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ID0814503200

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 8/145 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 145. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 29. März 1979 Inhalt: Gedenkworte zum 130. Jahrestag der Verabschiedung der Frankfurter Reichsverfassung 11559 A Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Dr. Schachtschabel und Dr. Gradl . . 11560 C Wahl des Abg. Müller (Nordenham) zum ordentlichen Mitglied und des Abg. Dr. Enders zum stellvertretenden Mitglied im Kontrollausschuß beim Bundesausgleichsamt 11560 C Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung . 11560 C Erweiterung der Tagesordnung 11561 C Absetzung eines Punktes von der Tagesordnung 11673 B Beratung des Antrags der- Abgeordneten Dr. Gradl, Katzer, Blumenfeld, Dr. Mikat, Dr. Biedenkopf, Josten, Dr. Müller-Hermann, Gerster (Mainz), Wohlrabe, Frau Dr. Riede (Oeffingen), Kittelmann, Breidbach, Frau Pieser, Luster, Reddemann, Schröder (Lüneburg), Dr. Pfennig, Frau Berger (Berlin), Stommel, Conrad (Riegelsberg), Dr. Stercken, Russe, Frau Dr. Wisniewski, Schartz (Trier) und Genossen Unverjährbarkeit von Mord — Drucksache 8/2539 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Abgeordneten Wehner, Ahlers, Dr. Ahrens, Amling, Dr. Apel und Genossen und den Abgeordneten Dr. Wendig, Gattermann, Frau Dr. Hamm-Brücher und Genossen eingebrachten Entwurfs eines 18. Strafrechtsänderungsgesetzes — Drucksache 8/2653 (neu) — in Verbindung mit II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 145. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. März 1979 Beratung der Entschließung des Europäischen Parlaments zur Unverjährbarkeit von Völkermord und Mord — Drucksache 8/2616 — Dr. Gradl CDU/CSU 11561 D Dr. Emmerlich SPD 11565 C Erhard (Bad Schwalbach) CDU/CSU . . . 11569 D Kleinert FDP 11575 C Schmidt, Bundeskanzler 11579 A Graf Stauffenberg CDU/CSU 11581 A Dr. Wendig FDP 11585 D Vogel (Ennepetal) CDU/CSU 11590 B Waltemathe SPD 11593 B Dr. Dr. h. c. Maihofer FDP 11596 A Dr. Mikat CDU/CSU 11601 C Dr. Lenz (Bergstraße) CDU/CSU 11607 C Dr. Vogel (München) SPD 11611 C Engelhard FDP 11617 A Dr. Weber (Köln) SPD 11619 C Wissmann CDU/CSU 11622 A Oostergetelo SPD 11624 A Dr. Klein (Göttingen) CDU/CSU 11625 D Frau Matthäus-Maier FDP 11627 C Blumenfeld CDU/CSU 11631 A Hartmann CDU/CSU 11633 B Hansen SPD 11635 B Helmrich CDU/CSU 11638 A Dr. Schwencke (Nienburg) SPD 11639 C Dr. Schwarz- Schilling CDU/CSU 11642 B Dr. Stark (Nürtingen) CDU/CSU 11645 B Sieglerschmidt SPD 11647 A Josten CDU/CSU 11649 C Präsident Carstens 11575 A Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland (Europaabgeordnetengesetz) — Drucksache 8/362 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/2708 — Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses — Drucksache 8/2707 — Krey CDU/CSU 11651 A Bühling SPD 11652 C Dr. Klepsch CDU/CSU 11654 D Wolfgramm (Göttingen) FDP 11656 D Luster CDU/CSU 11657 D Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die unentgeltliche Beförderung Schwerbehinderter im öffentlichen Personenverkehr — Drucksache 8/2453 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/2697 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 8/2696 — Hölscher FDP 11658 C, 11660 C Burger CDU/CSU 11658 D Kratz SPD 11659 D Dr. Ehrenberg, Bundesminister BMA . . 11661 D Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Forschung und Technologie zu dem Antrag der Fraktionen der SPD und FDP Enquete-Kommission „Zukünftige Energie-Politik" und dem Antrag der Abgeordneten Lenzer, Pfeifer, Dr. Probst, Benz, Engelsberger, Gerstein, Dr. Hubrig, Dr. Riesenhuber, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Dr. Laufs, Pfeffermann, Dr. Stavenhagen, Frau Dr. Walz, Dr. Narjes und der Fraktion der CDU/CSU Enquete-Kommission „Zukünftige Energie-Politik" — Drucksachen 8/2353, 8/2374, 8/2628 — Dr. Freiherr Spies von Büllesheim CDU/CSU 11663 B Ueberhorst SPD 11664 D Dr.