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ID0815407500

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    Plenarprotokoll 8/154 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 154. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 17. Mai 1979 Inhalt: Begrüßung der Präsidentin des Senats von Kanada, Frau Renaude Lapointe . . . . 12266 B Bericht zur Lage der Nation Schmidt, Bundeskanzler . . . . . . . 12253 A Dr. Kohl CDU/CSU . . . . . . . . . 12266 C Mattick SPD . . . . . . . . . . 12279 C Hoppe FDP 12285 A Dr. Zimmermann CDU/CSU . . . . . 12289 B Friedrich (Würzburg) SPD . . . . . . 12296 C Dr. Wendig FDP 12301 C Franke, Bundesminister BMB . . . . . 12306 A Dr. Barzel CDU/CSU . . . . . . . . 12309 D Dr. Ehmke SPD 12315 D Dr. Abelein CDU/CSU 12322 D Ludewig FDP 12327 C Dr. Gruhl fraktionslos 12329 A Dr. Czaja CDU/CSU 12331 C Hofmann (Kronach) SPD . . . . . . 12335 C Graf Huyn CDU/CSU 12337 C Schulze (Berlin) SPD 12340 C Baron von Wrangel CDU/CSU . . . . . 12342 B Büchler (Hof) SPD . . . . . . . . . 12343 C Erklärungen nach § 35 GO Jäger (Wangen) CDU/CSU 12344 D Dr. Ehmke SPD 12345 B Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Umsatzsteuergesetzes (UStG 1979) — Drucksache 8/1779 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/2864 — Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses — Drucksache 8/2827 — Kühbacher SPD . . . 12345 D, 12347 B, 12353 C Di . Meyer zu Bentrup CDU/CSU . 12346 B, 12347 B Frau Matthäus-Maier FDP . . . . . . . 12347 C Dr. Kreile CDU/CSU 12348 B Frau Funcke FDP 12 357 B Matthöfer, Bundesminister BMF 12360 B II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 154. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. Mai 1979 Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Jenninger, Dr. Jobst, Röhner, Dr. George, Dr. Friedmann, Schröder (Lüneburg), Carstens (Emstek), Dr. von Wartenberg, Sauter (Epfendorf), Dr. Schulte (Schwäbisch Gmünd), Dr. Dregger, Kolb, Broll, Hanz, Spranger, Seiters, Glos, Susset, Dr. Waigel, Dr. Sprung, Dr. Warnke, Gerlach (Obernau), Dr. Miltner und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Investitionszulagengesetzes — Drucksache 8/2780 — 12361 D Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung der Bundesnotarordnung — Drucksache 8/2782 — 12362 A Beratung der Sammelübersicht 45 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen mit Statistik über die beim Deutschen Bundestag in der Zeit vom 14. Dezember 1976 bis 31. März 1979 eingegangenen Petitionen — Drucksache 8/2786 — in Verbindung mit Beratung der Sammelübersicht 46 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 8/2826 — 12362 A Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU Steuerliche Behandlung der gemeinnützigen Sportvereine — Drucksache 8/2668 — Dr. Schäuble CDU/CSU 12362 C Schirmer SPD 12364 B Mischnick FDP 12365 D Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Dollinger, Dr. Friedmann, Niegel, Dr. Sprung, Dr. Stavenhagen, Damm, Biehle, Dr. Schulte (Schwäbisch Gmünd) und der Fraktion der CDU/CSU Bessere Bedingungen für den CB-Funk — Drucksache 8/2727 —Dr. Friedmann CDU/CSU . . . . . . 13368 C Wuttke SPD 13370 A Hoffie FDP 12371 B Beratung der Ubersicht 9 des Rechtsausschusses über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht — Drucksache 8/2800 — 12373 A Nächste Sitzung 12373 C Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten . . . 12375*A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 154. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. Mai 1979 12253 154. Sitzung Bonn, den 17. Mai 1979 Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete (r) entschuldigt bis einschließlich Adams *** 17. 5. Dr. van Aerssen *** 18.5. Dr. Ahrens ** 17. 5. Dr. Aigner *** 18. 5. Alber *** 18. 5. Dr. Bangemann *** 17. 5. Frau Benedix 18. 5. Dr. von Bismarck 18. 5. Dr. Böhme (Freiburg) 18.5. Frau von Bothmer ** 17. 5. Büchner (Speyer) * 18. 5. Dr. Dollinger 18. 5. Fellermaier *** 18. 5. Dr. Fuchs 18.5. Haberl 18. 5. Handlos * 18. 5. von Hassel 17. 5. Dr. Haussmann 18. 5. Frau Hürland 18. 5. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union *** für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete () entschuldigt bis einschließlich Katzer 18. 5. Dr. Klepsch *** 17. 5. Dr. h. c. Kiesinger 18. 5. Klinker 18.5. Kolb 13. 5. Frau Krone-Appuhn 17. 5. Lange** 13. 5. Lemp *** 18. 5. Dr. Lenz (Bergstraße) 17. 5. Lenzer *** 13.5. Lücker *** 18. 5. Müller (Bayreuth) 18. 5. Müller (Mülheim) *** 18. 5. Müller (Remscheid) 18. 5. Neumann (Bramsche) 17. 5. Offergeld 18.5. Rapp (Göppingen) 18. 5. Frau Dr. Riede (Oeffingen) 18. 5. Frau Schlei 18.5. Schreiber *** 18. 5. Dr. Schwörer'** 18. 5. Seefeld *** 18. 5. Dr. Starke (Franken) *** 18. 5. Frau Dr. Walz *** 17. 5. Wawrzik *** 18. 5. Weber (Heidelberg) 18. 5. Wohlrabe 18. 5. Würtz *** 17. 5. Zeitler 18. 5.
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    Rede von Karl Hofmann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Nein, Herr Präsident, ich will meine zehn Minuten — —

