Rede:
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Metadaten
  • insert_drive_fileAus Protokoll: 8154

  • date_rangeDatum: 17. Mai 1979

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    Plenarprotokoll 8/154 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 154. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 17. Mai 1979 Inhalt: Begrüßung der Präsidentin des Senats von Kanada, Frau Renaude Lapointe . . . . 12266 B Bericht zur Lage der Nation Schmidt, Bundeskanzler . . . . . . . 12253 A Dr. Kohl CDU/CSU . . . . . . . . . 12266 C Mattick SPD . . . . . . . . . . 12279 C Hoppe FDP 12285 A Dr. Zimmermann CDU/CSU . . . . . 12289 B Friedrich (Würzburg) SPD . . . . . . 12296 C Dr. Wendig FDP 12301 C Franke, Bundesminister BMB . . . . . 12306 A Dr. Barzel CDU/CSU . . . . . . . . 12309 D Dr. Ehmke SPD 12315 D Dr. Abelein CDU/CSU 12322 D Ludewig FDP 12327 C Dr. Gruhl fraktionslos 12329 A Dr. Czaja CDU/CSU 12331 C Hofmann (Kronach) SPD . . . . . . 12335 C Graf Huyn CDU/CSU 12337 C Schulze (Berlin) SPD 12340 C Baron von Wrangel CDU/CSU . . . . . 12342 B Büchler (Hof) SPD . . . . . . . . . 12343 C Erklärungen nach § 35 GO Jäger (Wangen) CDU/CSU 12344 D Dr. Ehmke SPD 12345 B Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Umsatzsteuergesetzes (UStG 1979) — Drucksache 8/1779 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/2864 — Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses — Drucksache 8/2827 — Kühbacher SPD . . . 12345 D, 12347 B, 12353 C Di . Meyer zu Bentrup CDU/CSU . 12346 B, 12347 B Frau Matthäus-Maier FDP . . . . . . . 12347 C Dr. Kreile CDU/CSU 12348 B Frau Funcke FDP 12 357 B Matthöfer, Bundesminister BMF 12360 B II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 154. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. Mai 1979 Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Jenninger, Dr. Jobst, Röhner, Dr. George, Dr. Friedmann, Schröder (Lüneburg), Carstens (Emstek), Dr. von Wartenberg, Sauter (Epfendorf), Dr. Schulte (Schwäbisch Gmünd), Dr. Dregger, Kolb, Broll, Hanz, Spranger, Seiters, Glos, Susset, Dr. Waigel, Dr. Sprung, Dr. Warnke, Gerlach (Obernau), Dr. Miltner und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Investitionszulagengesetzes — Drucksache 8/2780 — 12361 D Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung der Bundesnotarordnung — Drucksache 8/2782 — 12362 A Beratung der Sammelübersicht 45 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen mit Statistik über die beim Deutschen Bundestag in der Zeit vom 14. Dezember 1976 bis 31. März 1979 eingegangenen Petitionen — Drucksache 8/2786 — in Verbindung mit Beratung der Sammelübersicht 46 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 8/2826 — 12362 A Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU Steuerliche Behandlung der gemeinnützigen Sportvereine — Drucksache 8/2668 — Dr. Schäuble CDU/CSU 12362 C Schirmer SPD 12364 B Mischnick FDP 12365 D Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Dollinger, Dr. Friedmann, Niegel, Dr. Sprung, Dr. Stavenhagen, Damm, Biehle, Dr. Schulte (Schwäbisch Gmünd) und der Fraktion der CDU/CSU Bessere Bedingungen für den CB-Funk — Drucksache 8/2727 —Dr. Friedmann CDU/CSU . . . . . . 13368 C Wuttke SPD 13370 A Hoffie FDP 12371 B Beratung der Ubersicht 9 des Rechtsausschusses über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht — Drucksache 8/2800 — 12373 A Nächste Sitzung 12373 C Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten . . . 12375*A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 154. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. Mai 1979 12253 154. Sitzung Bonn, den 17. Mai 1979 Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete (r) entschuldigt bis einschließlich Adams *** 17. 5. Dr. van Aerssen *** 18.5. Dr. Ahrens ** 17. 5. Dr. Aigner *** 18. 5. Alber *** 18. 5. Dr. Bangemann *** 17. 5. Frau Benedix 18. 5. Dr. von Bismarck 18. 5. Dr. Böhme (Freiburg) 18.5. Frau von Bothmer ** 17. 5. Büchner (Speyer) * 18. 5. Dr. Dollinger 18. 5. Fellermaier *** 18. 5. Dr. Fuchs 18.5. Haberl 18. 5. Handlos * 18. 5. von Hassel 17. 5. Dr. Haussmann 18. 5. Frau Hürland 18. 5. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union *** für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete () entschuldigt bis einschließlich Katzer 18. 5. Dr. Klepsch *** 17. 5. Dr. h. c. Kiesinger 18. 5. Klinker 18.5. Kolb 13. 5. Frau Krone-Appuhn 17. 5. Lange** 13. 5. Lemp *** 18. 5. Dr. Lenz (Bergstraße) 17. 5. Lenzer *** 13.5. Lücker *** 18. 5. Müller (Bayreuth) 18. 5. Müller (Mülheim) *** 18. 5. Müller (Remscheid) 18. 5. Neumann (Bramsche) 17. 5. Offergeld 18.5. Rapp (Göppingen) 18. 5. Frau Dr. Riede (Oeffingen) 18. 5. Frau Schlei 18.5. Schreiber *** 18. 5. Dr. Schwörer'** 18. 5. Seefeld *** 18. 5. Dr. Starke (Franken) *** 18. 5. Frau Dr. Walz *** 17. 5. Wawrzik *** 18. 5. Weber (Heidelberg) 18. 5. Wohlrabe 18. 5. Würtz *** 17. 5. Zeitler 18. 5.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe Punkt 2 unserer Tagesordnung auf: Bericht zur Lage der Nation
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.

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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: ()
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe die Absicht, zunächst auf das letzte Jahr der innerdeutschen Beziehungen einzugehen, sodann über den nach 30 Jahren in beiden Teilen Deutschlands erreichten Stand und schließlich über die Zukunftsaspekte zu berichten.
    Im letzten Bericht zur Lage der Nation, im vorigen Frühjahr, hatte ich zusammenfassend dargelegt, daß die Bundesregierung die Entwicklung der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik trotz der gelegentlichen Rückschläge insgesamt positiv bewertet. Ich habe damals hinzugefügt, daß Bundeskanzler Brandt wie auch der derzeitige Bundeskanzler und andere seit 1969 oft die Forderung wiederholt haben, sich auf Rückschläge einzurichten und sich von ihnen nicht beirren zu lassen. Das trifft ohne Einschränkung auch auf die Entwicklung seit dem letzten Frühjahr und seit dem letzten Bericht zu.
    Im Laufe des Jahres 1978 sind erneut etwa 12 000 Menschen aus der DDR in die Bundesrepublik gekommen, darunter über 8 000 Personen, die mit Zustimmung ihrer Behörden die DDR haben verlassen können. Wir sehen darin einen wichtigen Erfolg unserer humanitären Bemühungen.
    Im Reiseverkehr ist die seit Jahren zu beobachtende Entwicklung unverändert. Der hohe Stand der Reisen von Westdeutschen und West-Berlinern nach Ost-Berlin und in die DDR hat sich auch gegenüber dem Vorjahr auf gleichem Stande bewegt. Es wurden wiederum etwa 8 Millionen Reisen in West-OstRichtung gezählt. Aus der DDR konnten dagegen nur knapp 11/2 Millionen Bürger zu Besuch in die Bundesrepublik kommen, zum allergrößten Teil Rentner. Dazu kamen noch 50 000 Reisen wegen dringender Familienangelegenheiten. Bei dieser Besuchergruppe haben wir zum erstenmal seit Jahren eine Steigerung registriert, und zwar um fast 20 °/°. Wir begrüßen das.
    Es bleibt weiterhin zu beklagen, daß die Reisemöglichkeiten für DDR-Bürger unterhalb des Rentenalters nach wie vor außerordentlich eingeschränkt sind. Zahllosen Menschen in der DDR, die reisen wollen, wird das verwehrt, obwohl an ihrer Rückkehrabsicht ein Zweifel nicht bestehen kann und die Devisenprobleme, falls es solche geben sollte, sicherlich lösbar wären. Alle anderen osteuropäischen Regierungen setzen mehr Vertrauen in die Loyalität ihrer Bürger und zeigen mehr Verständnis für deren natürliche Reisewünsche. Für die Bundesregierung hat die Verbesserung der Reisemöglichkeiten auch weiterhin hohe Bedeutung.
    Die lebenswichtigen Verkehrsverbindungen zwischen Berlin und dem Bundesgebiet sind 1978 weiterhin verbessert worden. Auf Grund der Vereinbarungen vom letzten Jahr werden — in wenigen Tagen ist der Baubeginn — die Autobahn zwischen Berlin und Hamburg und der Teltowkanal instand gesetzt. Gleichzeitig werden dringende Reparaturen an den Transitwasserstraßen durchgeführt. 1980, im nächsten Jahr, wird schließlich über weitere Verkehrsverbesserungen verhandelt werden.
    Die von uns zu zahlende Transitpauschale ist zum erstenmal langfristig auf zehn Jahre festgelegt worden. Alles das sind Verbesserungen, die viel Geld kosten. Wir haben uns gleichwohl für diese Projekte entschieden, weil sie zum einen die Lebens- und Wirtschaftskraft Berlins stärken und damit zugleich die politisch-psychologische Situation der Stadt verbessern, weil sie zum anderen durch ihre Größenordnung, durch ihre Langfristigkeit zusätzliche Elemente der Stabilität in die immer noch labilen Beziehungen zwischen den beiden Staaten einbringen. Es ist im Rahmen der Verkehrsverhandlungen endlich auch ein Weg gefunden worden, die Probleme zu lösen, die in den vergangenen Jahren den Transfer von Guthaben älterer Menschen und jüngerer bedürftiger aus der DDR in die Bundesrepublik erschwert haben. Die DDR hat für diesen Zweck zusätzlich 200 Millionen DM zur Verfügung gestellt.
    Ende November vorigen Jahres wurde in Bonn das sogenannte Grenzprotokoll unterzeichnet. Es be-



