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ID0816702700

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 8/167 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 167. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 4. Juli 1979 Inhalt: Regelung für die Einreichung von Fragen für die Woche vom 10. September 1979 13317 A Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung zur Energiepolitik nach dem Europäischen Rat und dem Weltwirtschaftsgipfel in Verbindung mit Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Dollinger, Dr. Narjes, Pfeifer, Dr. Riesenhuber, Lenzer, Dr. Waigel, Dr. Laufs, Gerstein, Kolb, Dr. Czaja, Dr. Probst, Engelsberger, Dr. Hubrig, Pfeffermann, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Dr. Stavenhagen, Frau Dr. Walz, von Hassel, Benz, Dr. Jenninger und der Fraktion der CDU/CSU Sicherung der Energieversorgung und Zukunftsorientierung der deutschen Energiepolitik — Drucksache 8/2961 (neu) — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ausführungsgesetzes zu dem Übereinkommen vom 5. April 1973 zwischen dem Königreich Belgien, dem Königreich Dänemark, der Bundesrepublik Deutschland, Irland, der Italienischen Republik, dem Großherzogtum Luxemburg, dem Königreich der Niederlande, der Europäischen Atomgemeinschaft und der Internationalen Atomenergie-Organisation in Ausführung von Artikel III Abs. 1 und 4 des Vertrages vom 1. Juli 1968 über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (Verifikationsabkommen) (Ausführungsgesetz zum Verifikationsabkommen) — Drucksache 8/2779 — Schmidt, Bundeskanzler 13317 D, 13384 B, 13391 C Porzner SPD (Zur Geschäftsordnung gemäß § 34 GO) 13328 C Strauß, Ministerpräsident des Freistaates Bayern 13329 D Dr. Graf Lambsdorff, Bundesminister BMWi 13339 B Dr. Albrecht, Ministerpräsident des Landes Niedersachsen 13348 A, 13390 D Genscher, Bundesminister AA 13352 B Dr. Narjes CDU/CSU 13354 C Schmidt (Wattenscheid) SPD 13359 D Dr.-Ing. Laermann FDP 13364 C Dr. Hauff, Bundesminister BMFT 13370 B Dr. Biedenkopf CDU/CSU 13373 D Ueberhorst SPD 13378 B Zywietz FDP 13381 C Dr. Kohl CDU/CSU 13387 D Dr. Gruhl fraktionslos 13393 D Nächste Sitzung 13397 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 13399* A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 167. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Juli 1979 13317 167. Sitzung Bonn, den 4. Juli 1979 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 165. Sitzung, Seite 13231*: In die Liste der entschuldigten Abgeordneten ist der Name „Müller (Remscheid)" einzufügen. Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Althammer 4. 7. Dr. Arnold 4. 7. Bayha 4. 3. Dr. Becher (Pullach) 4. 7. Frau Benedix 4. 7. Blumenfeld 4. 7. Dr. Böhme (Freiburg) 4. 7. Brandt 4. 7. Büchner (Speyer)* 4. 7. Conradi 4. 7. Fellermaier* 4. 7. Frau Dr. Focke 4. 7. Haberl 4. 7. Hauser (Krefeld) 4. 7. Dr. Haussmann 4. 7. Graf Huyn 4. 3. Dr. Jahn (Braunschweig) 4. 7. Dr. h. c. Kiesinger 4. 7. Koblitz 4. 7. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Köster 4. 7. Lintner 4. 7. Dr. Dr. h. c. Maihofer 4. 7. Dr. Meinecke (Hamburg) 4. 7. Dr. Müller** 4. 7. Müller (Remscheid) 4. 7. Neumann (Bramsche) 4. 7. Oostergetelo 4. 7. Picard 4. 7. Pieroth 4. 7. Rappe (Hildesheim) 4. 7. Rosenthal 4. 7. Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein 4. 7. Scheffler** 4. 7. Frau Schlei 4. 7. Dr. Schmitt-Vockenhausen 4. 7. Frau Schuchardt 4. 7. Dr. Schwencke (Nienburg)** 4. 7. Spilker 4. 7. Dr. Starke (Franken) 4. 7. Volmer 4. 7. Dr. Waffenschmidt 4. 7. Walkhoff 4. 7. Frau Dr. Walz 4. 7. Würzbach 4. 7. Dr. Wulff 4. 7.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Hans-Dietrich Genscher


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich gehöre der Bundesregierung inzwischen fast zehn Jahre an

    (Zuruf von der CDU/CSU: Viel zu lange!)

    und habe niemals in einer Parlamentsdebatte — es sei denn zu einer Regierungserklärung — das Wort ergriffen, bevor nicht die Redner der ersten Runde des Parlaments gesprochen hatten. Der Beitrag des Herrn Ministerpräsidenten Albrecht zwingt mich indessen dazu, heute von dieser Regel im Sinne der Klärung der Verhältnisse in diesem Lande abzuweichen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Zuruf von der CDU/CSU: Bei Herrn Strauß war das genauso!)

    Herr Kollege Albrecht, wir haben in einer für unser Land historischen Stunde verantwortungsvoll zusammengearbeitet. Ich denke, daß wir damit unserem Lande gemeinsam einen Dienst geleistet haben. Mein persönlicher Respekt vor Ihrem Verhalten damals ist in keiner Weise beeinträchtigt. Was Sie aber heute vorgetragen haben, war der Versuch, nach der Devise „Haltet den Dieb" zu handeln.

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Kolb [CDU/CSU] : Wo sitzt denn der Dieb? — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Ich sage Ihnen: Ich teile Ihren Respekt vor den
    Sorgen der Bürger in jener Gegend, in der das Ent-
    sorgungslager errichtet werden soll, in jener Gegend, in der die Wiederaufbereitungsanlage errichtet werden soll, dort, wo die Tiefbohrungen stattfinden sollen. Ich teile Ihren Respekt vor der Sorge der dort wohnenden Menschen. Aber weil ich diesen Respekt teile, erwarte ich auch von Ihnen, daß Sie Respekt vor denjenigen haben, die in den Regierungsparteien, auch wenn sie nicht dort wohnen, ebenfalls Sorgen wegen der Probleme haben, die dort entstehen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD — KrollSchlüter [CDU/CSU] : Das ist nicht das Thema! Sie sprechen mit zwei Zungen!)

