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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 8/145 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 145. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 29. März 1979 Inhalt: Gedenkworte zum 130. Jahrestag der Verabschiedung der Frankfurter Reichsverfassung 11559 A Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Dr. Schachtschabel und Dr. Gradl . . 11560 C Wahl des Abg. Müller (Nordenham) zum ordentlichen Mitglied und des Abg. Dr. Enders zum stellvertretenden Mitglied im Kontrollausschuß beim Bundesausgleichsamt 11560 C Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung . 11560 C Erweiterung der Tagesordnung 11561 C Absetzung eines Punktes von der Tagesordnung 11673 B Beratung des Antrags der- Abgeordneten Dr. Gradl, Katzer, Blumenfeld, Dr. Mikat, Dr. Biedenkopf, Josten, Dr. Müller-Hermann, Gerster (Mainz), Wohlrabe, Frau Dr. Riede (Oeffingen), Kittelmann, Breidbach, Frau Pieser, Luster, Reddemann, Schröder (Lüneburg), Dr. Pfennig, Frau Berger (Berlin), Stommel, Conrad (Riegelsberg), Dr. Stercken, Russe, Frau Dr. Wisniewski, Schartz (Trier) und Genossen Unverjährbarkeit von Mord — Drucksache 8/2539 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Abgeordneten Wehner, Ahlers, Dr. Ahrens, Amling, Dr. Apel und Genossen und den Abgeordneten Dr. Wendig, Gattermann, Frau Dr. Hamm-Brücher und Genossen eingebrachten Entwurfs eines 18. Strafrechtsänderungsgesetzes — Drucksache 8/2653 (neu) — in Verbindung mit II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 145. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. März 1979 Beratung der Entschließung des Europäischen Parlaments zur Unverjährbarkeit von Völkermord und Mord — Drucksache 8/2616 — Dr. Gradl CDU/CSU 11561 D Dr. Emmerlich SPD 11565 C Erhard (Bad Schwalbach) CDU/CSU . . . 11569 D Kleinert FDP 11575 C Schmidt, Bundeskanzler 11579 A Graf Stauffenberg CDU/CSU 11581 A Dr. Wendig FDP 11585 D Vogel (Ennepetal) CDU/CSU 11590 B Waltemathe SPD 11593 B Dr. Dr. h. c. Maihofer FDP 11596 A Dr. Mikat CDU/CSU 11601 C Dr. Lenz (Bergstraße) CDU/CSU 11607 C Dr. Vogel (München) SPD 11611 C Engelhard FDP 11617 A Dr. Weber (Köln) SPD 11619 C Wissmann CDU/CSU 11622 A Oostergetelo SPD 11624 A Dr. Klein (Göttingen) CDU/CSU 11625 D Frau Matthäus-Maier FDP 11627 C Blumenfeld CDU/CSU 11631 A Hartmann CDU/CSU 11633 B Hansen SPD 11635 B Helmrich CDU/CSU 11638 A Dr. Schwencke (Nienburg) SPD 11639 C Dr. Schwarz- Schilling CDU/CSU 11642 B Dr. Stark (Nürtingen) CDU/CSU 11645 B Sieglerschmidt SPD 11647 A Josten CDU/CSU 11649 C Präsident Carstens 11575 A Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland (Europaabgeordnetengesetz) — Drucksache 8/362 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/2708 — Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses — Drucksache 8/2707 — Krey CDU/CSU 11651 A Bühling SPD 11652 C Dr. Klepsch CDU/CSU 11654 D Wolfgramm (Göttingen) FDP 11656 D Luster CDU/CSU 11657 D Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die unentgeltliche Beförderung Schwerbehinderter im öffentlichen Personenverkehr — Drucksache 8/2453 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/2697 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 8/2696 — Hölscher FDP 11658 C, 11660 C Burger CDU/CSU 11658 D Kratz SPD 11659 D Dr. Ehrenberg, Bundesminister BMA . . 11661 D Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Forschung und Technologie zu dem Antrag der Fraktionen der SPD und FDP Enquete-Kommission „Zukünftige Energie-Politik" und dem Antrag der Abgeordneten Lenzer, Pfeifer, Dr. Probst, Benz, Engelsberger, Gerstein, Dr. Hubrig, Dr. Riesenhuber, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Dr. Laufs, Pfeffermann, Dr. Stavenhagen, Frau Dr. Walz, Dr. Narjes und der Fraktion der CDU/CSU Enquete-Kommission „Zukünftige Energie-Politik" — Drucksachen 8/2353, 8/2374, 8/2628 — Dr. Freiherr Spies von Büllesheim CDU/CSU 11663 B Ueberhorst SPD 11664 D Dr.-Ing. Laermann FDP 11666 A Bericht des Ausschusses für Forschung und Technologie gemäß § 60 Abs. 3 der Geschäftsordnung zu dem Antrag der Abgeordneten Lenzer, Dr. Riesenhuber, Dr. Probst, Pfeifer, Benz, Engelsberger, Gerstein, Dr. Hubrig, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Dr. Stavenhagen, Frau Dr. Walz, Pfeffermann und der Fraktion der CDU/CSU Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 145. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. März 1979 III Einrichtung einer Prognose- und Bewertungskapazität zur Begutachtung technologischer und forschungspolitischer Entwicklungen beim Deutschen Bundestag — Drucksachen 8/1241, 8/2629 (neu) — Dr. Riesenhuber CDU/CSU 11667 B Stockleben SPD 11669 B Dr.