    Bundeskanzler Schmidt
    trifft die Markierung der zwischen den beiden deutschen Staaten bestehenden Grenzen. Es enthält als Anlage eine Grenzdokumentation und regelt praktische Probleme, die mit dem Grenzverlauf im Zusammenhang stehen. Diese mit großer Sorgfalt ausgearbeiteten Dokumente sind das Ergebnis einer langjährigen Arbeit der Grenzkommission. Naturgemäß konnten die fundamentalen Probleme und Härten der Grenze durch die Grenzkommission nicht gelöst werden. Das konnte auch ihre Aufgabe nicht sein.
    Um so wichtiger ist es, daß mit den getroffenen Regelungen den Menschen an der Grenze mehr Sicherheit gegeben und ihre Situation insgesamt erträglicher gemacht wird. Nicht zufällig ist die Zahl der schweren Zwischenfälle in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen. Wir sehen in der Arbeit der Grenzkommission, die fortgesetzt werden soll, einen wichtigen Beitrag zur Konfliktminderung.
    Allerdings ist eine Einschränkung notwendig: Die Grenzkommission hat über den Verlauf der Elbe-grenze und einiger anderer kleiner Grenzabschnitte keine übereinstimmende Feststellung erzielen können. Beide Seiten sind sich aber einig darüber, daß ungeachtet ihrer unterschiedlichen Auffassung zur Rechtslage auch im Elbebereich Schwierigkeiten und Konflikte vermieden werden müssen.
    Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen beiden Staaten haben sich im vergangenen Jahr nicht in dem Maße entwickelt, wie es die Bundesregierung im gemeinsamen Interesse beider Staaten anstrebt. Zwar hat das Gesamtvolumen des Austauschs mit fast 9 Milliarden DM einen hohen Stand; aber im Vergleich zum Vorjahr ist 1978 der innerdeutsche Handel nur noch um 1 °/o gestiegen; die Lieferungen der DDR gingen sogar zurück.
    Ich will die Situation nicht dramatisieren, doch müssen wir feststellen, daß es Anstrengungen beider Seiten bedarf, um den Handel dem allgemeinen Wirtschaftswachstum entsprechend weiterzuentwikkeln. Dazu gehört die Schaffung günstiger Rahmenbedingungen, aber eben auch der politische Wille, den Handel zu fördern. Auf seiten der Bundesregierung ist dieser Wille gegeben. Wir gehen davon aus, daß auch die DDR an einer stetigen und ausgewogenen Entwicklung der Wirtschaftsbeziehungen interessiert ist.
    Die neuerlichen Einschränkungen der Arbeitsmöglichkeiten westlicher Journalisten in der DDR wie die erneute Ausweisung eines Fernsehkorrespondenten wertet die Bundesregierung als einen ernsten Rückschlag in ihrem Bemühen, mit der DDR zu korrekten zwischenstaatlichen Beziehungen, zu einem Verhältnis guter Nachbarschaft zu gelangen. Solche Maßnahmen rühren an die Grundprinzipien der Pressefreiheit, über' die es zwischen Ost und West tiefgreifende und natürlich auch in Helsinki nicht ausgeräumte Meinungsverschiedenheiten gibt. Das, was bei uns selbstverständlich ist und bei uns gleichsam zum freien Spiel der Kräfte gehört, rüttelt dort eben nach Meinung der Staatsführung an den Fundamenten des Staates und seiner Ideologie.
    Wir können diesen grundsätzlichen, ideologisch bedingten Konflikt heute nicht lösen, aber wir verlangen, daß konkrete vertragliche Verpflichtungen eingehalten werden. Dazu gehören auch die Verpflichtungen aus der Schlußakte der KSZE. Wir legen großen Wert auf eine ähnliche Haltung auch der osteuropäischen Staaten einschließlich der Sowjetunion.
    Wir haben aus politischen, humanitären, aus anderen Gründen aber daran zu denken, daß der freie Journalismus, der für uns ein unverzichtbarer Bestandteil unserer Ordnung ist, nicht das einzige ist, was die Beziehungen zwischen beiden Staaten bestimmen kann. Wir halten es weder für sinnvoll noch für zulässig, Strafaktionen in die Wege zu leiten, z. B. gegen die bei uns akkreditierten DDR-Journalisten. Sie können weiterhin in aller Freiheit über die angebliche Ausbeutung der Arbeiterklasse in der Bundesrepublik berichten.
    Wir wollen uns über unseren Weg nicht beirren lassen, denn es bleibt richtig, daß die vor zehn Jahren eingeleitete Politik den Menschen auf beiden Seiten und für beide Staaten Erleichterungen gebracht hat. Diese Entwicklung geht weiter, wird weitergehen, denn sie liegt im Interesse der Deutschen auf beiden Seiten wie im Interesse Europas. Wir jedenfalls werden uns deshalb auch zukünftig bemühen, die Kontakte zwischen den Deutschen zu vermehren, die politischen Gegensätze zu dämpfen und die Zusammenarbeit zwischen den beiden deutschen Staaten auszubauen, wo immer das möglich ist.
    Ein Wort zu Berlin. In meinen Gesprächen mit dem sowjetischen Generalsekretär Breschnew im vorigen Mai habe ich den Eindruck gewonnen, daß die sowjetische Führung die Berlin-Situation heute realistischer und ebenso wie wir in ihrer Bedeutung für die Entspannung in Europa und für die deutschsowjetischen Beziehungen sieht. Tatsächlich ist die politische Situation der Stadt seit Mitte des letzten Jahres ruhiger geworden. Die Reibungen mit der östlichen Seite haben abgenommen. Auch wir haben uns um Vernunft und um Mäßigung bemüht.
    Unsere Berlin-Politik besteht nicht darin, die europäische Entspannung demonstrativ in Berlin zu testen. Vielmehr sichern wir, daß die Früchte und Wirkungen der Entspannung in vollem Umfange auch Berlin zugute kommen. Wir sind auf diesem Wege ein gutes Stück vorangekommen.
    Berlin wird am 10. Juni, in weniger als einem Monat, an den Wahlen zum Europäischen Parlament teilnehmen. Allerdings werden die Berliner Abgeordneten nicht — wie im Bundesgebiet — direkt gewählt, sondern vielmehr durch das Abgeordnetenhaus berufen. Es wird damit sowohl dem Viermächtestatus Rechnung getragen als aber auch gewährleistet, daß Berlin in die Entwicklung der Europäischen Gemeinschaft einbezogen bleibt, soweit dies mit den Rechten und Verantwortlichkeiten der Drei Mächte vereinbar ist. Dies gilt seit Abschluß der Gründungsverträge der Europäischen Gemeinschaft. Es ist deshalb unbegründet, von einer Verletzung des Viermächteabkommens zu sprechen. Darüber ist



    Bundeskanzler Schmidt
    sich die Bundesregierung mit den Drei Mächten vollkommen einig.
    Zwar erwarten wir nicht, daß die Sowjetunion und ihre Verbündeten ihren Rechtsstandpunkt in dieser Frage aufgeben, wir hoffen aber, daß sich auch in dieser Frage eine pragmatische Beurteilung durchsetzen wird, welche die Zugehörigkeit West-Berlins zur Europäischen Gemeinschaft unter Wahrung der Rechte und der Verantwortlichkeiten der Drei Mächte respektiert. Wir und auch die übrige westliche Welt stellen umgekehrt auch die Zugehörigkeit Ost-Berlins zu dem östlichen Wirtschaftsverbund des RGW nicht in Frage.
    Meine Damen und Herren, es hat in den letzten Monaten eine Welle von Verdächtigungen gegeben, durch welche die Haltung der Bundesregierung oder der Koalition zur Frage der deutschen Einheit ins Zwielicht gerückt werden sollte. Das kann niemanden überraschen, der unsere Nachkriegsgeschichte kennt, daß wieder einmal einigen führenden Sozialdemokraten „Ausverkauf deutscher Interessen" oder „Verrat an Deutschland", und was da ähnliche Verunglimpfungen mehr waren, vorgeworfen wurde. Es bleibt nicht aus, daß durch solche bösartigen Kampagnen Verunsicherungen herbeigeredet werden, bei uns, aber auch bei unseren Nachbarn im Westen wie im Osten.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Ich möchte die Opposition auffordern, sich selbst darüber klarzuwerden, welchen Vorwurf sie eigentlich erheben wollte. Einmal haben Sie behauptet, daß Sozialdemokraten der deutschen Einheit wegen angeblich aus der NATO austreten wollten. Im gleichen Zeitraum — Frühjahr 1979 — haben Sie aber umgekehrt behauptet, die gleichen Sozialdemokraten wollten angeblich die Einheit Deutschlands überhaupt nicht mehr. Beides ist falsch, aber beide Vorwürfe schließen sich offensichtlich auch gegenseitig aus. Eigentlich müßte man den Ratschlag an Sie anschließen, bei Ihrer außenpolitischen Argumentation die elementaren Regeln der Logik zu beachten.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Zuruf von der CDU/CSU)

    Im übrigen bleibt zu sagen, daß solche Verdächtigungen des innenpolitischen Gegners den deutschen Interessen erheblichen Schaden zufügen können.
    Der Klarheit wegen und des records wegen möchte ich ganz lapidar zwei Sätze zur Sache wiederholen: Die Bundesrepublik Deutschland ist und wird ein Mitglied der Europäischen Gemeinschaft und des Atlantischen Bündnisses bleiben, das seine Pflichten und Verantwortlichkeiten ernst nimmt. Ebensowenig wird die DDR ihre wirtschaftlichen und militärpolitischen Bündnisse verlassen wollen. Die DDR würde das ja wohl auch gar nicht können. Diese Lage ist unverändert.
    Wir sehen keinen Widerspruch zwischen unserem Platz in den westlichen Gemeinschaften und den Zielen der Präambel des Grundgesetzes, wo es heißt:
    Das gesamte deutsche Volk bleibt aufgefordert, in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden.
    Das Ziel, die Einheit Deutschlands zu vollenden, ist kein restauratives Ziel, das versunkene historische Zeiten, versunkene Zustände oder Begriffe zu neuem Leben erwecken soll.
    Wie Bundespräsident Scheel im vorigen Jahr in seiner Rede zum 17. Juni gesagt hat, ist die Einheit Deutschlands ein europäisches Friedensziel, untrennbar mit dem Gedanken des Friedens, mit der Gewaltlosigkeit, mit der gegenseitigen Achtung zwischen den Völkern verbunden, und sie ist — auch das hat der Bundespräsident in einer sehr zu Herzen gehenden Rede klargemacht — die Vollendung unserer freiheitlichen Demokratie.
    Wenn wir in diesen Tagen die 30jährige Wiederkehr des Inkrafttretens unseres Grundgesetzes begehen, so ist das gewiß ein gutes Datum. Aber im Jahre 1949 wurde auch die Teilung Deutschlands auf lange Zeit verfestigt. Und so ist dieser Jahrestag für jeden Deutschen zugleich auch ein schmerzliches Datum.
    Das Jahr 1979 erinnert uns dann ebenfalls an das Jahr 1939, das Jahr des Kriegsausbruchs. So ist es zugleich ein Datum, das uns zu der Besinnung mahnt, daß es ohne den Krieg eine deutsche Teilung nicht gegeben hätte.
    Als wir damals vor 30 Jahren in den demokratischen Parteien darangingen, diesen Staat aus den Trümmern aufzubauen, hatten wir uns als erstes mit der Last der Vergangenheit auseinanderzusetzen. Viele in Deutschland haben sich von Anfang an der Geschichte gestellt, insbesondere der damals jüngsten Geschichte. Aber es sollte und darf wohl auch nicht verschwiegen werden: Das haben nicht alle getan. Andererseits gab es die Erklärung der Evangelischen Kirche in Deutschland schon 1945 in Treysa, die sich zu den Fehlern der Vergangenheit bekannte. Es gab die große Rede Theodor Heuss' im November 1952 bei der Einweihung des Erinnerungsdenkmals in Bergen-Belsen, es gab die Auseinandersetzung mit Alain Resnais' Film „Nacht und Nebel", es gab die ungewöhnliche Verbreitung des „Tagebuchs der Anne Frank" — es wurden damals in Deutschland 400 000 Exemplare davon verkauft — aber es gab eben auch Neonazismus: die Sozialistische Reichspartei, vom Verfassungsgericht dann verboten, später DRP, später NPD; es gab auch Hakenkreuzschmierereien und die Schändung jüdischer Friedhöfe. Es gab — das ist auch heute noch nicht völlig überwunden — in einem erheblichen Teil unseres Volkes eine zwiespältige Einstellung zum deutschen Widerstand und zum 20. Juli. Es gab die Auseinandersetzung um den Regisseur Veit Harlan, der den Hetzfilm „Jud Süß" gemacht hatte, eine Auseinandersetzung, die Erich Lüth, Vorkämpfer für den „Frieden mit Israel", bis vor das Bundesverfassungsgericht brachte; es gab das AufrechnenWollen von Opfern und von Wiedergutmachungsleistungen, es gab auch — vor allem die junge Generation irritierend — zweifelhafte Besetzungen wichtiger staatlicher Positionen. Dies alles sind



