihrer staatspolitischen Verpflichtung und Verantwortung lösen.
    Schließlich ist aber auch jeder von uns, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, gehalten, im Rahmen seiner Möglichkeiten in seinem Wahlkreis und auch in den politischen Parteien aufklärerisch zu wirken. Auch dort besteht die Möglichkeit zu weitgehender und vielfältiger aufklärender Tätigkeit.
    Um es noch einmal ganz deutlich zu wiederholen: Wir Freien Demokraten setzen mehr auf die Einsicht und die Vernunft der Bürger als auf Gebote und Verbote. Im übrigen wird aber der Preis, der sich aus marktwirtschaftlichen Entwicklungen ergibt, solche Einsichten nur nachdrücklichst fördern und fördern können.

    (Beifall bei der FDP)

    Mit allen diesen wichtigen und unverzichtbaren Bemühungen und Maßnahmen werden wir eine beträchtliche Reduzierung des Nutzenergiebedarfs erreichen können. Wir müssen uns jedoch auch darüber im klaren sein, daß sich erstens die Wirkungen wesentlich erst in einem bis zwei Jahrzehnten einstellen werden; denn die erforderlichen Umstellungen im privaten, im öffentlichen Bereich wie auch im Verkehrsbereich werden sich ähnlich einer Wachstumsfunktion zunächst nur langsam vollziehen und zweitens insgesamt ein enormes Investitionsvolumen ausmachen, das ohne staatliche Hilfen wohl kaum aufgebracht werden kann.
    Mit dirigistischen oder Bewirtschaftungsmaßnahmen wird nichts erreicht. Mangelverwaltung vergrößert den Mangel oder bringt ihn erst hervor. Deshalb ist es notwendig, Öl so schnell wie möglich nicht nur einzusparen, sondern zu substituieren. Dazu bietet sich derzeitig in erster Linie die Kohle, die Steinkohle sowie die Braunkohle, an. Der heimische Kohlebergbau ist leistungsfähig genug, verfügt über weitreichende Lagerstätten und moderne Förderkapazitäten und ist damit eine wesentliche Stütze der nationalen Energiewirtschaft. Die Position der deutschen Steinkohle ist durch das Dritte Verstromungsgesetz, durch die vertraglichen Vereinbarungen zwi-