-Ing. Laermann FDP 11670 D Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu den Verträgen vom 17. November 1977 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik über den Bau einer Autobahnbrücke über den Rhein zwischen Steinenstadt und Ottmarsheim sowie über den Bau einer Straßenbrücke über den Rhein zwischen Weil am Rhein und Hüningen — Drucksache 8/2437 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/2686 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr und für das Post-und Fernmeldewesen — Drucksache 8/2642 — 11672 D Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den gewerblichen Binnenschiffsverkehr — Drucksache 8/2366 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen — Drucksache 8/2640 — 11673 A Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 12. Februar 1971 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über den Luftverkehr — Drucksache 8/2436 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen — Drucksache 8/2669 — 11673 B Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Elften Gesetzes zur Änderung des Viehseuchengesetzes — Drucksache 8/2646 — 11673 C Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 20. Juli 1978 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung des Großherzogtums Luxemburg über verschiedene Fragen der Sozialen Sicherheit Drucksache 8/2645 — 11673 D Beratung der Sammelübersicht 43 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 8/2665 11673 D Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu dem Antrag des Bundesministers der Finanzen Veräußerung von Teilflächen des ehemaligen Standortübungsplatzes Bad Vilbel an die Stadt Frankfurt — Drucksachen 8/2478, 8/2648 — 11674- A Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Verbilligte Veräußerung von bundeseigenen Grundstücken — Drucksachen 8/2558, 8/2649 — 11674 A Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu der zustimmungsbedürftigen Verordnung der Bundesregierung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs (Nr. 3/79 — Zollkontingent für Walzdraht 1. Halbjahr 1979) — Drucksachen 8/2536, 8/2632 — 11674 B Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag einer Verordnung des Rates zur Anpassung der Kapazität für den gewerblichen Güterkraftverkehr zwischen den Mitgliedstaaten — Drucksachen 8/2357, 8/2641 — 11674 B Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung VI Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 145. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. März 1979 Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 816/70 zur Festlegung ergänzender Vorschriften für die gemeinsame Marktorganisation für Wein — Drucksachen 8/2513 Nr. 3, 8/2670 — . . 11674 C Beratung des Berichts der Bundesregierung über Möglichkeiten zur Umstellung des 7 b EStG auf ein anderes Förderungssystem — Drucksache 8/2554 — 11674 D Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Auswirkungen des Gesetzes über steudrliche Vergünstigungen bei der Herstellung oder Anschaffung bestimmter Wohngebäude auf das geltende Grunderwerbsteuerrecht und über die Überlegungen, die zur Reform des Rechts der Grunderwerbsteuer angestellt worden sind — Grunderwerbsteuerbericht — Drucksache 8/2555 — 11674 D Nächste Sitzung 11675 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 11677* A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 145. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. März 1979 11559 145. Sitzung Bonn, den 29. März 1979 Beginn: 9.01 Uhr
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    Berichtigung 144. Sitzung, Seite 11 405 A: In den Zeilen 10 bis 13 ist statt „ ... an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung — federführend —, an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit — mitberatend —" zu lesen: ,,... an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit — federführend —, an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung — mitberatend —" ; Seite 11 526 * D: In der Zeile 8 von unten ist statt „36" zu lesen: „38". Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordneter) entschuldigt bis einschließlich Dr. Aigner * 30. 3. Dr. Althammer 30.3. Dr. Bangemann* 29. 3. Dr. Becher (Pullach) 30. 3. Frau Berger (Berlin) 30. 3. Blumenfeld ** 30. 3. Dr. Corterier ** 30. 3. Frau Erler 30. 3. Fellermaier * 30. 3. Frau Fischer 30. 3. Friedrich (Würzburg) 29. 3. Genscher 30. 3. Dr. Hornhues 30. 3. Horstmeier 29. 3. Dr. Jahn (Braunschweig) * 30. 3. *) für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments *5) für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung ***) für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordneter) entschuldigt bis einschließlich Dr. h. c. Kiesinger 30. 3. Klinker 30. 3. Koblitz 30. 3. Lange * 30. 3. Leber 30.3. Lemp * 30.3. Lenzer 30.3. Dr. Müller *** 29.3. Müller (Mülheim) * 30. 3. Müller (Remscheid) 30. 3. Sauer (Salzgitter) 30. 3. Schmidt (München) * 30. 3. Schreiber* 30. 3. Dr. Schröder (Düsseldorf) 30. 3. Dr. Schwencke (Nienburg) *** 29. 3. Dr. Schwörer * 29. 3. Seefeld * 30. 3. Spitzmüller 30. 3. Stahlberg 30. 3. Dr. Starke (Franken) * 30. 3. Frau Tübler 30. 3. Dr. Vohrer *** 29. 3. Frau Dr. Walz 30. 3. Baron von Wrangel 30. 3. Wuwer 30.3. Ziegler 30. 3.
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    Rede von Dr. Anton Stark