-Ing. Laermann FDP 11666 A Bericht des Ausschusses für Forschung und Technologie gemäß § 60 Abs. 3 der Geschäftsordnung zu dem Antrag der Abgeordneten Lenzer, Dr. Riesenhuber, Dr. Probst, Pfeifer, Benz, Engelsberger, Gerstein, Dr. Hubrig, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Dr. Stavenhagen, Frau Dr. Walz, Pfeffermann und der Fraktion der CDU/CSU Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 145. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. März 1979 III Einrichtung einer Prognose- und Bewertungskapazität zur Begutachtung technologischer und forschungspolitischer Entwicklungen beim Deutschen Bundestag — Drucksachen 8/1241, 8/2629 (neu) — Dr. Riesenhuber CDU/CSU 11667 B Stockleben SPD 11669 B Dr.-Ing. Laermann FDP 11670 D Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu den Verträgen vom 17. November 1977 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik über den Bau einer Autobahnbrücke über den Rhein zwischen Steinenstadt und Ottmarsheim sowie über den Bau einer Straßenbrücke über den Rhein zwischen Weil am Rhein und Hüningen — Drucksache 8/2437 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/2686 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr und für das Post-und Fernmeldewesen — Drucksache 8/2642 — 11672 D Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den gewerblichen Binnenschiffsverkehr — Drucksache 8/2366 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen — Drucksache 8/2640 — 11673 A Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 12. Februar 1971 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über den Luftverkehr — Drucksache 8/2436 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen — Drucksache 8/2669 — 11673 B Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Elften Gesetzes zur Änderung des Viehseuchengesetzes — Drucksache 8/2646 — 11673 C Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 20. Juli 1978 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung des Großherzogtums Luxemburg über verschiedene Fragen der Sozialen Sicherheit Drucksache 8/2645 — 11673 D Beratung der Sammelübersicht 43 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 8/2665 11673 D Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu dem Antrag des Bundesministers der Finanzen Veräußerung von Teilflächen des ehemaligen Standortübungsplatzes Bad Vilbel an die Stadt Frankfurt — Drucksachen 8/2478, 8/2648 — 11674- A Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Verbilligte Veräußerung von bundeseigenen Grundstücken — Drucksachen 8/2558, 8/2649 — 11674 A Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu der zustimmungsbedürftigen Verordnung der Bundesregierung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs (Nr. 3/79 — Zollkontingent für Walzdraht 1. Halbjahr 1979) — Drucksachen 8/2536, 8/2632 — 11674 B Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag einer Verordnung des Rates zur Anpassung der Kapazität für den gewerblichen Güterkraftverkehr zwischen den Mitgliedstaaten — Drucksachen 8/2357, 8/2641 — 11674 B Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung VI Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 145. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. März 1979 Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 816/70 zur Festlegung ergänzender Vorschriften für die gemeinsame Marktorganisation für Wein — Drucksachen 8/2513 Nr. 3, 8/2670 — . . 11674 C Beratung des Berichts der Bundesregierung über Möglichkeiten zur Umstellung des 7 b EStG auf ein anderes Förderungssystem — Drucksache 8/2554 — 11674 D Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Auswirkungen des Gesetzes über steudrliche Vergünstigungen bei der Herstellung oder Anschaffung bestimmter Wohngebäude auf das geltende Grunderwerbsteuerrecht und über die Überlegungen, die zur Reform des Rechts der Grunderwerbsteuer angestellt worden sind — Grunderwerbsteuerbericht — Drucksache 8/2555 — 11674 D Nächste Sitzung 11675 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 11677* A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 145. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. März 1979 11559 145. Sitzung Bonn, den 29. März 1979 Beginn: 9.01 Uhr