    (Sauer [Salzgitter] [CDU/CSU] : Und Ihre Partei beim Bundesparteitag in Karlsruhe 1964: „Erbe und Auftrag" ? Hatten Sie damals andere Vorstellungen?)

    — Ich komme noch deutlicher zu diesen Punkten, die Sie anscheinend sehr erregen.
    Hatten Sie denn ein deutschlandpolitisches Konzept? Ihr damaliger Minister, Herr Krone, hat zu den Aufgaben der Deutschland- und Ostpolitik am 5. April 1955 ausgeführt:
    In der hohen Politik läuft es auf eine Viererkonferenz hinaus. Man drängt auf Koexistenz, Koexistenz auf der Basis des geteilten Deutschlands. Haben wir eine Konzeption der Wiedervereinigung? Ich wüßte nicht.

    (Sauer [Salzgitter] [CDU/CSU] : Das ist eine reine Vorlesestunde und kein Gespräch mehr!)

    — Ich weiß, Sie wollen mich stören, Sie wollen mich hindern. Hören Sie es sich ruhig an. Das ist das Ergebnis Ihrer Politik. Wir kommen noch zu dem Ergebnis.

    (Dr. Hennig [CDU/CSU] : Kann nicht einer von Ihnen mal auch vorne reden? Das ist ja eine gespenstische Debatte!)

    Wir kommen zum Bau der Mauer 1961.

    (Zuruf des Abg. Sauer [Salzgitter] [CDU/ CSU])

    Wenn heute, so vertragsbrüchig dies ist, ein deutscher Journalist von der DDR ausgewiesen wird, verlangen Sie Sanktionen. Ich frage Sie: Was hat denn Adenauer damals getan, was haben Sie damals als Regierungspartei beim Bau der Mauer an Sanktionen eingesetzt?

    (Dr. Hennig [CDU/CSU] : Was ist denn heute für Sie Deutschlandpolitik?)

