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ID0815405500

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 8/154 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 154. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 17. Mai 1979 Inhalt: Begrüßung der Präsidentin des Senats von Kanada, Frau Renaude Lapointe . . . . 12266 B Bericht zur Lage der Nation Schmidt, Bundeskanzler . . . . . . . 12253 A Dr. Kohl CDU/CSU . . . . . . . . . 12266 C Mattick SPD . . . . . . . . . . 12279 C Hoppe FDP 12285 A Dr. Zimmermann CDU/CSU . . . . . 12289 B Friedrich (Würzburg) SPD . . . . . . 12296 C Dr. Wendig FDP 12301 C Franke, Bundesminister BMB . . . . . 12306 A Dr. Barzel CDU/CSU . . . . . . . . 12309 D Dr. Ehmke SPD 12315 D Dr. Abelein CDU/CSU 12322 D Ludewig FDP 12327 C Dr. Gruhl fraktionslos 12329 A Dr. Czaja CDU/CSU 12331 C Hofmann (Kronach) SPD . . . . . . 12335 C Graf Huyn CDU/CSU 12337 C Schulze (Berlin) SPD 12340 C Baron von Wrangel CDU/CSU . . . . . 12342 B Büchler (Hof) SPD . . . . . . . . . 12343 C Erklärungen nach § 35 GO Jäger (Wangen) CDU/CSU 12344 D Dr. Ehmke SPD 12345 B Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Umsatzsteuergesetzes (UStG 1979) — Drucksache 8/1779 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/2864 — Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses — Drucksache 8/2827 — Kühbacher SPD . . . 12345 D, 12347 B, 12353 C Di . Meyer zu Bentrup CDU/CSU . 12346 B, 12347 B Frau Matthäus-Maier FDP . . . . . . . 12347 C Dr. Kreile CDU/CSU 12348 B Frau Funcke FDP 12 357 B Matthöfer, Bundesminister BMF 12360 B II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 154. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. Mai 1979 Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Jenninger, Dr. Jobst, Röhner, Dr. George, Dr. Friedmann, Schröder (Lüneburg), Carstens (Emstek), Dr. von Wartenberg, Sauter (Epfendorf), Dr. Schulte (Schwäbisch Gmünd), Dr. Dregger, Kolb, Broll, Hanz, Spranger, Seiters, Glos, Susset, Dr. Waigel, Dr. Sprung, Dr. Warnke, Gerlach (Obernau), Dr. Miltner und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Investitionszulagengesetzes — Drucksache 8/2780 — 12361 D Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung der Bundesnotarordnung — Drucksache 8/2782 — 12362 A Beratung der Sammelübersicht 45 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen mit Statistik über die beim Deutschen Bundestag in der Zeit vom 14. Dezember 1976 bis 31. März 1979 eingegangenen Petitionen — Drucksache 8/2786 — in Verbindung mit Beratung der Sammelübersicht 46 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 8/2826 — 12362 A Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU Steuerliche Behandlung der gemeinnützigen Sportvereine — Drucksache 8/2668 — Dr. Schäuble CDU/CSU 12362 C Schirmer SPD 12364 B Mischnick FDP 12365 D Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Dollinger, Dr. Friedmann, Niegel, Dr. Sprung, Dr. Stavenhagen, Damm, Biehle, Dr. Schulte (Schwäbisch Gmünd) und der Fraktion der CDU/CSU Bessere Bedingungen für den CB-Funk — Drucksache 8/2727 —Dr. Friedmann CDU/CSU . . . . . . 13368 C Wuttke SPD 13370 A Hoffie FDP 12371 B Beratung der Ubersicht 9 des Rechtsausschusses über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht — Drucksache 8/2800 — 12373 A Nächste Sitzung 12373 C Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten . . . 12375*A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 154. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. Mai 1979 12253 154. Sitzung Bonn, den 17. Mai 1979 Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete (r) entschuldigt bis einschließlich Adams *** 17. 5. Dr. van Aerssen *** 18.5. Dr. Ahrens ** 17. 5. Dr. Aigner *** 18. 5. Alber *** 18. 5. Dr. Bangemann *** 17. 5. Frau Benedix 18. 5. Dr. von Bismarck 18. 5. Dr. Böhme (Freiburg) 18.5. Frau von Bothmer ** 17. 5. Büchner (Speyer) * 18. 5. Dr. Dollinger 18. 5. Fellermaier *** 18. 5. Dr. Fuchs 18.5. Haberl 18. 5. Handlos * 18. 5. von Hassel 17. 5. Dr. Haussmann 18. 5. Frau Hürland 18. 5. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union *** für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete () entschuldigt bis einschließlich Katzer 18. 5. Dr. Klepsch *** 17. 5. Dr. h. c. Kiesinger 18. 5. Klinker 18.5. Kolb 13. 5. Frau Krone-Appuhn 17. 5. Lange** 13. 5. Lemp *** 18. 5. Dr. Lenz (Bergstraße) 17. 5. Lenzer *** 13.5. Lücker *** 18. 5. Müller (Bayreuth) 18. 5. Müller (Mülheim) *** 18. 5. Müller (Remscheid) 18. 5. Neumann (Bramsche) 17. 5. Offergeld 18.5. Rapp (Göppingen) 18. 5. Frau Dr. Riede (Oeffingen) 18. 5. Frau Schlei 18.5. Schreiber *** 18. 5. Dr. Schwörer'** 18. 5. Seefeld *** 18. 5. Dr. Starke (Franken) *** 18. 5. Frau Dr. Walz *** 17. 5. Wawrzik *** 18. 5. Weber (Heidelberg) 18. 5. Wohlrabe 18. 5. Würtz *** 17. 5. Zeitler 18. 5.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Horst Ehmke