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Offenbar braucht dieses Parlament Verjährungsdebatten, uni in Sachlichkeit und Ruhe quer durch alle Fraktionen diskutieren zu
    können, wie das jetzt mehrmals bei den Debatten über dieses uns alle bedrängende Problem geschehen ist.
    Im Gegensatz zum Kollegen Schwarz-Schilling war ich 1969 dabei. Ich habe auch 1965, obwohl ich erst danach in den Bundestag kam, die Debatte sehr aufmerksam verfolgt. Es gibt Dinge, sagt ein Philosoph, wenn man über die nachdenkt, könnte man den Verstand verlieren, soweit man einen hat. Ich glaube, das spüren wir alle, wenn wir uns diese Zeit vor Augen führen, in der Dinge geschehen sind, die wir, die relativ jüngeren, die nicht mehr unmittelbar den Anfechtungen ausgesetzt waren, uns kaum mehr vorstellen können. Trotzdem lassen Sie mich einiges sagen, was mich in dieser Debatte bedrängt: nämlich mit welcher Selbstgerechtigkeit und Selbstsicherheit einige jüngere Kollegen, die in dieser Zeit nicht Verantwortung trugen, die nicht den Anfechtungen dieses Systems ausgesetzt waren, heute hier auftreten und sagen, was jetzt zu geschehen habe.