    Es hieß damals:
    Der Bundeskanzler versicherte, daß er alles vom Botschafter Vorgetragene sorgfältig prüfen wird, und wies seinerseits darauf hin, daß die Bundesregierung keine Schritte unternimmt, welche die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und der UdSSR erschweren und die internationale Lage verschlechtern.
    Das war beim Besuch des Botschafters Smirnow.
    Heute verlangen Sie etwas ganz anderes bei wesentlich geringeren Vorkommnissen, die ich verurteile und ablehne.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Was soll das beweisen?)

    1965 kommt Herr Gerhard Schröder auf dem Parteitag zu folgender Erkenntnis:
    Im Zeichen des Kalten Krieges war die Wiedervereinigungspolitik eingebettet in das umfassende Anliegen der freien Welt, die Einflußsphäre des Kommunismus in Europa zurückzudrängen. Heute hat sich in der Welt das beherrschende und allgemeine Interesse der Friedenserhaltung vor das Teilinteresse der Wiedervereinigung Deutschlands geschoben.
    Sehen Sie, bei Ihnen ist das abgedrängt worden. Der Begriff war nicht mehr das Wichtige.
    Strauß wird 1966 deutlicher in seinem Buch „Entwurf für Europa" :
    Ich will es mit schonungsloser Offenheit aussprechen: Ich glaube nicht an die Wiederherstellung eines deutschen Nationalstaates, auch nicht innerhalb der Grenzen der vier Besatzungszonen. Ich kann mir unter den gegebenen und vorausschaubaren Umständen und den möglichen Entwicklungen und Entwicklungslinien nicht vorstellen, daß ein gesamtdeutscher Nationalstaat wieder entsteht.
    Noch deutlicher wird Strauß 1968 in seinem Buch „Herausforderung und Antwort — Ein Programm für Europa" :
    Wen wir so weitermachen wie bisher mit schönklingenden Deutschlanderklärungen und Wiedervereinigungsmodellen, gegebenenfalls auch alle paar Jahre eine Konferenz über die deutsche Frage, dann ist jede Mühe umsonst. Wir



    Hofmann (Kronach)

    müssen die immer noch zu unser aller Schaden herumgeisternden, falsch verstandenen deutschnationalen Leitbilder von vorgestern zum alten Eisen werfen.
    Auch Herr Kiesinger hatte diese Erkenntnis und formulierte das in einer Rede zum 17. Juni 1967 so:
    Dies ist der Kern unserer Wiedervereinigungspolitik, dies ist darum auch das Kernstück unserer Auseinandersetzung mit den Verantwortlichen im anderen Teil Deutschlands, aber auch mit allen, die jene Verantwortlichen stützen oder lenken. Das ist keine Anmaßung, wie man uns vorwirft, das ist unsere Gewissenspflicht.
    Wenn dem so ist, wenn die politischen Positionen sich so hart gegenüberstehen, so müssen wir uns ehrlich fragen,
    — bitte, hören Sie zu —
    ob Bemühungen um eine friedliche Lösung überhaupt einen Sinn haben, ob wir nicht, statt trügerische Hoffnungen zu wecken, warten müssen, bis der Geschichte etwas Rettendes einfällt, und uns bis dahin darauf beschränken, das zu bewahren, was uns geblieben ist: unsere eigene Freiheit ...
    Bei dem Warten ist es, glaube ich, auch geblieben, selbst später bei den Verträgen: so nicht, jetzt nicht liegenlassen! Es ist beim Warten in der Deutschlandpolitik, in der Ostpolitik geblieben.
    Kommen wir in die jüngere Zeit. 1975 vor dem Deutschlandpolitischen Kongreß in Ingolstadt führte Strauß aus: „Die Wiederbelebung eines deutschen Nationalstaates im Herzen Europas kommt für uns nicht in Betracht. Wir stehen nicht für die Wiederbelebung einer europäischen Staatengewalt mit einem Deutschen Reich in der Mitte."