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Ja.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sie haben doch Fragen an uns gestellt! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Wie für Millionen meiner Landsleute aus dem deutschen Osten gehört für mich der deutsche Osten, genau wie für den Kollegen Barzel und andere hier in diesem Raum, zu meinem Vaterland als meiner geistigen Heimat. Aber politisch ist der deutsche Osten von Hitler verspielt worden. Darum ist meine Heimatstadt Danzig heute polnisch,

    (Zuruf von der CDU/CSU)

    und gerade wir, die wir unsere engere Heimat durch den Hitlerkrieg verloren haben, haben, glaube ich, alle gelernt, daß Friedensliebe der Boden der Heimatliebe sein muß.

    (Sauer [Salzgitter] [CDU/CSU] : Darum laden die Danziger Sie als Redner ein!)

    Die auf dem heutigen Wohngebiet der deutschen Nation bestehenden beiden deutschen Staaten — um diesen Punkt geht es — können weder gegeneinander noch gegenüber ihren Nachbarn im We-



    Dr. Ehmke
    sten und Osten territoriale Ansprüche erheben. Wenn wir diese Territorialfrage und die juristischen Fragen des Fortbestandes des Reiches, die sehr interessant sind, aus dem Begriff der „Wiedervereinigung" herausnehmen, dann bin ich der erste, der sich hier zusammen mit Ihnen dazu bekennt, daß Wiedervereinigung ein unaufgebbares Anliegen unserer Nation sein muß. Aber Sie dürfen nicht dauernd die politische Frage der Einheit der Nation mit territorialen und juristischen Fragen durcheinanderbringen. Sonst machen Sie sich selbst etwas vor und säen im Osten wie im Westen Mißtrauen.

    (Jäger [Wangen] [CDU/CSU] : Sie demontieren damit doch noch mehr als Wehner!)

    Das ist das zentrale Problem.
    Es hat daher auch keinen Zweck, in den Vordergrund unserer Debatte heute die Frage zu stellen, welche staatenbündische oder bundesstaatliche Lösung am Ende unseres deutschlandpolitischen Weges stehen könnte. Solche Lösungen sind wohlfeil zu konstruieren, aber ohne jede politische Bedeutung. Es würde mich freuen, wenn wir nach dem, was wir heute von Herrn Barzel und Herrn Kohl gehört haben — wenn ich das richtig interpretiert habe —, in der Frage übereinstimmen: Welche äußeren und inneren Bedingungen müssen geschaffen werden, damit unser geteiltes Volk im Rahmen einer Entspannungspolitik, die die Teilung Europas aufhebt, jedenfalls enger zusammenleben kann als es heute der Fall ist? Dabei kann heute keiner von uns sagen, bis zu welchen Formen das gehen wird. Der Bundeskanzler hat richtig gesagt: Es werden viele Jahre des Friedens notwendig sein, um zur Einheit zu kommen.
    Lassen Sie mich zunächst etwas zu den äußeren Bedingungen sagen. Erstens: Sollten wir nicht glauben — das ist mir schon zugerufen worden, und ich bestätige das als auch meine Überzeugung —, daß irgend jemand in Ost oder West oder in Fernost an dieser Frage mehr als wir selbst interessiert ist. Zweitens: Wenn richtig ist, was alle Parteien hier zum Zusammenhang von Friedenspolitik und deutscher Einheit gesagt haben, dann gilt es, die Entspannungspolitik geduldig fortzusetzen und auch jeden kleinen Schritt aus dieser Perspektive zu sehen. Ich glaube, es ist eine unserer großen Aufgaben, diese Entspannungspolitik heute durch eine aktive Rüstungskontrollpolitik zu ergänzen.
    Es geht schließlich darum, die Europapolitik, die Sie angefangen haben, fortzusetzen. Eine Politik, die die Nationalstaaten überwindet, die aber zugleich — ich glaube, auch darin sind wir uns einig — für die Überwindung der Teilung Europas offenbleibt. Es ist — z. B. vom Kollegen Ralf Dahrendorf in dem Hearing des Innerdeutschen Ausschusses — der Einwand erhoben worden, daß im Grunde unser Ziel der westeuropäischen Einigung nicht mit dem Ziel vereinbar sei, die deutsche Frage offenzuhalten. Ich möchte Ihnen sagen, daß ich diese Frage schon aus einem Grund nicht so dramatisch sehe. Ich glaube nicht, daß die Formen der Supranationalität — das sage ich für meine Person —, die für das Europa der Sechs entworfen worden waren, in der EG sehr schnell Wirklichkeit werden können. Wir haben seit dem Beitritt Englands erlebt, daß sie im Grunde nicht vorangekommen sind. Die Direktwahl des Europäischen Parlaments ist jetzt allerdings ein „unitarischer" Akt. Aber ich bin sicher: wenn jetzt Griechenland, Portugal und Spanien, drei Entwicklungsländer mit völlig anderem Lebensniveau und Wirtschaftsniveau, in die Europäische Gemeinschaft kommen, werden noch lange, lange Jahre nicht Formen der Supranationalität, sondern Formen der engen Kooperation für die westeuropäische Entwicklung bestimmend bleiben. Und darum wird sich auch der Widerspruch zur deutschen Frage nicht so darstellen, wie ihn etwa der Kolleg Dahrendorf gesehen hat.