    Wenn wir schon über Mehrheitsverhältnisse auf Parteitagen sprechen, dann bitte ich, daß Sie klar und eindeutig wiedergeben, was der Parteitag der FDP mit welcher Mehrheit beschlossen hat. Nicht mit zwei oder drei Stimmen Mehrheit, sondern mit einer satten Zweidrittelmehrheit hat unser Parteitag unser Programm beschlossen.

    (Beifall bei der FDP — Lachen bei der CDU/CSU)

    — Da mögen Sie lachen, Herr Kollege, weil das nicht in Ihr Konzept paßt. Es paßt nicht in das Konzept, uns die Verantwortung dafür aufzuerlegen, daß in Niedersachsen jetzt Probleme für die nationale Energieversorgung entstanden sind.

    (Beifall bei der FDP — Widerspruch bei der CDU/CSU)

    In der Frage der Energieversorgung der Bundesrepublik Deutschland tragen wir alle, ganz gleich, welcher Partei wir angehören, eine gemeinsame nationale Verantwortung.

    (Dr. Freiherr Spies von Büllesheim [CDU/ CSU]: Sehr richtig!)

    Wir tragen sie als Parteien, wir tragen sie als Abgeordnete, wir tragen sie als Bundesregierung, und wir tragen sie als Landesregierungen. Da kann sich die Bundesregierung nicht — und sie wird es nicht tun — mit Hinweis auf eine Landesregierung herausreden. Aber es kann sich auch keine Landesregierung mit Hinweis auf die Bundesregierung herausreden. Es kann sich auch keine Regierung, weder im Bund noch im Land, mit dem Hinweis auf das Verhalten ihrer jeweiligen Opposition herausreden.

    (Beifall bei der FDP)

    Wohin hätten wir denn in den letzten zehn Jahren kommen sollen, wenn wir jedesmal das unterlassen hätten, wogegen Sie in diesem Parlament gestimmt haben?

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Dr. Freiherr Spies von Büllesheim [CDU/CSU] : Wie ist es denn mit der Änderung des Atomgesetzes? — Kolb [CDU/CSU]: Art. 74, Herr Genscher!)

    Was von dieser Debatte ausgehen muß, wenn sie einen Nutzen haben soll, ist die Erklärung der Bereitschaft, daß die Verfassungsorgane dieses Landes — die Bundesregierung, die Landesregierungen und die zur Entscheidung berufenen gesetzgeben-



    Bundesminister Genscher
    den Organe, also auch Bundesrat und Bundestag — zusammenwirken, um die ohne Zweifel vorhandenen Mehrheiten für die Sicherstellung der nationalen Energieversorgung einzusetzen.

    (Zuruf von der CDU/CSU)

    — Herr Kollege, können Sie nicht wenigstens einmal zuhören, wenn jemand aus dem anderen Lager etwas sagt, weil er sich Sorgen darum macht, ob dieses Land seine Energieversorgung auch wirklich garantieren kann?

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, was hier von diesem Beitrag ausgehen soll, ist das Angebot zu einer energiepolitischen Kooperation von Bundesregierung und Landesregierungen. Da wollen wir kein Schwarzer-Peter-Spiel in Gang setzen, da wollen wir Gemeinsamkeiten dort, wo sie da sind, nicht verdecken, sondern deutlich machen: Zur Pflicht in der Politik gehört es, daß man Gegensätze nicht verkleistert. Die Offentlichkeit muß wissen, wo jeder steht. Die Offentlichkeit muß erkennen können, was Parteien trennt. Aber es gehört auch zur Verantwortung der Politiker, daß dort, wo Überzeugungen gemeinsam sind, diese gemeinsamen Überzeugungen auch dann ausgesprochen werden, wenn ein Stück Auseinandersetzungsmöglichkeit auf diese Weise verlorengeht.

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Zuruf des Abg. Dr. von Bismarck [CDU/CSU])

    — Ich biete hier, Herr Kollege von Bismarck, eine Kooperation an, nicht mehr.
    Ich hätte mich — ich sage es noch einmal — zu diesem Teil überhaupt nicht gemeldet, wenn nicht ein Parteitag meiner Partei in dieser Weise in die Diskussion eingeführt worden wäre. Wir wollen in der Tat als Bundesregierung wissen, ob alle Länder
    — der Kollege Albrecht hat ja dargelegt, in wie vielen Ländern die CDU die Regierungschefs stellt
    — bereit sind, dem Vorschlag des Bundeskanzlers zu folgen, Zwischenlager zu errichten. Das wäre auch ein praktischer Ausdruck der Bereitschaft, die Verantwortung gemeinsam zu tragen. Das machte es auch leichter, den Menschen das Risiko der friedlichen Nutzung der Kernenergie verständlich, aber auch erträglich zu machen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD — KrollSchlüter [CDU/CSU]: Darum geht es!)

    Vielleicht können wir dazu eine Antwort bekommen.
    Meine Damen und Herren, ich möchte gern noch eine andere Frage stellen.

    (Seiters [CDU/CSU]: Tun Sie das!)

    Ich möchte fragen, ob die Kollegen der CDU/CSU und auch die hier vertretenen Landesregierungen, gleichviel wie sie zusammengesetzt sind, einer Formulierung zustimmen könnten, die etwa lautet: „Die Regierungen von Bund und Ländern werden in gemeinsamer Verantwortung" — ich betone: „in gemeinsamer Verantwortung" — „das Ziel eines
    integrierten Entsorgungskonzepts aufrechterhalten und gleichzeitig parallel alternative Entsorgungstechnologien untersuchen. Angesichts der Entscheidung der niedersächsischen Landesregierung ist auch die Möglichkeit zu erörtern, bei der Verwirklichung eines integrierten Entsorgungskonzepts schrittweise vorzugehen."
    Meine Damen und Herren, ist das nicht ein verantwortungsvolles Angebot? Könnte nicht diese Debatte ein Anlaß sein, dazu eine Klärung herbeizuführen, die dann Grundlage einer gemeinsamen nationalen Energiekonzeption und einer nationalen Energiepolitik sein könnte?