    (V o r sitz : Vizepräsident Frau Funcke)

    Der CSU-Abgeordnete Aigner rief bei derselben Gelegenheit aus: „Das nationalstaatliche Erlebnis ist auf die Ebene eines geschichtlichen Elements herabgesunken." Meine Damen und Herren, wenn das einer von der SPD gesagt hätte, den hätten Sie zerrissen, wie es .nur möglich gewesen wäre. Der Abgeordnete Marx führte damals dazu aus: „Für die CDU ist Europa und der Westen das erste Wort der deutschen Politik, unser oberstes Interesse ist es, Europa zu bauen." Wiedervereinigung ist nicht mehr vorrangig gewesen.

    (Dr. Marx [CDU/CSU] : So eine Interpretation! Das ist doch wirklich nicht zu glauben!)

    Herr Strauß führte dann weiter in dem deutschlandpolitischen Grundsatzprogramm der CSU aus: „Der Schlüssel zur staatlichen Wiedervereinigung liegt daher weder in Moskau noch in Washington noch in Paris; man hat ihn in stillschweigender Übereinkunft verschwinden lassen."
    Das ist das Ergebnis Ihrer Deutschlandpolitik in 30 Jahren. Sie erregen sich, wenn Sie mit Ihren eigenen Worten getroffen werden. Aber Sie sollten sich etwas zu eigen machen, was einer der Ihren zu dem Thema gesagt hat: „Wir haben nur eine echte Alternative, diese echte Alternative heißt: das Mögliche oder nichts." Sie haben bisher immer gefordert: alles oder nichts und sind beim Nichts in der Deutschlandpolitik geblieben.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir sollten es uns nicht leicht machen, das Mögliche zu erkennen, das Mögliche auszuschöpfen. Wir sollten aber auch an dieser Grenze stehenbleiben, weil wir darüber hinaus unwillkürlich lächerlich wirken. Das tun Sie. Sie werden uns nicht davon abhalten, für Deutschland eine Politik zu betreiben, die den Deutschen in beiden Teilen zugute kommt.

    (Beifall bei der SPD)



Rede von Liselotte Funcke
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Graf Huyn.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Graf Hans Huyn


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dies soll die Debatte zur Lage der Nation im gespaltenen Deutschland sein. Was wir als Bericht des Herrn Bundeskanzlers hier gehört haben, war nahezu eine Umfunktionierung dessen, was wir eigentlich hier kraft seines Amtes zu erwarten haben. Der Bericht soll zu Beginn des Jahres gegeben werden. Er ist in die Nähe des Tages gerückt, den einige in diesem Hause nur allzu gern an die Stelle des nationalen Gedenktages, nämlich des 17. Juni, gerückt sehen. Der Bundeskanzler hat im größten Teil seines Berichtes nur über die Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland gesprochen. Er hat gesagt, daß 30 Jahre Bundesrepublik — so wörtlich — „der beste Teil der deutschen Geschichte" sei. Ich meine, man kann sagen, daß die Bundesrepublik Deutschland ganz sicher der beste Staat in der deutschen Geschichte ist. Aber man kann nicht verschweigen, daß es schon deswegen nicht der beste Teil der deutschen Geschichte sein kann, weil Deutschland geteilt ist. Der Bundeskanzler hat wiederum von der DDR als deutschem Staat gesprochen. Ich möchte daran erinnern, daß in der Anhörung, die wir im Rahmen des Innerdeutschen Ausschusses vor einigen Monaten in diesem Hause hatten, sich die Wissenschaftler darüber einig waren, daß man über den Status Mitteldeutschlands am besten sagen könne, es sei ein sowjetisches Protektorat. In der Tat. Wenn hier von Herrn Ehmke apostrophiert worden ist, ob es denn nicht — dies habe man in den 50er Jahren gesagt — um die Befreiung besetzter Gebiete gehe: Herr Ehmke, ist es denn nicht so, daß es den Menschen dort um die Freiheit geht? Gibt es denn irgend jemanden, der drüben gefragt worden wäre, ob er dort eine sowjetische Besatzungsmacht haben will? Es ist doch eine Besetzung wider den Willen der Menschen, wider den Willen der Menschen dort in Mitteldeutschland und wider den Willen der Menschen in ganz Deutschland.