    (Dr. Hennig [CDU/CSU] : Es steht aber etwas anderes in den Römischen Verträgen!)

    Fragt man jetzt nach den i n n e r en Voraussetzungen von Fortschritten in der deutschen Frage, so verweise ich zunächst auf das, was der Bundeskanzler heute zur Entwicklung der Bundesrepublik in den letzten dreißig Jahren gesagt hat. Ich glaube, wir müssen uns darüber klar sein, daß wir uns, wenn wit einmal die Polemik weglassen, nach dem, was heute gesagt worden ist, über die äußeren Bedingungen relativ schnell einigen könnten. Ich bin ja schon ganz milde; wenn Herr Jäger mich am Anfang nicht geärgert hätte, wäre ich auch gleich milde geblieben.

    (Dr. Hennig [CDU/CSU] : Dann sollten Sie sich erst einmal entschuldigen!)

    — Zuerst sollte er sich einmal für seinen Zwischenruf entschuldigen.

    (Dr. Kohl [CDU/CSU] : Sie haben sich in der Sache zu entschuldigen, sonst überhaupt niemand!)

    — Ich weiß, Herr Kohl, Sie schreiben vor, wer sich zu entschuldigen hat.

    (Dr. Kohl [CDU/CSU] : Sonst wirklich niemand!)

    Jetzt bin ich bei den inneren Bedingungen.

    (Dr. Kohl [CDU/CSU] : Wenn man über NS-Vergangenheit redet, haben Sie keine Fragen an Herrn Jäger zu stellen!)

    Ich bin der Meinung, wir müssen miteinander darüber diskutieren, daß die Frage eines engeren Zusammenkommens der geteilten Nation auch eine innere Dimension hat. Das ist in der „Politik der Stärke" durch die Idee verdrängt worden, „Wiedervereinigung" wäre ein „Anschluß" der DDR an die Bundesrepublik. Ein solcher wird nicht stattfinden. Ich meine, über das Spannungsverhältnis der beiden Gesellschaftsordnungen und über das, was wir in der ideologischen Auseinandersetzung, die ja durch die Entspannungspolitik nicht abgeschafft, sondern noch verschärft worden ist, tun müssen, müssen wir im einzelnen reden. Wir tun das viel zuwenig.
    Ich will jetzt nicht im einzelnen ausführen, wie sich diese Frage in der DDR und in der Bundesre-
    12322 Deutscher Bundestag —.8. Wahlperiode — 154. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. Mai 1979
    Dr. Ehmke
    publik entwickelt hat, einfach weil ich Ihre Zeit nicht übermäßig in Anspruch nehmen möchte.

    (Dr. Hennig [CDU/CSU]: Jugoslawisches Modell!)

    Aber: Was ist die innere Dimension der deutschen Frage? Welche Veränderungen im Verhältnis der beiden Gesellschaftsordnungen oder der beiden Ideologien müßten eintreten, wenn man überhaupt von nationaler Einheit reden und sie nicht nur als Wort benutzen will?

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Wertneutral!)

    — Nein, das kann man natürlich nicht wertneutral sehen. Sie können nicht glauben, zwei politische Ordnungen „wertneutral" zusammenbringen zu können. Das eigentliche Problem ist doch, daß die Teilung Deutschlands uns zugleich in zwei ideologische Blöcke teilt.
    Nun hat der Kollege Barzel darauf hingewiesen, daß die Frage, ob man die Regimes in Osteuropa „stabilisieren" solle, problematisch sei. Ich teile Ihre Meinung. Wir haben uns das angewöhnt, übrigens alle zusammen, nicht nur die Union. Ich bin aber der Ansicht, daß wir die Frage, wie unser Verhältnis zu den kommunistischen Regimes sein sollte, nicht in der Terminologie behandeln dürfen, ob wir sie „destabilisieren" oder „stabilisieren" sollten. Ich halte das für eine falsche Terminologie. Sie zu „destabilisieren" in der Absicht, sie zu stürzen, wäre — abgesehen von der Frage, ob man das überhaupt könnte — gar nicht zu verantworten, denn die Alternative wäre das Chaos. Der Westen ist sich auch einig: Krieg wäre selbst dann keine Alternative, wenn einmal sowjetische Panzer zur nächsten Scheinstabilisierung im Ostblock rollen sollten, was keiner ausschließen kann.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Das war ein interessantes Wort!)