    Dr.-Ing. Laermann
    schen Elektrizitätswirtschaft und der Steinkohle gesichert; sie wird und muß gesichert bleiben. Dennoch muß gefragt werden, ob durch inländische Kohle allein, die auch im Vergleich zu den gestiegenen Ölpreisen immer noch teuer ist, allein der Substitutionsbedarf an Öl langfristig gedeckt werden kann, und zwar zu wettbewerbsfähigen Preisen. Im Hinblick auf die mit Sicherheit steigende Weltnachfrage an Kohle wird es deshalb schon heute notwendig sein, Importkohle zu kontraktieren.
    Neue Kraftwerkstechnologien, die einen höheren Wirkungsgrad und geringere Umweltbelastungen beispielsweise an SO2 und NOx erwarten lassen, und Entwicklungen wie z. B. die Wirbelbettfeuerung, die in absehbarer Zeit auch Standorte in der Nähe von Ballungsgebieten zulassen werden und damit die Wärme-Kraft-Koppelung, also den Ausbau der Fernwärme, begünstigen können, können hier zur nachdrücklichen Substitution von 01 eingesetzt werden. Zusammen mit den Vereinbarungen zwischen dem Verband Industrieller Kraftwerksbetreiber und der Elektrizitätswirtschaft über die Einspeisung von Industriestrom in das öffentliche Netz — sozusagen ein Nebenprodukt der Prozeßwärme — kann damit ein erheblicher Teil des Strombedarfs zur Substitution von 01 — insbesondere auf dem Stromsektor, aber auch am Wärmemarkt — gedeckt werden.
    Die Technologie der Kohleveredelung, also der Vergasung, der Verflüssigung oder der Methanolherstellung, ist bekannt. Sie wurde und wird von der Bundesregierung und den Bergbauländern stark gefördert. In Versuchsanlagen werden derzeit verschiedene Verfahren erprobt, und eine Reihe von Pilotanlagen ist im Bau. Diese Entwicklung, zunächst also die autotherme Veredelung, d. h. die Veredelung von Kohle mit Kohle etwa im Einsatzverhältnis von 5 : 1, ist mit Nachdruck voranzutreiben. Ich begrüße ausdrücklich die Ankündigung in der Regierungserklärung, daßgroßtechnische Demonstrationsanlagen nun beschleunigt gebaut werden sollen.
    Beim Einsatz der Kohle zur Stromerzeugung wie bei der autothermen Vergasung dürfen nun einige Probleme nicht übersehen werden. Erstens. Die Kohle ist teuer, und damit ist das Produkt, z. B. der Vergaserkraftstoff, vorläufig noch nicht wettbewerbsfähig. Zweitens. Bei diesen Prozessen entstehen auch — allein schon durch die zunehmende CO2-Belastung der Atmosphäre — bedenkliche Umweltprobleme. Drittens. Die Kohle ist auf Dauer zu wertvoll, um mit einem so schlechten Wirkungsgrad bei nur teilweiser Ausnutzung des tatsächlichen Energiepotentials verbrannt zu werden und beträchtliche Umweltbelastungen zu verursachen. Wir sollten Kohle mehr als Rohstoff begreifen.
    Unsere Chance kann daher, so meine ich, für die Zukunft einzig und allein in einem Verbund Kohle/ Kernenergie liegen. Auf der Grundlage der Hochtemperaturreaktortechnologie wird Prozeßwärme zur Kohlevergasung und zur Kohleverflüssigung erzeugt werden können, aber auch kostengünstige Prozeßwärme für andere Industrie- bzw. Produktionsbereiche, vor allem etwa für die chemische Industrie, aber auch für die Stahlindustrie. Die weitere
    Erforschung und Entwicklung fortgeschrittener Reaktorlinien, hier insbesondere der Linie des Hochtemperaturreaktors, der offenbar eine größere inhärente Sicherheit besitzt als andere derzeit bekannte Entwicklungen, dessen Brennstoffkreislauf allerdings — dies ist sein Nachteil — noch nicht geschlossen entwickelt ist, ist mithin unverzichtbar.
    Sicher ist die kommerzielle Nutzung dieser Verbundtechnologie erst in 15 bis 20 Jahren möglich. Dies setzt aber eine kontinuierliche Entwicklung der Kernspaltungstechnologie, ausgehend von den derzeit genutzten Leichtwasserreaktoren, voraus.
    Die FDP hat sich wiederholt, zuletzt in Bremen — das wurde heute schon vielfach angesprochen —, zu einem skeptischen Ja, zu einem Ja mit Bedingungen zur Kernenergie bekannt. Sie wird keine undifferenzierten Forderungen nach einem ungehemmten Ausbau der Kernenergie mittragen, und sie macht den weiteren Ausbau von der Regelung und der zuverlässigen und sicheren Lösung der Entsorgungsfrage abhängig. Ich darf hier noch einmal den Standpunkt bekräftigen, daß der Schutz von Leben und Gesundheit des Bürgers Vorrang vor wirtschaftlichen Erwägungen hat.
    Mit einem Anteil von 11 % liegt die Kernenergie derzeit bei der Stromerzeugung in der Bundesrepublik schon vor dem 01 mit dem bereits erwähnten Anteil von 9 %. Das führt konsequent dazu, die wie auch immer gearteten Risiken der verschiedenen Energietechniken, d. h. ihre Auswirkungen — oder denkbaren Auswirkungen — auf die Natur, auf den Menschen, auf seine natürliche, geistige, wirtschaftliche und soziale Umwelt, gegenüberzustellen, die Risiken zu vergleichen und zu bewerten und daraus dann die Schlüsse für notwendiges politisches Handeln zu ziehen.
    Die Technologien zur friedlichen Nutzung der Kernenergie müssen zu mehr Sicherheit, zu weiteren Risikoreduzierungen fortentwickelt werden. Derzeitig ist nicht erkennbar, ob auf diese neue Energiequelle wegen ihrer zweifellos vorhandenen Risiken und Probleme, wegen der zum Teil erheblichen Ängste und Nöte der Menschen vor dieser neuen elementaren Energiequelle verzichtet werden kann, die durch die schreckliche Atombombe eingeführt und von daher mit einem negativen Erbe belastet ist. Denn selbst wenn es den Industriestaaten gelänge, auf jeglichen Energiezuwachs zu verzichten, würde nach den Untersuchungen der OECD dennoch mit einem etwa 2 bis 3 % jährlich steigenden Weltenergiebedarf zu rechnen sein. In 20 Jahren ist daher etwa eine Verdoppelung zu erwarten, und wir müssen uns fragen: Wie könnte dieser Weltenergiebedarf gedeckt werden, wenn wir uns der Begrenztheit der Ressourcen an fossilen und mineralischen Energieträgern bewußt sind?
    Es kann sich wohl jeder leicht ausrechnen, daß der Weltfriede damit höchst gefährdet wäre. Der Selbsterhaltungstrieb der Völker würde uns zweifellos in schwierige Verteilungskämpfe stürzen. Es ist geradezu eine Verpflichtung der Industrienationen, auf ihrem hohen technischen, wirtschaftlichen Ni-