    (Dr. Ehmke [SPD] : Ich sage ja diese Vokabel nicht!)

    Tatsächlich ist es so, daß es im wesentlichen um die Freiheit der Menschen dort geht. Auch das haben wir beim Herrn • Bundeskanzler vermißt, der



    Graf Huyn
    dem Frieden die erste Priorität eingeräumt, aber die Freiheit völlig vergessen hat. Wir haben im Bericht zur Lage der Nation auch ein Wort dazu vermißt, daß es hier um alle Deutschen geht — um alle Deutschen! Das heißt natürlich auch: um die Deutschen, die östlich von Oder und Neiße leben.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Sauer [Salz. Bitter] [CDU/CSU] : Endlich ein klares Wort! Danke!)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir hätten auch gern ein Wort über die Menschen gehört, die unter der Unfreiheit drüben ganz besonders leiden müssen, über die, die widerrechtlich in Gefängnissen und in Zuchthäusern sitzen, z. B. — um einen Namen zu nennen — ein Wort zu Nico Hübner.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Sauer [Salzgitter] [CDU/CSU] : Und zum „Gelben Elend" in Bautzen!)

    Der Herr Bundeskanzler hat weiter wörtlich erklärt, es komme auf die verläßliche Friedlichkeit der Partner auf der anderen Seite an, darauf, daß man auf diese vertrauen könne. Es ist mir wirklich unverständlich, wie man so etwas in einem Moment sagen kann, in dem doch alles Vertrauen durch eine Salamitaktik hinsichtlich der Beschränkung der Freiheit, durch eine offensive Politik der Sowjetunion in allen Teilen der Welt und durch Vertragsbrüche zerstört worden ist, wie sie von Ost-Berlin begangen worden sind.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Das sind alles „defensive Motive" !)

    Die Abgrenzungspolitik Ost-Berlins, die Perfektionierung des Todesstreifens, die verschärften Devisenbestimmungen, der Maulkorberlaß für Journalisten, die Knebelung geistig Schaffender, die Ausweisung von Journalisten — van Loyen ist nach Mettke und Lothar Loewe nun schon der dritte — müßten Bundeskanzler und Bundesregierung eigentlich dazu bringen, zuzugeben, daß ihre Deutschland- und Ostpolitik gescheitert ist.

    (Bundesminster Franke: Da kann ich nur lachen! — Dr. Marx [CDU/CSU] : Auf der Regierungsbank wird wieder einmal gelacht!)

    Aber offenbar hat die Bundesregierung, Herr Minister Franke, nicht einmal den Mut, dieses Zugeständnis zu machen. Offenbar hat jener hohe SED-Funktionär recht, der vor kurzem in Gegenwart von Erich Honecker und Paul Verner erklärt hat: Die müssen stillhalten, weil sie fürchten, es komme zur Bankrotterklärung ihrer Ostpolitik.

    (Jäger [Wangen] [CDU/CSU] : Sehr wahr! — Dr. Ehmke [SPD]: Waren Sie dabei?)

    — Nein, Herr Ehmke, aber fragen Sie einmal einige Herren, die das besser wissen. — Es ist doch höchste Zeit für die Bundesregierung, gegenüber Ost-Berlin zu handeln, statt mit hohlen Phrasen zu protestieren, die von niemandem — am wenigsten von Ost-Berlin — ernst genommen werden.
    Sie haben den kommunistischen Machthabern in Ost-Berlin gegeben, was sie wollten: staatliche Anerkennung, internationale Aufwertung, Aufnahme in die Vereinten Nationen und darüber hinaus noch Gelder und Kredite. Sie haben mit Ihrer Politik einseitiger Leistungen und Vorleistungen viele der Hebel aus der Hand gegeben, mit denen man vielleicht etwas für die Menschen im geteilten Deutschland hätte erreichen können.

    (Zuruf des Abg. Lambinus [SPD]) — Sie sicher nicht.