    Ich sage also: Wir sind nicht daran interessiert, dort Chaos zu schaffen, selbst wenn wir es könnten. Aber ich halte, weil ich die Regimes so beurteile wie Sie, auch den Umkehrschluß, wir seien an ihrer „Stabilisierung" interessiert, mindestens für-sehr mißverständlich. Wir wollen dort jemanden haben, mit dem wir Entspannungspolitik machen können, aber wir wollen nicht ein Regime aufrechterhalten, das unseren eigenen Überzeugungen und denen unserer Landsleute in der Frage der Einheit und in der Frage der Freiheit widerspricht.
    Eines muß sich die DDR nun einmal sagen lassen: Man kann mit großer Objektivität den antifaschistischen Ansatz betrachten, der dort nach dem Krieg gefunden worden ist. Die Literatur in der DDR — Kollegen von allen Parteien sind heute auf sie eingegangen — stellt zum Teil große deutsche Literatur dar. Diese Literatur zeigt, daß es einen genuinen antifaschistischen Ansatz gegeben hat. Nur, davon ist in dem Bindestrichdogmatismus des Marxismus-Leninismus nicht viel übriggeblieben. Ich könnte verschiedene Namen zu dieser Frage noch einmal zitieren. Daß man heute drüben eine solche Schwäche zeigt, daß man nicht einmal mehr die Journalisten das schreiben läßt, was sie schreiben wollen, zeigt — das muß klar gesagt werden und wird von uns gesagt; es wird nicht aggressiv gesagt, aber noch festgestellt Dieses Regime war nicht in der Lage, eine Ordnung zu schaffen, die für unsere Landsleute drüben innerlich akzeptabel ist.
    Darum kann in diesem Sinne auch nicht ein Interesse unsererseits bestehen, es zu „stabilisieren". So wie die äußere Dimension der deutschen Frage Entspannung heißt, heißt die innere Dimension Reform. Wir müssen alles tun, soweit wir überhaupt etwas tun können, dort eine Entwicklung einzuleiten — sonst gibt es nämlich nie eine deutsche Einheit —, die das, was uns im Kern trennt, abbaut. Das sind nicht Fragen des Privateigentums an Produktionsmitteln; das sind Freiheitsfragen. Ich glaube, auch darin stimmen wir überein. Daher müssen zwischen den beiden deutschen Staaten auch diese Fragen diskutiert werden. Das ist auch das Selbstverständlichste in der Welt, denn die DDR hat wie alle Unterzeichnerstaaten in der Schlußakte von Helsinki ja unterschrieben, daß wir nicht nur ein Europa mit einem Verhältnis guter Nachbarschaft haben wollen, sondern auch ein Europa, in dem Menschenrechte gelten.
    Ich glaube, in diesen beiden Dimensionen liegt das Wesentliche. Im Äußeren: Entspannungspolitik, Europapolitik, die in einem Abbau der Teilung Europas die Teilung Deutschlands überwinden will. Und im Innern eine Auseinandersetzung, wie wir Sozialdemokraten sie vom Boden des freiheitlichen Sozialismus intensiver führen als jeder andere gegenüber dem Kommunismus. Das ist auch der Grund, warum wir uns mit dem Eurokommunismus beschäftigen, mit dem, was dort im Bereich des Kommunismus vorgeht, und mit dem Prager Frühling. Diese Auseinandersetzung muß mit dem Ziele einer Reform fortgeführt werden, die Menschenrechte auch im anderen Teil Europas möglich macht.
    Nun mag man aber sagen: es ist ganz unwahrscheinlich, daß das klappt. Und sicher wird es nicht automatisch gehen, wie Herr Zimmermann gemeint hat. Aber ich sehe keine Alternative. Auch Sie haben keine genannt. Es hat auch keinen Zweck, hinter großen Worten so zu tun, als ob Sie oder ich etwas in der Tasche hätten, was die Lösung bringen könne. Es wird ein langer, geduldiger Versuch mit der Gefahr des Scheiterns sein. Wir müssen ihn trotzdem unternehmen, weil nur eine solche Deutschlandpolitik in der Lage sein wird, der deutschen Geschichte nach der Katastrophe einen Sinn zu geben, einen Menschensinn.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD und der FDP)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Abelein.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Manfred Abelein


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe schon eine Weile darüber nachgedacht, wieso eigentlich der Herr Bundeskanzler nicht mehr da ist, da es sich doch



    Dr. Abelein
    um eine Debatte über die Regierungserklärung, über seine Erklärung handelt. In der Zwischenzeit ist mir klargeworden, besonders noch durch die Ausführungen des Kollegen Ehmke: die Debatte hat mit den Ausführungen des Bundeskanzlers überhaupt nichts mehr zu tun. Das, was er sagte, wird hier gar nicht mehr debattiert, schon stundenlang nicht mehr. Das scheint mir symptomatisch für die Regierungskoalition überhaupt zu sein. Da ist auf der einen Seite der große Alleingänger Helmut Schmidt. Auf der anderen Seite sind all die anderen. Die Frage, die sich hier stellt, ist nur: Wer redet eigentlich für Sie? Ich habe den Eindruck — nicht erst heute —, daß es sich um ein reichlich doppelbödiges Spiel handelt, das hier gespielt wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Ehmke [SPD]: Wir sind jetzt wieder bei der Gemeinsamkeit!)