    Bundeskanzler Schmidt
    Stationen eines mit Schwächen, mit Fehlern, mit Zweifeln, mit Ängsten, mit Verdrängungen — auch mit Schuld! — behafteten Versuchs gewesen, unsere, wie man bei uns zu sagen pflegt, Vergangenheit zu bewältigen und aus ihr zu lernen.
    Vieles haben wir gewiß zu spät begonnen, z. B. die KZ-Prozesse. Aber wir haben diesen Weg auch am Anfang und von Anfang an sehr ernsthaft zu gehen versucht. Der Versuch ist noch nicht beendet, er ist noch nicht vollendet.
    Als die Holocaust-Serie über unsere Fernsehschirme lief, wurden wir mit der nationalsozialistischen Vergangenheit in einer Weise konfrontiert, die wir vorher so noch nicht versucht hatten. Wir hatten unsere Vergangenheit rational zu begreifen versucht. Aber wir hatten sie dadurch von den Gefühlen weitgehend ausgesperrt.
    Warum war das so? Vielleicht war es die Angst, sich dieser Erschütterung auszusetzen. Aber es kann auch sein, daß uns ein Gefühl der Scham gehindert hat, unserem Gefühl der Trauer Ausdruck zu geben. Die Trauer um das Leiden der Verfolgten ist bei uns nicht von der Trauer über deutsche Schuld zu trennen. Die Gefahr bestand vielleicht, daß das Mitleid mit den Opfern in Selbstmitleid umgeschlagen wäre.
    Konnten wir, durften wir so unbefangen sein, dem Gefühl des Mitleids freien Raum zu lassen? Jedenfalls war es gut, daß wir durch diesen Fernsehfilm Holocaust erschüttert wurden, Ältere und Jüngere. Die Jüngeren haben die Älteren gefragt: War das so?, und manche der Älteren brauchten dann nur mit dem Kopf zu nicken.
    Diese Erfahrung hat die Generationsbrüche zwischen der Kriegsgeneration und den Nachkriegsgenerationen sicherlich nicht eingeebnet. Aber sie hat doch begehbare Übergänge oder Brücken geschlagen. Jüngere sehen besser, warum uns Älteren jede Gefahr für Freiheit und Demokratie vielleicht übergroß erscheinen muß. Für die Jüngeren selbst ist das alles Geschichte, in ihrem Vorstellungsvermögen genauso weit weg wie Bismarck oder Napoleon, ganz weit weg, Geschichte, für die sie keine Verantwortung tragen. Vielleicht verstehen sie unsere Besorgnis um die Freiheit jetzt viel besser, aber diese Besorgnisse teilen sie nur zum wenigsten.
    Jedoch: Die deutsche Vergangenheit wird auch die Jüngeren einholen; sie holt sie bereits ein. Die Debatte über die Verjährung von Mord, die wir im Bundestag führen, ist ein Beispiel dafür, auch ein Beispiel dafür, mit welcher Ernsthaftigkeit sich die Demokraten und ihre Parteien der Vergangenheit stellen, eine Debatte, die wir in dem Bewußtsein führen, daß sie von der ganzen Welt aufmerksam beobachtet wird.
    Die Welt hat mitverfolgt, wie im Majdanek-Prozeß einige der Angeklagten freigesprochen wurden. Das hat besonders in Israel und in Polen Befremden, ja, zum Teil Empörung ausgelöst. Der Zwiespalt, in dem jeder einzelne von uns bei der Verjährungsdebatte steht, tritt an diesem Beispiel besonders deutlich zutage. Wir verstehen die Reaktionen der KZ-Überlebenden und besonders der Angehörigen der Ermordeten. Unrecht muß gesühnt werden!
    Doch kann diese Sühne nur mit den Mitteln und nur im Rahmen des Rechts erfolgen. Das sind wir nicht nur uns selbst und unserer rechtsstaatlichen Ordnung schuldig, das sind wir auch den Ermordeten schuldig. Wir haben keine Justiz, die mit Mördern sympathisiert oder Mörder schützt, sondern wir haben eine Justiz, die an Recht und Gesetz gebunden ist. Jedermann hier hat Anspruch auf ein rechtsstaatliches Verfahren, auch wenn er sich mit furchtbarer Schuld beladen haben mag. So richtet sich der Auftrag des Grundgesetzes, die rechtsstaatliche Freiheit Deutschlands zu vollenden, zunächst an uns selbst.
    30 Jahre Bundesrepublik Deutschland, das sind nicht nur 30 Jahre eines Staates, der in dieser Zeit recht anständig funktioniert hat, eines Staates, der sich aus Trümmern zu einem der wirtschaftlich leistungsfähigsten Länder der Welt entwickelt hat, eines Staates, der sich in 30 Jahren Ansehen und Respekt in der Welt verschafft hat, sondern 30 Jahre Bundesrepublik, das sind für uns hier vor allem auch 30 Jahre der Demokratie, 30 Jahre der rechtsstaatlich und sozial gesicherten Bürgerfreiheit.
    Ich sage gern, daß ich über diese Bewährung unserer Demokratie Glück empfinde; denn 30 Jahre Demokratie hatte es in der deutschen Geschichte vorher noch niemals gegeben. Die Weimarer Republik hat weniger als die Hälfte dieser Jahre gedauert. Wenn man die Jahre der Weimarer Republik und der Hitler-Diktatur zusammenzählt, so sind es weniger als 30 Jahre.
    Wir Älteren, die wir vom ersten Tage an für diese Bundesrepublik in diesen 30 Jahren gearbeitet haben, halten vielleicht einen Augenblick inne und stellen ein wenig erstaunt fest: dieser Staat hat ja bereits seine eigene Geschichte. Ich denke, es ist der beste Teil der deutschen Geschichte.

    (Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Dieser Teil wird durch die Namen der drei verstorbenen Bundespräsidenten würdig repräsentiert: Heuss, Lübke, Heinemann.
    Nach dem Ende der Weimarer Republik, nach der Hitler-Diktatur, nach dem Elend der Kriegs- und Nachkriegszeit wäre es gar nicht unnatürlich gewesen, wenn wir zaghaft und furchtsam gewesen wären, ob wir denn das auch schaffen würden, eine richtige freie Demokratie der Deutschen. Gewiß, es gab Zweifel, ob der westdeutsche Teilstaat ein in allen Einzelheiten ausgebauter Staat sein solle, ob er es denn dürfe, ob wir selbst damit nicht die Teilung sanktionierten. Wir hofften alle, daß die Bundesrepublik Deutschland ein Provisorium sei, und wir wollten, daß sie es sei. Aber es gab keinen Zweifel daran, daß sie ein demokratischer Staat sein sollte.
    Damals hatten sich die wichtigsten politischen Kräfte schon formiert. Es gab eine Fülle von Parteien. Sie sind alle bis auf die vier, die heute im