    Dr.-Ing. Laermann
    veau die zukünftige Energieversorgung der Welt zu sichern, und dazu ist die Kernenergie zu neuen, verbesserten Techniken mit mehr Sicherheit fortzuentwickeln. Nur die Industriestaaten können die dafür erforderlichen hohen Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen aufbringen. Wer aber auf Kernenergie verzichten will, muß andere Versorgungsstrategien entwickeln, die sich aber derzeitig noch nicht als realistisch oder realisierbar abzeichnen. Da gibt es die Überlegungen von Herrn Eppler, die durchaus in weiten Teilen vernünftig sind, wie ich meine. Sie decken sich im Prinzip auch mit energiepolitischen Vorstellungen der Regierung. Aber seine Rechnung ohne Kernenergie geht ähnlich wie beim Programm der schwedischen Zentrumspartei nur für den nationalen Bereich unter Voraussetzungen auf, von denen heute niemand sagen kann, ob sie in 20, 30 oder 40 Jahren noch Gültigkeit haben werden. Wir leben aber in einem europäischen, ja einem weltweiten Bezugssystem und können deshalb durch nationale Alleingänge selbst bei einem Verzicht auf Kernenergie nichts bewirken.
    Die FDP wird sich, wie dies im übrigen auch eine der Aufgaben der von diesem Hohen Hause eingesetzten Enquete-Kommission zu künftiger Kernenergiepolitik ist, mit den Möglichkeiten und Konsequenzen eines Verzichts auf Kernenergie befassen, was selbstverständlich unter internationalen Aspekten geschehen wird. Dies ist ein Auftrag des Parteitags an uns. Wir nehmen die Sorgen, die Ängste der Menschen in bezug auf die Risiken des technischen Fortschritts sehr ernst. Das sind die Bedenken und die Sorgen, die sich derzeitig vorrangig in Bedenken und Widerstand gegen die Nutzung der Kernenergie artikulieren. Aber ich sage Ihnen: Das sind keine Roten, das sind nicht Systemveränderer, sondern das sind Menschen, die verständliche Antworten auf ihre Fragen haben wollen, auf die sie bisher, jedenfalls von uns, nicht immer die gebotene Antwort bekommen haben. Sie haben uns auch schon manche peinliche Frage gestellt, und wir haben dann versprochen, diese Fragen projektbegleitend zu lösen. Ich glaube, auf diese Weise können wir nicht fortfahren, sondern wir müssen den Dialog mit diesen Menschen suchen, und wir müssen ihnen den Gesamtzusammenhang in der Energiewirtschaft und den Bezug zur Kernenergie und ihren Risiken schon deutlich darstellen. Dies ist eine unserer politischen Aufgaben.
    Heute ist auch die Frage der Entsorgung angesprochen worden. Wo stehen wir heute mit der Entsorgung? Niemand wird bestreiten können, daß der Bau weiterer Kernkraftwerke nur genehmigt werden kann, wenn die Entsorgung — nach dem Konzept der Bundesregierung eine integrierte Entsorgung, d. h. die Zwischenlagerung, die Wiederaufarbeitung abgebrannter Brennelemente, die Konditionierung und Verglasung radioaktiven Abfalls und die endgültige Verbringung dieses Abfalls in geologisch stabile Formationen wie den Salzstökken in Niedersachsen — in den erforderlichen Zeithorizonten gesichert ist. Dieses Konzept kann sicherlich in einzelnen Phasen realisiert werden. Hier stellt sich die Frage, warum Herr Albrecht hier heute eine Novellierung des Atomgesetzes fordert.
    Er fährt fort, dazu sei die Regierung wegen innerer Zerstrittenheit der Regierungsparteien nicht in der Lage.

    (Lenzer [CDU/CSU] : Genau so ist das! — Dr. Narjes [CDU/CSU] : Da hat er recht!)

    Es fragt sich, was Herr Albrecht mit einer Novellierung des Atomgesetzes will.