    -- Wenn Sie von Gemeinsamkeit reden, Herr Ehmke, hat das einen komischen Klang, zumal noch im Hinblick auf Ihren Nebensitzer; aber ich bin gerne bereit, auch darauf einzugehen.

    (Zuruf von der SPD: So ein Niveau!)

    Eine Bilanz, egal zu welchem Thema, auch über die Deutschlandpolitik, hat natürlich Plus und Minus aufzuweisen. Davon sind wir eigentlich immer ausgegangen. Wenn man sich so anstrengt, wie Sie das getan haben — Sie haben das zweifellos —, wenn man derart viele politische Positionen riskiert, aufgibt, so viel Geld investiert in ein solches Unternehmen „neue Deutschlandpolitik", muß ja wohl auch auf der positiven Seite irgend etwas vorhanden sein. Worauf es hier ankommt, ist, in einer Gegenüberstellung festzustellen, wie diese Bilanz aussieht. Die sieht nicht gut aus; das wissen Sie genauso wie wir. Natürlich brauchen Sie das hier nicht zuzugeben. Wir sind politisch genug, um einzusehen und zu akzeptieren, daß Sie gar nicht in der Lage sind, jetzt hier eine offene und klare Bilanz aufzustellen. Es genügt auch — mehr wird von Ihnen gar nicht erwartet —, wenn Sie vielleicht die positiven Dinge aufweisen. Deren gibt es einige. Aber es gibt natürlich eine ganze Reihe von anderen Positionen.
    Die entscheidende Zielsetzung ist nicht erreicht worden. Sie wollten doch nicht nur den Reiseverkehr verbessern; Sie wollten doch nicht nur, daß man mehr telefonieren kann; Sie wollten doch nicht nur, daß man von der einen Seite in die andere reisen kann. Die Zielsetzungen waren doch sehr viel anspruchsvoller. Ich erinnere Sie nur an die vielen Formeln, die Sie gebraucht haben. Sie wollten doch vom Gegeneinander über das Nebeneinander zum Miteinander kommen. Sie haben doch vorher gesagt, diese Politik sei der Anfang des Endes beispielsweise vom Schießen. Sie wollten die beiden deutschen Staaten einander näherbringen. Wenn Sie den gegenwärtigen Zustand damit vergleichen, dann kommen Sie zu dem Ergebnis, daß alle diese Zielsetzungen nicht erreicht worden sind. Was wir haben, ist nicht eine Politik der Gemeinsamkeit, sondern eine Politik der forcierten Abgrenzung auf der anderen Seite. Wir haben nicht ein Miteinander, noch nicht einmal ein Nebeneinander, wir haben ein aggressiveres Gegeneinander als je zuvor. Das kennzeichnet doch die Situation bis in die letzten Tage: Journalistenverordnung. Selbst das, was Sie an Abreden, Vereinbarungen, Briefwechseln und Protokollnotizen alles zu Papier "gebracht haben, ist doch, wie Sie selber sagen, in der Zwischenzeit durchlöchert. Das sind Zitate von Ihnen.
    Jetzt kommt noch eine Ausweisung eines Journalisten hinzu, gar nicht die erste. Das ist ja nur ein Punkt in der Entwicklung dieser Abgrenzungspolitik.
    Meine Damen und Herren, Sie sind hier in einer schwierigen Position. Das hat ja einer Ihrer Minister in einer der letzten Debatten hier zugegeben, als er sagte, rechtlich sei die Sache durchaus dubios. Was wir Ihnen vorgeworfen haben, ist gerade, daß Sie Verträge und Abkommen abgeschlossen haben, die rechtlich dubios sind. Sie sind auf dieser Ebene in einer ganz schwachen Position. Ich erinnere Sie daran, daß in diesen Abkommen, genauer gesagt in diesen Briefwechseln — Abkommen ist eine Bezeichnung, die gar nicht so zutrifft —, steht, daß das Ganze natürlich nur im Rahmen der Rechtsordnung der DDR geschehen könne. Wir haben Ihnen damals schon gesagt, daß damit Tür und Tor für jede weitere Entwicklung geöffnet ist, unter anderem für die Entwicklung, die wir jetzt auf dem Gebiet der Eingrenzung der Arbeitsmöglichkeiten der Journalisten vor uns haben. Dies war immer klar. Dennoch müssen Sie sich natürlich die Frage stellen lassen, was Sie tun wollen, damit es nicht mehr so weitergeht. Sie können sich diese Politik der Durchlöcherung von Vereinbarungen, die Sie mit der DDR getroffen haben, und diese dauernden Unfreundlichkeiten nicht ständig bieten lassen. Das ist doch auch noch eine Frage der Selbstachtung, die sich Ihnen offensichtlich überhaupt nicht stellt.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Die ist denen verlorengegangen!)