    (Lambinus [SPD] : Mein Gott! Mein Gott!)

    Sie haben ein goldenes Füllhorn von Unterstützungen und Subventionen,

    (Lambinus [SPD] : Das ist doch lächerlich!)

    von Krediten und Zahlungen nicht über die Menschen, sondern über den Unterdrücker der Menschen, über die Machthaber in Ost-Berlin ausgegossen. Es ist geradezu naiv, wenn Sie sich heute die Augen reiben und die Wahrheit nicht hören wollen, wenn Sie heute protestieren und sich wundern, daß alle diese Leistungen und Zahlungen nicht, wie Herr Brandt sagte, der Humanisierung der Lebenswirklichkeit der Deutschen, sondern der Aufrüstung des Warschauer Paktes und der Zementierung der kommunistischen Unterdrückung in Mitteldeutschland dienen.

    (Dr. Ehmke [SPD] : Die Mauer ist in Ihrer Zeit gebaut worden!)

    Ich wiederhole heute: Obwohl diese Bundesregierung und die sie tragende Koalition die wichtigsten Hebel aus der Hand gegeben hat, heißt die Alternative für ihre verfehlte Politik nach wie vor Reziprozität, Gegenseitigkeit. Meine Damen und Herren, natürlich werden wir nicht fordern, im Gegenzug zur Ausweisung Peter van Loyens etwa einen der Ost-Berliner Korrespondenten nach Hause zu schicken, wie das aus Ihren Reihen zunächst einmal geschehen ist. Es gibt aber sehr wohl Möglichkeiten, auf die Vertragsbrüche Ost-Berlins zu antworten.

    (Bundesminister Franke: Zum Beispiel?)

    — Sie werden jetzt einige Beispiele hören. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie sie sich notieren würden, Herr Franke. Ich verlange nicht — und niemand von meinen politischen Freunden tut dies —, daß Sie all diese Möglichkeiten nun etwa auf dem offenen Markte diskutieren. Wir verlangen auch nicht, daß Sie sie alle anwenden. Wohl aber erwarten wir, daß Sie sie wenigstens einmal im Rahmen Ihrer Kabinettsberatungen überdenken und gegebenenfalls auch anwenden, also handeln. Ich nenne nun ein paar Maßnahmen, die keine wirtschaftlichen oder finanziellen Maßnahmen sind.
    Erstens. Wenn wir auch gewiß keine Deutschen aus Deutschland ausweisen wollen — selbst wenn dies linientreue und weisungsgebundene Korrespondenten aus Ost-Berlin sind —, so kann doch geprüft werden, ihnen die Akkreditierung als Jour-



    Graf Huyn
    nalisten in Bonn zu entziehen und sie nicht mehr zur Bundespressekonferenz und zu Gesprächen einzuladen.
    Zweitens. Unsere Rundfunk- und Fernsehanstalten sollten ihre Berichterstattung über die Verhältnisse in Mitteldeutschland verstärken, um sicherzustellen, daß sie noch mehr als bisher von den Menschen drüben gehört werden.
    Drittens. Es sollte geprüft werden, gegebenenfalls die Ballonaktionen mit Nachrichten aus dem freien Deutschland für die Menschen in Mitteldeutschland wieder aufzunehmen.

    (Lachen bei der SPD)

    Viertens. Das Bundespresseamt sollte genauestens im Ost-Berliner Rundfunk und Fernsehen sowie in der Presse der sowjetisch besetzten Zone die Berichte aus dem freien Deutschland. verfolgen und die hier akkreditierten Ost-Berliner Korrespondenten regelmäßig und mit Nachdruck auf alle Fälle von Falschberichterstattung hinweisen und dies veröffentlichen.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Sehr . konkret!)