  • folderAnlagen
    Berichtigung 144. Sitzung, Seite 11 405 A: In den Zeilen 10 bis 13 ist statt „ ... an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung — federführend —, an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit — mitberatend —" zu lesen: ,,... an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit — federführend —, an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung — mitberatend —" ; Seite 11 526 * D: In der Zeile 8 von unten ist statt „36" zu lesen: „38". Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordneter) entschuldigt bis einschließlich Dr. Aigner * 30. 3. Dr. Althammer 30.3. Dr. Bangemann* 29. 3. Dr. Becher (Pullach) 30. 3. Frau Berger (Berlin) 30. 3. Blumenfeld ** 30. 3. Dr. Corterier ** 30. 3. Frau Erler 30. 3. Fellermaier * 30. 3. Frau Fischer 30. 3. Friedrich (Würzburg) 29. 3. Genscher 30. 3. Dr. Hornhues 30. 3. Horstmeier 29. 3. Dr. Jahn (Braunschweig) * 30. 3. *) für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments *5) für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung ***) für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordneter) entschuldigt bis einschließlich Dr. h. c. Kiesinger 30. 3. Klinker 30. 3. Koblitz 30. 3. Lange * 30. 3. Leber 30.3. Lemp * 30.3. Lenzer 30.3. Dr. Müller *** 29.3. Müller (Mülheim) * 30. 3. Müller (Remscheid) 30. 3. Sauer (Salzgitter) 30. 3. Schmidt (München) * 30. 3. Schreiber* 30. 3. Dr. Schröder (Düsseldorf) 30. 3. Dr. Schwencke (Nienburg) *** 29. 3. Dr. Schwörer * 29. 3. Seefeld * 30. 3. Spitzmüller 30. 3. Stahlberg 30. 3. Dr. Starke (Franken) * 30. 3. Frau Tübler 30. 3. Dr. Vohrer *** 29. 3. Frau Dr. Walz 30. 3. Baron von Wrangel 30. 3. Wuwer 30.3. Ziegler 30. 3.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Carl Otto Lenz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will auf den Ursprung der jetzigen Debatte zurückkommen. Diese Debatte wurde von dem Kollegen Wehner ausgelöst. Er hat sie etwa wie folgt begründet: Mord ist Mord; das Leben ist das höchste Rechtsgut; deswegen sollte Mord nicht verjähren.
    Meine Damen und Herren, ich will mich mit dieser Argumentation auseinandersetzen. Herr Wehner sagt: Das Leben ist das höchste Rechtsgut. Ich bin nicht ganz sicher, ob ich ihm da folgen kann. Millionen von Menschen haben ihr Leben für andere Rechtsgüter eingesetzt: Freiheit des einzelnen, Freiheit des Vaterlandes, Freiheit der Religion. Millionen haben ihr Leben dafür verloren. Die Existenz der allgemeinen Wehrpflicht und die Existenz der Bundeswehr, meine Damen und Herren, sind der Ausdruck dafür, daß es in unserer Rechtsordnung jedenfalls auch andere, mindestens gleichwertige, wenn nicht höhere Rechtsgüter gibt.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Das ist wohl auch das, was der Dichter meint, wenn er sagt: „Das Leben ist der Güter höchstes nicht."
    Aber ohne Zweifel können wir alle dem zweiten Teil seines Ausspruches zustimmen: „Der Übel größtes aber ist die Schuld." Mord ist schwerste Schuld. Wer menschliches Leben unter den erschwerenden Bedingungen des Mordes vernichtet, lädt schwerste Schuld auf sich, weil er unwiderruflich menschliches Leben vernichtet.
    Durch den millionenfachen Mord an Deutschen, • Juden, Polen, Russen, Zigeunern und Angehörigen anderer Nationalitäten zwischen 1933 und 1945 haben Deutsche millionenfach schwerste Schuld auf sich geladen. Dabei spreche ich nicht von Kriegsverbrechen, wie sie in jedem Krieg passieren, sondern ich spreche von Hitlers Massenmorden. Und diese erkennt man gerade daran, daß sie keine Kriegsverbrechen waren, sondern Massenmord, planmäßige Ausrottung ganzer Bevölkerungsgruppen, „Ungeziefervertilgung", wie die damaligen Herrscher das selber verstanden haben. Herr Kollege Erhard hat das heute morgen im einzelnen begründet. Diese Massentötungen waren Massenmorde, die durch keinerlei militärische oder politische Überlegungen erklärt, geschweige denn gerechtfertigt werden können. Im Gegenteil, politische, militärische und rechtliche Gründe hätten es zwingend