    (Dr. Narjes [CDU/CSU] : Rechtssicherheit! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    — Nun, dann steht es ihm ja frei, die nötigen Entscheidungen in der Verantwortung der niedersächsischen Landesregierung zu treffen und jetzt nicht ein Alibi mit dem Hinweis zu suchen,

    (Dr. Kohl [CDU/CSU] : Das ist doch kein Alibi, das wissen Sie doch!)

    die Regierungsparteien seien auf Grund ihrer Zerstrittenheit nicht in der Lage, eine entsprechende Änderung des Atomgesetzes durchzuführen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Dr. Kohl [CDU/CSU] : Ein Alibi brauchen doch Sie!)

    — Ich glaube, es wird einmal notwendig sein, daß wir die einzelnen Alibis, die hier immer so vorgetragen werden — auch im Verlauf der heutigen Debatte —, genau und sorgfältig analysieren. Wir sollten uns dieser Mühe einmal unterziehen, und zwar, wie ich meine, gemeinsam.

    (Pfeffermann [CDU/CSU] : Da müssen wir uns die Laermann-Rede unter dem Gesichtspunkt besonders ansehen, da haben Sie völlig recht!)

    — Ich bedanke mich für Ihr Interesse, Herr Kollege Pfeffermann.
    Zwischenlager sollen in all den Bundesländern eingerichtet werden, in denen Kernkraftwerke betrieben werden. Dies ist zwar sicherlich eine notwendige Entscheidung, aber es ist hinzuzufügen: Diese Zwischenlager dürfen und können auf keinen Fall zu Endlagern werden. Diese Zwischenlager entheben uns nicht der Notwendigkeit, die Entsorgung — unter Einbeziehung der Wiederaufarbeitung oder ohne Wiederaufarbeitung, dies bleibt noch zu prüfen — auch endgültig zu regeln. Mit Sicherheit aber geht es darum, radioaktiven Abfall einer sicheren Endlagerung zuzuführen. Die Eignung der Salzstöcke für eine Endlagerung ist zügig zu untersuchen. Forschung und Entwicklung sowie die Planung einer Wiederaufarbeitungsanlage auf der Grundlage fast 20jähriger Erfahrungen mit der Karlsruher Anlage
    — eventuell in einem kleineren Übersetzungsverhältnis, also mit einem anderen scale-up-Faktor — zur Optimierung der Konzeption, sind im Interesse von Sicherheit und Umweltschutz unverzichtbar. Dabei sind auch alternative Entsorgungskonzeptionen, z. B. eine Endlagerung abgebrannter Brennelemente ohne Wiederaufarbeitung, intensiv zu untersuchen.

    (Beifall bei der FDP)

    Die erforderlichen Zeithorizonte dafür stehen uns zur Verfügung.
    Gleichzeitig aber dürfen wir die außenpolitischen Dimensionen der Entsorgung, insbesondere die der



    Dr.-Ing. Laermann
    Wiederaufarbeitung, nicht übersehen. In der bisherigen Konzeption wird das deutsche Konzept weltweit von Experten als die bisher beste und konsequenteste Lösung beurteilt und nicht von dem US Non-Proliferation Act erfaßt. Riskieren wir nicht, daß es durch unsere eigenen Entscheidungen schließlich doch in diese US Non-Proliferation Act einbezogen wird! Dies könnte zu erheblichen Nachteilen für unsere wirtschaftliche — insbesondere energiewirtschaftliche — Entwicklung führen.
    Lassen Sie mich abschließend — die Zeit ist abgelaufen — sagen: Wir sehen die Verpflichtung, die Energieversorgung zu sichern, langfristig zu sichern. Wir sehen unsere weitere Verpflichtung darin, die Energieversorgung so zu sichern, daß es weder zu Auseinandersetzungen zwischen den Industriestaaten um die begrenzten Rohstoffvorräte noch darüber hinaus zu Auseinandersetzungen zwischen den Rohstoffländern einerseits und den Industriestaaten andererseits kommt. Dabei dürfen wir unsere weltweite Verantwortung, insbesondere auch unsere Verantwortung gegenüber den Entwicklungsländern, nicht aus dem Auge verlieren. In diesem Sinne hat die Bundesregierung bisher Energiepolitik betrieben. Wir sind sicher, daß sie diese Energiepolitik mit der Unterstützung der Koalitionsfraktionen auch erfolgreich fortsetzen wird.

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Dr. Hubrig [CDU/CSU] : Hoffentlich nicht!)