    Fünftens. Alle nachweislichen Fälle von Falschberichterstattung in den dortigen Medien über die Bundesrepublik Deutschland, die ja hier genau nachkontrolliert werden können, sollten von unseren Rundfunk- und Fernsehanstalten unter Hinweis auf die unwahren Berichte richtiggestellt werden.
    Das sind nur einige der Möglichkeiten, die in angemessener Weise in Reaktion auf den Maulkorberlaß und die Ausweisung von Korrespondenten angewandt werden können. Darüber hinaus gibt es noch eine ganze Reihe anderer Maßnahmen. So könnte die Bundesregierung sechstens in internationalen Gremien, insbesondere in den Vereinten Nationen, offensiv — und dies sollte sie tun — eine freiheitliche Deutschlandpolitik betreiben.
    Siebtens. Die Bundesregierung sollte eine zentrale Beschwerdestelle einrichten, wie wir dies schon lange gefordert haben, an die sich alle Deutschen wenden können, die Ost-Berliner Schikanen zu erdulden haben, sei es bei Hilferufen von drüben oder sei es bei Beschwerden aus dem Westen.
    Achtens. Die Funktionäre des SED-Regimes, die sich Verbrechen und Vergehen zuschulden kommen lassen, müssen registriert werden. Die zentrale Erfassungsstelle der Landesjustizverwaltungen in Salzgitter bedarf hierzu der vollen Unterstützung der Bundesregierung. SED-Funktionäre, die in den freien Teil Deutschlands kommen, um an Veranstaltungen ihrer Gesinnungsgenossen teilzunehmen — oder zu welchem Zweck auch immer —, sind jedenfalls nicht außer Strafe zu stellen. Sie müssen wissen, daß sie sich hier vor Gerichten im freien Teil Deutschlands zu verantworten haben, wenn sie sich etwas haben zuschulden kommen lassen. Dies gilt natürlich auch für die, die für Schießbefehl und ähnliches verantwortlich sind.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Sehr konkrete Vorschläge!)

    Neuntens. Die Verwendung von Ostgeldern für subversive Zwecke in der Bundesrepublik Deutschland und die damit im Zusammenhang stehende Tätigkeit von sowjetzonalen Scheinfirmen bei uns kann genauestens untersucht werden.
    Zehntens. Schließlich fordere ich die Bundesregierung auf, in ihrer Berlinpolitik nicht nur Festigkeit zu wahren—hierzu waren die kürzlichen Außerungen des Bundeskanzlers zu Bonn als Hauptstadt, ohne Berlin überhaupt zu erwähnen, ein grober Verstoß gegen das deutsche Selbstverständnis —,

    (Dr. Ehmke [SPD] : Sie haben früher Verträge geschlossen, ohne Berlin zu erwähnen!)

    sondern darüber hinaus die Bindungen Berlins an die übrige Bundesrepublik Deutschland zu verstärken und die seit längerem versprochene Begründung der deutschen Nationalstiftung in Berlin voranzutreiben.
    Dies sind bereits zehn Punkte, die nicht den innerdeutschen Handel und die nicht wirtschaftliche und finanzielle Fragen betreffen. Aber auch hierzu gibt es konkrete Punkte; denn Ost-Berlin erhält von uns handelspolitische Vergünstigungen, von denen Entwicklungsländer nur träumen können.

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: So ist es!)

    Elftens. Der im nächsten Jahr neu auszuhandelnde Swing, der bisher von Ost-Berlin stets einseitig genutzte Kredit im innerdeutschen Handel, kann erstens abgebaut werden — dies ist von meinem Kollegen Abelein schon gesagt worden —, aber zweitens kann auch überlegt werden, auf eine Verzinsung des Swings zu drängen, durch den die OstBerliner Machthaber bisher jährlich in den Genuß von etwa 50 Millionen DM allein an Zinsersparnis gekommen sind.
    Zwölftens. Die Agrarexporte der Europäischen Gemeinschaft in die DDR werden zumindest zum Teil im Rahmen der EG-Regelungen subventioniert, weil die DDR in dieser Beziehung als Drittland behandelt wird.

    (Löffler [SPD] : Wollen Sie das ändern?)