    Dr. Lenz (Bergstraße)

    geboten, diese Morde zu unterlassen. Sebastian Haffner hat ganz recht, wenn er sagt: Hitler war ein Massenmörder in des Wortes wörtlicher Bedeutung. Und ich füge hinzu: Diejenigen, die ihm bei seinen Morden geholfen haben, waren es auch.
    1933 wurde ein Film fertiggestellt, der nicht ' mehr aufgeführt werden durfte, ein beeindruckender Film, den anzusehen sich heute noch lohnt. Der Titel lautet „Die .Herrschaft des Verbrechens". Ich glaube, kürzer und prägnanter kann man das, was zwischen 1933 und 1945 passiert ist, nicht fassen. Es war die Herrschaft des Verbrechens. Diese Herrschaft zu beenden, war eines der Motive des deutschen Widerstandes, in dem sich Männer und Frauen vieler politischer und weltanschaulicher Richtungen zusammengetan hatten. Eine beachtliche Zahl von ihnen hat nach dem Kriege ihre politische Heimat in der Christlich-Demokratischen und Christlich-Sozialen Union gefunden. Manchmal traten die Söhne an die Stelle der Väter, die Opfer ihres Widerstandes geworden waren. Einer von ihnen hat heute in dieser Debatte gesprochen.
    Das Erbe jener Männer und Frauen des deutschen Widerstandes lebt in der Union fort. Sie hat sich immer auch als die Partei des 20. Juli, des deutschen Widerstandes begriffen. Deswegen hat sich die Union auch der Einsicht nicht verschlossen, das Widerstandsrecht gegen Tyrannei in der Verfassung zu verankern. Deswegen hat niemand — weder im Inland noch im Ausland — das Recht, der Union zu unterstellen, sie wolle nationalsozialistische Verbrechen beschönigen, verdecken, entschuldigen oder rechtfertigen.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Das gilt unabhängig davon, welche Position der eine oder andere von uns in der heute debattierten Frage vertreten mag. Nichts liegt uns ferner als das. Im Gegenteil, wir werden uns gegen solche Versuche, von welcher Seite auch immer, leidenschaftlich, nachdrücklich und wirksam zur Wehr setzen.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Von welcher Seite auch immer!)

    Uns geht es, wie allen in diesem Hause, darum, die Wurzeln des Übels bloßzulegen, die Ursachen der Herrschaft des Verbrechens zu verstehen. Es hat millionenfach . Menschenopfer nicht nur in Deutschland gegeben, sondern auch in anderen totalitären Diktaturen. Deswegen verteidigen wir diesen Staat, den wir mit allen demokratischen Kräften unseres Volkes aufgebaut haben, mit solcher Leidenschaft nicht nur gegen die Bedrohung von außen, sondern auch gegen die Unterwanderung von innen. Wir wollen nicht, daß sich die Unfrei- ' heit und die Herrschaft des Verbrechens noch einmal in unserem Lande ausbreiten können. Wir sind uns alle, glaube ich, in der Beurteilung des Sachverhalts, um den es hier geht, einig. Die nationalsozialistischen Gewalttaten waren Mord und müssen wie Mord behandelt werden.
    Nun sagen viele geschätzte Kollegen von uns, Mord solle nicht verjähren, weil die Verjährung den Schutz des menschlichen Lebens beeinträchtigen würde. Es gibt im Strafgesetzbuch zahlreiche Vorschriften, die direkt oder indirekt dem Schutz des menschlichen Lebens dienen, ohne daß etwa gefordert wird, sie alle unverjährbar zu machen.

    (Erhard [Bad Schwalbach] [CDU/CSU] : Sehr gut!)

    Dies gilt insbesondere für den Tatbestand des Totschlages, der von dem Mord ja nicht — wie zwei Welten voneinander — durch Abgründe geschieden ist, sondern nur durch eine dünne, durchsichtige Scheidewand von ihm getrennt ist.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Verfahren gegen nationalsozialistische Gewalttäter werden heute ja deshalb so massenfach eingestellt, weil es nicht genügt, daß man den Tätern die Tötung von Menschen nachweist. Hinzu kommen muß vielmehr noch, daß die Angeklagten — vereinfacht ausgedrückt — grausam oder aus niedrigen Beweggründen gehandelt haben. Dies ist heute nur noch schwer nachzuweisen. Der Schutz des Lebens oder die besondere Verwerflichkeit des Mordes reichen also im Gegensatz zu der Auffassung, die soeben hier vertreten wurde, zur Begründung der Unveijährbarkeit nicht aus.
    Geht es eigentlich überhaupt um die Verjährung von Mord? Vor zwei Jahren sind schreckliche Verbrechen indiesem Lande verübt 'worden. Wir alle, auf allen Seiten des Hauses, haben damals viel darüber nachgedacht, was getan werden muß, um diese Verbrechen wirksamer zu verhindern oder zu verfolgen; aber niemand ist damals auf den Gedanken gekommen, die Verjährungsfrist für Mord aufzuheben. Es handelt sich hier nicht in erster Linie um die Verjährung von Mord allgemein, sondern es handelt sich in erster Linie um die Verjährung von NS-Morden. Dafür sprechen ,auch die Zeit und der Ort des auslösenden Diskussionsbeitrages des Herrn Kollegen Wehner.
    Es war auch ganz natürlich, daß damals 1977 niemand auf den Gedanken gekommen ist, die Verjährung für Mord aufzuheben; denn die Verjährung von Mord gehört seit fast 150 Jahren zur Tradition modernen Rechtsdenkens in Deutschland. Niemand kommt unter normalen Umständen auf den Gedanken, von dieser Tradition abzuweichen. Daß der damalige Staatssekretär und spätere Präsident des Volksgerichtshofs Roland Freisler aus dieser Tradition ausbrechen wollte, ist eher eine Bestätigung ihres liberalen und rechtsstaatlichen Charakters als ein Gegenbeweis dafür.
    Verlangt nun der im Wortsinne außerordentliche Charakter der nationalsozialistischen Gewaltverbrechen eine Ausnahme von dieser Regel? Diese Frage kann man nicht beantworten, ohne lauf den Zweck der Verjährung einzugehen. Die Verjährung dient nicht dem Schutze des Verbrechers — und deswegen kann von Amnestie, Gnadenerweis oder etwas ähnlichem in diesem Zusammenhang überhaupt keine Rede sein —,