Rede von Dr. Richard von Weizsäcker
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Herr Bundesminister Dr. Hauff.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Volker Hauff


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir diskutieren heute hier im Deutschen Bundestag über Fragen der Energiepolitik, über Fragen, die für die Zukunft unseres Landes, im Hinblick auf die weitere wirtschaftliche Entwicklung, aber auch im Hinblick auf die Erhaltung der natürlichen Lebensbedingungen, die Erhaltung der Umwelt in unserem Lande lebenswichtig sind, insbesondere dann — meine Damen und Herren, das ist das, was mich am meisten beschäftigt —, wenn wir die Demokratie auch bei der Erörterung eines so schwierigen Themas erhalten und stärken wollen. Die Menschen suchen eine Orientierung. Sie wissen zwar, daß kurzfristig erhebliche Risiken vorhanden sind, aber sie wollen gern wissen, ob diejenigen, die politische Verantwortung tragen, tatsächlich wissen, wo es langfristig langgeht.

    (Dr. Narjes [CDU/CSU]: In der Tat!)

    Dazu ist — davon hat der Herr Bundeskanzler heute morgen gesprochen — ein ruhiges, ein abwägendes Gespräch, ein Austauschen von differenzierten Meinungen notwendig. Um so mehr bedauere ich es, daß der Ministerpräsident des Freistaates Bayern hier seine Reden abgelassen hat, um von dannen zu ziehen und nicht das Gespräch zu suchen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Es ist kein guter Stil, ein schwieriges Thema so zu
    behandeln. Das ist der Stil der Politik der 50er und
    60er Jahre, aber nicht dem Thema angemessen, das heute auf der Tagesordnung steht.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Pfeffermann [CDU/CSU] : Wo waren denn Bundeskanzler Schmidt und einige Minister die ganze Zeit?)

    Wir müssen bei der Erörterung dieses Themas die Tatsache zur Kenntnis nehmen — darauf wurde schon hingewiesen —, daß es keinen risikolosen Weg in die Zukunft gibt. Wenn wir an das Öl denken, müssen wir in der Tat den internationalen Experten zustimmen, die sagen: Wenn es nicht zu einschneidenden Veränderungen kommt, sind spätestens in den 80er Jahren schwere internationale Verteilungskämpfe nicht auszuschließen. Eine internationale Studiengruppe schätzt die Auseinandersetzungen um das Erdöl für die wichtigste internationale Krisenursache in den 80er Jahren ein. Ich halte die Formulierung von Herrn Strauß, daß hier die dritte große Krise dieses Jahrhunderts unmittelbar bevorstehe, für etwas überzogen, aber in der Tendenz für richtig. Wir haben es, wenn wir an die Kernenergie denken, mit Gefahren zu tun, die zwar äußerst unwahrscheinlich sind — und wir bemühen uns, sie noch unwahrscheinlicher zu machen —, die in ihrer Wirkung gleichwohl keinen von uns ruhig lassen können, die jeden von uns in der Tat dazu zwingen, für das, was verantwortbar ist, moralische Verantwortung zu übernehmen. Was die Kohlendioxydbelastung bei Öl, bei Kohle, bei anderen fossilen Energieträgern angeht, so kann zum heutigen Zeitpunkt keiner ausschließen, daß im Laufe der nächsten Jahre Entwicklungen eintreten, die schwere Naturkatastrophen nach sich ziehen.
    All das ist zutreffend, und ich nehme das sehr, sehr ernst. Es verlangt von uns, daß wir mit diesen Fragen nicht formelhaft umgehen, sondern daß wir bei allen Fragen der Energiepolitik in der politischen Auseinandersetzung mehr Nachdenklichkeit und auch mehr Ehrlichkeit praktizieren. Auch Horrorbilder helfen hier nicht weiter, auch nicht das Horrorbild mit kriegsähnlichen Zuständen im Innern, das Herr Strauß gezeichnet hat. Nein, wir müssen die Schwierigkeiten beim Namen nennen, aber auch die Hoffnung aufzeigen, mit der man in die Zukunft blicken kann.
    Die Menschen wollen auf ihre, auf unsere Frage Antworten, wie und zu welchem Preis sie in Zukunft eine warme Wohnung bekommen, ob jeder seinen Arbeitsplatz ohne große Mühen erreichen kann, ob die Haushaltskasse nicht alleine durch die Heizölrechnungen völlig durchlöchert wird. Das sind praktische Fragen, die die Menschen bei uns in der Bundesrepublik stellen. Und in der Welt, in vielen anderen Ländern lautet die Frage: Was tun eigentlich die Industrieländer dafür, daß die übrige Welt, insbesondere die Dritte Welt, menschenwürdig leben kann?
    Wir haben diese Diskussion in der Bundesrepublik seit einigen Jahren geführt. Wir haben zunächst gegen den leidenschaftlichen Widerstand der CDU/CSU Energieprogramme durchgesetzt; sie