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Zuruf des Abg. Lenzer [CDU/CSU])

    Die Bundesregierung hat sich gegenüber dem Land Niedersachsen niemals ihrer Verantwortung entzogen. Herr Ministerpräsident Albrecht wird sicher zugestehen, daß das Verwaltungsabkommen, das er für notwendig hielt, wie die Bundesregierung es für notwendig hielt, nach gründlichen Beratungen zustande gekommen ist. Das zeigt, daß die Bundesregierung nicht nur Worte in Parlamentssitzungen gebraucht, sondern daß sie Taten dort vollbringt, wo sie erwartet werden.

    (Widerspruch bei der CDU/CSU)

    Von „schießen" hat bei uns niemand gesprochen, und schießen will niemand. Ich denke, daß wir auf allen Seiten dieses Hauses das feststellen können, was hier Herr Ministerpräsident Albrecht zum Ausdruck gebracht hat.
    Als ich mich zur Wort meldete, meine Damen und Herren, war der Grund eigentlich ein gänzlich anderer. Ich hätte deshalb auch eine Stunde später sprechen können. Ich wollte etwas zu den Bemerkungen sagen, die Herr Ministerpräsident Strauß zur internationalen Situation und ihrer Bedeutung für den Frieden in Europa, den Frieden im Nahen Osten und damit auch für die Entwicklung unseres Landes und die Energieversorgung gemacht hat.
    Ich teile Ihre Auffassung, Herr Ministerpräsident, daß wir im Nahen Osten in einer außerordentlich kritischen Situation stehen. Es ist ein Vorzug, daß sich die Nahostpolitik der Bundesregierung in Übereinstimmung mit ihren Partnern in der Europäischen Gemeinschaft befindet. Wir müssen uns der Tatsache bewußt sein, daß in diesen Wochen und Monaten die Ländern -des Nahen Ostens an die Staaten der Europäischen Gemeinschaft Erwartungen für eine aktive Rolle im Friedensprozeß herantragen, weil sie wissen, daß es nur den einen Frieden gibt: für Europa und für den Nahen Osten.
    Wir haben durch die Beitrittsverhandlungen mit Griechenland, Portugal und Spanien drei weitere südeuropäische Länder in der Gemeinschaft. Damit sind wir mit dem Mittelmeerraum noch näher verbunden. Es ist keine Übertreibung, zu sagen, daß der Frieden des Nahen Ostens unser Frieden ist und daß unser Frieden auch der Frieden des Nahen Ostens ist.



    Bundesminister Genscher
    Die Lage in der Türkei hat deutlich gemacht, daß nicht nur die Mitgliedschaft dieses Landes in der NATO, sondern allein seine innere Stabilität von Bedeutung für die Stabilität in der ganzen Region ist. Ich stehe hier nicht an, dem Herrn Kollegen Kiep für seine verdienstvollen Bemühungen zu danken, eine vernünftige Lösung zur wirtschaftlichen Stärkung der Türkei herbeizuführen oder mindestens mit Tatkraft zu fördern.

    (Beifall bei allen Fraktionen)

    Die Bundesregierung bemüht sich mit ihren Partnern in der Europäischen Gemeinschaft, aktiv zur Lösung des Nahostkonfliktes beizutragen. Unsere Vorstellungen darüber, wie eine umfassende, gerechte und damit dauerhafte Lösung des Nahostproblems aussehen sollte, haben wir mit unseren EG-Partnern beraten. Wir haben sie in der gemeinsamen Erklärung der Staats- und Regierungschefs vom Juni 1977 niedergelegt. Wir haben unlängst eine neue Erklärung zur Siedlungspolitik und zu anderen Fragen abgegeben. Es geht jetzt entscheidend darum, daß wir unseren ganzen Einfluß dafür einsetzen, daß die Einheit des arabischen Lagers wiederhergestellt werden kann, weil nur dann eine umfassende, von allen akzeptierte Friedensregelung erreicht werden kann, eine Friedensregelung, die auch Ägypten wieder mit seinen arabischen Brudervölkern zusammenführen wird, und eine Friedensregelung, die das Existenzrecht Israels auf Dauer garantiert.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Das ist das Ziel deutscher und europäischer Nahostpolitik. In dieser Frage wollen wir mit unseren europäischen Partnern zusammenarbeiten.
    Ich habe die Ausführungen des Herrn Ministerpräsidenten Strauß heute dahin verstanden, daß er im Prinzip einer solchen Politik seine Zustimmung geben kann. Er hat kritisiert, daß sich der Bundeskanzler — so habe ich das jedenfalls verstanden — zu einzelnen Fragen dieses Problems nicht näher geäußert hat, hat aber gleichzeitig auch festgestellt, daß es sich um so komplizierte und delikate Fragen handelt, daß sie einer öffentlichen Erörterung nicht zugänglich sind.
    Herr Ministerpräsident, ich mache Ihnen das Angebot, diese Fragen der Nahostpolitik im Auswärtigen Ausschuß des Deutschen Bundestages, im Auswärtigen Ausschuß des Bundesrates und, wenn es gewünscht wird, auch am Freitag dieser Woche bei der Zusammenkunft des Bundeskanzlers mit den Regierungschefs der Länder zu besprechen.

    (V o r sitz : Vizepräsident Dr. von Weizsäcker)

    Ich wiederhole, was ich am Anfang gesagt habe: Eine lebendige Demokratie lebt davon, daß Gegensätze nicht verkleistert, sondern offengelegt werden. Aber Parlamentarier und Politiker würden ihre Pflicht versäumen und frevelhaft handeln, wenn sie dort, wo Übereinstimmung vorhanden ist, diese Übereinstimmung nicht auch der Offentlichkeit deutlich machten. Mir scheint, an dieser Stelle ist das der Fall. Das deutlich zu machen war Ziel
    meines Beitrages. Ich wäre dankbar, wenn das für die Offentlichkeit festgehalten werden könnte und der Offentlichkeit verständlich geworden wäre.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)



Rede von Dr. Richard von Weizsäcker
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Narjes.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Karl-Heinz Narjes