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    sondern die Verjährung dient dem Schutz der
    Rechtspflege vor Überforderung. Herr Kollege Er-
    Deutscher Bundestag - 8. Wahlperiode - 145: Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. März 1979 11609
    Dr. Lenz (Bergstraße)

    hard hat das heute morgen mit einem Zitat aus dem frühen 19. Jahrhundert belegt, und bis heute hat sich daran nichts geändert. Der Deutsche Richterbund hat darauf in seiner Stellungnahme noch einmal eindringlich hingewiesen.
    Man muß sich die Sache einmal praktisch vorstellen. Es steht gar nicht zur Verhandlung, ob in deutschen Konzentrationslagern Millionen Menschen getötet worden sind, sondern es steht ausschließlich zur Verhandlung, ob der jeweilige Angeklagte an bestimmten Vernichtungshandlungen beteiligt war, wobei Ort und Zeit genau bestimmt sein müssen. Soweit solche Beteiligungen heute bekannt sind, werden Verfahren in den kommenden Jahren noch möglich sein; allerdings werden sie wohl nur in den seltensten Fällen . zum Erfolg führen..
    Dies hat gerade der Maidanek-Prozeß in Düsseldorf überzeugend bewiesen. In Maidanek sind nach den Feststellungen der Staatsanwaltschaft in den Gaskammern des Vernichtungslagers in den Jahren von 1942 bis 1944 mit Sicherheit eine halbe Million Juden getötet worden, und zwar — das war die besondere Scheußlichkeit dieses Lagers
    auch zahlreiche Kinder. Drei der vier Angeklagten in diesem Prozeß, deren Freispruch jetzt beantragt worden ist, sollen an der Auswahl von Kindern für die Gaskammern beteiligt gewesen sein. Es gelang nicht, dies den Angeklagten nachzuweisen, weil die Zeugen keine präzisen Erinnerungen mehr hatten, vernehmungsunfähig oder inzwischen verstorben waren. Die Vorstellung, daß diese Angeklagten zu Unrecht freigesprochen werden, ist erschreckend. Die. Vorstellung aber, daß sie mangels sorgfältiger Würdigung der Beweise verurteilt würden, ohne an der Vergasung von Kindern beteiligt gewesen zu sein, ist in meinen Augen genauso erschreckend. .
    Wir stoßen hier an die Grenzen der menschlichen Erkenntniskraft.

    (Dr. Mertes IGerolstein] [CDU/CSU]: Das ist richtig!)

    Ein Professor des. Strafrechts hat neulich in einer Diskussion über unser Thema gesagt: Wir glauben, daß wirr durch unsere Gesetze den Ablauf der Prozesse gegen nationalsozialistische Gewaltverbrecher bestimmen; aber das stimmt gar nicht; diese Verfahren werden nicht von den Prozeßgesetzen, sondern von den; Naturgesetzen bestimmt und diese Gesetze können wir nicht ändern, selbst wenn wir es wollen.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Mit anderen Worten: Die Verjährung ist keine willkürliche oder nur durch die Tradition geheiligte Einrichtung, sondern die gesetzliche Schlußfolgerung aus einem Lebenssachverhalt. Wenn jemand mehr als 30 Jahre nach der Tat noch nicht entdeckt ist, dann ist es normalerweise nicht mehr möglich, den Beweis seiner Schuld zu führen. Dann sind Polizei, Staatsanwaltschaft, Zeugen und Richter bei dieser Aufgabe überfordert. Und nur deswegen gibt es eine Verjährung.
    Nichts aus den Erfahrungen mit den NS-Prozessen beweist die Unrichtigkeit dieses Satzes. Im Gegenteil, er ist immer wieder in erschütternder Weise bestätigt worden. Von den in den beiden letzten Jahren neu eingeleiteten 168 Ermittlungsverfahren in NS-Sachen mußten fast alle mangels eines hinreichenden Verdachts gegen einen bestimmten Täter eingestellt werden.
    Deswegen setzen wir gegen den Satz „Mord darf nicht verjähren„ den . Satz „Menschen dürfen auch nicht durch die Prozeßordnung vom Staat überfordert werden" .