    Bundeskanzler Schmidt
    Bundestage vertreten sind, nach und nach von der Bildfläche verschwunden. Die hier vertretenen vier Parteien oder drei Fraktionen haben alle in, diesen 30 Jahren ziemlich tiefgreifende Wandlungs- und Reifungsprozesse durchgemacht, die ihr Bild, ihre Programme und wohl auch ihr Selbstverständnis verändert haben. Wir haben uns alle entfaltet.
    Damals, 1949, hatten wir kaum Zeit, sehr weit in die Zukunft zu schauen. Wir waren auch zu beschäftigt, um verzagt zu sein, meine ich aus der Erinnerung sagen zu dürfen. Es gab einfach zu viel zu tun: der Wiederaufbau der zerstörten Städte, die Integration von über 10 Millionen Flüchtlingen, der Lastenausgleich, die Familienzusammenführung, der Aufbau der Wirtschaft — alles, jede für sich, Aufgaben von gewaltiger Dimension.
    Unser Wiederaufbau stand unter dem Zeichen der politischen Entscheidung für eine marktwirtschaftlich orientierte Ordnung. Diese Entscheidung war vor Inkrafttreten des Grundgesetzes gefallen. Sie war umstritten. Noch heute streiten wir uns darüber, ob und inwieweit diese Entscheidung immer neu sozialpolitisch korrigiert oder ergänzt werden muß, damit dem Auftrag der Verfassung gemäß der soziale Bundesstaat — ich zitiere aus dem Art. 20 des Grundgesetzes — verwirklicht wird.
    Unbestreitbar ist: Die marktwirtschaftliche Orientierung war von Erfolg gekrönt. Die Löhne stiegen netto und real in diesen 30 Jahren auf über das Dreifache. Noch stärker stiegen die realen Rentenleistungen.
    Mit solchen Zahlen kennzeichnen wir den Weg von Elend und Armut zu Wohlstand. Die marktwirtschaftliche Orientierung vor 30 Jahren erwies sich auch für die Aufgabe als richtig, dieses Land wieder in die Weltwirtschaft einzugliedern. Die Anpassung an die Nachfrage auf den Weltmärkten ist außerordentlich erfolgreich geraten. Die wirtschaftliche Entwicklung andererseits erleichterte es, ein soziales Sicherungssystem aufzubauen, das, wie wir meinen, zu den bedeutendsten politischen Leistungen unseres Landes zählt.
    Bei alledem ist uns zu Beginn entscheidend von außen geholfen worden. Wir erinnern uns der Care-Pakete, der Luftbrücke; wir erinnern uns des Marshall-Plans, der den Grundstein für die Aufbauleistungen legte, die wir anschließend selbst vollbracht haben. Wir haben damals Freunde gewonnen, in Amerika, in Frankreich, in England, nach und nach in der ganzen westlichen Welt. George Marshall, Lucius Clay, Jean Monnet, Robert Schuman, Victor Gollancz — wenn man anfängt aufzuzählen, fallen einem immer mehr Namen ein. Es war damals für einen Europäer oder einen Amerikaner nicht ganz leicht, ein Freund Deutschlands zu sein. Wir haben sehr viel Grund zur Dankbarkeit, wenn wir an diese erste Zeit unseres Staates zurückdenken.
    Wir haben damals begonnen, soweit es in unseren damaligen Kräften stand, soweit es mit materiellen Mitteln möglich war, den Berg an Schuld, den Hitler uns hinterlassen hatte, abzutragen. Wir verabschiedeten Wiedergutmachungsgesetze, wir zahlten Entschädigungen an den Staat Israel, in dem die Juden endlich eine Heimstatt gefunden hatten, wir zahlten Entschädigungen an Naziverfolgte in vielen Ländern der Welt. Aber all das vollzog sich im Schatten des Kalten Krieges. Gewissermaßen stand der Kalte Krieg an der Wiege unseres Staates. Seine Gründung wie übrigens auch die Gründung der DDR markieren den Zeitraum, in dem sich die Spannungen zwischen Ost und West zum Kalten Krieg gesteigert hatten. Wir Deutschen haben den Kalten Krieg nicht erfunden. aber seine Fronten verliefen damals mitten durch unser Land. Der Kalte Krieg zerriß Europa, zerriß Deutschland, trennte uns auch von wichtigen Teilen unserer Geschichte.
    Die reichen Kulturen Osteuropas entschwanden unserem Blick, der Begriff „Europa" wurde vielfach mit Westeuropa gleichgesetzt, und dabei wirkten aktuelle Bedrohung, traumatische Erfahrungen gegen Ende des Krieges und vielleicht auch Reste tiefsitzender alter Vorurteile gegen Osteuropa zusammen. Die Tatsache, daß 20 Millionen Menschen in der Sowjetunion, daß sechs Millionen Polen Opfer eines deutschen Angriffskrieges geworden waren, wurde von manchem verdrängt.
    Die Beobachtung dieser Verdrängung hat bei den osteuropäischen Nachbarn lange nachgewirkt. Die Menschen in Osteuropa sahen: Wir Deutschen zeigten Einsicht in alle Himmelsrichtungen; nur schien es nicht so, daß ihre eigene Himmelsrichtung einbegriffen war.
    War diese Verdrängung von Schuld nicht vielleicht auch Schuld? Willy Brandt hat später in einer unwiederholbaren Geste in Warschau das getan, was jenseits aller Politik dazu nötig war. Doch haben wir alle dieses Problem schon überwunden, schon bewältigt? Es haben sich viele Frauen und Männer unseres Landes redlich Mühe gegeben, uns Geist, Kultur und Geschichte der Völker Osteuropas nahezubringen. Ihnen ist zu danken.
    Aber wie hoch ist der Respekt vor der Kultur der Polen oder der Tschechen? Ist er dem Respekt vor den Kulturen unserer westlichen Nachbarn vergleichbar? Goethe hat Adam Mickiewicz als geehrten Gast in seinem Hause willkommen geheißen. Das war eine der Sternstunden der Begegnung deutschen und slawischen Geistes. Goethe stand Pate bei der Gründung des Nationalmuseums in Prag, da er die europäische Bedeutung der tschechischen Kultur erkannte. Was wissen wir von alledem? Wissen wir, daß viele große russische Dichter die Meisterwerke unserer Literatur, übrigens in einer meisterhaften Weise, in ihre russische Sprache übersetzt haben?
    Wir wollen die deutsche Einheit, und wir wissen, sie wird ohne die Zustimmung der osteuropäischen Völker nicht zu haben sein. Denen versichern wir immer wieder, daß wir deutsche Einheit nur in einer europäischen Friedensordnung von wechselseitiger Achtung und Respekt erstreben; aber dazu ist es auch nötig, daß wir unseren eigenen geistigen, unseren geschichtlichen Begriff von Europa nach



    Bundeskanzler Schmidt
    Osten erweitern, wenn wir diese europäische Friedensordnung erreichen wollen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Puschkin und Petöfi gehören genauso dazu wie Shakespeare und Dante, Boris Pasternak und Ernest Hemingway genauso ,wie Jan Sobieski oder Prinz Eugen.
    Wird in unserem Bildungswesen z. B. die russische Sprache oder werden die slawischen Sprachen allgemein nicht doch vernachlässigt? Können wir uns das angesichts der großen russischen Literatur, angesichts der politischen Bedeutung der Sowjetunion eigentlich leisten? Sollten wir nicht die Inhalte unserer Schulcurricula daraufhin anschauen, inwieweit sie unserer Jugend helfen, die Völker Osteuropas zu verstehen?
    Meine Damen und Herren, 30 Jahre Bundesrepublik Deutschland, das bedeutet auch dreißigjährigen Frieden nach innen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Dieser innere Frieden ist auf dem Boden unseres Grundgesetzes, unserer Verfassung gewachsen. Innerer Frieden bedeutet nicht, daß es keine Konflikte gäbe. Konflikte muß es geben. Innerer Frieden bedeutet vielmehr, daß wir unsere Konflikte gewaltfrei und in geregelten Formen, die wir miteinander verabredet haben, austragen und lösen. Unsere Verfassung hat uns alle, hat unser Volk langsam zu dieser gewaltfreien, geregelten Form von Konfliktaustragung erzogen. Obrigkeitsdenken und Untertanendenken sind auf dem Rückzug.
    Demokratische Formen kannte auch die Weimarer Republik. Aber in der Weimarer Republik gab es zu wenige Demokraten. Unsere Demokratie wird heute von der überwältigenden Mehrheit der Bürger und der gesellschaftlichen Gruppen getragen. Darin liegt die große positive Wende der deutschen Geschichte. Unser Grundgesetz war wie auch die Weimarer Verfassung nur eine Chance. Das Grundgesetz war, wie Gustav Heinemann gesagt hat, ein Angebot. Aber wir haben diese Chance ergriffen, wir haben dieses Angebot angenommen, wir alle.
    Das Grundgesetz sollte im Zentrum unserer politischen Bildung stehen, auf den Schulen, den Universitäten, in der Erwachsenenbildung. Wir wünschen uns eine kritische Jugend. Aber die Kritik der Jugend sollte sich auf der Kenntnis der Rechte und der Pflichten aufbauen, die unsere Verfassung jedem Bürger garantiert und die sie von jedem Bürger fordert. Und darin ist noch mancherlei zu tun.
    Damals, vor 30 Jahren, stand noch keineswegs fest, daß sich alle gesellschaftlichen Gruppen in diese Demokratie einfügen würden. In einer zusammenfassenden Rede bei Abschluß der Beratungen des parlamentarischen Rats hat Theodor Heuss imVerhältnis zwischen Staat und Kirche ein Zentralproblem der Bundesrepublik Deutschland gesehen. Damals mag er damit wohl recht gehabt haben.
    Heute können wir feststellen, daß es ein solches Maß an wechselseitigem Respekt zwischen Staat und Kirchen, an Freiheit der Kirchen in der deutschen Geschichte bisher kaum gegeben hat. Wieviel Unglück und Leiden, wieviel Verbitterung hatte das schiefe Verhältnis von Staat und Kirchen — schief von beiden Seiten -- im Laufe unserer Geschichte schon verursacht: vom Investiturstreit über die Reformationskriege, den Dreißigjährigen Krieg bis zum Kulturkampf Bismarcks und bei vielen Stationen dazwischen, die einem bei einem solchen Rückblick noch einfallen.
    Die weitgehend gelungene Selbstintegration der Kirchen in unsere demokratische Gesellschaft, die religiöse Toleranz, die wir dabei gewonnen haben, sind große, neue Leistungen in diesem Abschnitt der deutschen Geschichte, Leistungen von versöhnender Kraft, die viele Demokraten und viele Christen mit Dankbarkeit erfülleß. Diese weitgehend gelungene Selbstintegration hat die Kirchen in den Stand gesetzt, konstruktive Beiträge zur Lösung der schwierigen Fragen unserer Zeit zu leisten.
    Demokratisierung bedeutet gewiß die Einführung demokratischer Formen in der Politik und in vielen Bereichen der Gesellschaft. Vor allem bedeutet sie jedoch das Demokratischwerden der Bürger, der gesellschaftlichen Gruppen und der Instiutionen.
    In diesem Sinn ist die Selbstintegration der Kirchen ein herausragendes Beispiel für das Gelingen der Demokratisierung unserer Gesellschaft. Ich denke, sie ist eine der wichtigsten geistig-politischen Leistungen in diesen 30 Jahren.
    Wenn man von Demokratisierung unserer Gesellschaft und vom inneren Frieden spricht, dann muß man auch von unseren Gewerkschaften reden. In meinen Gesprächen mit ausländischen Partnern taucht häufig die Formel auf: „Ja, Sie haben's leicht, mit solchen Gewerkschaften." Natürlich ist es ein Irrtum, daß ich es leicht hätte. Aber daß über 30 Jahre Staat, Gesellschaft und Wirtschaft den Gewerkschaften sehr viel zu danken haben, auch dies in diesem Überblick über 30 Jahre auszusprechen, halte ich für meine Pflicht.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Wenn man fragt, was die Gewerkschaften zu ihren Leistungen befähigt hat, so würde ich es für verfehlt halten, das Verdienst der Organisationsform der Einheitsgewerkschaft allein zuzurechnen; sondern an der Spitze der Gewerkschaft standen und stehen eben auch bedeutende Persönlichkeiten, von Böckler über Brenner und Rosenberg bis auf den heutigen Tag. Das ist ein zweiter Grund für den Erfolg der Gewerkschaften.
    Entscheidend ist aber, daß Klugheit, Erfahrenheit, Besonnenheit, Mäßigung und Verantwortungsgefühl der Führung sich in einer großen demokratischen Organisation nur dann durchsetzen können, wenn sie bei den Mitgliedern Zustimmung und Echo finden. Deshalb dürfen wir ein Hauptverdienst an unserem dreißigjährigen inneren Frieden getrost den Millionen deutscher Gewerkschaftler zusprechen.
    Deutsche Gewerkschaftler waren ja Demokraten, lange bevor es in Deutschland Demokratie gab.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)




    Bundeskanzler Schmidt
    Und so war ganz natürlicherweise 1949 dieser demokratische Staat ihr Staat. Sie sind von Anfang an mit dem demokratischen Staat verbunden gewesen, sind für ihn eingetreten und haben sich verantwortlich gefühlt — auch in den ersten 20 Jahren zur Zeit christlich-demokratisch geführter Regierungen.
    Daß die Mäßigung, die ja ein hohes Maß an demokratischem Selbstbewußtsein voraussetzt, im Ergebnis auch für die Gewerkschaftsangehörigen, für die Arbeitnehmer selbst, das Vorteilhafteste war, daß in der Tat unsere Gewerkschaften vorbildliche Reallöhne, Arbeitsbedingungen, Rechtssicherungen, reale Sozialleistungen erreicht haben, scheint mir ein durchaus gerechter Lohn für bewiesene demokratische Verantwortung zu sein.
    Die allermeisten Unternehmer bei uns wissen schon sehr lange, daß sozialer Fortschritt der Arbeitnehmer nicht in den Ruin der Unternehmungen führt, sondern daß er die sicherste Grundlage des gemeinsamen wirtschaftlichen Erfolges in der Zukunft ist.
    Wir sind mit Recht darüber zufrieden, daß bei uns, verglichen mit anderen Ländern, zum Beispiel relativ wenig gestreikt wird. Das ist ein weithin sichtbares Zeichen für das Ausmaß des sozialen Friedens. Aber es sollte doch nachdenklich stimmen, daß im Vergleich zum Ausland bei uns relativ viel ausgesperrt wird.