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Der Herr Bundesaußenminister hat soeben für einen Teilbereich der Energiepolitik die Voraussetzungen zu definieren versucht, unter denen eine nationale gemeinsame Energiepolitik zustande kommen kann. Ich nehme an, daß die Formel, die er vorgeschlagen hat, sich in erster Linie auf die Zusammenkunft der Ministerpräsidenten beim Bundeskanzler am Freitagabend bezieht.
    Ich möchte aber die Grundhaltung des Bundesaußenministers akzeptieren und hier zur Energiepolitik für andere Bereiche das aufzeigen, was trennt, das aufzeigen, was Voraussetzung dafür sein kann und sein muß, um herauszufinden, ob auch in diesen Bereichen eine gemeinsame Energiepolitik möglich ist.
    Ich darf darauf hinweisen, daß die Energiepolitik von Bundesregierung und Opposition lange Zeit gemeinsam getragen wurde. Regierung und Opposition haben über 20 Jahre hinweg insbesondere gemeinsam die Kernenergie entwickelt. Regierung und Opposition haben lange Zeit die Grundfragen der Kohlepolitik gemeinsam getragen und einmütig viele schwierige Probleme gelöst. Wenn diese Gemeinsamkeit ihr Ende gefunden hat, so im wesentlichen aus drei Gründen:
    1. Die Koalitionsparteien haben ohne erkennbaren sachlichen Grund etwa im Jahre 1976 die gemeinsame Linie in der Kernenergie aufgegeben.
    2. Zwischen Regierung und Opposition hat es zunehmend größere Meinungsverschiedenheiten über die Beurteilung der Konsequenzen des ersten Ölinfarkts 1973/74 gegeben.
    3. Regierung und Opposition unterscheiden sich auch — das hat die Debatte heute morgen erneut unterstrichen — in den Anforderungen an die Zeithorizonte, von denen sich eine deutsche Energiepolitik leiten lassen muß.
    Helmut Kohl hat in der Debatte zur Lage der Nation am 18. Mai zuletzt Gemeinsamkeit angeboten. Eine Antwort habe ich bisher nicht gehört. Offensichtlich ist die Koalition nicht nur handlungs-, sondern in dieser Frage auch koalitionsunfähig. Die Debatte soll dazu beitragen, hier weitere Klärung zu schaffen.
    Dazu ist es nötig, das Problem in seinem Zusammenhang zu sehen. Die Energieversorgung der Industriestaaten ebenso wie die der nicht ölproduzierenden Entwicklungsländer ist zu einem globalen Problem höchster Priorität geworden. Für diese Herausforderung gibt es kein Beispiel in der Wirtschaftsgeschichte. Auch die Industriestaaten stehen vor wirtschaftspolitischem Neuland. Es geht um



    Dr. Narjes
    den Versuch, gemeinschaftlich einen planetaren Strukturwandel der Energieversorgung in einem geordneten Verfahren einer Lösung zuzuführen, die den Frieden nicht gefährdet und die keine Einbußen an sozialen und wirtschaftlichen Entwicklungschancen nach sich zieht, weder für die Bürger in den Industriestaaten noch für die Menschen in der Dritten Welt. Die Verantwortung für den Erfolg dieser Aufgabe liegt in allererster Linie bei den Industriestaaten, schon weil sie die größten Verbraucher von 01 und Gas sind, weil aber auch nur sie über die notwendige Wirtschaftskraft und Technologie verfügen. Globale Absprachen werden nur in dem Maße erfolgreich sein, wie die beteiligten Nationen handlungsbereit und -fähig sind, das weltweit Vereinbarte auch schnell und vollständig in ihren Volkswirtschaften durchzusetzen. Darum geht es hier und heute, wenn wir uns über die deutsche Energiepolitik auseinandersetzen. Es geht um ihre organische und sinnvolle Eingliederung in die Entwicklung der Weltenergiewirtschaft. Indem wir die globalen Bedingungen beachten, sichern wir zugleich die nationale Energieversorgung. Dieser Entwicklung und den sich daraus ergebenden Verpflichtungen wird die Praxis der bisherigen deutschen Energiepolitik in entscheidenden Punkten nicht gerecht. Sie ist durch die Ereignisse überholt. Die Reden des Bundeskanzlers und des Bundeswirtschaftsministers heute morgen haben uns in dieser Erkenntnis nur bestärkt.
    Wir fordern deshalb die Bundesregierung durch unseren Antrag auf, die deutsche Energiepolitik —präzise: die zweite Fortschreibung — unverzüglich, d. h. bis zum 1. Oktober, neu zu formulieren und ihre kurz-, mittel- und langfristigen Ziele und Strategien den veränderten Umständen anzupassen.

    (Dr. Freiherr Spies von Büllesheim [CDU/ CSU] : Sehr richtig!)