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Hier ist eingewendet worden, die Menschen würden auch durch die Fortsetzung der Verfahren ge- gen die schon bekannten Täter in jenen Fällen, wo die Verjährung, wie • die Juristen sagen, unterbrochen worden ist überfordert. Ich bekenne hier freimütig, daß das in vielen Fällen so ist. Trotzdem ist in diesen Fällen die Ausgangslage immer noch besser als in den Fällen, wo erst nach dem 1.. Januar 1980 die Ermittlungen aufgenommen werden können. In den Verfahren, in denen die Verjährung unterbrochen worden 'ist, sind die Täter bekannt; Beweismittel sind schon heute vorhanden. Man kann sich also schon auf etwas stützen. Im übrigen vermag das Prozeßgesetz der Unterbrechung der Verjährung das Naturgesetz der Unmöglichkeit oder Fast-Unmöglichkeit der Aufklärung nicht außer Kraft zu setzen. Die Schwierigkeiten können in diesen Fällen ebenso groß sein wie in den Fällen, in denen die Ermittlungen erst in Zukunft aufgenommen werden. Wir sehen das durchaus ein. Die bisherigen Änderungen des Verjährungsgesetzes haben das Naturgesetz nicht ärndern können.
    Nun sagt man uns, wir sollten eine Amnestie vorschlagen. Wir wollen das nicht. Wir können das nicht. Wir wollen nur dies: NS-Mörder nicht anders behandeln als andere Mörder. Wir wollen für NS-Täter keine Ausnahme machen, weder in
    dem einen noch in dem anderen Sinn.

    (Erhard [Bad Schwalbach] Sehr richtig!)

    Im übrigen hat der Kollege Mikat hier gefragt, ob wir aus der Schwierigkeit, die durch die massenhafte Unterbrechung der Verjährungsfristen in der Vergangenheit entsteht, denn nicht Schlußfolgerungen ziehen müßten. Herr Kollege Mikat, diese Schlußfolgerungen haben wir ja bereits gezogen.

    (Erhard [Bad Schwalbach] [CDU/CSU) So

    ist es!)
    Wir haben ja 1975 die entsprechenden Vorschriften der Strafprozeßordnung geändert so daß heute die Unterbrechung der Verjährung nicht mehr so leicht möglich ist, wie sie damals war. Wir haben also unsere Hausaufgaben auf diesem Gebiete schon gemacht.
    Natürlich ist auch uns klar, meine Damen und Herren, daß ein historischer Unterschied zwischen den Taten Hitlers und denen eines gewöhnlichen Massenmörders besteht, wo die Opfer nach. Dutzenden oder höchstens nach Hunderten zählen. Aber



    Dr. Lenz (Bergstraße)