    (Frau Matthäus-Maier [FDP]: Beispiele!)

    Ausgangspunkt unserer Debatte — das wurde heute klar, ich freue mich darüber; daran wurde kaum vorbeigeredet — ist die Frage, ob die schrecklichen Verbrechen der NS-Zeit so, wie es das Parlament dreimal beschlossen hat, am 1. Januar 1980 -verjähren sollen und damit nicht mehr verfolgt werden können. Die Frage, ob der gemeine Mord verjähren soll, wurde von manchem bewußt mit hereingenommen, um besser ihre Argumente vertreten zu können. Von anderen wurde ganz offen gesagt: Darauf käme es Ihnen nicht an, da würden sie eventuell eine andere Meinung vertreten. Hier setzen meine Bedenken ein; hier fühle ich mich beschwert. Ich glaube, ich bin der erste, der sich dazu äußert; sonst hätte ich gar nicht gesprochen, weil zu den Argumenten rechtspolitischer und allgemeiner Art gar nicht mehr viel Besseres gesagt werden kann, als heute hier geäußert wurde.
    Ich bin der Meinung, daß, wenn wir heute darüber abstimmen würden oder darüber entscheiden müßten, ob Verjährung für gemeinen Mord abgeschafft werden soll, 70 bis 80°10 dieses Parlaments — ich weiß es nicht genau — nicht dafür wären. Davon gehe ich aus. Damit würden diese Kolleginnen und Kollegen anerkennen, daß die Verjährung ein Institut nicht des Mittelalters oder sonst eine veraltete Einrichtung, sondern ein Institut des aufgeklärten, sich seiner Grenzen bewußten modernen Rechtsstaats ist, ein durchaus liberales Institut, das es in einem totalen oder absoluten Staat nicht geben kann, weil diese Staaten sich alles zutrauen.
    Die Verjährung erfolgt nicht im Interesse des Verbrechers. Das sollten wir bei aller Erregung und Emotion über die schrecklichen Taten des Dritten Reiches nicht vergessen, und ganz nüchtern fragen: Was ist der Sinn der Verjährung? Die Verjährung ist, wie Adolf Arndt und Thomas Dehler in hervorragender Weise gesagt haben, ein Institut, um den Staat vor der Hybris zu bewahren, durch verspätete, von Menschen getätigte Rechtsprechung Fehlurteile, Falschurteile zu fällen, Justizirrtümer zu begehen und zu glauben, er könnte wie das jüngste Gericht



    Dr. Stark (Nürtingen)

    sozusagen die letzte Gerechtigkeit verwirklichen. Das zu vermeiden, ist der Sinn: der Verjährung die Justiz vor der Unglaubwürdigkeit zu schützen. Dazu wurden Zahlen und Daten vorgetragen, die meines Erachtens unwiderlegbar sind.
    Jetzt kommt aber für mich der entscheidende Punkt. Während das also für gemeinen Mord weithin anerkannt wird, wird hier von vielen Kollegen — auch meiner Fraktion — mit Überzeugung, mit guter Absicht und aus ehrlichen Motiven gesagt: Ja, aber die NS-Taten — das ist etwas ganz anderes, das ist so exorbitant, da darf das nicht gelten! Hier stocke ich. Wenn wir ehrlich sind, meine Damen und Herren, wenn wir nicht selbstgerecht sind, dann müssen wir hier nachdenken. Strafrecht hat nur über individuelle Schuld des einzelnen zu urteilen und nicht kollektiv über die Verurteilung des Nationalsozialismus, dieses Teufelsstaates und dieser Maschinerie — da sind wir uns doch alle einig! Ich glaube, keiner wird hier im Hause behaupten, er sei mehr dagegen gewesen und jener weniger. Das sollten wir uns alle zubilligen, ganz gleich, wie wir in dieser Frage denken. Aber es geht jetzt um die individuelle Schuld — verstehen Sie das nicht falsch! — eines Menschen, der von 14 an im Elternhaus ideologisch getrimmt wurde, mit 17 in der Napola war — ich war es nicht; zu Ihrer Beruhigung! —, dann beeinflußt wurde von morgens bis abends im Freundeskreis mit Rassenwahn, mit Ideologie, mit „Führer befiehl, wir folgen", der gar nichts anderes mehr gehört hat und dann in die Maschinerie des Dritten Reiches geriet: Er ging zum SS-Reiterverein, weil er reiten wollte, oder er ging zum NSKK, weil er Motorrad fahren wollte, und plötzlich wurde er abgeordnet — das ist geschehen, wie mir heute ein Kollege gesagt hat — als KZ-Wächter. Dann war er in der Maschine drin, und er hat unter Umständen schreckliche Taten begangen.