    Bundesminister Dr. Hauff
    hat es als der Marktwirtschaft abträgliche Planung abgetan, über die Energieversorgung nachzudenken. Ich erinnere mich daran noch sehr genau. Ich habe zu der Zeit studiert und mich dafür interessiert, was in der Politik stattfand. Damals wurde gesagt, Energieplanung dürfe man gar nicht machen, das müsse man den Marktkräften allein überlassen. Mittlerweile haben wir Energieprogramme, Fortschreibungen, Prioritäten, die im wesentlichen richtig sind und die für die wichtigsten Energieträger auch die erforderlichen längerfristigen Perspektiven aufzeigen. Wir haben den Mut gehabt, Dinge zu sagen, als zunächst noch ein großer Teil der Menschen eher dazu geraten hatte, das noch etwas liegenzulassen. Wir haben den Mut gehabt, bezüglich der Kernenergie zu sagen, wir wollen die Option auf den Schnellen Brüter. Das ist eine schwierige politische Auseinandersetzung. Wir haben uns jedoch überlegt: Was ist in einem Zeitraum von 20, 30 Jahren wirklich erforderlich?
    Wir haben den Mut gehabt, schon vor mehreren Jahren zu sagen, wir müßten vom Öl wegkommen, wir müßten energisch gegen die weitere Verwendung des Öles angehen. Wir haben bei der Kohle — Gott sei Dank, muß man heute sagen — sehr frühzeitig gesagt: Aus Gründen der Versorgungsunabhängigkeit, der Versorgungssicherheit, der Daseinsvorsorge auf diesem wichtigen Gebiet ist es erforderlich, erhebliche Lasten auf uns zu nehmen und den deutschen Steinkohlenbergbau eben nicht absaufen zu lassen.
    Ich meine, es kommt auch beim Energiesparen jetzt darauf an, längerfristige Perspektiven offen demokratisch zu erörtern und zu entwickeln. Mir kommt es dabei nicht darauf an, in irgendeiner Frage recht zu behalten — das wäre eine ganz schlechte Orientierung —, aber mir kommt es darauf an, Denkverbote abzuschaffen. Wir brauchen einen geistigen Wettbewerb darüber, wo die Perspektiven der Energiepolitik und für das Energiesparen liegen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Dann soll sich nach offenem und ruhigem Erörtern das Vernünftige durchsetzen. Herr Strauß meinte, mich als „Minenhund" ansprechen zu müssen. In dem Sinne der verstärkten Suche, wie der Weg in die Zukunft eigentlich aussehen kann, habe ich das durchaus als Kompliment empfunden. Aber ich kann auch nicht verhehlen, daß es mich an einen Ausspruch von Herrn Strauß aus dem Jahre 1968 oder 1969 erinnert hat, als er im Hinblick auf friedliche Demonstranten gesagt hat: Die benehmen sich wie Tiere, deswegen braucht man die für Menschen gemachten Gesetze auf sie auch nicht anzuwenden.

    (Dr. Schäfer [Tübingen] [SPD] : Hört! Hört!)