    darum geht es ja im Strafprozeß gar nicht. Im Strafprozeß geht es - und das hat der Kollege Graf Stauffenberg heute morgen sehr eindrücklich geschildert — ausschließlich darum, ob jemand rechtswidrig und schuldhaft unter den erschwerenden Bedingungen des Mordes Menschen getötet hat. Es nutzt auch gar nichts, daß Than weiß, daß der Angeklagte zu einet bestimmten SS-Einheit gehört hat, die in einem bestimmten Gebiet in einer bestimmten Zeit zahllose Russen, Juden oder Polen getötet hat, sondern es muß ihm nachgewiesen werden, dem jetzt konkret dastehenden Angeklagten, daß er an einer dieser Taten beteiligt war und nicht etwa auf Urlaub war oder im Lazarett oder in der Schreibstube gesessen hat zu der Zeit, als die Taten begangen wurden. Wir wollen das Strafgesetzbuch um der NS-Morde willen weder abschwächen noch verschärfen, sondern wir wollen es anwenden, so wie es für jedermann gilt.
    Meine Damen und Herren, man hält uns entgegen, andere Rechtssysteme kennten die Einrichtung der Verjährung nicht. Das ist richtig, aber auch andere Länder führen nach 35 Jahren keine Strafprozesse mehr. In den Vereinigten Staaten, wo die Verjährung weitgehend unbekannt ist, hat der Staatsanwalt das Recht, zu entscheiden, ob er Anklage erheben will oder nicht. Er wird nur Anklage erheben, wenn er Aussicht auf einen Schuldspruch hat.
    Die Aussicht auf einen Schuldspruch bei NS-
    Verfahren ist denkbar gering. Im Jahre 1977 gab es drei Verurteilungen zu lebenslanger Freiheitsstrafe, vier Verurteilungen zu einer zeitigen Freiheitsstrafe und 2 709 Verfahren, die ohne Bestrafung abgeschlossen wurden. Meine Damen und Herren, das ist eine -- ich sage es in Anführungsstrichen —,,Erfolgsquote" von etwa einem Viertel Prozent, von 2,5 Promille. Aber in all diesen 2 709 Fällen wurde von Staatsanwälten, Gerichten und Zeugen gefordert, Beweis zu erbringen, der nicht mehr zu erbringen war.
    Neulich wurde mir von einem Verteidiger be- richtet,' der auf NS-Verfahren spezialisiert ist. Er soll gesagt haben: „Ich bin für die Aufhebung der Verjährung; nirgendwo habe ich eine höhere Quote von Freisprüchen." Das .mag zynisch klingen, meine 'Damen und Herren, aber leider hat er recht. Es kann nicht unsere Aufgabe sein, diese Überforderung, die wir dort hinnehmen müssen, wo sie besteht, auch noch auszudehnen auf weitere Fälle.
    Meine Damen und Herren, wir überfordern die Gerichte und die Staatsanwaltschaften. Wir überfordern aber noch mehr die Zeugen, vor allem diejenigen Zeugen, die Opfer des Verbrechens waren. Herr Oberstaatsanwalt Rückerl schildert in seinem Buch den Brief eines ehemaligen Konzentrationslagerhäftlings, der als Zeuge in einem solchen Verfahren aufgetreten war. Er sagt folgendes:
    Man veriangt von uns, daß wir, wenn wir dabeigewesen sein sollen, auch alles gesehen und alles gehört haben müssen. Dabei waren wir vor Angst und Schrecken nahezu gelähmt, und unsere Sinne nahmen kaum mehr etwas wahr. Man fordert von uns, die Stunde, den
    Tag zu nennen, aber wir besaßen im Lager keine Uhr, keinen Kalender. Wir wußten oft nicht einmal, ob es ein Sonn- oder Feiertag war. Wir sollen das Aussehen unserer Henker beschreiben. In ihren Uniformen sahen sie aber für uns alle gleich aus. Wenn wir uns dann, nachdem seit der Tat mindestens 20 Jahre vergangen sind, in einem Punkte irren, werden unsere Aussagen in Bausch und Bogen abgetan.
    Meine Damen und Herren, es ist unter diesen Umständen nicht verwunderlich, daß z. B. in den Vereinigten Staaten zahlreiche Zeugen gar nicht mehr bereit waren auszusagen.
    Meine Damen und Herren, nun sagen Sie: Das müssen wir in Kauf nehmen. Meine Damen und Herren, das ist ' nicht das Problem. Wir -nehmen hier relativ wenig in Kauf. Für uns ist das Problem trotz aller seiner Schwere mit einigen Sitzungen des Plenums, der Ausschüsse und der Fraktionen entschieden. Gerichte und Staatsanwaltschaften müssen sich jahrelang damit abquälen. Die Dauer der Verfahren betrug im Jahre 1977 im Durchschnitt 18,8 Jahre, 1962 dagegen nur 3,6 Jahre. Wir fordern hier von der Justiz etwas Menschenunmögliches,' wenn wir verlangen, daß sie diese Taten noch aufklärt.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Der häufigste Weg, solche Prozesse zu vermeiden, d. h. solche, die nicht mehr zur Verurteilung führen können, ist die Einrichtung der . Verjährung. Die Frist beträgt in Belgien 10 Jahre, in Holland 18 Jahre, in der Schweiz 20 Jahre, in Norwegen und in Schweden 25 Jahre. Ich weiß, daß es andere Länder gibt, die Mordverjährung nicht kennen; aber ich kenne keines — und es ist in der heutigen Debatte auch noch keines zitiert worden —, wo nach 35 Jahren noch Strafprozesse durchgeführt werden. Wir haben genug Probleme mit den schon angelaufenen Verfahren. Wir wollen diese Probleme nicht durch eine Gesetzesänderung noch vermehren.
    Man wird uns antworten: Viele Menschen im In-und Ausland werden diese Entscheidung nicht verstehen. Meine Dame n und Herren, ich wische dieses Argument nicht mit einer Handbewegung vom Tisch. Eine Welle der Kritik im In- und Ausland — vor allem im Ausland . kann Deutschlands Stellung schwächen. Es ist legitim und nicht illegitim, diesen Gesichtspunkt in die Beratungen mit einzubeziehen. Nur befürchte ich, wir werden durch eine Gesetzesänderung dieser Kritik nicht entgehen. Es wird in den NS-Verbrechen fast nur noch Freisprüche geben können, und jeder neue Freispruch wird zu neuer Kritik führen. Wir hätten uns schon viel Kritik erspart, wenn wir 1965 die Verjährungsfrist nicht mehr hinausgeschoben und sie 1969 nicht verlängert hätten. Ich war damals der Überzeugung, mit der Verlängerung der Verjährungsfrist um zehn Jahre sei das letzte Wort gesprochen, nachdem wir uns ja schon drei- oder viermal mit dieser Angelegenheit beschäftigt hatten.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Es ist hier ja auch so gesagt worden!)