    (Beifall bei der SPD)

    Im anderen Teil Deutschland gibt es beides nicht. Dort werden alle Konflikte von oben entschieden, und die Arbeitnehmer, die Bürger haben sich anzupassen oder zu fügen.
    Wir haben mit dem Inkrafttreten des Mitbestimmungsgesetzes einen Markstein in unserer Sozial- und Rechtsgeschichte gesetzt. Wir haben damit eine der fortschrittlichsten wirtschaftlichen Ordnungen der ganzen Welt in Ost und West. Ich bin fest überzeugt, daß die Mitbestimmung ein tragender Pfeiler unserer zukünftigen Gesellschaft werden wird. Es ist ganz klar, daß in der DDR an dergleichen nicht gedacht werden kann.
    Bis heute hat sich in unserem Volk ein gewisses Maß von Ursolidarität aus jener Phase unmittelbar nach dem Krieg, aus jener Zeit vor 30 Jahren erhalten, wenn auch oft durch laute Worte leider aus dem Bewußtsein verdrängt. Wir sollten wohl diese Solidarität in die nächsten 30 Jahre mit hinübernehmen. Wir werden sie brauchen. Die Probleme, die vor uns liegen, sind anders, aber sie werden nicht kleiner sein als die, die hinter uns liegen.
    Die Probleme werden anders sein. Die Bundesrepublik ist gegenwärtig — gemeinsam mit der DDR und anderen mitteleuropäischen Staaten — eines der Länder mit der niedrigsten Geburtenrate auf der Welt. Ich vermag darin keine Tragödie zu sehen. Wir sind, geographisch gesehen, ein kleines Land. Wir sind eines der dichtestbesiedelten Länder, fast dreimal so dicht besiedelt wie Frankreich. Und sind überfüllte Naherholungsgebiete, verstopfte Straßen, große Klassen wirklich erstrebenswert? Es liegt in alledem auch eine Chance, mehr Sorgfalt auf die Erziehung und Ausbildung unserer Kinder zu verwenden.
    Aber viele fragen nach der Stabilität des Generationenvertrages. Wie soll die abnehmende Zahl von Jungen und Arbeitsfähigen später die vielen Alten unterhalten?
    Nun, soweit sich die demographische Entwicklung sehr grob abschätzen läßt — und das heißt: allerhöchstens bis in das letzte Jahrzehnt dieses Jahrhunderts hinein; was darüber hinausgeht, sind gewagteste Spekulationen —, liegt nach meiner Überzeugung kein Grund zur Dramatisierung vor. Bis Ende dieses und Anfang des nächsten Jahrhunderts wird die sogenannte Alterslast sogar niedriger sein als in der Mitte des gegenwärtigen Jahrzehnts. Insgesamt liegen die Veränderungen innerhalb jener Bandbreite, die von einem modernen Staat bei anpassungsfähigem Sozialsystem und flexibler Wirtschaft beherrschbar ist. Allerdings müssen solche Probleme rechtzeitig erkannt und bei vielen Planungen, bei vielerlei Entscheidungen berücksichtigt werden.
    Es gibt Menschen, die die Frauenemanzipation für den Geburtenrückgang verantwortlich machen. Es gibt einige, denen der Geburtenrückgang ein willkommenes Argument ist, um die positiven Entwicklungen in Richtung auf eine gleichberechtigte Stellung der Frau in der Gesellschaft zurückzudrängen. Wir werden dem entgegentreten. Die Entscheidung über die Gleichberechtigung der Frau sollte nicht mehr zur Diskussion stehen.
    Diese Entscheidung hatte schon das Grundgesetz getroffen. „Männer und Frauen sind gleichberechtigt" steht dort. In der Verwirklichung dieses Prinzips ist uns übrigens die DDR wohl ein bißchen voraus.
    Wie hat sich nun die Emanzipation der Frau bisher vollzogen? Viele Frauen strebten in den Be-Beruf, und das ist ihr gutes Recht. Damit hat sich die Welt der Frau entscheidend verändert, die Welt des Mannes aber hat sich dadurch fast überhaupt nicht verändert. Diese Art von Emanzipation, geschichtlich zunächst sicherlich unvermeidlich, überfordert auf die Dauer beide. Die Emanzipation der Frauen wird uns nur dann gelingen, wenn auch die traditionelle Männerwelt sich ändert, was einen Bewußtseinswandel auf. allen Seiten voraussetzt, der, wie ich denke, viele Generationen dauern wird.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Es gilt, auch hier realistisch zu sein und Schritt für Schritt die Räume zu erweitern, die ein gewandeltes, ein unserem Grundgesetz, dann entsprechendes Selbstverständnis von Mann und Frau ermöglichen. Statt zu versuchen, den bisher erreichten Verwirklichungsgrad der Gleichberechtigung der Frauen zurückzudrehen, sollte man — ich kehre noch einmal zu dem demographischen Problem zurück — z. B. versuchen, eine kinderfreundlichere gesellschaftliche Umwelt zu schaffen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Es ist gewiß eine Übertreibung, zu sagen, wir Deutschen seien kinderfeindlich. Wenn aber in einer Neubausiedlung zwar eine Rutschbahn und eine



    Bundeskanzler Schmidt
    Schaukel stehen, es im übrigen aber verboten ist, den Rasen zu betreten,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Bei der „Neuen Heimat" 1)

    oder wenn man sich vor Augen hält, daß natürlich wir alle als Jungens in fremden Gärten Äpfel geklaut haben,

    (Zuruf von der CDU/CSU)

    wenn aber heute die Gärten nicht mehr erreichbar sind und wenn auch in vielen Fällen die Äpfel nicht erreichbar sind — dafür wird aber dann im Geschäft geklaut, oder es wird ein Fahrrad geklaut, und dann kommt man sehr schnell vor den Jugendrichter, —

    (Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    — Ich sehe, einige haben keine Äpfel geklaut; ich entschuldige mich bei ihnen dafür, daß ich sie einbezogen habe. —

    (Beifall bei der SPD)

    Wenn das so ist, dann müssen wir uns überlegen, ob wir unserer Erwachsenenwelt genug Freiräume geschaffen haben. Ich meine nicht die Häuser für die Jugend — auch das ist etwas Notwendiges —, ich meine gar nichts Organisiertes oder Verwaltetes. Ich erinnere mich: Vor 50 oder 55 Jahren, als ich ein Kind war, da waren das Treppenhaus und der Keller und der Dachboden und der Hinterhof und — da war eine Fabrik — der Fabrikhof und der Hafen auch unsere Kinderwelt — zugleich die Erwachsenenwelt und die Kinderwelt. Es gab wenige Spielplätze für die Kinder, kaum Reservate, die nur für die Kinder da waren. Davon haben wir heute sehr viele. Es gab nicht den Zustand, daß ein Jugendamt mit wissenschaftlich vorgebildeten Pädagogen die Kinderwelt eingerichtet hätte.

    (Dr. Kohl [CDU/CSU] : Das ist doch Ihre Politik!)

    Die Frage ist, ob heute der unbetretene Rasen wirklich so wichtig ist. Ich nenne ihn nur als ein Beispiel für vieles andere. Mir geht es hier im Augenblick nicht um organisatorische oder staatliche Vorstellungen für die nächsten 30 Jahre, sondern einfach nur darum, daß zum Bewußtsein kommt, daß wir unsere Erwachsenenwelt den Kindern, auch den jungen Menschen etwas mehr öffnen müssen.
    Vielleicht läßt es sich wirklich bewerkstelligen, daß das neue Bonner Regierungsviertel, an dem einige Damen und Herren dieses Hauses so eifrig arbeiten, so gestaltet wird, daß sogar ein paar Kinder hier zu spielen wagen, ohne von Pflichtgestrengen verjagt zu werden.

    (Beifall bei der SPD und FDP — Zurufe von der CDU/CSU)

    Es wird sehr geklagt über die steigende Jugendkriminalität, über steigenden Jugendalkoholismus, über Drogenmißbrauch, über Jugendsekten, über steigende Selbstmordraten, steigende Gewalttätigkeit an Schulen — alles auch Entwicklungen der letzten 30 Jahre, nicht nur bei uns. Kurz gesagt redet man mehr und mehr von Jugendproblemen.
    Aber Jugendprobleme sind in Wirklichkeit auch Erwachsenenprobleme.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Wir werden dieser Probleme nicht Herr, wenn wir die Kinder und die Jugendlichen nur vor Gericht stellen oder in Erziehungsheime oder Entziehungsheime stecken oder zum Psychiater schicken. Im Grunde wird es nicht viel ändern. Im Grunde müssen wir wohl einen Teil des eigenen Verhaltens ändern.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Die Erlebniswelt der jungen Menschen in der DDR und bei uns ist unterschiedlich. Sie ist insbesondere in politischer Hinsicht sehr unterschiedlich. Die junge Generation bei uns hat die Schrecken der Unfreiheit und insbesondere natürlich auch die Schrecken des Krieges nicht mehr erlebt. Sie hat das Glück gehabt, die Freiheit nicht als Glück ersehnen zu müssen. Es fällt infolgedessen auch nicht leicht, die Freiheit als Glück zu empfinden. — Aber genau das ist es, was wir gewollt haben: Wir haben gewollt, daß sich die Jugend um ihre Freiheit keine Sorgen zu machen brauche. Nun hat sie sich an die Freiheit gewöhnt — Gott sei Dank.
    Vielleicht darf ich hier eine Bemerkung einfügen — auf eine Passage aus einer Neujahrsansprache zurückkommend —, in der ich mich mit dem gleichen Thema durchaus hoffnungsvoll beschäftigte und ein Zitat aus einem Brief des Heiligen Augustinus verwendete, das zwar inhaltlich richtig, aber der Zeitersparnis wegen verkürzt war und deswegen mißverstanden worden ist. Was ich sagen wollte und was richtig ist: Ich wollte mit Augustinus verdeutlichen, daß sich das Generationenproblem über die Jahrhunderte, ja über die Jahrtausende, immer wiederholt und daß man sich als Älterer immer wieder dabei zu überwinden versuchen muß.
    Die Freiheit, die manche der Jüngeren heute als selbstverständlich, als alltäglich, als nichts Besonderes, auch als ein wenig langweilig ansehen, ja, als etwas, was häufig gar nicht recht wahrgenommen wird, in ihrem Bestand zu sichern, ist für die Jugend nicht das zentrale Problem ihres politischen Denkens. Ihr geht es oft mehr darum, wofür, wozu diese Freiheit gebraucht werde.
    So stellt sie nicht so sehr die Demokratie in Frage, sondern sie stellt vielmehr sowohl ernste Fragen als auch zum Teil törichte Fragen an die Demokratie und an das, was sie leisten könne.
    Die Frage ist, ob wir diese Fragen alle richtig beantworten, die ernsten wie auch die törichten. Ich denke, daß die zum Teil weit übertriebene, oft geradezu albern-polemische innenpolitische Polarisierung über drittrangige Probleme oder über Scheinprobleme, die wir z. B. auch hier im Bundestag oder in der veröffentlichten Meinung häufiger als genug erleben, jedenfalls keine brauchbare Antwort ist.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Man kann gegen streitige Polarisierung dort nichts
    einwenden, wo es um große und entscheidende
    Fragen geht. Da ist in der Demokratie Polarisie-



    Bundeskanzler Schmidt
    rung notwendig, da muß sie sein. Wer aber Randfragen, z. B. ob eine Trennscheibe irgendwo eingebaut werden soll oder nicht, zu Prinzipienfragen hochfrisiert, wer seinen politischen Gegner fast regelmäßig, und zwar aus immer wechselnden Anlässen, des Verfassungsbruches bezichtigt, der muß sich fragen, wie sich eine solche Form der Politik eigentlich den jüngeren Bürgern darstellt.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Ist es nicht leider wahr, daß Politik für den jüngeren Bürger zu einem zu großen Teil aus dem unvermeidlichen Gerangel um Personen und Posten — fälschlich bisweilen „Strategiediskussionen" genannt —(Beifall bei der SPD)

    besteht, oft auch nur aus taktischen Finessen, z.B. wenn da Satellitenparteien durch Spaltung oder Ausdehnung „zur Ausschöpfung des Wählerreservoirs", wie es dann heißt, geschaffen, Mehrheiten konstruiert werden sollen? Was ist für die nachwachsenden Generationen der prinzipielle Gehalt all solcher Pseudopolitik?