    Jetzt aber zur individuellen Schuld! Ist diese Schuld individuell, nicht kollektiv, und ethisch gesehen größer als diejenige eines Menschen, der hier in einer freiheitlichen Demokratie in Frieden und Freiheit, durch gute Schulen ging und dann zum Mörder wird wegen 50 DM oder auch aus ideologischer Verblendung, als Terrorist? Warum sollten wir hier die Dinge anders behandeln? Ich frage das, und darauf möchte ich eine Antwort: ob hier die individuelle Schuld eines einzelnen etwas völlig anderes ist und ob man deshalb NS-Taten und gemeine Mordtaten verschieden behandeln kann. Ich persönlich bin der Überzeugung: Wenn man ehrlich ist, kann man das nicht.
    Ich verstehe Sie, die Sie die Verjährung abschaffen wollen, so: Sie wollen — das habe ich aus dieser Debatte entnommen; insofern war die Debatte wirklich nicht umsonst, wie man zunächst vielleicht gemeint hat: warum noch einmal über alles das diskutieren?
    noch einmal zum Ausdruck bringen, daß wir das, was da alles geschehen ist, zutiefst verurteilen, daß wir das nicht vergessen wollen und nicht — wie es manchmal heißt — einfach Schluß machen und nichts mehr davon wissen wollen. Das unterstelle ich Ihnen, und dabei stehe ich voll zu Ihnen. Jüngste Ereignisse, „Holocaust" und andere Dinge, haben uns gezeigt, daß sich unsere Bürger draußen — ich hoffe, nicht wir, die Abgeordneten; ich war etwas betrübt, als ich von einem Abgeordneten hörte, ihm sei erst jetzt aufgegangen, was im Dritten Reich passiert sei; das fand ich etwas bedenklich, weil er seine Informations- und Sorgfaltspflicht dann vernachlässigt hat — auf Grund dieses Films, der offenbar in der modernen Art an die Seele der Menschen herangekommen ist, trotz Tausender von Prozessen vorher mit diesem Problem auf einmal anders beschäftigen.
    Jetzt dürfen wir keinem Trugschluß und keinem Kurzschluß erliegen, indem wir sagen: wir dürfen die Verjährung unter keinen Umständen beibehalten. Wir stehen vor einer rechtspolitischen Frage grundsätzlicher Art, die man so oder so lösen kann. Ich arbeite hier gar nicht mit verfassungsrechtlichen Argumenten. Aber wir sollten nicht aus einer Stimmung heraus ein Institut abschaffen, mit dem wir 150 Jahre, d. h. in der Neuzeit, meine Damen und Herren, gelebt haben. Heute hat mein Kollege Mikat gesagt: Das ist ja noch nicht tausend Jahre alt. Sonst argumentieren wir immer: das, was tausend Jahre alt ist, muß abgeschafft werden. Wir schaffen jetzt Rechtsinstitute ab, die noch keine 50 Jahre alt sind. Hier ist also ein Bruch in der Argumentation, wobei ich allen Kollegen guten Willen unterstelle.
    Es geht allein darum, ob wir das, was wir gemeinsam wollen, mit der Abschaffung der Verjährung erreichen können. Ich bin nach reiflicher Prüfung — ich habe mich in dieser Sache sehr engagiert, ich habe versucht, alles zu lesen, und habe die Debatten verfolgt -- der festen Überzeugung: Es wäre nicht die richtige Entscheidung, weder im Hinblick auf das, was wir alle wollen, noch auf das, was diejenigen wollen, die noch einmal klar zu dokumentieren wünschen, daß wir das Dritte Reich nicht vergessen und darüber nicht zur Tagesordnung übergehen wollen.