    — Nein, aber es sind Überlegungen anzustellen, und es geht nicht an, daß Ost-Berlin Agrarprodukte zu Lasten unserer Steuergelder subventioniert zu Niedrigpreisen erhält und sie dann in einzelnen Fällen womöglich dann noch an die Bundesrepublik Deutschland zu den hohen EG-Agrarmarktpreisen zurückverkauft.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Das muß einmal geprüft werden!)

    Dreizehntens. Das mit Bekanntmachung vom 28. September 1970 eingeführte Preisprüfungsverfahren für Lieferungen aus der DDR kann verschärft werden.
    Vierzehntens. Einfuhren von Waren aus Mitteldeutschland, etwa Textilien, können stärker als bisher kontingentiert werden; auch an die Anwendung von Antidumpingbestimmungen kann gedacht werden.



    Graf Huyn
    Fünfzehntens. Die Umsatzsteuersonderregelung, die zu einer spezifischen Begünstigung von DDR- Waren führt, könnte beseitigt werden. Die allein bedeutet eine Summe von 390 Millionen DM pro Jahr.

    (Dr. Mertes [Gerdlstein] [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

    Sechzehntens. Es ist nicht einzusehen, daß Ost-Berlin von uns Straßenbenutzungsgebühren fordert, daß die Bundesregierung aber immer noch keine Kraftfahrzeugsteuer für DDR-Lastwagen erhebt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Siebzehntens. Der kumulierte Passivsaldo Ost-Berlins im innerdeutschen Handel, der Ende letzten Jahres allein 3,7 Milliarden DM Verrechnungseinheiten betragen hat, könnte durch die Einbehaltung fälliger Transitgebühren verringert werden.
    Achtzehntens. Gelder für die einzelnen Bauabschnitte der Autobahn Hamburg-Berlin sollten erst dann bewilligt werden, wenn Ost-Berlin wenigstens die minimalsten vertraglichen Verpflichtungen einhält, die es im Grundvertrag, in den Menschenrechtspakten und in anderen Vereinbarungen eingegangen ist.

    (Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    Neunzehntens. Die zahlreichen finanziellen Leistungen im Rahmen von Post, Güterfernverkehr, Bahn usw. sollten überprüft werden, Herr Franke, und die Verwendung der überwiesenen Gelder sollte im Hinblick auf ihre Zweckbindung kontrolliert werden. Überleistungen sind abzubauen. Im übrigen könnte zumindest ein Teil unserer Leistungen an Ost-Berlin auf diesen Gebieten an Sachlieferungen aus der Bundesrepublik Deutschland gebunden werden, um damit auch unserer Wirtschaft zu nutzen.
    Zwanzigstens und letztens sollte das Verbot von Kompensationsgeschäften gemäß dem Berlin-Abkommen vom 16. August 1960 schärfer als bisher angewandt werden.
    Sie sehen, dies ist ein Katalog von zehn wirtschaftlichen und zehn nichtwirtschaftlichen Punkten, den Sie untersuchen sollten, um nicht der Aussage des Ost-Berliner Funktionärs zu folgen, daß diese Regierung, solange sie noch im Amt ist, es nicht wagen wird, irgendwelche Schritte zu ergreifen.
    Vor wenigen Tagen hat Stefan Heym in seinem Hilferuf über das ZDF aus bitterer Erfahrung über die Entwicklung drüben ausgesagt — ich zitiere wörtlich —: Es wird schrittweise immer schlimmer werden. — In diesem Wort liegt mehr Wahrheit über die Lage der Nation als in dem ganzen Bericht, den wir heute vom Bundeskanzler hier gehört haben.
    Es ist höchste Zeit, daß die Bundesregierung nicht nur verbale Proteste von sich gibt, sondern konkrete Maßnahmen prüft, um auf die Machthaber des sozialistischen Unrechtsregimes in Ost-Berlin einzuwirken. Handeln Sie endlich! Betreiben Sie eine Politik im Interesse der Menschen drüben und nicht eine Gefälligkeitspolitik zugunsten ihrer Unterdrücker!

    (Beifall bei der CDU/CSU)