    (Beifall bei der SPD und der FDP) Was ist der prinzipielle Inhalt?

    Diese nachwachsenden Generationen — unabhängig davon, wo die einzelnen politisch stehen — nehmen es nicht ab, daß es für sie entweder um „Freiheit oder Sozialismus" gehe. Diese Menschen kennen andere Staaten recht gut, auch sozialdemokratisch oder sozialistisch regierte Staaten. Sie wissen, daß die Freiheit im konservativ regierten Freistaat Bayern oder in Filbingers Baden-Württemberg keineswegs größer ist als in Norwegen oder in Dänemark oder in Osterreich.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Zurufe von der CDU/CSU)

    Manche Jugendlichen haben sich innerlich von unserem Staat entfernt — und das sind nicht in allen Fällen die schlechtesten —, versuchen außerhalb unserer allgemeinen politischen, außerhalb unserer gesellschaftlichen Strukturen andere, alternative Lebensformen zu entwickeln. Andere versuchen, einer anonymen Bürokratie, einer die natürliche Umwelt zerstörenden Zivilisation zu entfliehen, statt dessen sich eine kleine menschliche Gemeinschaft aufzubauen, in der einer auf den anderen Rücksicht nimmt, in der einer dem anderen wichtig ist.
    So unvollkommen und so vorübergehend solche Lösungsversuche nur sein mögen, so wenige dabei bedenken, daß es gerade die Gesellschaft ist, von der sie sich abwenden, die ihnen überhaupt erst ihre eigene exklusive Lebensform ermöglicht, so ist doch wahr, daß das Bemühen dieser jungen Menschen eine Frage stellt, die man nicht voreilig schon für beantwortet halten darf, die Frage nämlich nach der Menschlichkeit unserer demokratischen Lebensform. Die Frage z. B. ob die neuen Wohnsilos wirklich Ausdruck dessen sind, was das Grundgesetz unter „Würde des Menschen" versteht.
    Da kämpfen z. B. im Ruhrgebiet Kumpel um ihre alte Arbeitersiedlung. Warum eigentlich? z. B. deshalb, weil Küchen- und Wohnzimmerfenster zur Straße hin liegen, und die Fensterbank ist in der Brusthöhe eines Passanten, der draußen vorbeigeht, und wenn er vorbeigeht, kann man ihm sogar durchs Fenster die Hand geben. Man kann mit ihm sprechen, man sieht ihm dabei ins Auge. Zwischen den Häusern ist ein bißchen Rasen, vielleicht ein bißchen ausgefranst, und vielleicht kommt an einigen Stellen die braune Erde durch. Aber auf dem Rasen spielen die Kinder, und die Mutter hat sie vor Augen. Weil die Menschen miteinander sprechen, deswegen helfen sie einander auch, und deswegen feiern sie auch miteinander. Ob uns die Anonymität, in die wir uns selbst durch all diese Wohnsilos gebracht haben, wirklich auf die Dauer guttut, weiß ich nicht.
    Die Bergarbeitersiedlungen, von denen ich eben sprach, stammen meist aus alten Zeiten, aus Zeiten, in denen das Land noch nicht demokratisch war. Demokraten müssen sich fragen, ob sie nicht mitmenschlichere Siedlungsformen entwickeln können. Die seelischen Bedürfnisse sind bei der heutigen städtebaulichen Architektur nicht tief genug verstanden worden.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Das trifft wahrscheinlich auf die DDR in einem noch höheren Maße zu; es ist kein spezifisch deutsches Problem, aber es ist auch in beiden Teilen Deutschlands ein Problem. Es wird zu einem Problem in den nächsten 30 Jahren werden, wenn wir es nicht erkennen.

    (Schwarz [CDU/CSU] : Also Hochhäuser abreißen!)

    — Ich versuche nur, Fragen für die nächsten 30 Jahre anzudeuten, Herr Kollege Schwarz. Ich gebe Ihnen keine Patentrezepte.
    Aber vielleicht ist es richtig, sich zu vergegenwärtigen, daß der Begriff „sozial" — wie er ja auch im Grundgesetz vorkommt, auch im Namen meiner Partei und im Namen anderer Parteien — bisher hauptsächlich als die Absicherung unserer Bürger vor materieller Not im Alter, bei Krankheit, bei Arbeitslosigkeit oder bei Behinderung verstanden wurde. Diese Absicherung ist gelungen. Wir können uns auf ein soziales Netz verlassen, das jeden hält. Wir sind mit gutem Gewissen stolz darauf. Wir werden an seiner Verbesserung weiterhin arbeiten, werden es noch besser, noch sicherer machen.
    Aber „sozial" heißt ja noch mehr. Wir müssen nach 30 Jahren auch daran denken, daß „sozial" eigentlich so etwas wie zwischenmenschlich, mitmenschlich oder auf Gemeinschaft gerichtet heißt.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Dergleichen kann der Staat nicht verordnen. Aber er kann dabei helfen, daß die wissenschaftlichtechnische Entwicklung die Möglichkeiten menschlicher Begegnung nicht zerstört. Der Staat kann solche Entwicklungen fördern, welche die Möglichkeiten der Begegnung erweitern.



    Bundeskanzler Schmidt
    Der wissenschaftlich-technische Fortschritt hat unser Leben verlängert, er hat es erleichtert und bequemer gemacht. Er hat uns Möglichkeiten eröffnet. Wir können überall hinreisen, wir können miteinander telefonieren. Das Fernsehen liefert uns frei Haus Unterhaltung und Information, die Butter wird im Eisschrank nicht ranzig. All das ist gut, keiner möchte es missen.

    (Zuruf von der CDU/CSU)

    — Wenn Sie sie zu lange liegen lassen, wird selbst Ihre Butter ranzig.
    Das alles war vor 30 Jahren nicht so. Deshalb ist die allgemeine Verdammung des wissenschaftlichtechnischen Fortschritts töricht. Solche Verdammung löst auch gar kein Problem. Aber wir müssen auch die negativen Seiten sehen; denn jeder Vorteil muß erkauft werden. Zum Beispiel: Je häufiger das Reisen, desto flacher die Eindrücke, je mehr wir telefonieren, desto weniger Briefe schreiben wir, je mehr wir fernsehen, desto weniger reden wir oder hören wir aufeinander.
    Der wissenschaftlich-technische Fortschritt kann unserer Freiheit und Menschlichkeit dienen, wenn wir ihn kontrolliert und kritisch nutzen. Er kann schaden, wenn er gedankenlos konsumiert wird. Hier liegt eine der zentralen Erziehungsaufgaben in der hochindustrialisierten Gesellschaft für die kommenden Jahrzehnte.
    Zum Beispiel stehen wir vor der Entscheidung, ob und unter welchen Bedingungen wir das Kabelfernsehen einführen wollen. Technisch ist das eine wunderbare Sache. Es gibt keinen Arger mehr mit der Antenne. Technisch wird es möglich sein, 24 Stunden am Tage 25, 30 verschiedene Programme zu empfangen. Ob aber so etwas der erstrebte, der zu erstrebende Fortschritt ist? Das wird man sorgfältig abwägen müssen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Das ist keine Frage, die man den Elektronikfirmen oder den Fernmeldetechnikern allein überlassen kann, sondern eine gesellschaftliche, politische Frage, deren Antwort die sozialen Beziehungen zwischen den Menschen sehr beeinflussen wird.
    Vielleicht darf ich einfügen, daß wir in diesen 30 Jahren gute Erfahrungen mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunksystem gemacht haben.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Wir halten es für ebenso bedauerlich wie bedenklich, wenn einige Politiker aus politisch durchsichtigen, wenn andere aus privaten Interessen dieses vergleichsweise verünftige und erfolgreiche System aufs Spiel setzen wollen. Die privaten Rundfunkpläne können die Substanz unseres demokratischen Lebens angreifen, und deshalb müssen sie mit unserem Widerstand rechnen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Die Datentechnik und die Mikroelektronik werden die Gesellschaft weiter verändern, besonders auch unsere Arbeitswelt. Solange sie die Menschen von mechanischen Arbeiten befreien, von stumpfsinnigen Arbeiten befreien, sind sie willkommen und müssen genutzt werden. Aber wir wollen einen menschengerechten Computer, wenn ich so sagen darf, und nicht einen computergerechten Menschen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Es ist klar, daß in kommunistisch regierten Staaten diese Gefahren noch größer sind als bei uns. Aber bei uns sind sie auch gegeben.
    Wir sind ein wissenschaftlich-technisch, ein wirtschaftlich führendes Land in der Welt. Deshalb hängt es zu einem nicht unwesentlichen Teil von uns ab, wohin sich Wissenschaft und Technik entwickeln. Wir können sogar die Definition dessen, was der Fortschritt denn sein soll, mitbestimmen. Ein Fortschritt, der seine eigenen Risiken verniedlicht oder vernachlässigt, verdrängt, ein Fortschritt, der menschliche Bezüge, der das Soziale zerstört, ist eine Gefahr. Wenn er jedoch seine Risiken erkennt und bedenkt, wenn er die richtigen Folgerungen aus diesen Bedenken zieht, wenn er sich in den Dienst der Menschen stellt, dann sollen wir ihn erstreben.
    Nun wird man die Entscheidung der Bundesregierung zugunsten eines begrenzten Ausbaus der Kernenergie uns an dieser Stelle entgegenhalten. Ich habe Anfang letzter Woche Gelegenheit gehabt, diese Entscheidung noch einmal persönlich ausführlich zu begründen. Ich muß das heute nicht wiederholen; es paßt auch nicht an dieser Stelle. Es gibt ernsthafte Argumente gegen die Kernenergie, aber es gibt auch ernsthafte und gute Argumente für die Kernenergie. Die haben wir alle bedacht. Wir haben unsere Entscheidung nach bestem Wissen, aber auch nach bestem Gewissen getroffen. Mir liegt am Herzen zu sagen: Nicht nur Kernenergiegegner haben ein Gewissen, die anderen auch.