    Meine Damen und Herren, im übrigen sind wir nicht so hilflos, wie Sie das darstellen. Dies hat der Kollege Barzel das letztemal gesagt, und das haben wir Ihnen im Laufe der Jahre immer wieder gesagt. Wir sind, um nur auf diesen einen Punkt hinzuweisen, der Meinung, daß man die wirtschaftlichen Beziehungen mit der DDR sehr wohl pflegen sollte. Wir sind hier auch für finanzielle Leistungen. Das haben wir praktiziert, ehe Sie dazu die Gelegenheit hatten, allerdings maßvoller, politisch mehr im Gleichgewicht stehend und mehr auf der Basis der Gegenseitigkeit. Ich finde aber, daß Sie das gar nicht so spektakulär zu machen brauchen. Wir sind gar nicht dafür, daß Sie groß mit der Peitsche knallen. Sie könnten aber bei den Gesprächen, die Sie mit der DDR führen, beispielsweise darauf hinweisen, daß die Kreditierung, genannt Swing, die im Jahre 1981 zu verlängern oder neu abzuschließen ist — Sie werden 1980 darüber sprechen —, in dem bisherigen Umfang schwerlich aufrechterhalten werden kann, wenn die DDR sich nicht umstellt und sich ein anderes Verhalten gegenüber der Bundesrepublik Deutschland zulegt,



    Dr. Abelein
    Das ist doch keine Zumutung! Wenn Sie von vornherein sagen, all das gehe nicht, dann stellen Sie der DDR einen Freibrief aus, alles zu tun, was sie will.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    Es ist bekannt und auch natürlich, daß es in allen menschlichen Gruppierungen verschiedene Charaktere gibt. Es gibt härtere und weichere, es gibt konzessionsbereitere und solche, die nicht zur Verständigung bereit sind. Sie entziehen doch denen in der DDR, die im ökonomischen Bereich tätig sind, den Boden ihrer Argumentation gegenüber den Harten, den „Falken", wenn Sie nicht auf die Risiken einer derartigen Politik der Abgrenzung und Unfreundlichkeit gegenüber der Bundesrepublik Deutschland hinweisen. Hier gibt es ein Feld der Gemeinsamkeit. Das haben wir Ihnen doch schon einmal angeboten. Es ist doch keine Politik, unbegrenzt für eine Politik der DDR zu bezahlen, die, wie Sie selber sagen, die mit Ihnen getroffenen Abmachungen durchlöchert.
    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich wenigstens andeutungsweise noch einiges zur Bilanz der Deutschlandpolitik sagen; denn Sie, Herr Bundesminister — und der Herr Bundeskanzler schon gar nicht —, haben diese Bilanz natürlich aufgestellt. Sie haben nur die eine Spalte dargestellt.
    Gehen wir doch nur einmal vom Grundlagenvertrag aus: Der Grundlagenvertrag sieht doch vor, daß die Leistungen unsererseits, an denen die DDR interessiert war, sofort zu erbringen waren, während die Gegenleistungen in Inaussichtstellungen in diesem Katalog des Artikels 7 bestehen. Was ist denn davon realisiert worden? Die Bilanz der Gegenleistungen entsprechend dem Artikel 7 ist doch mehr als kläglich. Es gibt ein Gesundheitsabkommen, ein Postabkommen. Wir sind für alle diese Dinge. Aber die Vorteile liegen nicht nur auf unserer Seite. Denken Sie beim Postabkommen etwa an die Gebühreneinnahmen für den Telefonverkehr. Die DDR wird sich doch diese enorme Devisenquelle — noch dazu bei Gebühren, die mir reichlich überhöht erscheinen — nicht entgehen lassen. Dann haben Sie noch ein Transferabkommen abgeschlossen, in dem Unterhaltszahlungen, also nicht kommerzieller Zahlungsverkehr, geregelt sind und das nach eineinhalb Jahren bereits nicht mehr funktioniert hat. Jetzt stellen Sie es als große Leistung heraus, daß 200 Millionen DM an uns gezahlt werden, die wir jedoch vorher in die Kassen der DDR bezahlt haben. Das ist doch kein Vorgang, der das Prädikat Politik verdient.
    Ich nenne ferner die Sportbeziehungen. Das läuft doch nicht gut! Ersparen Sie mir, Einzelheiten zu schildern.
    Was gegenwärtig über dieser Politik geschrieben steht, ist doch folgendes: Diese Politik hat die entscheidenden Zielsetzungen grundsätzlich nicht erreicht. Sie haben sie in der Zwischenzeit auch aufgegeben. Bei einzelnen technischen Fragen, beispielsweise im Verkehrsbereich, wird die eine oder andere Regelung gegen Zahlung enormer Summen erreicht.
    Meine Damen und Herren, ich möchte auf den Häftlingsaustausch deshalb eingehen, weil Sie, Herr Minister, das vorhin geschildert haben. Wir haben bisher eigentlich immer die Übung gehabt, dieses Thema in diesem Hause nicht öffentlich anzusprechen. Ich habe mich daran bisher immer gehalten; Sie haben jedoch immer Erfolge vermeldet. Ich möchte darüber überhaupt keine Meinungsverschiedenheiten aufkommen lassen. Bei uns ist mit dem Austausch unter dem Kollegen Barzel begonnen worden, und unter seinen Nachfolgern ist er fortgesetzt worden. Wir meinen sehr wohl, daß man den armen betroffenen Menschen, wenn man ihnen helfen kann, auch künftig wird helfen müssen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir haben darüber nie Unklarheiten aufkommen lassen. Das ist aber kein Erfolg einer Politik. Wir sind alle in einer merkwürdigen Situation, weil unsere Bereitschaft, Menschlichkeit zu praktizieren, von der anderen Seite zum Gegenstand einer finanziellen Erpressung gemacht wird.