    Eine verantwortungsbewußte und vorausschauende Energiepolitik, die wir fordern, muß konsequent von der Erkenntnis beherrscht sein, daß sich das Problem der Energieversorgung in den nächsten Jahren und Jahrzehnten weltweit noch drastisch verschärfen kann. Die Rede des Herrn Bundesaußenministers, die er soeben gehalten hat, hat dieses im Grunde nur bestätigt.
    Ausgangspunkt der Krise, in die die Industriestaaten, auch durch ein hohes Maß an eigenem Verschulden, hineingeraten sind, sind einmal die politischen Störungen der Versorgung und zum anderen aber auch die unzureichende Vorbereitung auf die sich ohnehin abzeichnende Erschöpfung der Weltvorräte an 01 und Gas. Seit einigen Jahren verbraucht die Welt mehr 01, als neue Reserven gefunden werden. Die nachgewiesenen Vorräte nehmen also ab. Der Höhepunkt der Weltölförderung war ohnehin für Anfang der 90er Jahre in Aussicht gestellt worden. Es war also bekannt, daß die Angebote auf den Weltölmärkten nach diesem Zeitpunkt schrittweise zurückgehen würden.
    Auf der Nachfrageseite wächst unverändert der Bedarf; er wird auch in Zukunft noch unverändert wachsen, weil die Weltbevölkerung zunimmt, aber auch weil die Großverbraucher — allen voran die Vereinigten Staaten — es versäumt haben, sich auf die seit Jahren erkennbare Entwicklung hinreichend einzustellen. Die Großverbraucher leben über ihre Ölverhältnisse, und zwar — und das trennt uns von den Ausführungen des Herrn Bundeswirtschaftsministers — in einem größeren Maße, als dies auch in seinen Sparzielen bis 1985 zum Ausdruck kommt.
    Rein rechnerisch hat die Internationale EnergieAgentur für die Jahrhundertwende eine Differenz zwischen Angebot und wachsender Nachfrage von jährlich 1,4 Milliarden t 01 ermittelt. Das wäre ein Defizit, das beinahe der heute insgesamt weltweit gehandelten Ölmenge entspricht, oder eine Versorgungslücke, die das Vierzehnfache dessen ausmacht, was uns heute durch den Teilausfall des Iran-Öls schon erheblich belastet. Lassen Sie mich dazu sagen, Herr Bundeswirtschaftsminister: Ich glaube, wir sollten von denselben Zahlen ausgehen. Der Minderexport des Irans ist bis zu einer Größenordnung von etwa 2 Millionen Barrel täglich durch anderweitige Mehrlieferungen gedeckt. Die Lücke hat im Augenblick also eine Größenordnung von 80 bis 100 Millionen t.
    Die Rechnung der Internationalen Energie-Agentur, auf die ich hinwies, zeigt, was passiert, wenn energiepolitisch nicht gehandelt wird, was insbesondere dann passiert, wenn man sich auf eine Sparpolitik beschränkt.
    Es war ohnehin die herrschende Meinung der Sachverständigen, daß auch ohne die Iran-Krise Mitte der 80er Jahre die Nachfrage das Angebot überholt haben würde und daß von da an unabsehbare Konsequenzen für die Mengen und die Preise der Versorgung entstehen müßten. Auf diese Phase waren die Industriestaaten nicht vorbereitet. Der zweite Ölinfarkt, die Iran-Krise, hat diese Entwicklung nur beschleunigt, und zwar in doppelter Hinsicht: einmal durch den Ausfall der eben beschriebenen Mengen, zum anderen aber — das ist wichtiger — durch die Rückwirkungen der Iran-Krise auf die Politik der gemäßigten Ölproduzenten der arabischen Halbinsel. Sie haben ihre Politik neu orientiert und sich stärker den konfliktträchtigen politischen Bedingungen des Nahostraumes angenähert.
    Für die Ölpolitik heißt dies praktisch — und darin möchte ich die Ausführungen des Bundesaußenministers verlängern —, daß die gemäßigten Ölproduzenten ihre bisherige Rolle als Mengenregulator aufgegeben haben, der durch Zusatzproduktionen dann einspringt, wenn auf den Ölmärkten die Preisentwicklung auszuufern droht. Mehr noch: Sie scheinen auch in der Zwischenzeit der neuen OPEC-Strategie zugestimmt zu haben, die bei einer politisch kontrollierten Regulierung der Produktionsmengen darauf gerichtet ist, das Angebot auf die Dauer unter der Nachfrage zu halten. Dadurch werden einmal die Preise gestützt — und noch in die Höhe getrieben —, zum anderen scheint man sich davon sogar zusätzliche umfassende politische Möglichkeiten der Einwirkung auf die Verbraucherländer zu erhoffen.



    Dr. Narjes
    Diese Strategie ist äußerst bedenklich. Sie kann ein Spiel mit dem Feuer werden, wenn ihr das Augenmaß fehlt. Das Öl ist keine ausreichende Basis für wirtschaftliche Weltherrschaftsansprüche.
    Daß die Situation für die Versorgungssicherheit und auch die politische Selbstbehauptung der Industrieländer — und damit auch für die Bundesrepublik Deutschland — völlig untragbar ist, bedarf keiner weiteren Begründung. Sie wird so lange anhalten, bis die Verbraucherländer, also auch wir, vom Bezug des OPEC-Öls so unabhängig geworden sind, daß die Drohung mit einem Lieferentzug uns nicht mehr treffen kann. Das Ziel des Gleichgewichts genügt angesichts der neuen OPEC-Strategie nicht mehr, weil es nicht erreicht werden kann; denn die Produzenten würden ihre Förderung jeweils wieder zurücknehmen.
    Die Geschlossenheit der Industriestaaten und ihre Abstimmung mit den nicht ölverbrauchenden Entwicklungsländern sind unter diesen Umständen ein hohes Ziel der Politik und der Diplomatie. Ohne sie wird der notwendige Dialog mit den Ölproduzenten wesentlich schwieriger, wenn er nicht ganz zur Erfolglosigkeit verurteilt ist.
    Dieser wünschenswerten Geschlossenheit läuft diametral die seit einigen Wochen zu beobachtende Praxis, auch der Bundesregierung, zuwider, den Ölbezug durch bilaterale Absprachen mit den Ölproduzenten zu politisieren. Unser Beitrag zur Zersplitterung des geschlossenen Westens steht in keinem Verhältnis zum denkbaren Nutzen.
    Am besten illustriert dies der Besuch des Bundesaußenministers kürzlich in Libyen.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    Nur wenige Tage nach der lautstark verkündeten Erfolgsmeldung über zusätzliche Lieferungen fühlte sich der libysche Staatschef nicht gehindert, laut darüber nachzudenken, ob er für zwei Jahre seine Produktion insgesamt einstellen und den Export unterbinden könne. Wenn dies das Ergebnis solcher Besuche ist, bedarf es keiner weiteren Beweise mehr, daß es nicht zweckmäßig ist, über diese Methode erneut nachzudenken.
    Ich darf auch darauf hinweisen, daß allein in den letzten Wochen Nigeria und Libyen in mehreren Fällen versucht haben, den Vereinigten. Staaten und Großbritannien politisch bedingte Lieferauflagen zu machen. Auch diese Beispiele sollten schrecken.
    Wichtig für uns ist vielmehr, zu erkennen, daß jeder Tag, an dem wir uns in einer solchen prekären Versorgungssituation befinden, ein Tag möglicher politischer Erpreßbarkeit ist. Wichtig ist es, außerdem zu erkennen, daß wir ein nationales Interesse daran haben, daß der strategischen Bedrohung unserer energiepolitischen und damit auch politischen Eigenständigkeit mit einer strategisch angelegten Politik des „Weg vom Öl" begegnet werden muß. Schon im Interesse des Friedens haben wir die Pflicht, uns so schnell und so umfassend wie möglich von dieser Abhängigkeit zu befreien.
    Einer der größten Engpässe einer solchen umfassenden Politik der Befreiung vom Diktat der Ölproduzenten ist der Zeitbedarf für den umfassenden Umstellungsprozeß auf andere Energieträger. Gerade hierüber sind die Meinungen zwischen Regierung und Opposition wohl am weitesten auseinander. Wir in Deutschland haben schon fünf kostbare Jahre seit dem ersten Ölinfarkt 1973/74 verbummelt.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Das ist das Schlimme!)