    Ich frage mich, ob dieser Geist hier wieder einkehrt, daß man Menschen mit Tieren vergleicht.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, das Gorleben-Hearing, das die niedersächsische Landesregierung durchgeführt hat — wir hatten angeboten, es zusammen zu machen; Sie kamen zu der Entscheidung, es alleine zu machen —, war meiner Meinung nach insgesamt eine gute Veranstaltung, Herr Ministerpräsident Albrecht. Diese Veranstaltung hat in einem Punkt eine Frage offengelassen, und das ist die Frage nach dem zukünftigen Bedarf an Kernenergie, die dort umstritten war. In dieser Beziehung gab es viele Argumente hin und her. Wenn wir über den Bedarf nachdenken, müssen wir natürlich fragen: Wieviel können wir tatsächlich an Energie einsparen, um die Risiken insgsamt so niedrig wie möglich zu halten? Das trifft generell zu, ob es sich um die Kernenergie oder das 01 oder die Kohle oder irgendeinen anderen Energieträger handelt.
    Ich stimme entgegen allen Zeitungsmeldungen ausdrücklich mit dem Bundeswirtschaftsminister überein, daß dabei freiwillige Lösungen besser sind als Vorschriften, als Verbote und als Gebote. Da gibt es überhaupt keinen Zweifel. Dies muß der Weg sein, den wir zu gehen haben. Aber wir werden nur dann mit freiwilligen Lösungen auskommen, wenn von der Freiheit tatsächlich ein verantwortlicher Gebrauch gemacht wird. Das heißt, meine Damen und Herren, wer die Fanfare der Freiheit, die die Geschichte unseres Landes geprägt hat, mit der Lichthupe auf der Autobahn verwechselt, der provoziert gesetzliche Regelungen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Wir Bundesbürger sind in der westlichen Welt die einzigen Menschen, die so schnell Auto fahren dürfen, wie sie wollen. Ich wünsche mir, daß das so bleibt, aber ich frage mich: Können wir uns das tatsächlich leisten, als einzige diesen Weg zu gehen?
    Es ist richtig und muß deutlich betont werden: Seit 1973 haben wir stolze Energieeinsparerfolge erzielt, mehr als andere. Das wurde gerade in einem Bericht der Internationalen Energieagentur bestätigt. Diese Erfolge waren nur möglich wegen der Vernunft der Verbraucher, aber eben auch über Instrumente, die sich von ihrer Wirksamkeit her vordringlich am Ziel der Energieeinsparung orientiert haben und auch dort, wo es unumgänglich war, vor ordnungspolitischen Eingriffen nicht halt gemacht haben. Ich denke nur an das grundsätzliche Verbot von Ölkraftwerken, das wir ja alle miteinander für richtig halten, oder an das Energieeinspargesetz mit seinen Verordnungen zur Wärmedämmung von Neubauten oder zur Auslegung von Heizungsanlagen, die dort unmittelbar vorgeschrieben sind.
    Die Vernunft der Verbraucher und solche Vorschriften, sie miteinander haben es verhindert, daß wir heute vor der Frage stehen, Energie kontingentieren zu müssen, was in der Tat der schlechteste aller Wege wäre.
    Aber ich frage mich auch: Hätten wir 1974 allein auf die Appelle an die Elektrizitätsversorgungsunternehmen gesetzt, doch lieber keine weiteren Ölkraftwerke zu bauen, weil das Öl eben langfristig knapper würde und es doch besser wäre, die heimische Kohle zu verstromen — meine Damen und