    (Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

    Ich meine, darauf wird man doch wohl noch hinweisen dürfen. Nie ist etwas anderes gemeint gewesen, wenn sich einer unserer Kollegen dazu geäußert hat.
    Lassen Sie mich auf einiges von dem eingehen, was Herr Kollege Ehmke hier angesprochen hat. Bei den Überlegungen, was man bei dieser Debatte vorbringen könnte, stellte sich mir unter anderem die Frage: Was wird eigentlich die junge Generation zu einer solchen Debatte sagen? Denn diese Frage wird auch die junge Generation demnächst wieder stärker beschäftigen. Teilweise wird behauptet, die junge Generation interessiere sich für die Wiedervereinigung gar nicht mehr so sehr. Ich glaube, im äußeren Erscheinungsbild der jungen Generation, in ihrem Lebensstil wird manches überdeckt, was in den tieferen Bewußtseinsschichten sehr wohl vorhanden ist. Aber junge Menschen kommen nie um die Frage herum: Welches ist denn eigentlich unser Standort, welches ist unsere historische Herkunft, der Ausgangspunkt der Bedingungen für die gegenwärtige Situation? Sie werden fragen: Wie ist denn das alles in Deutschland gekommen, worauf ist es zurückzuführen, daß wir gespalten sind, daß für 17 Millionen Deutsche der Nationalsozialismus nahtlos in den SED-Sozialismus überging?
    Halten wir uns doch einmal vor Augen: Ein Mensch, der 1933 in Leipzig geboren wurde, ist heute 46 Jahre alt und hat die Freiheit nie gesehen. Das ist ein sehr wichtiger Gesichtspunkt für die Beantwortung dieser Frage.
    Es gibt eine ganze Reihe von Überlegungen, die man hier anstellen muß und denen wir uns nicht leicht entziehen können, etwa die Frage: Sind wir Deutsche denn in unserer Geschichte so angelegt, daß wir für historische Irrtümer, für nationalistische Übertreibungen, für Gewalttätigkeit, für Aggressivität viel anfälliger als die anderen sind? Mit anderen Worten: Ist die Spaltung nicht eigentlich eine Konsequenz unserer eigenen Geschichte? Bezahlen



    Dr. Abelein
    wir in der deutschen Spaltung nicht eine Strafe für eine schwere politische Schuld in der Vergangenheit? Herr Ehmke ist ja darauf zurückgekommen. Zweifellos haben wir Schuld auf uns geladen. Aber die Antwort, die Sie hier gegeben haben, Herr Ehmke, die ist entschieden zu einfach,

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Sehr gut!)

    und weil sie zu einfach ist, ist sie letztlich falsch. Die These von der absoluten und totalen Mono-Kausalität, von der Schuld der Deutschen für das ganze Unheil in dieser Welt und hier in Mitteleuropa, die stimmt schlicht nicht.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich bin zwar auch der Meinung — man muß es der Objektivität wegen sein —, daß die Spaltung Deutschlands im Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus gesehen werden muß. Aber der Nationalsozialismus seinerseits ist auch nicht im luftleeren Raum entstanden. Da gibt es eine ganze Reihe von Umständen und Zusammenhänge, die man dann mit behandeln muß.
    Wir waren bei der Beurteilung der Geschichte der letzten drei Generationen in Deutschland sehr befangen. Ich muß gestehen: Ich bin es nicht. Das ist der Vorteil, einer Generation anzugehören, die mit den Vorgängen zwischen 1933 und 1945 nichts mehr zu tun hatte. Ich freue mich auch sehr, daß sich in der neueren Geschichtsschreibung jetzt zunehmend Ansätze für eine objektivere Behandlung dieser Entwicklung der letzten Generation zeigen.
    Nun komme ich wieder zu dem Beispiel zurück, das ich gebracht habe, zu dem Leipziger von 46 Jahren, der die Freiheit nie gesehen hat; er wird nie verstehen können, daß just er zu denjenigen gehört, die in alle Ewigkeit die Zeche für die Ereignisse des Zweiten Weltkriegs zu bezahlen haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Herr Ehmke, Sie müssen Hitler an erster Stelle nennen. Aber es sind andere Kräfte, die die Spaltung, und zwar rechtswidrig und gegen jegliche Regel der Humanität, heute noch aufrechterhalten. Die müssen Sie auch nennen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die Frage, die sich der jungen Generation stellt, hat damit zu tun. Es ist die Frage nach Deutschland. Wir werden uns ihr nicht entziehen können. Ich bin der festen Überzeugung, die Fragen, die wir heute behandeln, werden in Zukunft noch eine sehr große Rolle spielen.
    Bundesrepublik Deutschland und DDR oder, wie heute in weiten Kreisen üblich, BRD und DDR — ist das Deutschland? Das gehört zweifellos zu Deutschland. Das sind Teile Deutschlands. Es sind noch nicht einmal alle Teile. Wenn wir von Deutschland und den Deutschen sprechen, meinen wir alle Deutschen auf dieser Welt, gleichgültig, an welchem Ort sie leben.