    Dr. Lenz (Bergstraße)

    Ich bedaure es zutiefst, daß viele von denen, die damals mit mir gestimmt haben, heute ihre damalige Entscheidung wieder rückgängig machen wollen. Der prominenteste unter ihnen ist zweifellos der Kollege Wehner, der 1969 als einziges Mitglied des Kabinetts Kiesinger für die zehn Jahre Verlängerung im Deutschen Bundestag gestimmt hat.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das Recht war für ihn immer nur eine opportune Sache! — Dr. Ehmke [SPD] : Sehen Sie doch vorsichtshalber mal nach; das ist Unsinn, was Sie da sagen!)

    — Ich habe das Protokoll, Herr Kollege Ehmke, für Ihren Zwischenruf wohl vorbereitet auf meinem Pult liegen. Wir können das gleich klären.

    (Zuruf des Abg. Wehner [SPD])

    Wir werden die ausländische Kritik tragen müssen, gleichgültig, was wir tun. Es hat mich tief betroffen, meine Damen und Herren, daß ein Mann wie Adalbert Rücken ins Schußfeld dieser Kritik geraten ist. Rückerl hat sich wohl mehr als irgendein anderer Verdienste um die Strafverfolgung von nationalsozialistischen Verbrechen erworben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der SPD)

    Er mußte damit rechnen, daß er von mancher Seite im Inland dafür Haß und Verachtung erntet. Ich bewundere seinen Mut, daß er dies getragen hat. Die Dokumentation, die er kürzlich veröffentlicht hat, gibt eine nüchterne Schilderung der ungeheuren Aufgabe, der er sich unterzogen hat. Daß er deswegen von gewisser Seite gescholten wird, hat er nicht verdient.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    Ich füge hinzu, auch die deutsche Justiz hat keine Schelte verdient. Sie hat unter schwierigsten Umständen ihre Pflicht getan. Alexander Solschenizyn ist einer der wenigen, die das anerkannt haben. Ich möchte ihm hier dafür danken.

    (Beifall bei der CDU/CSU)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Däubler-Gmelin?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Carl Otto Lenz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Nein, Frau Präsidentin. Das möchte ich heute nicht tun.
    Meine Damen und Herren, hier handelt es sich nicht darum, daß die einen mehr für Selbstreinigung sind als die anderen oder die einen die antifaschistische Tradition der deutschen Nachkriegspolitik in Frage stellen wollen. Hier handelt es sich, wie der Kollege Mertes zu Recht formuliert hat, darum, daß sich die Befürworter der Mordverjährung, darunter namhafte NS-Opfer, von den Befürwortern einer erneuten Strafrechtsänderung nicht durch ein Mehr oder Weniger an Willen zur Selbstreinigung oder mangelnde antifaschistische Kontinuität unterscheiden, sondern ausschließlich durch eine andere Auffassung von den Möglichkeiten gerichtlicher Wahrheitsfindung und Gerechtigkeit gegenüber den einzelnen Straftätern aus den Jahren der Zeit von 1933 bis 1945. Das ist der Punkt, um den es hier geht.
    Die Bewältigung unserer Vergangenheit, die geschichtliche Besinnung auf die Ursachen der Herrschaft des Verbrechens darf nicht auf die Justiz abgeschoben werden. Wir wollen, wir können und wir dürfen keinen Schlußstrich unter die Geschichte ziehen, insbesondere unter die Geschichte Deutschlands und Europas der letzten 50 Jahre. Aber wir sollten einen Schlußstrich unter die Versuche ziehen, diese Geschichte mit den Mitteln der Justiz, mit den Mitteln einer abermaligen Verlängerung der Verjährungsfrist, d. h. mit ungeeigneten Mitteln bewältigen zu wollen.

    (Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)