    (Wehner [SPD] : Es geht nicht um das Vergessen! Es geht darum, die Größenordnung des Problems klarzumachen!)

    — Wir wollen es bewältigen, Herr Wehner. Aber der Weg dahin ist ganz bestimmt falsch, wenn man 10000 Verfahren durchführen muß, die acht bis zwölf Jahre dauern, und dann 0,3 % der Beschuldigten verurteilt werden. Das ergibt keinen Sinn mehr. Damit bewältigen Sie nicht die Vergangenheit, sondern damit zerstören Sie das Vertrauen in den Rechtsstaat, in unsere Zuverlässigkeit.
    Dieses Parlament hat hier dreimal in aller Sachlichkeit und Ruhe, mit Engagement und unter Abwägung aller Argumente diese Frage entschieden. Herr Dr. Schwarz-Schilling, lieber Kollege, lesen Sie es doch bitte einmal nach. Damals wurde mindestens so ernsthaft, so ausführlich und so gut argumentiert wie heute. Der Bundestag kann doch in einer so entscheidenden Frage nicht alle paar Jahre so oder so beschließen. Das wollte ich noch sagen.
    Wenn ich Ihre Geduld zu lange . in Anspruch genommen habe, bitte ich um Verzeihung.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)






Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Abgeordnete Sieglerschmidt.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Hellmut Sieglerschmidt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde mich bemühen, zu dieser späten Stunde möglichst wenig von dem zu wiederholen, was andere schon gesagt haben, sondern mich mit dem auseinanderzusetzen, was Kollegen von mir erörtert haben.
    Ich möchte, Herr Kollege Maihofer, mit einer Maxime — ich darf das einmal so nennen — beginnen, die Sie aufgestellt haben. Sie lautete — ich hoffe, ich zitiere sinngemäß ungefähr richtig —, es wäre für Sie ein unerträglicher Gedanke, wenn man den gemeinen Mord und den Völkermord bzw. den NS-Mord auf die gleiche Stufe stellte. Dem liegt letztlich auch die Überlegung zugrunde, daß man das Verhalten der Täter verschieden bewerten müßte, so wie es insbesondere auch der Kollege Schwencke ausgeführt hat.
    Ich kann mich hier nur dem anschließen, was kurz vor mir — zu diesem Punkt, sage ich ausdrücklich — der Kollege Stark erklärt hat. Zwar würde ich davor warnen, nun etwa zu sagen, die schicksalhafte Verstrickung bei den NS-Tätern sei in der Regel größer gewesen, als sie es bei anderen Mördern ist, aber das Umgekehrte ist, wenn man die menschlichen Schicksale kennt, die diesen Prozessen zugrunde liegen, sicherlich genauso falsch.

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU] : Das ist auch nicht geschehen! — Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU] : Außerdem habe ich es so nicht gesagt, Herr Sieglerschmidt!)

    — Ich habe Sie eben gerade lobend erwähnt, Herr Kollege Stark. Wenn Sie richtig hingehört hätten, hätten Sie das genau gemerkt.
    Deswegen, Herr Kollege Maihofer, möchte ich in allem Ernst die umgekehrte Maxime aufstellen: Es wäre für mich ein unerträglicher Gedanke, wenn nach dem 1. Januar 1980 am Tage X an der einen Stelle in der Bundesrepublik jemand verhaftet würde, der eines NS-Mordes verdächtigt wird, und an einer anderen Stelle in der Bundesrepublik ein anderer, eines „gemeinen" Mordes Verdächtiger, und der eine würde seiner Verurteilung entgegensehen und mit lebenslanger Haft bestraft, während der andere frei dahergehen könnte.

    (Zustimmung bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Dies wäre für mich ein unerträglicher Gedanke.
    • Ich verstehe ja das Bemühen derjenigen, die hier differenzieren wollen; ich verstehe es ja. Es ist ja auch — das muß ich jedenfalls für mich sagen — richtig, was hier von verschiedenen Rednern gesagt worden ist: Wenn wir nicht den Anlaß der anstehenden Verjährung von NS-Gewaltverbrechen hätten, würden wir über die Verjährung von Mord allgemein hier nicht diskutieren.

    (Zuruf von der FDP: So ist es!)

    Wenn ich auch einmal auf die Debatten der Jahre 1965 und 1969 zurückblicken darf, möchte ich das unterstreichen, was heute in der Debatte schon einmal gesagt worden ist: Ich will da niemandem Vor-
    würfe machen, aber man hat danach die eigentliche Entscheidung vertagt, und jetzt, meine Damen und Herren, kommt die Stunde der Wahrheit, in der wir uns entweder für die Verjährung von Mord allgemein oder für die Unverjährbarkeit von Mord allgemein entscheiden müssen.

    (Beifall bei der SPD)

    Nun sind für das Rechtsinstitut der Verjährung viele Gründe angeführt worden, und es sind in dieser Debatte auch eine Reihe von meiner Überzeugung nach wirklich einleuchtenden Gegengründen angeführt worden, die ich hier jetzt nicht wiederholen will. Ich meine, diese Gegengründe lassen sich im wesentlichen dahin gehend zusammenfassen, daß die Begründung für die Verjährung von Mord allgemein, die ihre Verfechter hier gegeben haben, nur dann richtig wäre, wenn diese Verfechter bereit wären, auch im wesentlichen oder ganz die Möglichkeit der Unterbrechung der Verjährung durch richterliche Handlung abzuschaffen. Dann würden all die Argumente gelten; sonst gelten sie meiner Auffassung nach nicht.

    (Kleinert [FDP] : Ich war so frei, das auszuführen!)