    (Beifall bei der SPD und der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Das Kernenergieproblem wird nicht das letzte Problem sein, das uns infolge der wissenschaftlichtechnischen Entwicklung gestellt wird. Andere Probleme werden aus gleichem Grund vermehrt auf uns zukommen. Dies sind die modernen gesellschaftspolitischen Probleme. Dies sind Probleme, die den Osten ebenso betreffen wie den Westen, die DDR ebenso treffen wie die Bundesrepublik Deutschland. Wir werden Nachdenklichkeit brauchen, aber auch Entschluß und Tatkraft, um den Fortschritt in menschlichen Bahnen zu halten. Wir müssen uns vorsehen, daß wir nicht eine Zukunftswelt aufbauen, die zwar ungeheuer effektiv ist, die dann aber immer weniger Möglichkeiten und Gelegenheiten läßt, freundlich miteinander oder fröhlich zu sein.
    Wenn uns dies gelingt, dann mag es uns vielleicht auch leichter fallen, die vielen Kinder der ausländischen Arbeitnehmer und diese selbst in unsere Gesellschaft zu integrieren. Dies ist ein Entschluß, den wir demnächst fassen müssen, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)




    Bundeskanzler Schmidt
    Vielleicht wird es dann auch leichter fallen, gegenüber den Entwicklungsländern unseren Verpflichtungen gerecht zu werden.
    Das Grundgesetz war eine Chance zur Demokratie, die wir ergriffen haben. Die Demokratie ist eine Chance zur Menschlichkeit, die wir nutzen müssen.
    Nun blickt auch der andere deutsche Staat, die Deutsche Demokratische Republik, in diesem Jahr auf drei Jahrzehnte ihres Bestehens zurück. Jedermann in Europa, jedermann in der Welt ist sich dessen bewußt, daß die Deutsche Demokratische Republik ein deutscher Staat ist. Am allerwenigsten wollen wir davon absehen, daß sie ein deutscher Staat ist. Selbst wenn wir dies wollten, so könnten wir davon nicht absehen, denn die Teilung, allem voran die Verantwortung für Berlin, sind uns gegenwärtig, bedrängend gegenwärtig. So tun wir gut daran, uns bewußt zu bleiben, daß die' DDR deutsch ist, daß dort Deutsche leben, daß alles, was dort vorgeht, Teil der Gegenwart des deutschen Volkes ist.
    Die gegenwärtig lebenden Deutschen, die gegenwärtige Generation, machen eine einzigartige Erfahrung durch. Ich meine nicht die Erfahrung des Nebeneinanders in verschiedenen deutschen Staaten. Das ist uns Deutschen in unserer Geschichte jahrhundertelang begegnet. Nein, ich meine die Erfahrung, daß staatliche Trennung zugleich mit einer tiefgreifenden Auseinanderentwicklung im Gesellschaftlichen, im Politischen und zu einem Teil auch im Kulturellen einhergeht.
    Als 1949 die DDR gegründet wurde, da war die Phase, wie sie es nannten, der „antifaschistischen Umwälzung". In dieser Phase waren die sozioökonomischen Bedingungen, die politischen Bedingungen schon geschaffen, die zum Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft sowjetischen Musters der damaligen Führung notwendig erschienen, so z B. die Entmachtung des Bürgertums, die Sicherung der politischen Führung durch die kommunistische Partei, weitgehend auch schon die Entmachtung der erst im Wiederentstehen begriffenen Gewerkschaften.
    Auf ihrer zweiten Parteikonferenz im Juli 1952 hat die SED bestimmt, „daß der Aufbau des Sozialismus zur grundlegenden Aufgabe der DDR geworden" sei. Also noch bevor die sowjetische Deutschlandpolitik in der Mitte der 50er Jahre ihre Optionen, ihre Strategien in bezug auf Gesamtdeutschland aufgegeben hatte zugunsten der Verfestigung und Konsolidierung des Staates DDR, war in der DDR längst eine umfassende Umgestaltung aller öffentlichen und privaten Lebensverhältnisse angelaufen. Man nannte das dort drüben einen einheitlichen revolutionären Prozeß.
    Dementsprechend hatte die SED, zumindest die SED-Führung, von Beginn an ihr Ziel primär darin gesehen, im Gebiet der heutigen DDR eine sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung von marxistisch-leninistischem Typus zu errichten. Nicht zuletzt dies hat dann zu der bitteren Erfahrung des 17. Juni geführt.
    Heute, etwa ein Jahrzehnt nach der zweiten Verfassung der DDR von 1968, leugnet die DDR, daß es eine deutsche Frage, daß es eine deutsche Nation überhaupt gäbe. Dabei hat sie sich in jener Verfassung 1968 selbst noch „sozialistischer Staat deutscher Nation" genannt und hat sich selbst bekannt zur „Überwindung der vom Imperialismus der deutschen Nation aufgezwungenen Spaltung". Heute, nach einer erneuten Verfassungsänderung 1974, bezeichnet sich die DDR als sozialistischer Staat der Arbeiter und Bauern. Ihre Bürger dürfen sich nicht der Staatsbürgerschaft nach als Deutsche bezeichnen, wohl aber der Nationalität nach als Deutsche. Offiziell heißt es, in der DDR entwickle sich die sozialistische deutsche Nation, während in der Bundesrepublik die bürgerliche Nation fortbestehe.
    Es ist ganz offenkundig, daß solche Wendungen und Verfälschungen vom Bewußtsein der Deutschen in der DDR nicht getragen werden,

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    sondern daß sie vielmehr der vordergründigen politischen Opportunität der Führung entsprechen. Auch in der DDR ist das letzte Wort zur Nation keineswegs gesprochen, und so bald wird es keineswegs gesprochen werden.

    (Erneuter Beifall bei der SPD und der FDP)

    Meine Damen und Herren, gleichwohl ist nicht zu leugnen, daß hier ein souveräner Staat entstanden ist, dem wir unseren Willen nicht aufzwingen könnten, sofern wir dies wollten. Auch jener Staat zählt zu den führenden Industriestaaten der Welt. Seine Industrieproduktion hat sich im Laufe der letzten zwei Jahrzehnte mehr als verdoppelt. Im Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe nimmt die DDR mit ihren wirtschaftlichen Erfolgen eine Spitzenstellung ein. Ihre wirtschaftliche Effizienz und ihr Lebensstandard sind führend unter den Staaten des RGW. Viele Bürger der DDR — und nicht nur Kommunisten — sind darauf stolz; ich denke, sie sind mit sehr gutem Recht darauf stolz, denn dieser wirtschaftliche Aufschwung war für die DDR ungleich schwieriger als für uns.
    Die Startbedingungen waren schlechter: Demontagen, Entnahmen aus der laufenden Produktion. Politische Gründe, die die Einbeziehung in den Marschall-Plan verhinderten, und die Trennung von Westdeutschland erzwangen eine völlige Umstrukturierung der Industriebeziehungen, der Wirtschaftsbeziehungen insgesamt. Am Anfang gab es keinerlei Schwerindustrie.
    Wenn man das alles berücksichtigt und die Leistungen sieht, die gleichwohl zustande gekommen sind, dann sind es einerseits deutsche Leistungen, andererseits sind Leistungen und Umstände Ergebnisse einer anderen, einer kommunistischen Politik, die auch Ergebnisse gezeitigt hat, die für uns untragbar wären, die von den Menschen große Opfer an persönlicher und an bürgerlicher Freiheit fordert, die den Menschen auferlegt, ein Leben unter Einschränkungen und Belastungen führen zu müssen, die . in unserer freiheitlich-demokratischen Ordnung niemand von uns tolerieren würde. Von



    Bundeskanzler Schmidt
    denen, die ihre Stimme in der Offentlichkeit zu Gehör bringen dürfen, verlangt die Staatsführung der DDR kritiklose Zustimmung zu alledem. Es liegt auf der Hand, daß geistige Eigenständigkeit und geistige Freiheit dort schwer behindert sind.
    Die DDR-Führung weiß in Wirklichkeit — dies ist mein Eindruck —, daß ihre Vorstellung von einer besonderen Nation, die sich von den Deutschen in der Bundesrepublik unterscheidet, ja, die sich uns gegenüber durch ein besonderes Nation-Bewußtsein abhebt, unrealistisch war und auch bleibt.
    Es wird heute in der DDR gerne der Eindruck suggeriert, daß sie die guten Elemente unserer nationalen Geschichte bewahre oder wiederbelebt habe, während auf unserer Seite die negativen zu finden seien. Das ist Geschichtsklitterei.
    Aber es ist sicherlich zu begrüßen, wenn wir uns in beiden Teilen Deutschlands mit der nationalen Geschichte der Deutschen kritisch auseinandersetzen, denn weder bei uns noch in der DDR möchte man heute über Nation so reden und schreiben, wie Treitschke es vor 100 Jahren getan hat. Auch die Fernsehserie, die in der DDR über Scharnhorst produziert wurde — ich finde es gut, daß wir sie demnächst auf unseren Bildschirmen sehen werden —, ist wohl, was die historische Wahrheit angeht, nicht über jeden Zweifel erhaben. Aber grundsätzlich ist es nicht schlecht, daß die preußisch-deutsche Geschichte heute in beiden deutschen Staaten — ich denke dabei auch an Sebastian Haffners Preußen-Buch — von neuem betrachtet und diskutiert wird. Allerdings werden wir nicht mitmachen können, wenn die DDR die preußischen Reformer wie Gneisenau und Stein und Hardenberg gleichsam für sich vereinnahmen will, wohingegen der preußische Obrigkeitsstaat von uns übernommen werden müßte. Das sind Possen! Das sind Albernheiten!

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Manche in der DDR — insbesondere in deren Führung — mißverstehen schon lange unser Festhalten am Gedanken der Nation. Die Ideologen der Abgrenzung argwöhnen dahinter eine Politik des von ihnen so genannten Revisionismus. Sie wittern den Versuch, der DDR ihre Staatlichkeit wegzunehmen. Das ist Unfug. Wir haben die Existenz des zweiten deutschen Staates längst anerkannt. Wir würden aber unsere Verantwortung verleugnen, wenn wir so täten, als ob der Gedanke der einen Nation von den Deutschen oder von uns preisgegeben werden würde. Das wird er nicht!