    Diese Bundesregierung und ihre Vorgängerin haben schweren Tadel verdient, daß sie die Dinge so haben treiben lassen.
    Ich bin nicht müde geworden, hier an dieser Stelle im Namen meiner Fraktion auf die politischen Risiken der Ölversorgung, die spätestens im Winter 1973/74 sichtbar wurden, aufmerksam zu machen. Mehrfach habe ich darauf hinweisen können, daß die nächste Krise anders verlaufen könne als der erste Ölinfarkt und daß sich die nächste Krise nicht zwangsläufig mit denselben Mitteln lösen lassen werde, die die erste Krise überwinden halfen. Seit mehr als vier Jahren haben wir an dieser Stelle darauf hingewiesen, daß die Zeit gegen uns arbeitet und daß wir uns in einem Wettlauf mit der Uhr befinden, daß wir vor allen Dingen auf die sich für die Mitte der 80er Jahre abzeichnende eben erwähnte Versorgungskrise nicht vorbereitet sind.
    Entsprechende Signale aus dem Ausland wurden ebenso übergangen, sei es die zutreffende Analyse von Henry Kissinger, die dazu geführt hat, daß die Regierung Nixon 1974 das „Program Independence" verkünden konnte, das an der Uneinsichtigkeit des Kongresses scheiterte, sei es die geradezu dramatische Begründung des Präsidenten Carter, die drei Jahre später abgegeben wurde und auch auf die Bundesrepublik Deutschland bezogen werden konnte, mit der er sein Ölprogramm in den Kongreß einbrachte, wo er damit auch scheiterte — nicht weil das Programm schlecht gewesen wäre, sondern weil der Kongreß sich seiner Verantwortung nicht bewußt war.
    Beiden Aktionen lagen Lagebeurteilungen zugrunde, die plausibel, ja unangreifbar waren und so, wie sie für die Vereinigten Staaten galten, auch für uns hätten gelten und herangezogen werden müssen. Die Bundesregierungen haben sich dagegen auf einen Stil der Behäbigkeit, des bürokratischen Leerlaufs und der provinziellen Selbstgefälligkeit zurückgezogen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

    Diesen Tadel können wir Ihnen nicht ersparen.
    Die Bundesregierungen haben dabei insbesondere übersehen, daß die Überwindung der Krise von 1973/74 nur zu einem Teil auf die strikte Beachtung marktwirtschaftlicher Regeln zurückzuführen war. Sie haben verkannt, daß der andere Teil der Krisenlösung aus dem engen amerikanisch-saudiarabischen und amerikanisch-iranischen Verhältnis



    Dr. Narjes
    erwuchs, wo mit Hilfe von Waffenlieferungen und politischem Entgegenkommen die großen Ölproduzenten zu maßvollem Verhalten veranlaßt wurden. Diese Voraussetzung, die es damals gab, ist heute entfallen.
    Weil soviel Zeit vertan worden ist, ist sie heute kostbar wir das Öl. Und daran hat sich jede Energiepolitik auszurichten. Es ist richtig, daß schon in den ersten Absätzen des Energieprogramms der Bundesregierung die Lösung vom Öl als zentrale Langzeitaufgabe herausgestellt worden ist. Es ist aber auch richtig, daß die Bundesregierung noch in ihrer zweiten Fortschreibung des Energieprogramms, die sie vor sechs Wochen, am 16. Mai dieses Jahres, meinte bestätigen zu können, für das Jahr 1990 einen Ölanteil an unserer Primärenergieversorgung von 43 bis 45 % vorhergesehen hat, also noch knapp die Hälfte unserer Versorgung auf dieses politisch so prekäre und mit seinen politischen Risiken so belastete Öl abstellt. Dies ist eine völlig unannehmbare Entwicklung. Sie kann nicht hingenommen werden, wenn wir mit den erwähnten politischen, strategischen, wirtschaftlichen und auch sozialen Bedrohungen aus Nahost angemessen fertig werden wollen.
    Wenn die Feststellung des Bundesaußenministers richtig ist, daß die Ruhe und der Friede in Nahost unsere Ruhe und unser Friede sind, daß die Konflikte in Nahost unsere Konflikte sind, ist es angesichts dieser völligen Abhängigkeit unseres Friedens und unserer Entwicklung von der Lage in Nahost nicht zu verantworten, daß wir uns ihr über Jahrzehnte hinweg in dem im Energieprogramm vorgesehenen Umfang noch ausliefern wollen. In einem solchen Postkutschentempo kommen wir aus unserer bedrängten Lage nicht heraus,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    leisten wir auch keinen verantwortlichen Beitrag zur Entspannung der Weltenergiesituation.
    Aus unserer Analyse heraus ist die Bestätigung, des Energieprogramms durch diese Bundesregierung am 16. Mai 1979, also zu einem Zeitpunkt, an dem schon alle Erkenntnisse auf dem Tisch lagen, die danach auf den Gipfelkonferenzen in Straßburg und in Tokio dann auch von der Bundesregierung akzeptiert worden sind, die größte energiepolitische Fehlentscheidung der Nachkriegszeit. Sie ist das Produkt hilfloser Ohnmacht.

    (Kühbacher [SPD] : Das sind doch nur bombastische Worte!)

    Dabei gibt es jedenfalls in der Lagebeurteilung, die sich der Bundeskanzler jetzt im Gegensatz zu seiner recht oberflächlichen Neujahrsansprache zu eigen gemacht hat, unter uns kaum Unterschiede. Man mag darüber streiten, ob es zweckmäßig ist, von der Gefahr kriegerischer Konflikte zu sprechen. In der Sache können und wollen wir aber seiner Warnung nicht widersprechen.
    Aber gerade weil die Versorgungslage so labil ist, ist es unbegreiflich, daß der Bundeskanzler aus dieser Lagebeurteilung nicht die notwendigen umfassenden Konsequenzen zieht, daß er sich vor überfälligen Entscheidungen drückt.