    (Dr. Ehmke [SPD] : Wollen Sie die alle wiedervereinigen?)

    — Herr Ehmke, es ist völlig aussichtslos, mich in Ihre Formeln, die Sie hochgespielt haben, einordnen zu wollen. Darauf lasse ich mich nicht ein. Ich werde Ihnen einmal sagen, worum es hier geht.
    Wir wollen die deutsche Einheit wieder. Die junge Generation muß sehr mißtrauisch werden, wenn von maßgeblichen Regierungspolitikern der Begriff der Wiedervereinigung relativiert wird. Sie haben dazu ja einiges erklärt. Aber die Art der Formulierungen macht uns sehr mißtrauisch — die Personen, die sie geäußert haben, im übrigen auch; ich gestehe das ganz offen.
    Wenn beispielsweise — ich kann es nicht anders bezeichnen — in diesem Jargon die Wiedervereinigung — so etwa sinngemäß — zur vorgestrigen Hostie erklärt wird, die man nicht ständig vor sich hertragen könne, macht uns das mißtrauisch.

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Wehner war das!)

    Ich frage: Was werden denn junge Menschen dazu sagen? Bei denen richten Sie eine komplette Konfusion an.

    (Dr. Ehmke [SPD] : Sie erklären doch gar nicht, was Sie unter Wiedervereinigung verstehen!)

    — Herr Ehmke, ich bin dabei, das jetzt im einzelnen auszuführen.
    Ich sage Ihnen: Hier drängt sich uns der dringende Verdacht auf, daß Sie sich nach der Erfolglosigkeit der sogenannten neuen Deutschlandpolitik jetzt anschicken, eine noch neuere Deutschlandpolitik mit der Aufgabe des Strebens nach der Einheit der Deutschen einzuleiten. Hinter dem Wortgeplänkel und den Deklamationen der großen Schauspieler der Koalition sind bereits die Kulissenschieber im Hintergrund am Werk, die die Bühne der Deutschlandpolitik gründlich verändern wollen.

    (Dr. Marx [CDU/CSU] : Die machen daraus eine Drehbühne!)

    Es ist unsere Aufgabe, hier sehr aufzupassen; denn wir sind mit Blick auf Sie gebrannte Kinder.

    (Jäger [Wangen] [CDU/CSU] : So ist es!)

    Lassen Sie mich noch eines sagen. Die deutsche Geschichte besteht nicht nur aus Adolf Hitler. Er ist ein Teil der deutschen Geschichte.

    (Dr. Ehmke [SPD] : Das hat auch niemand behauptet!)

    — Aber Sie akzentuieren mit Vorliebe diesen Teil. Damit übernehmen Sie von interessierter Seite eine Argumentation, mit der versucht wird — und das ist eine historische Geschichtsklitterung —, die deutsche Spaltung moralisch zusätzlich zu untermauern.

    (Beifall bei der CDU/CSU) Ich halte das nicht für human.

    Ich versuche jetzt einmal, darzutun, worum es uns bei der Frage der Wiedervereinigung Deutschlands geht. Wir wollen, daß die Menschen in Deutschland selbst darüber bestimmen können, in welcher Gesellschafts- und Staatsform sie leben wollen. Sie



    Dr. Abelein
    sollen selbst darüber bestimmen und nicht irgendeine auswärtige Macht.

    (Dr. Ehmke [SPD] : Einverstanden!)

    Jetzt komme ich zu einem ganz entscheidenden Punkt: Wenn die Deutschen — hauptsächlich die betroffenen 17 Millionen Deutschen — ganz frei und ohne Druck darüber entschieden haben, daß sie in einem Staat leben wollen, der so aussieht wie die DDR, dann ist für uns dieses Problem erledigt. Solange sie das nicht können, ist dieses Problem für uns nicht erledigt.
    Ich finde, das entspricht den Menschenrechten. Das ist das Selbstbestimmungsrecht, das wir heute von Ihnen etwas prononcierter gehört haben. Das ist letztlich der Kern der Wiedervereinigung. Deswegen wollen wir sie haben. Wir wollen nicht aus historischen Reminiszenzen heraus zu einem Reich Bismarcks zurück; denn Bismarck können wir nicht mehr zum Leben erwecken, und das Bismarck-Reich, wie es damals historisch war, werden wir nicht mehr bekommen können, selbst wenn wir wollten. Aber wir wollen es gar nicht.
    Aber wir wollen die Einheit der Deutschen wieder, d. h., wir wollen, daß die darüber bestimmen können, ob sie diese Einheit wollen oder nicht.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    Meine Antwort darauf lautet: Ich bin mir sicher, daß sie es wollen. Weil diejenigen, die mitunter vom Selbstbestimmungsrecht reden, auch wissen, daß die 17 Millionen drüben in der Zone das ebenfalls wollen und so stimmen würden, deswegen dürfen die 17 Millionen nicht abstimmen. Ich halte es für inhuman, wenn wir diese Dinge hier nicht so zur Sprache bringen würden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)