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Das hat auch die polnische Nation trotz langer, langer Teilung nicht getan. Mir ist jedenfalls gewiß, daß die eine Nation für die künftigen Generationen in beiden deutschen Staaten wichtig bleiben wird, unabhängig davon, wie sich die beiden Staaten in ihrem Inneren entwickeln.
    Die Betrachtung der vergangenen 30 Jahre oder der Ausblick auf die kommenden 30 Jahre ergibt in der Vergangenheit und in der Zukunft sehr viel
    Unterschiedliches, sehr viel Gegensätzliches, aber auch Gemeinsames. In einem jedenfalls stimmen die Deutschen — sogar die Politiker — in beiden Staaten sogar politisch überein, nämlich darin, daß wir alle wollen — das ist vor neun Jahren in Erfurt und Kassel besonders deutlich geworden —, daß von deutschem Boden kein Krieg mehr ausgehe.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Die Deutschen in beiden Teilen wollen den Frieden auch und gerade angesichts des Faktums der Teilung in zwei unterschiedliche Staats- und Gesellschaftsformen, und wir wollen durch eine Politik der kooperativen Nachbarschaft die Folgen der Teilung erträglicher machen. Aber in Wirklichkeit kann dieser Beitrag nur von beiden deutschen Staaten geleistet werden; sie können ihn nur gemeinsam leisten. Die Bundesrepublik Deutschland ist dazu bereit.
    Was aus der deutschen Nation wird, ist nicht nur eine Frage für die Deutschen, sondern auch für unsere Nachbarn in Europa, unsere Partner in den wirtschaftlichen Gemeinschaften, in den Bündnissen, denen die beiden deutschen Staaten angehören. Die Völker und die Regierungen auf unserem Kontinent und in der ganzen Welt wissen: Es gibt d i e Deutschen, obwohl sie in zwei Staaten leben.
    Manchmal unterscheidet das Deutschlandbild, das man im Ausland hat, weniger deutlich zwischen der Bundesrepublik und der DDR, weniger deutlich, als wir es tun, die wir täglich mit den harten Tatsachen der Teilung und ihren Folgen konfrontiert sind. Vielleicht ist es sogar tröstlich zu sehen, daß manche Ausländer in der Welt unsere Nation mit Augen betrachten, in denen die deutsche Nation für sie, für die Nachbarn, für die Partner, auch nach einer vollen Generation der Teilung ihre Eigenständigkeit, ihre Identität nicht eingebüßt hat.
    Ebenso muß man auch erkennen, daß wir Deutschen von den anderen Völkern nicht mit derselben Gelassenheit betrachtet werden wie andere Nationen. Allein die Vorstellung, daß eines Tages ein Staat von 75 Millionen Deutschen in der Mitte Europas entstehen könnte, bereitet vielen der Nachbarn und Partner Sorgen, auch wenn die nicht so laut ausgesprochen werden. Wir müssen uns deshalb gefallen lassen, daß wir Deutschen, daß die Entwicklung in beiden deutschen Staaten und die Entwicklung zwischen beiden Staaten vom Ausland her sehr bewußt, sehr aufmerksam, zum Teil sehr kritisch unter die Lupe genommen werden. Wir dürfen nicht übersehen, daß die deutsche Teilung in den Augen anderer heute ein Teil, ein Element des europäischen Gleichgewichtes ist, das den Frieden in Europa sichert.
    Unsere Nachbarn und Partner wissen das sehr genau und sagen das. Wir können nur dann mit deren Verständnis für unsere nationalen Fragen rechnen, wenn wir sie umsichtig und sorgsam, wenn wir sie realistisch angehen, d. h., wenn wir



    Bundeskanzler Schmidt
    sie unter pflegsamem Eingehen auf die Interessen aller unserer Nachbarn angehen.
    Ich habe im Bundestag mehrfach betont, daß die Frage nach der Einheit der Nation den Frieden nicht von der ersten Priorität abdrängen darf. Wir dürfen auch nicht den Anschein erwecken, als wollten wir eine Deutschlandpolitik betreiben, die die Erfordernisse des europäischen Friedens aus dem Auge verlieren könnte. In unserer geopolitischen Lage, angesichts unserer jüngeren Geschichte können wir Deutschen uns nicht eine politische Schizophrenie leisten, etwa auf der einen Seite eine realistische Friedenspolitik voranzubringen und auf der anderen gleichzeitig eine illusionistische Wiedervereinigungsdebatte zu führen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Gestatten Sie mir ausnahmsweise ein Selbstzitat, zu dem ich stehe. Vor zehn Jahren habe ich geschrieben:
    Bereitschaft zur Realität ist nötig, wenn unser Wille zum Frieden gelten soll.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    30 Jahre Bundesrepublik Deutschland und 30 Jahre Deutsche Demokratische Republik — das war auch 30jähriger Friede nach außen, und zwar für alle Deutschen, trotz des Kalten Krieges, trotz höchst gefährlicher Krisen in manchen früheren Stadien und trotz vieler Tragödien einzelner und ihrer Familien.
    Unsere Friedenspolitik gründet auf der festen Verankerung, die wir im Westen gefunden haben, in den Europäischen Gemeinschaften, in der Atlantischen Allianz, besonders auf der engen Verbundenheit mit Frankreich, auf der freundschaftlichen Partnerschaft mit den USA, mit Großbritannien und anderen.
    Wir haben durch die Politik der Verträge, der Gewaltlosigkeit, der Zusammenarbeit den Frieden in Europa tatsächlich sicherer gemacht. Wir bemühen uns zäh und entschieden um ein gutnachbarliches Verhältnis zu unseren östlichen Nachbarn — auch zu dem anderen deutschen Staat.
    Unser Verhältnis zu den osteuropäischen Staaten und zu der östlichen Weltmacht Sowjetunion ist ein anderes als unser Verhältnis zu unseren westlichen Partnern, denn wir gehören verschiedenen politischen, verschiedenen gesellschaftlichen Systemen und Denksystemen an. Gleichwohl möchte ich auch in Richtung Osten von Partnerschaft reden, nämlich von Vertragspartnerschaft und insbesondere von Sicherheitspartnerschaft.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Die Ostverträge haben vertragliche Bindungen geschaffen, die sich trotz aller Rückschritte fortentwickeln. Mit dem Viermächteabkommmen, mit dem Grundlagenvertrag wurden politische Voraussetzungen für die Konferenz von Helsinki geschaffen. Die Beziehungen zwischen beiden deutschen Staaten und die Lage Berlins — all das ist seitdem eingebettet in die Entspannungspolitik in Europa. Es ist den Berlinern, den Deutschen in der DDR, den
    Deutschen hier und allen Völkern Europas zugute gekommen.
    Über die vertraglichen Beziehungen hinaus ist auch mit der Sowjetunion und mit Osteuropa das politische Gespräch möglich geworden, das erst einen Grad an gegenseitiger Vorhersehbarkeit der Politik, an gegenseitigem Vertrauen schafft, auf dem eine wachsende Kooperation aufgebaut werden kann.
    Ein wesentlicher Teil der Entspannungspolitik und des Ost-West-Gesprächs sind heute die Bemühungen um Begrenzung und um Abbau der Rüstungspotentiale. Wir freuen uns darüber, daß zwischen den USA und der Sowjetunion der SALT-Abschluß zustande gebracht werden konnte, der auch in unserem Interesse liegt.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Wir Deutschen haben ein besonderes Interesse daran, daß die hohe Konzentration von Truppen und Kriegsmaterial auf deutschem, auf zentraleuropäischem Boden abgebaut und ein europäisches Kräftegleichgewicht auf niedrigerer Ebene hergestellt wird. Alle Staaten in Ost und West können deshalb auf unser Engagement für Abrüstung und Rüstungskontrolle zählen.
    Die jüngsten Entwicklungen in der Europäischen Gemeinschaft, etwa das Europäische Währungssystem, die erste Direktwahl zum Europäischen Parlament oder die Erweiterung um Griechenland in der übernächsten Woche und später auch um Portugal und Spanien, entsprechen unseren eigenen Zielen. Denn die Einbindung der Bundesrepublik Deutschland in eine sich entwickelnde demokratische Gemeinschaft Europas hilft uns, Argwohn gegenüber vermuteten oder befürchteten deutschen Übergewichten entgegenzutreten.
    Unsere historische Lektion und Erfahrung, gelernt in diesen 30 Jahren, daß nämlich die Nation nicht der oberste Maßstab für alle Politik sein darf, ist notwendige Voraussetzung einer umsichtigen deutschen Politik der Verständigung mit Osteuropa und auch mit der DDR. Sie dient dem Frieden, aber sie verhindert auch, daß das Bewußtsein von der andauernden Identität der Nation — von den politischen Realitäten des Augenblicks verdeckt — tatsächlich vergewaltigt werden kann.
    Wer sich realistisch mit den Problemen der deutschen Teilung auseinandersetzt, der weiß, daß die Vollendung der deutschen Einheit, daß ein gemeinsames Dach für alle Deutschen nur dann denkbar wird, wenn sich West und Ost tatsächlich aus ihrer verkrampften, aus ihrer militärisch hoch aufgeladenen Polarisation befreien, wenn sie die Spannungen zwischen sich abbauen, ja wenn sie sich selbst entspannen, weil sie auf die verläßliche Friedlichkeit der Partner auf der anderen Seite vertrauen können.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Bis dahin ist noch ein weiter, ein unübersehbar weiter Weg. Deshalb wissen wir heute nicht, ob und wann, in welcher Form, in welchen Stufen die deutsche Einheit vollendet werden kann. Wir wis-



    Bundeskanzler Schmidt
    sen jedoch, daß beide deutsche Staaten, eingebettet in unterschiedliche Gemeinschaften und Bündnisse, heute, morgen und übermorgen ihre Teilaufgabe, ihre Teilverantwortung für den Frieden Europas zu erkennen und auszufüllen haben.
    Wir haben also Grund zu der Frage: Was können die Deutschen in den beiden deutschen Staaten heute und morgen tun, um den Frieden in Europa für die Zukunft zuverlässiger zu machen? Ich denke, zur Antwort gehört bei aller Klarheit der Kritik auch, daß wir gegenseitig den Beitrag anerkennen sollten, den die Deutschen in beiden deutschen Staaten in 30 Jahren zum Wiederaufbau Europas geleistet haben. Man sollte also gegenseitig anerkennen, was zustande gebracht worden ist.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Wir sollten beiderseits den allgemeinen Prozeß der Zusammenarbeit, der Entspannung in Europa durch eigene Mitwirkung, z. B. bei Abrüstung und Begrenzung, fördern und stützen.
    Kollege Barzel hat jüngst in einem Aufsatz darauf hingewiesen, daß überall in der Welt, ihrem Lebensalter entsprechend, jene Menschen aus den Führungen der Staaten schon ausgeschieden sind, die ihre entscheidenden politischen Erfahrungen vor der Zeit der europäischen Diktaturen und vor dem Zweiten Weltkrieg gewonnen haben. Das ist die Generation der Schumacher, Adenauer, de Gasperi und wie sie alle geheißen haben. Im kommenden Jahrzehnt der 80er Jahre wird nun überall in der Welt auch die Kriegsgeneration von der politischen Bühne abtreten. Wir sollten fragen, was wir tun können, damit gleichwohl die Lehren aus dem bitteren Krieg nicht verlorengehen.
    Die Zeit ist gekommen, daß wir weniger über das gemeinsam Verlorene klagen, als vielmehr über das nachdenken und sprechen, was die beiden Seiten zur friedlichen Zukunft Europas beitragen können. Es kann ja nur einen Frieden geben, und das ist der Friede, der Ost und West gemeinsam ist. Es kann nur einen gemeinsamen Frieden geben.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Nur in einem politisch und vertraglich organisierten Frieden ist es möglich, daß Europa wirtschaftlich, kulturell und menschlich wieder zusammenwächst. Nur nach langem Frieden ist Einheit denkbar.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei der SPD und der FDP)