    (Zuruf des Abg. Kühbacher [SPD])

    Die Gründe für diesen fundamentalen Widerspruch zwischen Erkenntnis und Handeln liegen indessen auf der Hand. Sie ergeben sich aus der energiepolitischen Handlungsunfähigkeit der ihn nicht mehr voll tragenden Koalition, aus der Zerstrittenheit zweier sogenannter Regierungsparteien, die mit ihrer energiepolitischen Totalblockade seit nahezu drei Jahren deutsche vitale Interessen mißachten und dem deutschen Volk unabsehbare Langzeitschäden zufügen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ihre Handlungsunfähigkeit beschränkt sich nicht etwa auf die Nutzung der Kernenergie, für die es ein politisches oder faktisches Moratorium für alle Anlagen gibt, die über das Jahr 1985 hinaus in Aussicht genommen sind. Sie umfaßt ebenso den Bau von Kohlekraftwerken, die Kohleveredlung, die notwendige Definition der künftigen Rolle der Importkohle — dazu gab es übrigens heute erstmals von seiten der Bundesregierung fortgeschrittene Formulierungen —.

    (Zuruf des Abg. Roth [SPD])

    Sie betrifft vor allem die ungelösten Konflikte zwischen Umweltpolitik und Energieversorgung sowie die schweren Mängel in der Rechtssicherheit für alle Investitionen der Energiewirtschaft.

    (Zuruf von der SPD: Kein Wort von dieser Drucksache!)

    Der Bürger, die Wirtschaft und die Verbraucher in diesem Land müssen über diese Lage im höchsten Maß verwirrt sein. Unterschiedliche Zahlen, unterschiedliche Maßeinheiten, unterschiedliche Währungen, unterschiedliche Prognosen und zum Teil kraß unterschiedliche Urteile aus Wissenschaft und Wirtschaft müssen ihre Skepsis stärken und ihr Mißtrauen schüren. Unterschiedliche Zeithorizonte, vor allem die ständige Vermischung von kurz-, mittel- und langfristigen Entwicklungen haben dazu beigetragen, daß nicht einmal mehr erkennbar ist, welche Aussagen untereinander vergleichbar sind und welche Unterschiede es in den Annahmen und welche Widersprüche es in den Schlußfolgerungen gibt.
    Lassen Sie mich zur Erklärung dieser Lage beitragen, indem ich versuche, sie in zwölf Punkten zusammenzufassen.
    Erstens. Wir sind untrennbar mit der Weltenergiewirtschaft verbunden und daher mit dem Schwerpunkt der nächsten zehn Jahre vor die beispiellose Aufgabe gestellt, uns so weit wie möglich vom OPEC-Öl zu lösen. Gelingt dies nicht, sind Konflikte nicht auszuschließen.
    Zweitens. Nach fünf vertanen Jahren haben wir unverzüglich und im großen Stil mit der Umstrukturierung der Energieversorgung zu beginnen. Wir müssen unsere Angebotsstrukturen von Grund auf



    Dr. Narjes
    ändern und den Verbrauchern in Wirtschaft, Verkehr und Haushalt andere Energien anbieten.

    (Zuruf von der SPD: Wie wollen Sie das machen?)

    Drittens. Die volle Ausschöpfung unseres Sparpotentials ist eine notwendige Voraussetzung dieser Politik. Sie muß dazu beitragen, die für den Umstrukturierungsprozeß notwendige Zeit zu gewinnen und Spannungen auf den Energiemärkten zu mildern, abzufedern.
    Es wäre aber viertens ein gefährlicher Irrtum, die politischen Anstrengungen ausschließlich auf das Energiesparen zu konzentrieren. Die mittel- und langfristigen Entscheidungen zur Umstrukturierung des Energieangebots haben gleich hohen Rang. Sie stehen unter demselben Zeitdruck. Noch so erfolgreiche Sparmaßnahmen können sie nicht ersetzen.
    Fünftens. Wir benötigen eine weitsichtige Energiepolitik, die über den nächsten Wahltag hinausdenkt. Wir sind zur Mitwirkung daran bereit, auch wenn die Umstellungsmaßnahmen vorübergehend unpopulär sind. Weitsicht heißt aber vor allen Dingen eine Orientierung an den langen Vorlaufzeiten der Energiewirtschaft. Wenn der Kohleschacht zehn Jahre braucht, bis die erste Lore gefördert wird und ein Kernkraftwerk zehn Jahre benötigt,

    (Zuruf von der SPD)

    bis das erste Kilowatt ans Netz geht, neue Öl- und Gasfelder in Übersee bis zu acht, zehn Jahre benötigen, bis sie einen größeren Beitrag leisten, und die Vergasung und Verflüssigung von Kohle ebenfalls nur in langen Fristen verwirklicht werden kann, ist die Zeit so kostbar, darf kein Tag mehr vertan werden, ohne die notwendigen Entscheidungen zu treffen. Aufgabe der Energiepolitik ist es, das 1990 und 2000 Notwendige heute möglich zu machen. Die Horizonte dieser Jahre müssen unser Handeln heute bestimmen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sechstens. Ein großer Teil der uns belastenden Fristen ist von uns selbst verursacht. Die Behördeli- und Gerichtsfristen sind inzwischen unkalkulierbar geworden. Die Kosten, die mit ihnen verbunden sind, haben vielfach Größenordnungen erreicht, die nicht mehr zu vertreten sind.

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU)

    Es ist für den Vorstand eines Energieunternehmens heute mit seinen aktienrechtlichen Sorgfaltspflichten kaum noch zu vereinbaren, eine Großinvestition einzuleiten.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    Diese Feststellung ist ein dramatisches Signal dafür, daß sich unsere Genehmigungs- und Standortverfahren in einer tiefen Sackgasse befinden. Die Zielkonflikte zwischen Rechtspolitik, Umweltschutzpolitik und Energiepolitik sind nicht sachgerecht gelöst. Die Zielvorstellungen beider Politikbereiche sind nicht mehr miteinander vereinbar. 22 000 Unterschriften auf dreieinhalb Tonnen Papier und viele hundert Ingenieurjahre sind heute
    Minimumvoraussetzungen für ein Kernkraftwerk. Dies ist kein Nachweis hoher Verwaltungskunst.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wo ist eigentlich die Regierung?)