    Bundesminister Dr. Hauff
    Herren, wir hätten — wer wollte das bestreiten — heute wahrscheinlich einen noch höheren Ölverbrauch und noch größere Absatzprobleme bei der Kohle.
    Die Gewißheit, daß das Öl knapp und noch teurer wird, und zwar Jahr für Jahr, dürfte uns allen klar sein. Niemand will das, aber wir müssen damit rechnen. Damit ist unsere Verantwortung nicht nur zu Hause, sondern auch weltweit und unser Verhältnis gegenüber der Dritten Welt angesprochen. Denn Öl ist eine der wichtigsten Überlebensvoraussetzungen für die Länder der Dritten Welt. Die brauchen Öl und keine Bekenntnisse. Die brauchen Öl für Lastkraftwagen, für Busse, für Bewässerungspumpen und auch als Brennstoff, damit nicht die letzten Wälder abgeholzt werden und, das Holz verbrannt wird; denn nach den Wäldern folgt nur die Dürre und auch Hunger.
    Unsere moralische Verantwortung in der Weltöl- und in der Weltenergiepolitik ist riesengroß. Wir müssen diese Verantwortung, meine ich, verstärkt wahrnehmen. Mit guten Wünschen kann man da nicht helfen. Tokio war ein ganz konkreter Schritt zu dieser Verantwortung. Wir müssen den Menschen bei uns sehr deutlich sagen, daß Energieverschwendung bei uns auch für Armut und Not bei den anderen in der Dritten Welt mitverantwortlich ist. Oder kümmern uns die Menschen überhaupt nicht in Mali, in Tschad oder in Mauretanien? Alternative Energiequellen zum Öl, beispielsweise die Produktion von Biogasen aus Abfällen oder die Solarenergie, müssen wir für die Dritte Welt verstärkt bereitstellen. Schon der Weltwirtschaftsgipfel in Bonn im letzten Jahr hat hier einen Anfang gesetzt. Wir haben im Anschluß daran Solaranlagen in Mexiko, in Ägypten, in Indien installiert und dadurch als Bundesrepublik Deutschland für die Entwicklung in diesen Ländern Mitverantwortung übernommen.
    Bei uns zu Hause kann Energieeinsparung über die Verteuerung des Öls oder anderer Energieträger nur dann zum Erfolg führen, wenn die Verteuerung auch sozial vertretbar ist. Da frage ich mich: Was nützt uns eine Entwicklung, die zu sehr hohen Preisen führt, die uns aber auch dazu zwingt, das Heizöl zu subventionieren, wenn wir dann zum Schluß Subventionen haben für Öl für Rentner, für Studenten, für Behinderte, für Zonenrand, für Pendler und — heute morgen haben wir es auch schon wieder gehört — für Gärtner? Dies kann nicht die Entwicklung sein, die wir fraglos einfach für richtig halten.
    Denn unter anderem wäre die unmittelbare Folge eine unnötige bürokratische Aufblähung für eine scheinbar marktgerechte Lösung. Sehr schnell würde im übrigen nach meiner Einschätzung die Inflationsspirale wieder angedreht werden, die Konjunktur geriete ins Stocken, die Arbeitsplätze gerieten in Gefahr. Deswegen ist Energieeinsparen auch ein ökonomisches Gebot, vor dem wir heute hier stehen. Das heißt, wir brauchen Maßnahmen und wir brauchen Techniken der Energieeinsparung, die vernünftige, konkrete, verschiedene Angebote für den einzelnen Haushalt und die einzelne
    Unternehmung eröffnen. Wir wollen verantwortungsbewußte Rahmendaten setzen, die sich nicht alleine an den augenblicklichen Gegebenheiten orientieren. Wir tun das ja auch — mit Recht — bei der Kernenergie, wo wir für langfristige Überlegungen Prioritäten setzen und nur für eine einzige neue Reaktortechnologie mehr als 3 Milliarden DM ausgeben, was ich für richtig halte.
    Im übrigen sei an der Stelle der Hinweis erlaubt, daß der Herr Strauß irrt, wenn er meint, wir würden die Fusionsforschung der nichtnuklearen Energieforschung zurechnen. Dies ist schlicht falsch. Die Fusionsforschung ist nach unserer Meinung noch lange — im Augenblick auf jeden Fall — im Bereich der Grundlagenforschung. Aber diese Überlegung, mehr Möglichkeiten aufzuzeigen, war für uns Grund, warum wir demonstrieren, daß die Gaserzeugung aus Abfällen, daß die Gaserzeugung aus Braun- und Steinkohle eine Möglichkeit darstellt. Das wollen wir verstärken und jetzt großtechnisch realisieren. Deshalb bauen und fördern wir auch eine Großwindanlage an der Nordsee. Deswegen fördern wir die Fernwärmeschienen an der Saar und an der Ruhr. Deswegen haben wir darauf gedrungen und ein schornsteinloses, umweltfreundliches Kohlekraftwerk an der Saar gefördert. Dies ist der Grund, warum es solarbeheizte Schwimmbäder gibt, die wir mit unterstützt haben, solarbeheizte Einfamilienhäuser und Mehrfamilienhäuser. Deshalb bauen wir auch Blockkraftheizwerke und Wärmepumpen mit. Deshalb untersuchen wir neue Kraftstoffe wie Methanol oder Wasserstoff. Allein über 500 Projekte im Jahr 1977 mit einem Gesamtfördervolumen von mehr als 700 Millionen DM demonstrieren den Breiteneinsatz dieser Regierung für alle technisch sinnvollen Energietechnologien im nichtnuklearen Energieforschungsbereich.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Ich finde es einigermaßen merkwürdig, wenn Sprecher der Opposition sagen, unter anderem Sie, Herr Albrecht, in dem Bereich müßte mehr getan werden. Meine herzliche Bitte ist: Reden Sie bitte einmal mit dem Kollegen Stavenhagen, Mitglied des Haushaltsausschusses, der im letzten Jahr nicht nur nicht für eine Erhöhung plädiert hat, sondern auf Streichung von über 100 Millionen DM im Bereich der nichtnuklearen Energieforschung.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Da wollen wir doch ein bißchen bei dem bleiben, wie die Welt wirklich aussieht.

    (Lenzer [CDU/CSU] : Sagen Sie mal dazu, weswegen das geschehen ist!)

    Tatsache ist, daß wir in wichtigen Bereichen heute Spitzenleistungen anzubieten haben.