    — Ja, Herr Kleinert, in diesem Punkt sind wir uns ganz einig.
    Erlauben Sie mir nun, daß ich mich als jemand, der sich nun schon seit sieben Jahren und länger mit der Rechtsvereinheitlichung in Europa ein bißchen beschäftigt hat, mit der Frage befasse, wie es denn nun in den Staaten um uns herum hinsichtlich der Verjährung aussieht. Ich will nicht alles, was hier schon dazu gesagt worden ist, wiederholen; ich möchte daraus nur diese Feststellung ableiten: Die bei uns im Zusammenhang mit einer Unverjährbarkeit geäußerten Befürchtungen werden von diesen Staaten nicht bestätigt. Man kann, wenn man über den Grenzzaun schaut, auch nicht sagen, daß die Verjährung von Mord unbedingt eine Errungenschaft des liberalen Rechts sei. Wie wollte man etwa einem Land wie Dänemark absprechen, daß es eine ausgeprägte liberale Rechtsentwicklung hat?
    Es ist eben nicht richtig — ich möchte das noch einmal sehr deutlich sagen —, in diesem Zusammenhang immer auf die Länder des angelsächsischen Rechtskreises zu verweisen, wo es andere Voraussetzungen gibt.
    Ich mehme einmal ein großes Nachbarland wie Frankreich als Beispiel. In dem steht die Verjährung nicht im Gesetz, sie ist aber faktisch durch die Rechtsprechung sanktioniert. Die Rechtsprechung dort hat gesagt: Die Verjährung kann durch richterliche Handlung unterbrochen werden, und zwar unbegrenzt — damit ist faktisch. Unverjährbarkeit eingetreten. Man kann also nicht sagen, daß es hier nicht andere Möglichkeiten gebe.
    Ich komme zu der Schlußfolgerung, daß die Frage „Verjährung oder Nichtverjährung" nicht eine Frage der Liberalität, nicht eine Frage des Schutzes des Rechtsstaates, sondern eine Frage der jeweiligen Rechtstraditionen in den verschiedenen Ländern ist.



    Sieglerschmidt
    Nun kann man gewiß sagen: Wir haben die hier immerhin seit über hundert Jahren. Aber ich meine, man wird nicht sagen können, daß der Rechtsstaat Schaden nimmt, wenn die Verjährung für Mord, nur für dieses eine Delikt, abgeschafft würde.
    Soweit man die Frage der Verjährung als Grundsatzfrage ansieht, spricht ja doch viel für die Unverjährbarkeit. Ich will das Viele, was hier dazu gesagt worden ist, nicht wiederholen. Ich will nur dem Kollegen Lenz — ich sehe aber, daß er nicht mehr da ist — in aller Freundschaft sagen, daß er bei, seinen Ausführungen zu der Frage des Lebens als höchstes Gut doch wohl ein wenig übersehen hat, daß er, als er Schiller zitierte, zwei Ebenen der Argumentation in unzulässiger Weise vermischt hat. Das kann man nun wirklich nicht machen. Ich will im Augenblick nicht noch mehr dazu sagen, zumal Herr Lenz nicht mehr da ist. .
    Hier ist schon mehrfach auf den Zusammenhang der Unverjährbarkeit von Mord einerseits und einer gesetzlich geregelten Überprüfung des Vollzugs der lebenslangen Freiheitsstrafe andererseits hingewiesen worden. Ich will auch hier nicht wiederholen, sondern nur feststellen, daß für mich dies nicht nur ein Gegensatz ist, sondern daß für mich zwischen beiden Schritten ein notwendiger Zusammenhang besteht.
    Ich möchte ausdrücklich sagen, daß ich das, was der Kollege Graf Stauffenberg — ich weiß nicht, ob er noch im Saal ist — dazu ausgeführt hat, ein wenig bedauere. Er hat so getan, als wenn er nicht wüßte, daß die lebenslange Freiheitsstrafe schon jetzt in aller Regel nicht lebenslang vollzogen wird und daß nur eine zum Teil fragwürdige Gnadenpraxis durch ein geregeltes Verfahren abzulösen ist.
    Im übrigen sollten wir uns alle darüber klar sein, daß der Vollzug der lebenslangen Freiheitsstrafe von einem bestimmten Punkt an — das sagen uns die Ärzte, die Psychologen —

    (Glocke des Präsidenten)

    — Wieso? Es hat doch bisher für niemanden eine Redezeitbegrenzung gegeben.