    Die sachgerechte energiepolitische Daseinsvorsorge ist mit dieser Entwicklung der Genehmigungs- und Standortverfahren ernsthaft behindert. Die Bundesregierung steckt vor diesem Problem den Kopf in den Sand und sucht nach absurden Ausweichlösungen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Und trinkt im Moment Kaffee!)

    Der Staat, also letztlich der Steuerzahler — dies scheint die letzte Blüte dieser Entwicklung zu sein —, soll jetzt mit der rechten Hand dem Investor Gewährleistungen dafür in Aussicht stellen, daß ihm keine Schäden aus Handlungen der linken Hand erwachsen, die der Staat ihm in den Genehmigungs- und in den Standortverfahren zugefügt hat oder zufügen könnte.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr gut!)

    Ohne die Wiederherstellung der Rechtssicherheit für Investoren kann kein Energieprogramm gelingen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Siebentens. Es gibt genügend andere Energien auf der Welt; wir müssen sie uns verfügbar machen, wir müssen sie uns erschließen. Dazu ist eine umfassende Politik nötig, an der die Wirtschafts- und Forschungspolitik, die Sicherheits- und Außenpolitik, die Innen- und Rechtspolitik und vor allen Dingen auch die Finanzpolitik ihren Anteil haben werden. Sie müssen koordiniert eingesetzt werden. Vor allem die Außenpolitik ist stärker als in der Vergangenheit gefordert. Sie muß ihre Ziele deutlicher als bisher auch den energiepolitischen Bedürfnissen anpassen und bereit sein, bisherige Konzeptionen von Grund auf zu überprüfen. Ich denke dabei insbesondere an die ohnehin verfahrene Politik in bezug auf das südliche Afrika. Ich hoffe, wir haben bald Gelegenheit, in diesem Hohen Hause darüber zu diskutieren.

    (Lachen und Zurufe von der SPD)

    Achtens. Die neue Energiepolitik kann ihre Ziele grundsätzlich nur in der Ordnung der Sozialen Marktwirtschaft erreichen. Die Versorgungslage darf nicht als Vorwand für Interventionismus mißbraucht werden und schon gar nicht als Anlaß für ideologische Nationalisierungs- oder Vergesellschaftungswünsche. Innerhalb unserer Grenzen — und nur hier können wir sie durchsetzen — verbürgt allein die Soziale Marktwirtschaft die notwendige Effizienz und die Fortdauer unserer freiheitlichen Ordnung. Sie steht der sozialen Abfederung der von der uns aufgezwungenen Energieverteuerung besonders Betroffenen nicht im Wege. Wir erwarten von der Bundesregierung Vorschläge für Sozialhilfeempfänger, Wohngeldempfänger und Kriegsopfer und verweisen als Mittel dazu auf die Mehreinnahmen auf Grund der gestiegenen Mehrwertsteuererträge aus den höheren Benzin- und Heizölpreisen.



    Dr. Narjes
    Neuntens. Die Herausforderung, der wir zu begegnen haben, ist globaler Natur. Der Wert der weltweiten Abstimmung über die neue Richtung der Politik ergibt sich in concreto aber nur aus der Politik der einzelnen Staaten. Ihnen obliegt die Last der Durchführung; andere können sie uns nicht abnehmen.
    Schon auf vier früheren Gipfelkonferenzen wurde jeweils in kraftvollen Formulierungen zur Energiepolitik Wesentliches vereinbart, und kaum etwas davon ist gehalten worden. Ich erspare es mir aus Zeitgründen, von Rambouillet bis Bonn einzelne Beispiele dafür zu geben.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Zehntens. Die Aufgabe der Erschließung und Bereitstellung neuer Energiequellen beschränkt sich nicht allein auf Energieträger, die wir innerhalb unserer Grenzen nutzbar machen können. Die Weltvorräte an Energien, Teersänden, Ölschiefern und schweren Olen sind in ihrer Gesamtheit dreimal so groß wie die heute bekannten Mineralölreserven. Wir müssen uns an ihrer Erschließung in den Ländern beteiligen, in denen es möglich ist, unter hinreichend sicheren Bedingungen zu investieren. Ein möglicher Ölpreis von etwa 50 Dollar für ein Faß 01 1990 — das ist nicht nur eine Drohung von Herrn Yamani, das sind auch die Prognosen etwa der amerikanischen Großbanken — rechtfertigt solche Investitionen.
    Elftens. Umstrukturieren heißt investieren. Die Größenordnungen, in denen wir denken müssen, übersteigen die bisher üblichen Dimensionen. Ich verweise auf neuere Projekte in den Vereinigten Staaten, die den dortigen Umstellungsprozeß mit den Anstrengungen gleichstellen, die unternommen wurden, um in den sechziger Jahren den ersten Menschen die Landung auf dem Mond und die sichere Rückkehr zu ermöglichen.
    Zwölftens. Unsere Wirtschaft und unsere Technik sind diesen Aufgaben gewachsen. Es geht darum, in der Bundespolitik hier und heute die künstlichen Hindernisse und Hemmschuhe herauszustellen und die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß sie weggeräumt werden, damit wir uns mit ganzer Kraft dieser wohl größten Aufgabe der Nachkriegszeit widmen können.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    Was die Sicherung gegen kurzfristige Versorgungsstörungen anlangt, so ist in der öffentlichen Diskussion ein wenig unterschlagen worden, daß die Bundesregierung die nationale Ölreserve zum Jahresende nicht aufgefüllt hatte. Nur 6 Millionen Tonnen der vorgesehenen 10 Millionen Tonnen waren eingelagert. Inzwischen sind Verpflichtungen eingegangen worden, die uns daran hindern, diese Lager zu füllen. Wir gehen also mit begrenzten Reserven in eine ungewisse Zukunft, obwohl wir von der Opposition seit Jahren darauf hingewiesen haben, daß diese Anstrengungen verstärkt werden müssen.